Urteil vom Oberlandesgericht Köln - Ss 340/95 - 104 -
Tenor
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G r ü n d e :
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Die zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am 29.12.1993 einen Hausfriedensbruch und in Tateinheit damit eine Nötigung begangen sowie am 11.01.1994 eine Erpressung versucht zu haben. Das Amtsgericht hat den Angeklagten freigesprochen.
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Das Amtsgericht hat folgendes festgestellt:
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"Der Angeklagte war seinerzeit als Rechtsanwalt von dem Zeugen H. konsultiert worden. Dieser hatte von der damaligen Eigentümerin des Hauses in der M.straße 14 in B. dieses Objekt erworben. Das Haus wurde damals von dem Botschaftsrat der Republik K., dem Zeugen N., und seiner Familie bewohnt. Herr N. befand sich im Dezember 1993 seit neun Monaten mit der Miete in einer Gesamthöhe von 27.000,00 DM in Rückstand und bewohnte trotz ordnungsgemäßer Kündigung durch die Äbtissin Ho. und Zusage der Räumung bis zum 01.12.1993 immer noch das Haus. In dieser Situation erbat Herr H., der noch nicht Ei-gentümer, aber aufgrund einer Besitzübertragung be-reits Besitzer des Hauses in der M.straße war, den anwaltlichen Rat des Angeklagten. Da Herr N. als Botschaftsangehöriger nicht der deutschen Gerichts-barkeit unterworfen ist, riet der Angeklagte seinem Mandanten zur Räumung und Unterstellung des Hausmo-biliars in Ausübung eines angeblichen Selbsthilfe-rechts gemäß § 229 BGB.
1011
Am 29.12.1993 wurde dieses Vorhaben in die Tat um-gesetzt. Der Angeklagte, die Zeugen H. und D. sowie mehrere unbekannte Hilfspersonen betraten in Abwe-senheit der Eheleute N. deren Wohnung, räumten die-se leer und verbrachten die Einrichtungsgegenstände in ein Möbellager. Die beiden in der Wohnung be-findlichen Kleinkinder wurden in die Botschaft von K. verbracht.
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Am 11.01.1994 sandte der Angeklagte nach Absprache mit seinem Mandanten, dem Zeugen H., ein Schreiben an den Zeugen N. ab, in dem er diesem androhte, sein Mobiliar versteigern zu lassen, falls er nicht die ausstehenden Mietzahlungen, die Räumungs- und Anwaltskosten begliche. Nachdem der Zeuge N. straf-rechtliche Vorwürfe erhoben hatte, sind die Ein-richtungsgegenstände vollständig an den Zeugen N. zurückgegeben worden."
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Die Einlassung des Angeklagten hat das Amtsgericht wie folgt mitgeteilt:
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"Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, er sei auch heute noch der Auffassung, sich nicht strafbar gemacht zu haben. Er vertritt die Ansicht, das Betreten und Leerräumen des Hauses in der M.straße sei in Ausübung eines Selbsthilferechts gemäß § 229 BGB und damit gerechtfertigt erfolgt. Aufgrund dessen sei auch die Androhung der Ver-wertung der eingelagerten Einrichtungsgegenstände nicht rechtswidrig gewesen, da Herrn H. ein Vermie-terpfandrecht an den bei Räumung mitgenommenen Ge-genständen zugestanden habe."
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Das Amtsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Angeklagte die Strafvorschriften Hausfriedens-bruch, Nötigung und versuchte Erpressung tatbe-standsmäßig und rechtswidrig erfüllt habe.
2021
Zum Selbsthilferecht gemäß § 229 BGB heißt es im angefochtenen Urteil:
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"Das Betreten der Wohnung war entgegen der Ansicht des Angeklagten nicht gemäß § 229 BGB gerechtfer-tigt. Die Rechtsordnung ist von dem Gedanken be-herrscht, daß die eigenmächtige Durchsetzung eines Anspruchs grundsätzlich unzulässig ist. Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen erlaubt § 229 BGB eine vorläufige Sicherung eines Anspruchs im Wege der Selbsthilfe. Die endgültige Entscheidung muß immer dem Gericht überlassen bleiben. Voraussetzung für die Selbsthilfelage ist ein privatrechtlicher Anspruch, dessen Befriedigung von den zuständigen staatlichen Stellen, insbesondere den Gerichten, erzwungen werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Zeuge N. als Diplomat nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt. Bei dem An-spruch der Eigentümerin bzw. des Käufers des Grund-stücks handelt es sich um einen unklagbaren und vollstreckungsunfähigen Anspruch. Ein solcher An-spruch kann ein Selbsthilferecht nicht gewähren."
