Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 16 W 61/95
Tenor
1
G r ü n d e
2Der obengenannte Vollstreckungsbescheid wurde dem Beklagten unter der Anschrift G. Str. 30 in K. am 24.02.1995 nach vorausgegangenen erfolglosem Zustellversuch in der Wohnung durch Niederlegung zugestellt. Die schriftliche Benachrichtigung hierüber wurde wie bei gewöhnlichen Briefen üblich abgegeben (Hausbriefkasten). Der Beklagte hat gegen den Vollstreckungsbescheid durch Telefaxschreiben seiner Bevollmächtigten am 10.05.1995 Einspruch eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt mit der Begründung, er habe weder den Mahnbescheid noch den Vollstreckungsbescheid jemals erhalten und habe auch nie einen Benachrichtigungszettel des Postboten vorgefunden. Hierauf ist die Sache an das Landgericht Köln abgegeben worden.
3Der Beklagte hat ergänzend vorgetragen: Er habe die Wohnung G. Str. 30 von der Klägerin angemietet. Zwischen den Parteien liefen in diesem Zusammenhang mehrere Rechtsstreitigkeiten. Er habe die Wohnung an Frau S. E. untervermietet. Am 18.02.1995 sei er in Urlaub gefahren und am 28.02.1995 zurückgekehrt. Er habe seine Wohnung vollständig ausgeräumt und in einem verwüsteten unbewohnbaren Zustand vorgefunden. Die Untermieterin E. habe er erst ausfindig machen müssen. Diese habe ihm berichtet, am 18.02.1995 sei während ihrer Abwesenheit zum erstenmal in die Wohnung eingebrochen und das Mietvertragsexemplar der Parteien entwendet worden. Am 21.02.1995 seien im Auftrag der Klägerin vier Männer unter Aufbruch der Wohnungstür eingedrungen und hätten unter Hinweis auf einen angeblichen Räumungstitel des Amtsgerichts erklärt, die Wohnung müsse geräumt werden. Frau E. soll sich fügen. Ein Herr R. von der Klägerin habe ihr dies telefonisch bestätigt und gesagt, das Haus müsse an den Käufer J. übergeben werden. Frau E. habe keine Möglichkeit der Gegenwehr mehr gesehen. Am 22.02.1995 hätten die vier Männer sämtliche Möbel - darunter die Einbauküche - aus der Wohnung entfernt und abtransportiert. Die verklebten Teppichböden in vier Zimmern seien herausgerissen worden. Die Gardinenstangen und Halterungen seien ebenfalls aus der Wand gerissen worden. Es hätten Putz- und Mauerwerksstücke herumgelegen. Der Briefkasten sei aufgebrochen, das Schild abgerissen gewesen. Sämtliche Post habe gefehlt. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, wegen der Unbenutzbarkeit der Wohnung sei dort eine wirksame Zustellung nicht möglich gewesen.
4Die Klägerin ist der Tatsachendarstellung des Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten.
5Durch Beschluß vom 11.10.1995 hat das Landgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen, da er nach Urlaubsrückkehr angesichts des aufgebrochenen und ausgeräumten Briefkastens Nachforschungen über zwischenzeitlich eingegangene Postsendungen hätten anstellen müssen. Hierzu habe besondere Veranlassung bestanden, weil ihm am 24.01.1995 der Mahnbescheid in dieser Sache zugestellt worden sei. Die Wohnung G. Str. 30 sei trotz der vorgetragenen Einbrüche die geeignete Zustelladresse gewesen. Gegen diesen ihm am 20.10.1995 zugestellten Beschluß hat der Beklagte am 02.11.1995 sofortige Beschwerde eingelegt.
6Er wiederholt, daß die Wohnung am 22.02.1995 aufgegeben worden sei und sich demzufolge dort keine Zustelladresse mehr befunden habe. Im übrigen habe er von der Zustellung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erhalten. Er habe in Unkenntnis des vorangegangenen Mahnbescheides keinerlei Veranlassung gehabt, insoweit Nachforschungen anzustellen. Er habe erst am 08.05.1995 durch den Gerichtsvollzieher erstmals von dem Vollstreckungsbescheid erfahren.
