Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 5 U 89/95
Tenor
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T a t b e s t a n d :
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5Die 1941 geborene Klägerin begab sich am 12.12.1980 in die neurochirurgische Klinik der Beklagten zwecks Abklärung des Verdachts auf einen Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule. Zu diesem Zweck wurde am 05.01.1981 eine Kontrastdarstellung im Halswirbelsäulenbereich (Myelographie) durchgeführt; hierbei wurden 5 ml des öligen Kontrastmittels Duroliopaque eingebracht. Die Kontrastdarstellung ergab bei der Klägerin einen Bandscheibenvor-fall, der am 26.01.1981 operativ behandelt wurde. Das in den Spinalkanal eingebrachte Kontrastmittel Duroliopaque wurde weder nach der Myelographie noch anläßlich oder nach der Operation am 26.01.1981 entfernt. Am 06.02.1981 wurde die Klägerin nach komplikationslosem postoperativem Verlauf beschwer-defrei entlassen. Am 20.11.1981 wurde bei der Klägerin eine erneute Myelographie durchgeführt, bei welcher das noch im Spinalkanal befindliche Kontrastmittel aus der Myelograhpie vom 05.01.1981 erneut genutzt wurde. Nachdem im Jahr 1983 wiederum neurologische Ausfallerscheinungen bei der Klägerin eingetreten waren, wurde sie dieserhalb vom 07. bis 21.04.1983 erneut in der neurochirurgischen Klinik der Beklagten stationär behandelt. Nach den Krankenunterlagen ordnete der Chefarzt Prof. Dr. F. für den 07.04.1983 das Abpunktieren des seit Januar 1981 im Spinalkanal befindlichen Kontrastmittels an. Hierzu kam es jedoch nicht. Am 08.04.1983 wurde eine erneute Myelographie durchgeführt. Hierbei konnte das noch in situ befindliche Kontrastmittel wegen ungünstiger Lagerung nicht mehr verwendet werden, so daß nunmehr 9 ml des wasserlöslichen Kontrastmittels Solutrast eingebracht wurden. Am 14.04.1983 erfolgte eine operative Revision des Zwischenwirbelraumes HWK 5/6 mit komplikationslosem postoperativem Verlauf.
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7Wegen erneuter neurologischer Ausfallerscheinungen erfolgte vom 26.06. bis 03.07.1984 eine weitere stationäre Behandlung der Klägerin in der Neurochirurgie. Ein Befund vom 27.06.1984 beschreibt insoweit, daß sich noch öliges Kontrastmittel im Spinalkanal befinde. Am 28.06.1984 wurde eine weitere Myelographie mit 10 ml Solutrast im Bereich der Halswirbelsäule durchgeführt. Eine weitere stationäre Behandlung der Klägerin erfolgte in der Zeit vom 03. bis 19.11.1984. Bei dieser Gelegenheit gab die Klägerin Beschwerden im Nackenbereich mit Schmerzaustrahlung in die Außenseite des linken Oberarmes an. Im Befund über Röntgenaufnahmen der Brustwirbelsäule vom 12.11.1984 werden Reste von öligem Kontrastmittel im Spinalkanal beschrieben. Eine weitere stationäre Untersuchung und Behandlung wegen eines zervikalen Schmerzsyndroms schloß sich in der Zeit vom 28.11. bis 03.12.1986 an, bei welcher Gelegenheit erneut eine Myelographie der Halswirbelsäule unter Verwendung des Mittels Solutrast durchgeführt wurde.
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9Ab Herbst 1988 kam es bei der Klägerin zu verstärkten schmerzhaften Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, die ab Anfang 1989 von neurologischen Ausfallerscheinungen der Beine begleitet waren. Im Rahmen einer stationären Behandlung vom 24.07. bis 04.08.1989 wurden Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich mit neurologischen Ausfallerscheinungen in den Beinen beschrieben. Der Befund über eine Röntgenaufnahme vom 25.07.1989 ergab zahlreiche tropfenförmige Reste des öligen Kontrastmittels im Spinalkanal und im Bereich der lumbosakralen Wurzeln. Anläßlich einer erneuten Myelograhpie am 25.07.1989 wurden ölige Kontrastmit-telreste im Bereich der peripheren lumbosakralen Wurzeln beschrieben. Dieser Befund wurde als Arachnoiditis - Verwachsungen der die lumbalen Nervenwurzeln umgebenden Spinnwebenhäute - gewertet.