2425
Das Amtsgericht hat den Angeklagten freigesprochen, weil er ohne Schuld gehandelt habe. Dazu hat es ausgeführt:
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"Der Angeklagte handelte jedoch in allen Fällen ohne Schuld, weil er im Irrtum darüber war, daß ein Selbsthilferecht nicht bestand und er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Zwar besteht grund-sätzlich für jeden Täter, insbesondere auch für einen Rechtsanwalt, eine Erkundigungspflicht. Der Angeklagte hat jedoch dargelegt, daß er sich über die geltenden Vorschriften intensiv erkundigt habe und vertritt auch heute noch die Auffassung, daß ihm ein Selbsthilferecht zustehe. Der Angeklagte handelte somit schuldlos..."
2829
Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt Verletzung materiellen Rechts. Die Feststellungen im Urteil zur Frage der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums seien lückenhaft.
3031
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurück-verweisung der Sache an das Amtsgericht.
3233
Das angefochtene Urteil ist wegen materiell-rechtlicher Unvollständigkeit aufzuheben.
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Die Ausführungen des Amtsgerichts zum unvermeid-baren Verbotsirrtum, mit denen es den Freispruch begründet hat, halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
3637
Hinsichtlich der ersten Tat, nämlich der Räumung der Wohnung am 29.12.1993, ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Angeklagte den Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) und den des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) verwirklicht hat.
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Entgegen BGH wistra 1987, 212 kann die Gewaltan-wendung i.S.d. § 240 StGB allerdings nicht damit begründet werden, daß der Angeklagte dem Zeugen N. ein empfindliches Übel zugefügt hat (vgl. SenE StV 1990, 266 und NZV 1989, 157). An der Ablehnung von BGH wistra (a.a.O.) ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.01.1995 (NJW 1995, 1141 = NStZ 1995, 275 = StV 1995, 242) erst recht festzuhalten.
4041
Gleichwohl ist im vorliegenden Fall Gewaltanwendung i.S.d. § 240 StGB zu bejahen.
4243
Gewalt gegen Sachen ist Gewaltanwendung, wenn sie von der Person, gegen die sie gerichtet ist, nicht nur als seelischer, sondern auch als körperlicher Zwang empfunden wird (SenE NJW 1983, 2206; StV 1990, 266). Jedenfalls in Fällen erheblicher körperlicher Kraftentfaltung - wie beim Ausräumen einer Wohnung - ist daran festzuhalten. Die verfas-sungsrechtlichen Bedenken des Bundesverfassungsge-richts (a.a.O.) betreffen nur solche Fälle, in de-nen die körperliche Kraftentfaltung sich im wesent-lichen auf die körperliche Anwesenheit beschränkt. Als körperlich wird ein Zwang empfunden, wenn das Opfer ihm gar nicht, nur mit erheblicher Kraftent-faltung oder in unzumutbarer Weise begegnen kann (SenE NZV 1989, 157; StV 1990, 266; BayObLG NJW 1990, 59).
4445
Im vorliegenden Fall mußten die Opfer (die Familie N.) das gewaltsame Ausräumen der Wohnung als kör-perlichen Zwang empfinden, da sie der Gewalt gar nicht oder allenfalls mit erheblicher Kraftentfal-tung begegnen konnten. Durch das gewaltsame Ausräu-men der Wohnung wurden die Opfer unter Verletzung ihrer Willensentschließungs- und Willensbetäti-gungsfreiheit zur Aufgabe ihrer Wohnung gezwungen. Auch wenn die Opfer zur Zeit des Ausräumens nicht anwesend waren, wirkte die Gewalt gegen ihre Person (vgl. RGSt 9, 58, 59; 20, 354, 355), da ihnen die Wohnung und damit eine wesentliche Grundlage ihrer Existenz genommen wurde.
