Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 16 WX 219/95
G r ü n d e
2Die gemäß §§ 3, 7 FEVG, 103 Abs. 2 AuslG, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
3Das Landgericht hat die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zutreffend bejaht. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluß, die mit der sofortigen weiteren Beschwerde nicht angegriffen werden, Bezug genommen.
4Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist die Sicherungshaft nicht gemäß § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG unzulässig. Es kann offen bleiben, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Amts- und Landgerichts feststand, daß die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden konnte, weil - wie der Betroffene unter Hinweis auf eine Mitteilung der Grenzschutzdirektion Koblenz vom 21.8.1995 und einen Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 27.10.1995 behauptet - die Beschaffung von Paßersatzpapieren für eine Abschiebung nach Indien in den Fällen eines fehlenden Identitätsnachweises in der Regel sechs bis acht Monate dauert. Denn das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die erstmalige Haftanordnung über einen längeren Zeitraum als drei Monate nur dann unzulässig ist, wenn feststeht, daß es der Ausländer nicht zu vertreten hat, daß die Ausländerbehörde mehr als drei Monate für die Durchführung der Abschiebung benötigt (vgl. OLG Frankfurt NVwZ 1994, 827). In Übereinstimmung mit dem Landgericht vertritt der Senat die Auffassung, daß der Betroffene das derzeitige Fehlen eines Identitätsnachweises zu vertreten hat, wenn ihm entsprechend seiner Angabe der Originalpaß von einem sog. Schlepper in Moskau abgenommen worden ist. Der Senat hat keinen Anlaß zu der Annahme, daß es sich hierbei um einen Fluchthelfer handelte, der den Betroffenen bei einer Flucht vor politischer oder religiöser Verfolgung in Indien unterstützen wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Betroffene den Originalpaß zurückgelassen hat, um in Deutschland eine Identifizierung und eine spätere Rückführung nach Indien zu erschweren. Es ist nicht ersichtlich, daß eine Weggabe des Passes notwendige Voraussetzung dafür war, daß der Betroffene nach Deutschland einreisen und einen Asylantrag stellen konnte.
5Damit hat es der Betroffene zugleich zu vertreten, wenn die Ausländerbehörde mehr als drei Monate für die Durchführung der Abschiebung benötigt.
6Allerdings hält der Senat die Dauer der angeordneten Haft nach dem derzeitigen Sachstand nicht für verhältnismäßig. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG i.V.m. § 57 Abs. 3 Satz 1 AuslG läßt sich entnehmen, daß die Höchstdauer von sechs Monaten nicht ohne weiteres als verhältnismäßig angesehen werden darf, sondern daß regelmäßig eine Dauer von drei Monaten nicht überschritten werden soll.
7Die pauschale Begründung im Antrag der Beteiligten zu 2), die beantragte Haftdauer sei zur Vorbereitung der Abschiebung erforderlich, rechtfertigt nicht die Anordnung einer Haftdauer von sechs Monaten. Die Beteiligte zu 2) hat auch im Beschwerdeverfahren keine Begründung nachgeschoben.
8Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, daß die Abschiebung von einer weiteren Mitwirkungshandlung des Betroffenen bei der Beschaffung von Paßersatzpapieren abhängt oder daß der Betroffene weiteres zu einer schnelleren Durchführung der Abschiebung beitragen könnte. Nachdem er am 8.9.1995 die erforderlichen Angaben bei der indischen Botschaft gemacht hat - es fehlt jeglicher Hinweis, daß diese Angaben nicht vollständig oder unzutreffend waren -, ist ein Zeitraum von etwa drei Monaten zur Identifizierung des Betroffenen und Ausstellung von Ersatzpapieren nicht zu eng bemessen. Eine längere Haftdauer kann nur hingenommen werden, wenn sie unbedingt erforderlich ist. Das kann nach dem derzeitigen Sachstand jedoch noch nicht festgestellt werden. Die Haftdauer war daher bis zum 20.12.1995 zu beschränken.
9Wenn dieser Zeitraum nicht ausreicht, steht es der Ausländerbehörde frei, einen Verlängerungsantrag zu stellen. Sie muß dann genau darlegen, was sie im einzelnen unternommen hat, um das Abschiebungsverfahren in der gebotenen Weise zu fördern. Bloße Erinnerungsschreiben an die indische Botschaft reichen nicht aus. Falls die indische Botschaft das Verfahren über die Ausstellung eines Reisedokuments zwischenzeitlich nicht oder nicht hinreichend gefördert hat oder falls die indischen Behörden an der Klärung der Identität des Betroffenen bisher nicht mitgewirkt haben, kann eine dadurch bedingte Verzögerung nicht zu Lasten des Ausländers gehen.
10Die Entscheidung über die Auslagen des Betroffenen beruht auf § 16 FEVG. Der antragstellenden Behörde waren die Kosten des Betroffenen anteilmäßig aufzuerlegen, da ein begründeter Anlaß zur Beantragung einer Haftdauer von sechs Monaten im Zeitpunkt der Antragstellung nicht vorlag.
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