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11Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Schadensersatzforderung geltend gemacht, es habe zum einen gegen bereits damals anerkannte Regeln medizinischer Behandlung verstoßen, ölige Kontrastmittel zum Zweck der Durchführung von Myelographien zu verwenden. Außerdem sei es aber auch bereits 1981 entsprechend medizinischem Standard nicht mehr üb-lich gewesen, dieses Kontrastmittel nach Durchführung einer Myelographie im Spinalkanal zu belassen. Vielmehr habe es jeweils wieder abpunktiert werden müssen. Infolge der fehlerhaften Belassung des Kontrastmittels sei es bei ihr zu zunehmenden neurolo-gischen Ausfallerscheinungen in den Beinen gekommen mit der Folge, daß inzwischen ein konstanter Nervenschmerz im Bereich der Lende bestehe. Dieser werde nach wenigen Minuten Gehen bzw. nach halbstündigem Sitzen geradezu unerträglich. Die
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13Fußenden seien taub, so daß sie nicht mehr Autofahren könne. Diese Beschwerden seien nicht behandlungsfähig, könnten insbesondere auch durch eine Operation nicht beseitigt werden. Nach Behauptung der Klägerin sind die gesamten vorgenannten Beschwerden auf den Verbleib des öligen Kontrastmittels im Spinalkanal zurückzuführen.
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15Die Klägerin hat beantragt,
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181.
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21die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 20.000,-- DM zu zahlen;
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242.
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27festzustellen, daß die Beklagte ver-pflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dadurch in Zukunft entsteht, daß nach der bei ihr im Januar 1981 durchgeführten Myelographie das ölige Kontrastmittel aus dem Spinalkanal nicht entfernt wurde, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergehen.
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29Die Beklagte hat beantragt,
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32die Klage abzuweisen.
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34Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, sowohl die Verwendung als auch die Belassung des Kontrastmittels im Spinalkanal sei nicht zu beanstanden gewesen. Für die Belassung des Kontrastmittels habe insbesondere deshalb Veranlassung bestanden, weil man es bei späteren Kontroll-Myelographien wiederum habe verwenden können. Ursache der von der Klägerin geklagten Beschwerden sei nicht der Verbleib des Kontrastmittels, sondern schicksalhaft eingetretene degenerative Verschleißerscheinungen.
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36Das Landgericht hat Beweis durch Einholung ei-nes Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. W. nebst fachradiologischem Zusatzgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Peters erhoben und den Sachverständigen Prof. Dr. W. sein schriftliches Gutachten mündlich erläutern lassen. Es hat sodann der Klage hinsichtlich des Schmerzensgeldes dem Grunde nach stattgegeben sowie ferner hinsichtlich des Feststellungsantrages. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, nach den Ausführungen des Sachverständigen müsse es als grober Behandlungsfehler gewertet werden, daß man nach Durchführung der Myelographie das Kontrastmittel im Spinalkanal der Klägerin belassen habe. Da es sich um einen groben Behandlungsfehler handele, führe dies zu einer Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten. Den dieser obliegenden Gegenbeweis habe die Beklagte nicht erbracht.
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38Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit welcher diese Klageabweisung begehrt. Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Belassung des Kontrastmittels habe anerkanntem medizinischem Standard entsprochen und sei seinerzeit auch in einer Vielzahl von Kliniken in Deutschland praktiziert worden, wie eine vom Chefarzt der Beklagten, Prof. Dr. F., veranlaßte Umfrage ergeben habe. Des weiteren beruft die Beklagte sich auf ein von ihr eingeholtes Gutachten des Prof. Dr. P. von den Universitätskliniken des Saarlandes, auf welches Bezug genommen wird (Blatt 241 ff. d. A.).