4647
In Ansehung der Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit macht es keinen Unterschied, ob der Bewoh-ner durch absolute Gewalt aus der Wohnung heraus-gedrängt wird oder durch Einwirkung auf die Wohnung selbst. Durch Ausräumen hört die Wohnung als solche auf zu existieren, so daß der Mieter gezwungen ist, für ein anderweitiges Unterkommen zu sorgen und seinen persönlichen Widerstand gegen die Gewalt-tätigkeit aufzugeben (RGSt 7, 269, 272). Ein Wohn-raum, aus welchem das Mobiliar entfernt ist, wird regelmäßig für den bisherigen Bewohner seinen Zweck nicht mehr erfüllen können, ihm daher den Entschluß aufnötigen, denselben aufzugeben (vgl. RGSt 7, 269, 272).
4849
Auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 123 StGB hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei als erfüllt angesehen.
5051
Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist das Amtsgericht ebenfalls zutreffend von der Rechtswidrigkeit der Handlungen des Angeklagten (§§ 240, 123 StGB) ausgegangen. Die Frage, ob die Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes der Selbsthilfe i.S.d. § 229 BGB gegeben sind, hat es im Ergebnis mit Recht verneint.
5253
§ 229 BGB lautet - hinsichtlich der hier in Betracht kommenden Voraussetzungen - wie folgt:
5455
"Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache weg-nimmt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrig-keitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde."
5657
Zwar kann den Feststellungen des Amtsgerichts noch hinreichend entnommen werden, daß auch der Zeuge H., für den die Räumung durchgeführt wurde, trotz der bis zum 29.12.1993 noch nicht erfolgten Eigen-tumsumschreibung infolge der "Besitzübertragung" gegenüber dem Mieter N. einen Anspruch auf Räumung hatte (vgl. §§ 868, 870 BGB). Die weiteren Voraus-setzungen der Selbsthilfe sind indes nicht erfüllt.
5859
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob - wie das Amtsgericht meint - die Immunität des Mieters (vgl. § 18 GVG i.V.m. Art. 31 des Wiener Überein-kommens über diplomatische Beziehungen - WÜD - vom 18.04.1961, BGBl. 1964 II S. 957 f.) den Räumungs-anspruch des Zeugen H. zu einem unklagbaren und vollstreckungsunfähigen Anspruch machte und deswe-gen Selbsthilfe ausgeschlossen war oder ob - wie in der Literatur wohl einhellig vertreten wird - die Immunität aufgrund des Wiener Übereinkommens Selbsthilferechte von Privatpersonen nicht aus-schließt (vgl. zu letzterem: Wolf in Münchener Kom-mentar, ZPO, vor §§ 18-20 GVG Rdnr. 5; Kissel, GVG, 2. Aufl., § 18 Rdnr. 8). Selbst wenn grundsätzlich Selbsthilfe nach § 229 BGB gegen Diplomaten trotz ihrer Immunität möglich ist, war im vorliegenden Fall die Räumung der Wohnung nicht nach § 229 BGB gerechtfertigt.
6061
Nach § 229 BGB können nur solche Maßnahmen zuge-lassen werden, welche auch staatliche Organe zur Sicherung des gefährdeten Anspruchs hätten treffen können (Dilcher in Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 229 Rdnr. 5; v. Feldmann in Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 229 Rdnr. 5). Die Räumung von Wohnraum kann aber in Deutschland auch von staat-lichen Organen nicht ohne weiteres als Sicherungs-maßnahme angeordnet werden. Dies ergibt sich aus § 940 a ZPO, wonach die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung nur wegen verbotener Eigen-macht angeordnet werden darf. Die Mieter hatten aber im vorliegenden Fall keine verbotene Eigen-macht begangen.
