Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 2 WX 20/95
G r ü n d e:
2I.
3Im Grundbuch von W., Blatt 4552, sind der Bauunternehmer E.B. als ursprünglicher Allein-Eigentümer und weitere 13 Parteien als Miteigentümer eines rund 60 ar großen Grundstücks eingetragen, auf dem die Wohnanlage A. Straße errichtet ist. Das Grundstück ist belastet mit einem Erbbaurecht von 99 Jahren. Dieses Erbbaurecht ist gemäß §§ 3, 30 WEG in Wohnungs- und Teilerbbaurechte unter jeweiliger Einräumung von Sondereigentum aufgeteilt. Für die Eheleute Dr. W. - die Beteiligten zu 1) - sind eingetragen:
4Im Wohnungserbbaugrundbuch von W., Bl. 3618, ein 199/10.000telAnteil an dem Erbbaurecht - verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 38 des Aufteilungsplans;
5im Teilerbbaugrundbuch von W., Bl. 3674, ein 12/10.000telAnteil am Erbbaurecht - verbunden mit dem Sondereigentum am Tiefgaragenplatz Nr. 38.
6Im Wohnungs- und im Teil-Erbbaugrundbuch ist jeweils vermerkt, daß der Wohnungs- und Teilerbbauberechtigte zur Veräußerung sowie zur Belastung des Wohnungserbbaurechts und des Teilerbbaurechts mit einer Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld, Reallast oder einem Dauerwohnrecht der Genehmigung des Grundstückseigentümers bedarf.
7Die Beteiligten zu 1) haben ihren Grundbesitz durch einen vor Notar H. E. in L. am 28.12.1993 (UR.-Nr. 2634/1993) geschlossenen Vertrag an die Beteiligten zu 2) verkauft und aufgelassen. Im Grundbuch sind am 7.2.1994 (Blatt 3618 und 2674) sowie am 31.5.1994 (Blatt 4552) jeweils Auflassungsvormerkungen eingetragen worden.
8Am 18.2.1994 hat Frau A. C. als Bevollmächtigte des MitEigentümers E.B. und weiterer 13 namentlich aufgelisteter MitEigentümer - darunter die Eheleute M. H. (Nr. 5) und I. Sch. (Nr. 7) - in notariell beglaubigter Form (UR.-Nr. C 279/1994) für alle Mit-Eigentümer der Veräußerung und Belastung des Erbbaurechts zugestimmt. Auf Antrag des Urkundsnotars vom 8.3.1994 wurde am 6.4.1994 im Wohnungserbbaugrundbuch und im Teilerbbaugrundbuch eine - von Frau C. am 28.12.1993 bewilligte - Finanzierungsbuchgrundschuld zugunsten der Stadtsparkasse K. in Höhe von 307.000,- DM eingetragen.
9Mit Schriftsatz vom 18.8.1994, beim Grundbuchamt eingegangen am 20.8.1994, beantragte der Urkundsnotar unter Vorlage einer Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde vom 28.12.1993 (UR.-Nr. 2634/1993) und der notariell beglaubigten Veräußerungszustimmungen vom 18.2.1994 (UR.-Nr. C 279/1994) die Eigentumsumschreibung.
10Zwischenzeitlich waren als Rechtsnachfolger der bisherigen MitEigentümer Eheleute M.H. (Nr. 5) und I.Sch. (Nr. 7) am 20.7.1994 R.S. und am 15.3.1994 die Eheleute A.H. im Grundbuch, Blatt 4552, eingetragen worden. Eine Veräußerungszustimmung dieser beiden neuen Mit-Eigentümer wurde bisher nicht vorgelegt.
11Mit Zwischenverfügung vom 5.9.1994 hat der GrundbuchRechtspfleger das Fehlen dieser Veräußerungszustimmungen beanstandet und zur Behebung dieses Eintragungshindernisses eine Monatsfrist gesetzt.
12Gegen diese Beanstandung (Entscheidung) hat der Notar mit Schriftsatz vom 21.9.1994 Erinnerung mit der Begründung eingelegt, sowohl bei Beurkundung des Kaufvertrages am 28.12.1993 als auch bei der Erteilung der Veräußerungsgenehmigung am 18.2.1994 seien die Eheleute H. und Herr R.S. noch nicht Mit-Eigentümer gewesen; im übrigen habe Frau C. auch für diese Rechtsnachfolger als Bevollmächtigte die Zustimmungserklärung abgeben können.