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40Die Beklagte beantragt,
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43die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.
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45Die Klägerin beantragt,
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47die Berufung zurückzuweisen.
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49Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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51E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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53Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat Schadensersatzansprüche der Klägerin zu Recht bejaht. Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme, das heißt nach den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Wassmann, steht auch zur Überzeugung des Senats fest, daß zwar die Verwendung des Kontrastmittels Duroliopaque zum fraglichen Zeitpunkt, also im Jahre 1981, noch medizinischem Standard entsprach und der Einsatz dieses öligen Kontrastmittels demzufolge nicht als Verstoß gegen anerkannte Behandlungsgrundsätze erachtet werden kann. Fehlerhaft war es hingegen nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen, das Kontrastmittel nach Durchfüh-rung der Myelographie nicht aus dem Spinalkanal zu entfernen.
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55Der Sachverständige hat hierzu u. a. mit eingehen-der und überzeugender Begründung dargelegt, daß es zwar von Vorteil sein kann, das Kontrastmittel für einen gewissen Zeitraum zu belassen, wenn absehbar ist, daß Kontroll-Myelographien in zeitlich vertretbarem Abstand erforderlich sein werden; vorliegend habe sich jedoch nach den Krankenunterlagen der Klägerin kein Anhalt dafür ergeben, daß weitere Remyelographien zum Zeitpunkt der ersten Einbringung des Kontrastmittels als erforderlich ersichtlich gewesen wären; aus der Krankengeschichte ergebe sich nämlich, daß der postoperative Verlauf nach der Operation am 26.01.1981 mit Entfernung des Bandscheibenvorfalles als komplikationslos be-schrieben und die Patientin vollkommen beschwerdefrei entlassen worden sei. Mangels ersichtlichen Erfordernisses einer Remyelographie in absehbarer Zeit sei es demzufolge aus medizinischer Sicht geboten gewesen, das Kontrastmittel jedenfalls nach Durchführung der Operation in 1981 abzupunktieren. Mit gutem Grund weist der Sachverständige in diesem Zusammenhang darauf hin, daß von den Herstellern des Kontrastmittels Duroliopaque sowohl im wissen-schaftlichen Prospekt als auch im Beipackzettel empfohlen wurde, das Kontrastmittel aus dem Spinalkanal alsbald wieder zu entfernen. Es heißt dort nämlich im Sinne einer geradezu zwingenden Empfeh-lung, daß nach Beendigung der Untersuchung Duroliopaque möglichst vollständig aus den Liquorräumen abgesaugt werden solle bzw. man bestrebt sein solle, das gesamte Injektionsvolumen aus den Liquorräumen zu entfernen.
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57Diese seine Ausführungen hat der Sachverständige anläßlich seiner mündlichen Anhörung vor der Kammer noch erläutert und präzisiert und bei dieser Gelegenheit erneut zum Ausdruck gebracht, es habe damaligem ärztlichem Standard entsprochen, das ölige Kontrastmittel nach Möglichkeit unmittelbar nach der Untersuchung bzw. nach Abschluß der Behandlung wieder zu entfernen. Hierauf habe nicht nur der Hersteller hingewiesen, sondern es sei so auch in der radiologischen Fachliteratur empfohlen worden. Man hätte deshalb vor Entlassung der Klägerin im Januar 1981 das Kontrastmittel wieder entfernen müssen. Dies sei bei Fehlen besonderer Komplikatio-nen auch üblicherweise damals so gehandhabt worden. Im Falle der Klägerin habe nach den Behandlungsunterlagen kein Anhalt für irgendeine Komplikation bestanden, die Veranlassung hätte geben können, das Kontrastmittel nicht wieder zu entfernen. Es sei damals üblich gewesen, und auch in seinem Hause sei dies seinerzeit üblicherweise so gehandhabt worden, daß man alles unternommen habe, das ölige Kontrastmittel wieder aus dem Spinalkanal zu entfernen, wobei es auch unerheblich sei, in welchem Umfang dieses Kontrastmittel eingebracht worden sei. Auch bei geringen Mengen habe man in jedem Fall versuchen müssen, das Kontrastmittel nach der Untersuchung zu entfernen, was üblichem ärztlichem Standard auch zur damaligen Zeit entsprochen habe. Auf weitere Befragung durch das Gericht hat der Sachverständige anläßlich seiner mündlichen Anhörung sogar erklärt, es sei ihm "unverständlich", warum das Kontrastmittel weiter im Spinalkanal der Klägerin verblieben sei. Insbesondere seien zum Zeitpunkt der Entlassung im Januar 1981 keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, daß es zu Remyelographien kommen werde. Man habe deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer eventuell erforderlich werdenden Remyelographie davon ausgehen können, daß es medzinisch angebracht oder vertretbar sei, das Kontrast-mittel im Spinalkanal zu belassen.