6263
Würde im vorliegenden Fall die Räumung der Wohnung durch Selbsthilfe zugelassen, läge darin eine Erweiterung des Selbsthilferechts, die in §§ 229, 230 BGB keine Stütze hat; denn gegenüber einem der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegenden Mieter ist die Zwangsräumung von Wohnraum ohne Vollstreckungs-titel im Wege der Selbsthilfe unzulässig, weil das Selbsthilferecht - soweit es nicht als Maßnahme ge-gen verbotene Eigenmacht in Betracht kommt - nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Anspruch-inhabers führen darf (vgl. § 230 Abs. 2 BGB) und ein dinglicher Arrest (vgl. ebenfalls § 230 Abs. 2 BGB; vgl. auch v. Feldmann in Münchener Kommentar, a.a.O., § 230 Rdnr. 2) zur Durchsetzung eines Räu-mungsanspruchs nicht in Betracht kommt. § 885 ZPO ist im Arrestverfahren nicht anwendbar, weil eine Vollstreckung nach dieser Vorschrift nicht nur zur Sicherung des Gläubigers, sondern bereits zu einer Befriedigung führen würde (vgl. Schütze in Wieczo-rek, ZPO, 2. Auflage, § 928 Anm. A I, B III).
6465
Darüber hinaus setzt Selbsthilfe i.S.d. § 229 BGB voraus, daß ohne "sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Anspruchs ver-eitelt oder wesentlich erschwert werde". Warum hier die Verwirklichung des Herausgabe- bzw. Räumungsan-spruchs ohne sofortiges Eingreifen gefährdet gewe-sen sein soll, ist nach den getroffenen Feststel-lungen nicht ersichtlich.
6667
Wieso das Amtsgericht trotz der auch vom Angeklag-ten erkannten Tatbestandsmäßigkeit der Handlungen (§§ 240, 123 StGB) und der Eindeutigkeit der Rechtslage in bezug auf die nicht vorliegenden Voraussetzungen der Selbsthilfe (§ 229 BGB) einen nicht vermeidbaren Verbotsirrtum des Angeklagten über das Bestehen bzw. die Grenzen dieses Rechtfertigungsgrundes (vgl. Lackner, StGB, 21. Aufl., § 17 Rdnr. 6) angenommen hat, läßt sich den Urteilsgründen nicht nachvollziehbar entnehmen. Insoweit ist das Urteil materiell-rechtlich unvoll-ständig.
6869
Ein Verbotsirrtum ist vermeidbar, wenn dem Täter sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähig-keiten und Kenntnisse hätte Anlaß geben müssen, über dessen Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich zu erkundigen, und er auf diesem Wege zu Unrechts-einsicht gekommen wäre (vgl. BayObLG NJW 1989, 1744; vgl. Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., § 17 Rdnr. 7 m.N.). Bei der Prüfung muß der Täter aller seine geistigen Erkenntniskräfte einsetzen und etwa auftauchende Zweifel durch Nachdenken und erfor-derlichenfalls durch Einholung von Rat beseitigen (BayObLG a.a.O.; vgl. Lackner a.a.O., § 17 Rdnr. 7 m.N.). Er darf nicht vorschnell auf die Richtigkeit des ihm günstigen Standpunkts vertrauen und darf seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen (Kroschel/Meyer-Goßner, Die Urteile in Strafsachen, 25. Aufl., S. 104). Be-sonders strenge Anforderungen sind an einen Rechts-kundigen zu stellen, da von ihm angenommen werden kann, daß er die Tragweite gesetzlicher Vorschrif-ten aufgrund seiner Vorbildung und Berufsausbildung zu erkennen vermag (Schroeder in Leipziger Kommen-tar, StGB, 11. Aufl., § 17 Rdnr. 30 m.N.).
7071
Diesen Grundsätzen werden die Ausführungen des Amtsgerichts nicht im Ansatz gerecht. Das Tatge-richt ist entsprechend der Einlassung des Angeklag-ten davon ausgegangen, daß sich dieser intensiv erkundigt habe. Es teilt aber nicht einmal mit, welche Quellen der Angeklagte zu seiner Erkundigung herangezogen hat und welche Erkenntnisse er - als erfahrener Rechtsanwalt - daraus gewinnen durfte. Wieso das Amtsgericht die Einlassung des Angeklag-ten, er vertrete auch heute noch die Auffassung, daß ein Selbsthilferecht bestanden habe, als Beleg für das Vorliegen der Unvermeidbarkeit des Irrtums mitanführt, ist nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang führt die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung zutreffend aus, die Tatsache, daß der Angeklagte einen irrigen Standpunkt so lan-ge unverändert aufrechterhalte, könne auch für eine selbstverschuldete Rechtsblindheit sprechen.