13Rechtspfleger und Amtsrichter haben dieser Erinnerung nicht abgeholfen und sie der Beschwerdekammer des Landgerichts Köln zur Entscheidung vorgelegt.
14Auf Anregung des Landgerichts hat der Notar zunächst mit Schriftsatz vom 3.11.1994 die Erinnerung (Beschwerde) zurückgenommen.
15Mit Schriftsatz vom 24.2.1995 hat der Notar erneut Erinnerung eingelegt unter Hinweis auf eine im Informationsdienst des Deutschen Notarinstituts (D Not I - Report I/1995) im Leitsatz veröffentlichte Entscheidung des OLG Hamm vom 22.9.1994 - 15 W 262/94 -.
16Der Notar ist der Ansicht, daß die einmal erteilte Zustimmung eines Grundstücksmiteigentümers zur Veräußerung des Erbbaurechts auch dessen Rechtsnachfolger binde. Diese Bindungswirkung sei der vom OLG Hamm in der zitierten Entscheidung angenommenen Wirkung der Zustimmung eines Grundpfandrechtgläubigers zu einer Änderung der Teilungserklärung einer WEG-Gemeinschaft zur Begründung eines Sondernutzungsrechts auch gegenüber seinem Sonderrechtsnachfolger vergleichbar.
17Rechtspfleger und Amtsrichter haben der Erinnerung erneut nicht abgeholfen und sie dem Landgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt.
18Durch Beschluß vom 5.4.1995 hat das Landgericht die nunmehr als Beschwerde geltende Erinnerung zurückgewiesen.
19Gegen diese Entscheidung, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, richtet sich die vom Notar mit Schriftsatz vom 31.5.1995 beim Oberlandesgericht eingelegte weitere Beschwerde.
20II.
21Die nach §§ 78, 80 GBO statthafte und formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist nicht begründet.
22Der angefochtene Beschluß des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes, §§ 78 S. 2 GBO, 550 ZPO. Das Landgericht hat die gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchrechtspflegers vom 5.9.1994 gerichtete Erinnerung/Beschwerde zu Recht zurückgewiesen; der Rechtspfleger hat das Fehlen der Veräußerungszustimmungen der beiden Miteigentümer-Rechtsnachfolger (R.S. und Eheleute H.) mit Recht beanstandet.
23Nach §§ 30, 2 und 4 WEG; 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauVO gelten für die Übertragung des Wohnungserbbaurechts und des Teilerbbaurechts die §§ 873 ff BGB entsprechend. Bis zur Vollendung des Rechtserwerbs durch Grundbuch-Eintragung muß deshalb eine nach § 873 Abs. 1 BGB wirksame Einigung über den Eintritt der Rechtsänderung zwischen dem verfügungsberechtigten Veräußerer und dem Erwerber vorliegen. Insbesondere muß grundsätzlich die Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers bis zu der einer Einigung nachfolgenden Grundbucheintragung uneingeschränkt fortbestehen (vgl. z.B. Palandt-Bassenge, BGB, 54 Aufl., § 873 Rdnr. 11 und § 878 Rdnr. 1 - jeweils m.w.N.).
24Hier ist gemäß § 5 Abs. 2 ErbbauVO als Inhalt des Erbbaurechts vereinbart und mit dinglicher Wirkung im Grundbuch eingetragen worden, daß der Erbbauberechtigte zur Veräußerung des Erbbaurechts (hier des Wohnungs- und Teilerbbaurechts) der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf. Bei diesem Zustimmungsvorbehalt handelt es sich um eine in Ausnahme zum grundsätzlichen Einschränkungsverbot des § 137 BGB zulässige Verfügungsbeschränkung des Erbbauberechtigten i.S.d. § 878 BGB (vgl. BGH NJW 1963, 36 f; Ingenstau, Kommentar zum Erbbaurecht, 6. Aufl., Rdnr. 14; Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 10. Aufl., Rdnr. 114 - alle m.w.N.).
