Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 11 U 86/95
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2Die in förmlicher Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache Erfolg.
3Gemäß § 67 ZPO konnte die Beklagte zu 3) wirksam Berufung als Streithelferin der Beklagten zu 1) und 2) einlegen. Diese Bestimmung ermächtigte den Nebenintervenienten namens der Hauptpartei Rechtsmittel einzulegen und zu begründen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 19. Aufl., § 67 Rdnr. 5). Ein Fall zulässiger Nebeninterventionen im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 69 ZPO liegt vor.
4Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB, 7 StVG, §§ 1, 3 Pflichtversicherungsgesetz, § 421 BGB. Es steht nämlich zur Überzeugung des Senats fest, daß der streitige Verkehrsunfall manipuliert ist und der Kläger in die Schädigung eingewilligt hat. Für das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Einwilligung ist zwar nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger beweispflichtig. Für den Nachweis fingierter Verkehrsunfälle genügt aber ein Zusammentreffen von Umständen, die nach der Lebenserfahrung auf ein derartiges Geschehen hindeuten (BGH Versicherungsrecht 1979, 514 f.). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Überzeugung vom Vorliegen eines fingierten Verkehrsunfalles bei tatrichterlicher Würdigung der massiven Häufung von Auffälligkeiten. Den von diesen Indizien ausgehenden Anscheinsbeweis konnte der Kläger bei seiner Anhörung durch den Senat nicht erschüttern.
5Im einzelnen sprechen folgende in der obergerichtlichen Rechtsprechung immer wieder festgestellten Indizien für das Vorliegen eines fingierten Verkehrsunfalles (vgl. u.a. OLG Köln VersR 93, 1373; OLG München NZV 1990, 32 m.w.Nw.)
6a) Der behauptete Unfall geschah durch Auffahren auf den Vordermann. Hintergrund dieser Vorgehensweise ist, daß sich bei dieser Unfallgestaltung die Folgen verhältnismäßig genau kalkulieren lassen und die Verschuldensfrage eindeutig ist.
7b) Der Unfall fand bei Dunkelheit an einer unbelebten Stelle statt. Nach den Örtlichkeiten war die Anwesenheit von Zeugen nicht zu erwarten.
8Die Stelle, an der es sich der Unfall ereignete, liegt unstreitig außerhalb geschlossener Ortschaften. Die Unfallörtlichkeit ist nicht stark befahren, da die Brücke, vor der sich der Unfall zutrug, nur einspurig ist. Zum Zeitpunkt des Unfalls war es unstreitig dunkel.
9c) Beschädigt wurde ein älteres Fahrzeug der Luxusklasse. Bei der im vorliegenden Fall gewählten Abrechnung auf Gutachterbasis wurden deshalb besonders hohe Reparaturkosten und eine hohe Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht. Da - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angab - die Reparatur wesentlich preiswerter mit günstig beschafften Ersatzteilen durchgeführt wurde, war durch diese Vorgehensweise mit einem erheblichen Gewinn aus dem Schadensereignis zu rechnen.
10d) Das geschädigte Fahrzeug der Luxusklasse hatte einen Vorschaden, der einen verhältnismäßig preiswerten Erwerb des Fahrzeugs, kurze Zeit vor dem Unfall, ermöglichte . Die Vorschäden wurden anläßlich des hier streitigen Unfalls zunächst verschwiegen.
11Der Kläger hatte den geschädigten Mercedes 380 SEC ausweislich des zu den Akten gereichten Kaufvertrages weniger als vier Monate vor dem behaupteten Unfall erworben. In seiner Schadensanzeige gegenüber der Beklagten zu 3) vom 09.11.1993 wurde der Vorunfall nicht angegeben. Aus dem mit der Schadensanzeige überreichten Gutachten des Sachverständigen O. vom 05.11.1993 ergaben sich ebenfalls keinerlei Hinweise auf eine Vorschädigung. Unstreitig ist das Fahrzeug wenige Monate vor dem hier streitigen Unfall bereits in einen Auffahrunfall verwickelt gewesen, bei dem ausweislich des mit der Berufungsbegründung zu den Akten gereichten Gutachtens des Sachverständigen T. ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten und das Fahrzeugheck massiv beschädigt worden war.
