Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 19 U 296/94
G r ü n d e
2Die Klägerin hat im Wege der einstweiligen Verfügung einen Besitzschutzanspruch geltend gemacht. Sie hat behauptet, die Beklagte habe sich durch verbotene Eigenmacht in den Besitz des auf ihrem Betriebsgelände abgestellten VW-Kastenwagens gebracht, den die Beklagte sodann aufgrund eines gegen den Geschäftsführer der Klägerin persönlich gerichteten Titel hat pfänden lassen. Die Beklagte hat verbotene Eigenmacht bestritten und hat geltend gemacht, daß ihr jedenfalls ein Selbsthilferecht zugestanden habe. Nachdem die Beklagte inzwischen einen Titel gegen die Klägerin erwirkt und aufgrund dieses Titel das Fahrzeug am 20.12.1994 wiederum hat pfänden lassen, haben die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt und nur noch wechselseitige Kostenanträge gestellt. Das Fahrzeug ist aufgrund der Pfändung vom 20.12.1994 am 13.7.1995 versteigert worden. Über die Kosten des Rechtsstreits war nunmehr nach § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Danach sind der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, denn sie wäre ohne die erneute Pfändung vom Dezember 1994 unterlegen gewesen. Der Klägerin stand ein Anspruch auf Herausgabe des VW-Kastenwagens nach § 861 BGB wegen Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht zu . Dieser auf Wiedereinräumung des Besitzes gehende Anspruch kann im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden und darf ausnahmsweise schon im Verfügungsverfahren als Leistungsverfügung zur endgültigen Befriedigung des Gläubigers führen ( vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 54. Aufl., § 861 Rn. 11; Zöller- Vollkommer, ZPO, 19. Aufl., § 940 Rn. 8 ). Die Beklagte hat sich durch verbotene Eigenmacht in den Besitz des Fahrzeuges gebracht. Das Fahrzeug befand sich am 14.6.1994 unbestritten noch auf dem Betriebsgelände die Klägerin , die als Käuferin unter Eigentumsvorbehalt unmittelbare Besitzerin war. Am 27.6.1994 befand es sich auf dem Betriebsgelände der Beklagten , wo der Gerichtsvollzieher es am 4.7.1994 auf Betreiben die Beklagten pfändete. Dem waren monatelange Bemühungen der Beklagten vorausgegangen, das Fahrzeug aufgrund eines Titels gegen den Geschäftsführer die Klägerin pfänden zu lassen. Zu Unrecht rügt die Beklagte , die Klägerin habe die Besitzentziehung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Unstreitig ist das auf dem Betriebsgelände abgestellte Fahrzeuge ohne Wissen und Wollen der Klägerin verschwunden und auf dem Betriebsgelände der Beklagten wieder aufgetaucht. Die Einzelheiten, wie das geschehen ist, sind der Klägerin offenbar nicht bekannt, sondern liegen in der Sphäre der Beklagten, die selbst wissen muß, wie sie das Fahrzeuge in ihren Besitz gelangt war. Die Einlassung der Beklagten, das Fahrzeug sei herrenlos aufgefunden und von einem Abschleppunternehmer bei ihr abgeliefert worden, ist vom Landgericht zu Recht als unglaubhaft bewertet worden. Auf die überzeugende Begründung wird verwiesen. Nach den Gesamtumständen bestehen keine vernünftigen Zweifel, daß das Fahrzeug auf Veranlassung der Beklagten auf deren Hof gebracht wurde. Der Beklagten stand kein Selbsthilferecht nach §§ 229, 230 BGB zu. Selbst wenn sie eine Kaufpreisforderung gegen die Klägerin hatte, so rechtfertigt das ihr Vorgehen nicht. Sie hätte sich einen Titel gegen die Klägerin verschaffen und gegen diese vollstrecken müssen. Der Titel gegen den Geschäftsführer die Klägerin persönlich berechtigte die Beklagte nicht zur Vollstreckung in das Fahrzeug, das nicht zum Vermögen des Schuldners gehörte und sich auch nicht in dessen Gewahrsam befand. Der Gerichtsvollzieher durfte deshalb dem Drängen der Beklagten, in das Fahrzeug zu vollstrecken, nicht nachkommen. Nach § 808 ZPO durfte der Gerichtsvollzieher nur in Sachen vollstrecken, die sich im Gewahrsam des Schuldners oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten befanden. Bei einer juristischen Person wird der Gewahrsam durch das vertretungsberechtigte Organ, bei der GmbH also den Geschäftsführer , ausgeübt. Dieser hat keinen eigenen Gewahrsam an Sachen, die er in dieser Eigenschaft in Händen hält ( Zöller-Stöber, a.a.O., § 808 Rn. 12). Gewahrsamsinhaber ist die juristische Person. Der Hinweis der Beklagten, die staatlichen Vollstreckungsorgane hätten sich als unfähig erwiesen, ihre berechtigte Forderung durchzusetzen, geht daher fehl. Sie kann in diesem Zusammenhang auch nicht geltend machen, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Vollstreckung materiell-rechtlich zu dulden, da sie als Gesamtschuldnerin mithafte. Das ist ein Einwand, der im Rahmen der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu prüfen ist, nicht aber vom Gerichtsvollzieher bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung. Eine Rechtfertigung durch ein Selbsthilferecht scheitert schließlich auch daran, daß die Beklagte sich nicht unmittelbar nach der Wegnahme einen dinglichen Arrest nach § 230 BGB gegen die Klägerin erwirkt hat. Die Zwangsvollstreckung aufgrund eines Titels gegen einen Dritten konnte das nicht ersetzen. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß sie bei Abschluß des Kaufvertrages über die Person des Käufers getäuscht worden sei. Für den Rechtfertigungsgrund des Selbsthilferechtes kommt es allein auf die objektive Lage an, nicht auf die Vorstellungen des Handelnden. Im übrigen hat das Landgericht auch zu Recht ausgeführt, daß ein Irrtum der Beklagten darüber, daß die Klägerin sich noch in Gründung befunden habe, schwer nachvollziehbar ist. Die Beklagte konnte auf keinen Fall davon ausgehen, daß die Klägerin auch im Juni 1994 noch nicht ins Handelsregister eingetragen war. Der Herausgabeanspruch nach § 861 BGB setzt voraus, daß der Anspruchsgegner noch fehlerhafter Besitzer ist. Das ist hier trotz der am 4.7.1994 erfolgten Pfändung durch den Gerichtsvollzieher zu bejahen. Durch diese Pfändung hatte die Beklagte den Besitz am Fahrzeug nicht verloren. Der Herausgabeanspruch nach § 861 BGB besteht auch dann, wenn der fehlerhafte Besitzer den Besitz auf einen Dritten überträgt und nur noch mittelbarer Besitzer ist (Palandt-Bassenge, a.a.O., § 861, Rn. 3). Der Gerichtsvollzieher hatte das Fahrzeug nach der Pfändung an sich genommen und in die Pfandkammer gebracht. Er war damit unmittelbarer Besitzer des Fahrzeuges. Er vermittelte dem Gläubiger den mittelbaren Besitz ( Zöller-Stöber, a.a.O., § 808 Rn. 17 ). Auch wenn der Gerichtsvollzieher den unmittelbaren Besitz nicht vom Gläubiger ableitet, sondern kraft Hoheitsaktes erlangt, so führt das doch nicht dazu, daß der durch den Gerichtsvollzieher vermittelte Besitz des Gläubigers nunmehr als rechtmäßig anzusehen ist. Gelangt der Gläubiger durch verbotene Eigenmacht in den Besitz und läßt er die Sache danach unmittelbar durch den Gerichtsvollzieher pfänden, nimmt das seinem mittelbaren Besitz nicht die Fehlerhaftigkeit. Die Pfändung und damit die Erlangung des mittelbaren Besitzes ist in diesem Fall, wenn auch nicht rechtlich, so doch tatsächlich, erst durch die verbotene Eigenmacht ermöglicht worden (vgl. OLG Celle NJW 1957, 27 ). Das ändert sich nach Auffassung des Senats allerdings dann, wenn der fehlerhafte Besitzer aufgrund eines Titels gegen den früheren Besitzer zu einem Zeitpunkt pfändet, in dem er auch ohne die verbotene Eigenmacht rechtmäßig in den Gegenstand hätte vollstrecken können. In diesem Fall besteht ein rechtlicher oder tatsächlicher innerer Zusammenhang zwischen der Pfändung und der vorangegangenen verbotenen Eigenmacht nicht mehr. Der aufgrund einer solchen Pfändung erlangte mittelbare Besitz ist deshalb auch nicht mehr fehlerhaft. Die verbotene Eigenmacht führt nicht dazu, daß die weggenommene Sache einer rechtmäßigen Pfändung auf Dauer entzogen ist. Hier hätte die Beklagte, nachdem sie am 10.11.1994 im Verfahren 86 O 107/94 einen Titel gegen die Klägerin erwirkt hatte, auch tatsächlich bis zur erfolgten Pfändung am 20.12.1994 in das Fahrzeug vollstrecken können, vorausgesetzt, die Klägerin entzog es nicht mit unlauteren Mitteln einer Vollstreckung. Dagegen konnte die Beklagte sich gegenüber dem possessorischen Besitzschutzanspruch nicht auf ein Recht auf Herausgabe des in ihrem Vorbehaltseigentum stehenden Fahrzeug berufen. Nach § 863 BGB sind petitorische Einwendungen ausgeschlossen. Ebensowenig konnte die Beklagte sich auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB berufen (PalandtBassenge, a. a. O., § 863 Rn. 2 ). Soweit die Beklagte sich auf ein kaufmännisches Zurückbehaltungs- und Befriedigungsrecht nach § 369 HGB berufen hat, so stand dem schon entgegen, daß das Fahrzeug nicht mit Willen der Klägerin in den unmittelbaren Besitz der Beklagten gelangt war. Da die Beklagte somit ohne die erneute Pfändung im Dezember 1994 unterlegen gewesen wäre, ist es billig, ihr die Kosten des hierdurch in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits aufzuerlegen. Streitwert: 15.000,00 DM ; ab 14.7.1995 (Erledigungserklärung): bis 7000,00 DM (Kosten).
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