25Zum Tatbestand der voll wirksamen Einigung über die Veräußerung des Wohnungs- und Teilerbbaurechts gehört damit hier auch das Vorliegen der nach § 5 Abs. 1 ErbbauVO erforderlichen Veräußerungszustimmung aller verfügungsberechtigten Grundstücksmiteitgentümer zum Zeitpunkt der für die Vollendung des Rechtserwerbs maßgeblichen Grundbucheintragung. Der Kauf- und Einigungsvertrag vom 28.12.1993 ist daher gemäß § 6 Abs. 1 ErbbauVO schwebend unwirksam, solange nicht alle Grundstücksmiteigentümer die erforderlichen Veräußerungszustimmungen erteilt haben. Diese sind dem Grundbuchamt nach § 15 ErbbauVO in der Form des § 29 GBO nachzuweisen.
26Zwar hatten zunächst alle ursprünglichen Miteigentümer ihre Zustimmung in notariell beglaubigter Form am 18.2.1994 durch die Bevollmächtigte C. erteilt. Die Wirksamkeit dieser Veräußerungszustimmungen ist nach den allgemeinen Regeln für die Wirksamkeit einseitiger empfangsbedürftiger Willenserklärungen gemäß §§ 182 ff BGB zu beurteilen (vgl. Palandt-Bassenge, a.a.O., § 5 ErbbauVO Rdnr. 4; von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, Rdnr. 182). Die Zustimmungserklärungen sind also am 18.2.1994 wirksam abgegeben worden und haben die bis dahin bestehende Verfügungsbeschränkung der Veräußerer - der Beteiligten zu 1) - zunächst beseitigt.
27Zum maßgeblichen Zeitpunkt der - ausstehenden - Grundbucheintragung der Rechtsänderung ist die von der Zustimmung aller Miteigentümer abhängige GesamtVerfügungsberechtigung der Beteiligten zu 1) aber durch den Eintritt zweier Rechtsnachfolger in die Miteigentümergemeinschaft wieder eingeschränkt worden. Der MitEigentümerwechsel H./S. bzw. Sch./H. führte nicht zu einem Verlust der Rechtsinhaberschaft auf Seiten der Beteiligten zu 1). Der dadurch lediglich ausgelöste Wiedereintritt der Verfügungsbeschränkung könnte daher auf den Fortbestand der bisherigen Zustimmungserklärungen nach den - entgegen der Ansicht des Landgerichts - hier grundsätzlich anwendbaren §§ 878, 873 Abs. 2 BGB ohne Einfluß gewesen sein.
28Im Falle einer nach § 5 Abs. 2 ErbbauVO zur Hypothekenbestellung erforderlichen Zustimmungserklärung des Grundstückseigentümers hat der Bundesgerichtshof (a.a.O.) angenommen, daß diese bis zur Vornahme der Eintragung im Grundbuch gemäß § 183 BGB zwar grundsätzlich frei widerruflich sei, daß aber bei Widerruf der Zustimmung der (Wieder-)Eintritt der Verfügungsbeschränkung des Erbbauberechtigten dann auf die Einigung gemäß § 878 BGB ohne Einfluß bleibe, wenn die Einigung des Erbbauberechtigten und des Hypothekengläubigers mit der Zustimmung des Grundstückseigentümers gemäß § 873 Abs. 2 BGB bindend geworden und der Eintragungsantrag beim Grundbuchamt eingegangen sei. Dieser Rechtsprechung ist das Schrifttum gefolgt (vgl. z.B. Palandt-Bassenge, a.a.O. Rdnr. 4; MüKo - von Oefele, BGB 2. Aufl., § 5 ErbbVO Rdnr. 4; Staudinger-Ring, BGB, 12. Aufl., § 5 ErbbauVO, Rdnr. 22; Ingenstau, a.a.O., Rdnr. 14; Haegele/Schöne/Stöber, a.a.O., Rdnr. 114 und 1783).
29Dem Wiedereintritt der Verfügungsbeschränkung durch Zustimmungswiderruf ist das Wiederaufleben der Verfügungsbeschränkung durch einen Wechsel von zustimmungsberechtigten Grundstücksmiteigentümern vergleichbar. Eine auch die beiden Rechtsnachfolger S. und H. bindende Wirkung der von den früheren Miteigentümern H. und Sch. abgegebenen Zustimmungserklärungen wäre hier aber nach §§ 873 Abs. 2, 878 BGB nur dann eingetreten, wenn der durch den Eigentümerwechsel ausgelöste Wiedereintritt der Verfügungsbeschränkung erst nach Stellung des Grundbucheintragungsantrags erfolgt wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Die ggf. nach § 873 Abs. 2 BGB bindenden Zustimmungserklärungen der beiden früheren Mit-Eigentümer H. und Sch. wurden durch deren Bevollmächtigte Frau C. am 18.2.1994 abgegeben. Der Eintritt der beiden Rechtsnachfolger S. und H. in die Miteigentümergemeinschaft erfolgte laut Grundbucheintragung am 20.7.1994 bzw. am 15.3.1994. Der mit Schriftsatz des Urkundsnotars vom 18.8.1994 gestellte Eintragungsantrag ging aber erst am 20.8.1994 und damit nach Wiedereintritt der Verfügungsbeschränkung beim Grundbuchamt ein.