7Die Klägerin behauptet demgegenüber, ihr eigener Anwalt habe sich mehrfach davon überzeugt, daß der Name des Beklagten nach wie vor an der Haustür stehe. Sie meint, es sei nicht erkennbar, was das "angebliche Eindringen" wessen auch immer in die Wohnung im Obergeschoß damit zu tun habe, daß ihm die Post nicht ordentlich zugestellt werden könne. Der Beklagte habe seinen Wohnsitz noch immer in der G. Str. 30, wenngleich er sich dort nicht immer aufhalte.
8Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 238 Abs. 2 ZPO zulässig, da eine den Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid verwerfende Entscheidung gemäß §§ 700 Abs. 1, 341 Abs. 2 ZPO in gleicher Weise anfechtbar gewesen wäre. Die sofortige Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden.
9Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten ist gegenstandslos, weil er nur für den Fall der Versäumung der Einspruchsfrist gestellt worden ist und diese Bedingung nicht eingetreten ist. Die Rechtzeitigkeit des Einspruchs war durch entsprechende Zwischenfeststellung auszusprechen.
10Der Beklagte hat durch die am 10.05.1995 in zulässiger Weise durch Telefaxschreiben übermittelte Einspruchsschrift gegen den Vollstreckungsbescheid vom 22.02.1995 fristgerecht Einspruch eingelegt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO ist nicht in Lauf gesetzt worden, weil es an einer wirksamen Zustellung des Vollstreckungsbescheids fehlt. Zwar liegt eine ordnungsgemäße Zustellungsurkunde des Postbediensteten vor, wonach dieser den Vollstreckungsbescheid nach erfolglosem Zustellversuch in der Wohnung des Beklagten in der G. Str. 30 durch Niederlegung bei der Post und Hinterlassung einer schriftlichen Benachrichtigung im Hausbriefkasten zugestellt hat, und zwar am 22.02.1995. Die Urkunde erbringt aber keinen Beweis dafür, daß der Beklagte im Zeitpunkt der Zustellung im Hause G. Str. 30 noch eine Wohnung unterhalten hat. Ein Zustellversuch in der Wohnung des Adressaten stellt sich für den Postbediensteten bereits dann als erfolglos dar, wenn ihm auf Klingeln an der mit dem Namensschild des Empfängers versehenen Haustür nicht geöffnet wird. Die Erklärung des Postbeamten besagt hingegen nichts darüber, ob der Empfänger noch eine Wohnung in dem Hause bewohnte. Dies war tatsächlich nicht der Fall. Die vom Beklagten angemieteten Räume waren nach dem 22.02.1995 in einem solchen Zustand, daß sie als Wohnung absolut ungeeignet waren. Der Beklagte hat detailliert vorgetragen, daß sämtliches Mobiliar abtransportiert war, die Teppichböden und Gardinenstangen herausgerissen waren und sogar Putz- und Mauerwerkstücke auf dem Boden herumlagen. Die Klägerin hat diesen Vortrag des Beklagten nicht ernsthaft bestritten. Obwohl er sie massiv der Täterschaft beschuldigt hat, ist sie insbesondere diesem Vorwurf nicht entgegengetreten. Dies kann nur dahin verstanden werden, daß der Vortrag des Beklagten zutrifft. Waren die Mieträume aber in einem derart leergeräumten und verwüsteten Zustand, stellten sie keine Wohnung mehr dar, weil man darin weder schlafen noch Mahlzeiten zubereiten konnte. Dementsprechend hatte die vom Beklagten in die Wohnung aufgenommene Untermieterin E. diese auch erkennbar aufgegeben. Daß dem Beklagten die Zerstörung seiner Wohnung nicht bekannt war, ändert nichts an den tatsächlich eingetretenen Verhältnissen. Ebenso ist es unerheblich, ob der Beklagte etwa später - jedenfalls nach seiner Rückkehr am 28.02.1995 - in den gemieteten Räumen seine Wohnung wieder eingerichtet hat, was nach dem Vortrag des Beklagten eher unwahrscheinlich ist, da er die Klägerin bisher erfolglos auf Wiederherstellung des früheren Zustandes in Anspruch genommen haben will, während dem Vortrag der Klägerin nur entnommen werden kann, daß der Beklagte seither an seinem Mietvertrag festhält. Das Vorhandensein eines Namensschildes an der Haustür und eines möglicherweise nicht mehr verschlossenen Hausbriefkastens konnten die tatsächlich nicht mehr existierende Wohnung nur vortäuschen. Eine dort unter den gegebenen Umständen vorgenommene Zustellung ist unwirksam.
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