12e) Als wichtigen Hinweis auf das Vorliegen eines fingierten Verkehrsunfalles wertet der Senat, daß die Unfallbeteiligten gute Verbindungen zu KFZ-Branche haben. Ihnen war daher bekannt, wo und wie Fahrzeuge preiswert repariert werden können und wie Unfälle sich zutragen und auswirken.
13Der Beklagte zu 2) ist als Sachverständiger in der Kfz-Branche tätig. Der Beklagte zu 1) ist sein Zuarbeiter. Der Kläger hat für Kunden des Beklagten zu 2) in der Vergangenheit günstige Kfz-Reparaturen durch seinen Bruder vermittelt bzw. selbst durchgeführt, wie der Beklagte zu 1) anläßlich seiner Anhörung vor dem Senat versicherte.
14f) Ein unübersehbarer Hinweis auf eine Unfallmanipulation ist schließlich, daß sich die Beteiligten kannten.
15Nachdem in der Schadensanzeige vom 09.11.1993 an die Beklagte zu 3) von einer Bekanntschaft des Beklagten und 1) und des Klägers nicht die Rede war, ist während des Rechtsstreits unstreitig geworden, daß sich die Partei im Zusammenhang mit der Abwicklung von Verkehrsunfällen kennengelernt hatten. Bemerkenswert ist im übrigen, daß die Sachdarstellung des Beklagten zu 1) zur Bekanntschaft mit dem Kläger bei seiner Anhörung durch den Senat modifiziert wurde und nun in Widerspruch steht zu den bagatellisierenden Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht. Bei ihrer Anhörung durch das Landgericht haben der Beklagte zu 1) und der Kläger angegeben, sich vor fünf bis sechs Jahren anläßlich der Erstattung von Sachverständigengutachten kennengelernt zu haben. Die Intensität der Zusammenarbeit der Parteien, wonach der Kläger günstige Reparaturen bei vom Beklagten zu 2) aufgenommenen Schadensfällen vermittelte, wurde nicht erwähnt. Im Gegenteil gab der Kläger an, über die angesprochenen Gutachten hinaus keinerlei persönliche Beziehung zu den Beklagten zu haben. Dies stellte sich bei der Anhörung durch den Senat als unstreitig unzutreffend heraus.
16g) Für einen manipulierten Verkehrsunfall spricht außerdem, daß gegen die Beteiligten in der Vergangenheit entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind bzw. Klagen wegen Unfallmanipulation abgewiesen wurden.
17Wie in der Berufungsinstanz unstreitig wurde, ist der Beklagte zu 1) in der Vergangenheit wegen Betruges und Urkundenfälschung strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Senat verkennt zwar nicht, daß diese Verurteilung schon einige Zeit zurückliegt. Ihr kommt gleichwohl ein gewisser Beweiswert zu.
18Das Landgericht Aachen hat bereits zweimal Klagen des Klägers im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen abgewiesen, da die Umstände für eine Manipulation sprachen (Urteil vom 15.11.1985 - 3 S 180/95 und Urteil vom 16.03.1994 -4 O 196/88 -). Auch wenn das letzte derartige Geschehen, in das der Kläger verwickelt war, ca. sieben Jahre zurückliegt, zeigt das Betreiben des Rechtsstreits - 4 O 196/88 LG Aachen -, daß die Unfallaktivitäten des Klägers aus Vorunfällen zum Zeitpunkt des hier streitigen Schadensfalles noch nicht abgeschlossen waren. Das genannte landgerichtliche Verfahren, das erst durch Urteil vom 16.03.1994 endete, war nämlich die logische Konsequenz des fingierten Unfalles.
19h) Das wirtschaftliche Risiko für den Schädiger war im vorliegenden Fall überschaubar, da das vom Beklagten zu 1) gesteuerte Fahrzeug unstreitig vollkaskoversichert ist.
20i) Der behauptete Unfallverlauf ist unwahrscheinlich und die Schilderung der Unfallbeteiligten zeichnet sich durch ein ungewöhnliches Maß an Unachtsamkeit aus, was das Geschehen insgesamt als wenig wahrscheinlich erscheinen läßt.