7273
Auch bezüglich des Vorwurfs der versuchten Er-pressung (§§ 253, 22 StGB) hält die Ansicht des Amtsgerichts, der Beklagte habe in unvermeidbarem Verbotsirrtum gehandelt, einer Überprüfung nicht stand. Selbst wenn der Angeklagte der Überzeugung war, daß die Räumung der Wohnung durch Selbsthilfe gerechtfertigt war, folgt daraus nicht, daß er auch die Versteigerung des Mobiliars für rechtmäßig halten durfte, da den §§ 229, 230 BGB ein Recht auf Versteigerung nicht entnommen werden kann.
7475
Hinsichtlich des Tatbestandes der Erpressung wird das Amtsgericht in der neuen Hauptverhandlung aber zunächst klären müssen, ob und in welchem Umfange ein rechtswidriger Vermögensvorteil erstrebt wurde.
7677
Das zum objektiven Tatbestand des § 253 StGB gehö-rende Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist erfüllt, wenn der Täter für sich oder einen Dritten einen Vermö-gensvorteil anstrebt, auf den er oder der Dritte keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat; besteht ein solcher Anspruch, so wird der Vermögensvorteil nicht dadurch rechtswidrig, daß er durch rechtswid-rige oder unlautere Mittel erlangt oder erstrebt wird (BGH NJW 1982, 2265; vgl. Eser in Schönke/ Schröder, StGB, 24. Aufl., § 253 Rdnr. 20).
7879
Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil bestand die von dem Angeklagten mit Schreiben vom 11.01.1994 erstrebte Bereicherung in der Erlangung des rückständigen Mietzinses sowie der Erstattung der Räumungs- und Anwaltskosten. Jedenfalls hin-sichtlich des - wegen seiner Höhe von 27.000,00 DM den Schuldumfang maßgeblich mitbestimmenden - Mietzinsrückstandes ist den bisher getroffenen Feststellungen das Erstreben eines rechtswidrigen Vermögensvorteils im vorgenannten Sinne nicht zu-reichend sicher zu entnehmen. Zwar standen dem Mandanten H. des Angeklagten diese Mietzinsrück-stände selbst für den Fall nicht zu, daß sich im Zeitpunkt der Versendung des Schreibens der Erwerb des Hausgrundstücks durch Eintragung des Zeugen H. im Grundbuch inzwischen vollendet hatte, was dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen ist. Der Erwerber tritt in die Vermieterrechte erst ab dem Zeitpunkt seines Erwerbs ein, so daß er Rückstände aus der Zeit des Vorbesitzers nur verlangen kann, wenn sie ihm abgetreten sind (vgl. Palandt-Putzo, BGB, 54. Aufl., § 571 Rdnr. 14 m.N.; Mayer, Der Eintritt des Grundstückserwerbers in bestehende Miet- und Pachtverhältnisse, ZMR 1990, 121, 122, 123), wofür hier die getroffenen Feststellungen, nach denen vor Vollendung des Eigentumserwerbs (le-diglich) eine "Besitzübertragung" auf den Zeugen H. erfolgt war, keinen Anhaltspunkt bieten. Auch wenn in den Feststellungen hinsichtlich des Schreibens vom 11.01.1994 von einer "Absprache" zwischen dem Angeklagten und dem Mandanten H. die Rede ist, läßt sich ihnen aber gleichwohl nicht zureichend entnehmen, daß die Zahlung des Mietzinsrückstandes zu Gunsten des H. erfolgen sollte, was im Hinblick auf die Rechtslage aus § 571 BGB auch ungewöhnlich wäre. Nach den Feststellungen im angefochtenen Ur-teil bleibt jedenfalls offen, ob diese Zahlung nach dem Inhalt des Schreibens vom 01.01.1994 nicht der (Vor-) Eigentümerin Ho. zugute kommen sollte.
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