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59Diese Ausführungen des Sachverständigen sind in sich schlüssig und überzeugend, und die Beklagte hat auch keine fundierten Einwände hiergegen vorge-bracht.
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61Fundierte Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Wassmann sprechen könnten, ergeben sich insbesondere nicht aus dem seitens der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegten Privatgutachten von Prof. Dr. P.. Dieser gelangt nämlich im Rahmen seiner ohnehin sehr allgemein gehaltenen gutachterlichen Ausführungen lediglich zu dem Ergebnis, bei der insgesamt nur geringen Menge des eingebrachten öligen Kontrastmittels habe weder zum Zeitpunkt der Untersuchung 1981 noch später im Jahr 1983 eine absolute medizinische Indikation zur Kontrastmit-telabpunktion bestanden. Eine absolute medizinische Indikation kann jedoch verständlicherweise nur dann bestehen, wenn bei Unterlassen der entsprechenden Behandlungsmaßnahme die Gefahr eines letalen Aus-ganges besteht. Hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Zu entscheiden ist lediglich die Frage, ob es 1981 gesichertem medizinischem Standard entsprach, ölige Kontrastmittel nach Durchführung der Kontrastmitteldarstellung wieder zu entfernen. Eben diese Frage hat sogar der Privatgutacher Prof. Dr. P. in seinen weiteren gutachterlichen Ausführungen bejaht, in deren Rahmen er ausgeführt hat, es sei grundsätzlich erstrebenswert, nach Durchführung einer Myelographie das ölige Kontrast-mittel wieder zu entfernen.
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63Daß im übrigen auch der bei der Beklagten tätige, seinerzeit an der Behandlung beteiligte Chefarzt Prof. Dr. F. die Notwendigkeit der Entfernung des Kontrastmittels gesehen und bejaht hat, ergibt sich mit Deutlichkeit aus dem Umstand, daß er jedenfalls für den 07.04.1983 ausdrücklich selbst das Abpunktieren des seit Januar 1981 im Spinalkanal befindlichen Kontrastmittels angeordnet hat. Weshalb diese Maßnahme gleichwohl unterblieben ist, hat die Beklagte nicht nachvollziehbar zu erläutern vermocht.
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65Gegen die Richtigkeit der Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. sprechen auch nicht die Ergebnisse der seitens des Chefarztes Prof. Dr. F. durchgeführten Befragungsaktion. Diese Umfrage ist schon deshalb nicht aussagekräftig, weil die Fragestellung an der vorliegend relevanten Problematik vorbeigeht. Ausweislich der Fragenformulare wurden nämlich als Behandlungsalternativen lediglich erfragt, ob es in den einzelnen Kliniken üblich gewesen sei, nach einer Myelographie mit geringer Menge Duroliopaque das Kontrastmittel
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671.
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69individuell "zur Remyelographie" zu belassen oder aber es
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712.
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73regelmäßig abzupunktieren.