21Nach dem Gutachten der D. vom 30.11.1993 muß der Beklagte zu 1) mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug ungebremst auf das Fahrzeug des Klägers aufgefahren sein. Nur dann läßt sich eine Kongruenz der an den Fahrzeugen festgestellten Schäden annehmen. Angesichts der aus den zu den Akten gereichten Lichtbildern ersichtlichen Unfallörtlichkeit ist dieses behauptete Unfallgeschehen bei Dunkelheit nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Unfallstelle hinter einer leichten Rechtskurve liegt, bei der ausweislich der Lichtbilder die Sicht des auf die Brücke zufahrenden Beklagten zu 1) nach vorne nur leicht eingeschränkt war, hätten die Bremsleuchten des Klägers, der unstreitig vor der Brücke anhielt, von weitem erkennbar sein müssen. Das gleiche gilt für das entgegenkommende Fahrzeug, dessen Scheinwerferlicht und seine Reflexionen gerade bei Dunkelheit weithin sichtbar waren. Da dem Beklagten zu 1) die Unfallstelle unstreitig bekannt war, mußte ihm klar sein, daß wegen des erkennbar entgegenkommenden Fahrzeugs vor der Brücke zu halten war. Der Versuch des Beklagten zu 1), eine Erklärung für sein ungebremstes Auffahren zu liefern, ist insgesamt widersprüchlich. Vor dem Landgericht hatte der Beklagte zu 1) anläßlich seiner Anhörung noch angegeben, in Eile gewesen zu sein und deshalb den PKW des Klägers übersehen zu haben. Nachdem in der Berufungsinstanz seitens der Beklagten auf die Ungereimtheiten in der Unfallschilderung hingewiesen worden war, hat der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung durch den Senat eine neue Erklärung geliefert, nämlich durch in der Nähe befindliche Fußballspieler abgelenkt worden zu sein.
22Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Intensität der vom Sachverständigen der D. festgestellten verhältnismäßig moderaten Beschädigungen der unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge mit der Darstellung des Klägers und des Beklagten zu 1) vereinbar ist, wonach der eilige Beklagte ungebremst mit seinem Fahrzeug auf das fast stehende Fahrzeug des Klägers aufgefahren ist.
23Der Senat verkennt nicht, daß die zuvor angesprochenen Indizien von unterschiedlichem Gewicht sind und nicht jedes Indiz für sich genommen den Schluß auf einen fingierten Verkehrsunfall zuläßt. Die bemerkenswerte Häufung der Besonderheiten im vorliegenden Fall ist jedoch derartig auffällig, daß auch bei Anlegen strenger Maßstäbe an einen Anscheinsbeweis von einem manipulierten Verkehrsunfall ausgegangen werden muß.
24Diesen Anschein konnte der Kläger bei seiner Anhörung durch den Senat nicht erschüttern. Insbesondere war nicht zu übersehen, daß der Kläger seine Bekanntschaft mit dem Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) auch vor dem Senat zunächst als flüchtig schilderte. Erst nachdem der Beklagte zu 1) auf die Vermittlungstätigkeit des Klägers für den Beklagten zu 2) im Zusammenhang mit der Reparatur von begutachteten Kraftfahrzeugen hingewiesen hatte, stellte der Kläger seine bis dahin bagatellisierende Darstellung zu den Kontakten mit den Beklagten zu 1) und 2) richtig. Anders als das Landgericht vermag der Senat vor diesem Hintergrund dem persönlichen Eindruck, den der Kläger und der Beklagte zu 1) im Termin hinterlassen haben, keine Bedeutung in Richtung einer Entkräftung des Anscheinbeweises zukommen zu lassen.
25Da schon aufgrund der vorstehenden Überlegungen die Klage abzuweisen war, kann dahinstehen, ob die Beklagten mit der Berufungsbegründung in beachtlicher Weise bestritten haben, daß es zu einer Berührung der geschädigten Fahrzeuge gekommen ist. Gleichfalls bedurfte die bereits erstinstanzlich streitige Frage, ob die behaupteten Schäden unfallbedingt sind und die Vorschäden ordnungsgemäß beseitigt waren, keiner Klärung.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
27Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer für den Kläger: 19.886,27 DM
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