30Der auf die zitierte Entscheidung des OLG Hamm (15 W 262/94) gestützten Auffassung des Notars, die Bindungswirkung der Zustimmungserklärungen der beiden ausgeschiedenen Grundstücksmiteigentümer gegenüber ihren beiden Rechtsnachfolgern ergebe sich hier aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 877, 876 S. 3 BGB bzw. dem aus §§ 404, 413 BGB abzuleitenden Rechtsgedanken, ist das Landgericht zu Recht und mit zutreffender, vom Senat geteilter Begründung nicht gefolgt. Die vom OLG Hamm zur Unwiderruflichkeit der Zustimmungserklärung eines Grundpfandrechtsgläubigers zu einer auf Einräumung eines Sondernutzungsrechts gerichteten Änderung der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft auch gegenüber einem durch Teil-Abtretung eingetretenen Sonderrechtsnachfolger entwickelten Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Mit Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, daß es sich bei der Veräußerung des Erbbaurechts weder um die Aufhebung eines mit einem Drittrecht belasteten Grundstücksrechts (§ 876 BGB) noch um eine Inhaltsänderung i.S.d. § 877 BGB handelt. Der Zustimmungsvorbehalt nach § 5 ErbbauVO ist auch nach Ansicht des Senats keine Belastung des Erbbaurechts im Sinne dieser Vorschriften - wie schon die Differenzierung zwischen der Belastung des Erbbaurechts selbst mit verschiedenen Grundpfandrechten u.ä. und der hierzu erforderlichen Zustimmungserklärung des Grundstückseigentümers in § 5 Abs. 2 ErbbauVO verdeutlicht. Der Zustimmungsvorbehalt für die Aufhebung und Inhaltsänderung von belasteten Grundstücksrechten gemäß §§ 876 S. 3, 877 BGB und der Zustimmungsvorbehalt gemäß § 5 ErbbauVO zur Veräußerung und Belastung von Erbbaurechten sind strukturell verschiedenartige Rechtspositionen. In den Fällen der §§ 876, 877 BGB ist die Zustimmung des Drittberechtigten deshalb erforderlich, weil die Verfügung über das zu seinen Gunsten belastete Grundstücksrecht sowohl bei der Aufhebung als auch bei der inhaltlichen Veränderung unmittelbar zum Erlöschen bzw. zur Beeinträchtigung des Drittrechts (der Belastung) führt; entbehrlich ist die Zustimmung deshalb nur bei Ausschluß einer Beeinträchtigung des Drittrechts (vgl. Palandt-Bassenge, § 876 BGB Rdnr. 3, 877 Rdnr. 5 - jeweils m.w.N.).
31Der Zustimmungsvorbehalt nach § 5 ErbbauVO ist keine Belastung des Erbbaurechts selbst mit einem Drittrecht - eine solche Belastung soll etwa die Zustimmung nach Abs. 2 erst ermöglichen - sondern lediglich eine dem Sinn und Zweck des Erbbaurechts angemessene Veräußerung und Belastung sichernde Verfügungsbeschränkung. Diese Beschränkung ändert aber nichts an dem in § 1 ErbbauVO normierten Grundsatz der uneingeschränkten Veräußerlichkeit des Erbbaurechts. Im übrigen ist die Wirkung des Zustimmungsvorbehalts durch den - gegebenenfalls gerichtlich durchsetzbaren - Gegenanspruch des Erbbauberechtigten auf Erteilung der - unberechtigt vorenthaltenen - Zustimmung nach § 7 ErbbauVO begrenzt (vgl. von Oefele/Winkler a.a.O., Rdnr. 177; Ingenstau, a.a.O., Rdnr. 13).
32Beschwerdewert im Verfahren der weiteren Beschwerde: 5.000,- DM
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