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75Die erstgenannte Alternative korrespondiert aber nicht mit der Problematik des vorliegenden Falles; der Sachverständige Prof. Dr. W. hat nämlich, wie bereits erwähnt, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß im Fall der Klägerin zum Zeitpunkt der Einbringung des Kontrastmittels und der anschließenden Operation keine Anhaltspunkte für die Annahme bestanden hätten, man müsse in absehbarer Zeit/alsbald eine Remyelographie durchführen. Vielmehr mußten die behandelnden Ärzte zum damaligen Zeitpunkt angesichts des komplikationslosen Verlaufes nach der Bandscheibenoperation sowie der Entlassung der Klägerin in absolut beschwerdefreiem Zustand davon ausgehen, daß es bei der einmaligen Myelogra-phie bleiben könne und sich eine Remyelographie erübrige. Von daher ist es für die Beurteilung eines medizinischen Behandlungsstandards nicht entscheidend, ob es gängiger Praxis entsprach, bei von Anfang an absehbarer Remyelographie ein einmal eingebrachtes Kontrastmittel zu belassen; ausschlaggebend ist vielmehr die Frage, ob es medizinischem Behandlungsstandard entsprach, nach einer einmaligen Myelographie das Kontrastmittel im Spinalkanal zu belassen. Eben diese Frage hat jedoch der Sachverständige - wie dargelegt - überzeugend verneint und die gegenteilige Handhabung als fehlerhaft bezeichnet. Im übrigen ist im Hinblick auf die Umfragenaktion darauf hinzuweisen, daß selbst nach den von Prof. Dr. F. eingeholten Auskünften jedenfalls eine Vielzahl der befragten Chefärzte es als gängige Praxis bezeichnet hat, das Kontrastmittel regelmäßig abzupunktieren.
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77Soweit mit einer solchen Abpunktierung Risiken verbunden waren, ergibt sich auch hieraus nicht eine medizinische Veranlassung zur Belassung des Kontrastmittels. Vielmehr hätte man den insoweit gegebenenfalls vorhandenen Risiken durch eine entsprechende Aufklärung und Belehrung der Klägerin als Patientin Rechnung tragen und es dieser überlassen können, die Entscheidung über ein eventuelles Abpunktieren des Kontrastmittels nach entsprechender Belehrung eigenverantwortlich zu treffen.
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79Angesichts der nicht durchgreifend in Frage gestellten Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. W. hielt der Senat die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht für erforderlich.
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81Den somit zu bejahenden Behandlungsfehler wertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht als groben Verstoß gegen elementare Behandlungsregeln, als Fehler, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich ist. Dies ergibt sich ebenfalls aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W., der eindeutig dargelegt hat, es sei ihm schlechterdings "unverständlich", weshalb man seinerzeit das Kontrastmittel nicht wieder entfernt habe, obwohl das den damals geltenden, allgemein anerkannten Behandlungsgrundsätzen entsprochen habe und auch vom Hersteller des Mittels ausdrücklich nahegelegt worden sei.
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83Daß vorliegend mit der Belassung des Kontrastmittels massiv gegen allgemein anerkannte Behandlungsregeln verstoßen worden ist, zeigen auch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. in dessen radiologischem Zusatzgutachten, wonach es seinerzeit schon bekannt war, daß das ölige Kontrastmittel Duroliopaque das Risiko bot, bei Verbleiben im Spinalkanal chronische Reizungen der Arachnoidea mit Ausbildung einer Arachnoiditis hervorzurufen. Auch vor dem Hintergrund dieses Risikos ist es schlechterdings unverständlich, weshalb man - dies sogar unter Nichtbeachtung einer ausdrücklichen Anordnung von Prof. Dr. F. - das Kontrastmittel auf Dauer im Spinalkanal der Klägerin beließ, dazu noch, obgleich sich bereits anläßlich der Myelographie vom 08.04.1983 herausstellte, daß das noch im Spinalkanal befindliche Kontrastmittel wegen ungünstiger Lagerung überhaupt nicht mehr zur Durchführung der Myelographie verwendet werden konnte, sondern durch ein wasserlösliches Kontrastmittel ersetzt werden mußte. Auch vor diesem Hintergrund ist es unerfindlich, daß man der auf den Vortag dieser Myelographie datierten Anweisung von Prof. Dr. F. zum Abpunktieren des Kontrastmittels nicht Folge leistete und dies auch von seiten des Chefarztes Prof. Dr. F. nicht beanstandet wurde.
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85Der nach allem festzustellende grobe Behandlungsfehler führt nach ständiger Rechtsprechung im vorliegenden Fall zu einer Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin, die somit nicht den Vollbeweis für den Kausalzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und den bei ihr eingetretenen Gesundheitsschäden führen muß. Der grundsätzlich ihr obliegende Nachweis für diesen Kausalzusammenhang ist vielmehr - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - als geführt anzusehen, so daß es der Beklagten obläge, den entsprechenden Gegenbeweis zu erbringen. Diesen hat sie jedoch nach Maßgabe der Ausfüh-rungen des Sachverständigen Prof. Dr. W. nicht zu führen vermocht. Dieser hat nämlich bereits in seinen schriftlichen Gutachten unmißverständlich ausgeführt, daß die extrem lange Verweildauer des öligen Kontrastmittels und die Tatsache, daß Duroliopaque in den mit dem wasserlöslichen Kontrastmittel nicht mehr kontrastierten Wurzeltaschen lumbosakral nachweisbar ist, Argumente für eine Verursachung der Arachnoiditis durch die erste Myelographie sind. Auch die geklagte Beschwerdesymptomatik sei zwar nicht mit letzter Sicherheit auf die radiologisch nachweisbare Arachnoiditis zurückzuführen, bei fehlenden wesentlichen degenerativen Veränderungen und bei einem nahezu unauffälligen kernspintomographischen Befund bezüglich eines lumbalen Bandscheibenschadens spreche jedoch die Wahrschein-lichkeit für die Arachnoiditis als Ursache der geklagten Beschwerdesymptomatik im Sinn einer lumbalen Wurzelreizsymptomatik. Die Arachnoiditis könne mit Wahrscheinlichkeit auf das ölige Kontrastmittel zurückgeführt werden. Unter Berücksichtigung der Anamnese, des Untersuchungsbefundes und der Zusatzgutachten sei mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit" anzunehmen, daß es durch die Resorption des öligen Kontrastmittels zu einer Reizung der Arachnoidea mit Arachnoiditis mit Nervenverklebung und infolge dessen zu einer gewissen lumbalen Nervenwurzeliiritation gekommen sei. Angesichts der von dem Sachverständigen festgestellten überwiegenden Wahrscheinlichkeit" des kausalen Zusammenhangs zwischen der Nichtentfernung des öligen Kontrastmittels und der radiologisch beschriebenen Arachnoiditis als Ursache für die bestehende lumbale Wurzelreizsymptomatik ist der der Beklagten obliegende Gegenbeweis nicht zu führen.
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87Darüber hinaus hat der Sachverständige auch anläßlich seiner mündlichen Anhörung noch einmal darauf hingewiesen, daß durch das verbliebene Kontrastmittel es auch im basalen Schädelbereich zu Verklebungen und Irritationen kommen könne.
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89Nach allem hat das Landgericht das Schmerzensgeldbegehren der Klägerin zu Recht dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Auch dem Feststellungsantrag hat es zu Recht stattgegeben, weil bei der Klägerin ein andauerndes und möglicherweise auch noch in die Zukunft hineinwirkendes Krankheitsbild besteht und der Sachverständige ausdrücklich ausgeführt hat, daß eine Verschlimmerung der Beschwerdesymptomatik nicht sicher auszuschließen sei, was für die Bejahung eines denkbaren Zukunftsschadens ausreicht. Insoweit kann im übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden.
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91Die Berufung der Beklagten war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
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93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
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95Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer der Beklagten: bis 40.000,-- DM
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Referenzen
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