Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 13 U 146/95
Tenor
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin hat als Haftpflichtversicherer Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall reguliert, an dem ihr Versicherungsnehmer, Herr J.W., sowie die Beklagten zu 1) und 3) beteiligt waren. Sie macht nunmehr aus dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleichs Rückgriffsansprüche gegen den Beklagten zu 3) und die Beklagte zu 4) als dessen Haftpflichtversicherer geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
3Am Sonntag, dem 21.04.1991, fuhr der damals 33 Jahre alte J.W. gegen 3.11 Uhr mit seinem Pkw Typ Saab 900 Turbo mit dem amtlichen Kennzeichen auf der Bundesautobahn (BAB) A4 von K. nach A.. Zwischen den Anschlußstellen D. und W. bei Kilometer 30,411 innerhalb der Gemarkung D. verlor er bei einer Geschwindigkeit von ca. 115 km/h die Kontrolle über sein Fahrzeug. Nach der Behauptung der Klägerin soll ihr Versicherungsnehmer versucht haben, einem Tier - einem Igel oder Hasen - auszuweichen, welches die Fahrbahn von rechts nach links überquerte. Die BAB ist an dieser Stelle unbeleuchtet, sie hat zwei Fahrstreifen für eine Richtung und beschreibt in Richtung A. eine langgezogene Rechtskurve; die Fahrbahnoberfläche - Schwarzdecke - war trocken und eben. Der Pkw Saab geriet ins Schleudern. Er drehte sich nach links um die Hochachse und prallte mit der Front gegen die Mittelleitplanke. Das Fahrzeug glitt an der Leitplanke entlang, löste sich wieder von ihr, rutschte weiter und kam schließlich auf der Überholspur mit der Front voraus quer zur Fahrtrichtung zum Stehen. Es blockierte die gesamte Fahrbahnbreite. An der Front des dunkelblauen Pkw Saab waren durch den Anprall alle lichttechnischen Einrichtungen zerstört worden.
4Aus einem nachfolgenden Fahrzeug beobachtete dessen Fahrer, Herr K., das Schleudern des Pkw Saab; er bremste ab und hielt sein Fahrzeug auf dem Seitenstreifen etwa 10 m vor dem verunfallten Pkw Saab an. Er schaltete die Warnblinkanlage seines Pkw ein, wobei der genaue Zeitpunkt der Inbetriebnahme dieser Warneinrichtung zwischen den Parteien streitig ist.
5Währenddessen näherte sich aus Richtung K. kommend der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Ford Fiesta mit dem amtlichen Kennzeichen . Das schwarzlackierte Fahrzeug war mit vier Personen besetzt; auf dem Beifahrersitz saß neben dem Beklagten zu 1) dessen bei dem späteren Unfallgeschehen getötete 21jährige Lebensgefährtin, Frau B.B., auf der Rücksitzbank hatten hinten links der Geschädigte R.H. und hinten rechts der Geschädigte H.L. Platz genommen. Der Beklagte zu 1) fuhr auf dem linken Fahrstreifen mit abgeblendetem Licht und mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h. Er erkannte den auf der Überholspur quer zur Fahrtrichtung stehenden Pkw Saab erst als Hindernis, als sein Abblendlicht dieses erfaßte. Der Beklagte zu 1) versuchte nach links auszuweichen und prallte mit nahezu unverminderter Geschwindigkeit gegen die rechte Längsseite des Pkw Saab. Durch den Aufprall des Pkw Ford Fiesta wurde der Pkw Saab nach rechts geschleudert; er blieb entgegen der Fahrtrichtung am rechten Rand der Fahrbahn stehen und ragte mit dem Heck in diese hinein. Der Pkw Ford Fiesta wurde bei dem Anstoß gegen den Pkw Saab erheblich an der Front und der Fahrgastzelle vorn rechts deformiert; der Pkw schleuderte gegen die Leitplanke, kippte auf seine linke Längsseite, rutschte auf den rechten Fahrstreifen und blieb dort 10 m weiter als der Pkw Saab quer zur Fahrtrichtung auf der linken Längsseite liegen.
6Herr K. begann nach dem Aufprall des Pkw Ford Fiesta auf den Pkw Saab sein Fahrzeug um ca. 10 m zurückzusetzen, um die Unfallstelle besser abzusichern. Während dieses Vorgangs näherte sich der Beklagte zu 3) mit seinem bei der Beklagten zu 4) haftpflichtversicherten Pkw Renault 19 mit dem amtlichen Kennzeichen auf dem rechten Fahrstreifen. Er fuhr ebenfalls mit abgeblendetem Licht und mit einer Geschwindigkeit von 126 km/h; neben dem Beklagten zu 3) saß auf dem Beifahrersitz Herr L.K.. Als der Beklagte zu 3) den auf dem Seitenstreifen stehenden und mit dem Heck in die rechte Fahrbahn ragenden Pkw Saab im Lichtkegel seines Fahrtlichtes wahrnahm, leitete er eine Vollbremsung ein. Er streifte den Pkw Saab und prallte dann mit einer Geschwindigkeit von noch 108 km/h gegen die Bodengruppe des auf der Seite liegenden Pkw Ford Fiesta des Beklagten zu 1). Durch diesen Anstoß kippte der Pkw Ford Fiesta wieder auf seine Räder, rutschte noch ca. 26 m weiter und kam dann zum Stehen.
7Das Unfallgeschehen hatte insbesondere für die Insassen des Pkw Ford Fiesta schwere Folgen: Frau B.B. erlitt tödliche Verletzungen und verstarb noch an der Unfallstelle, der Beklagte zu 1) und die weiteren Insassen H.L. und R.H. wurden schwer verletzt. Es ist zwischen den Parteien streitig, welche zum Nachteil der Geschädigten eingetretenen Unfallfolgen jeweils durch die unterschiedlichen Kollisionen verursacht worden sind. Der Versicherungsnehmer der Klägerin, Herr W., der Beklagte zu 3) und der Beifahrer des Beklagten zu 3), Herr K., wurden leicht verletzt. An allen drei Fahrzeugen entstand Totalschaden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Unfallhergangs wird auf das im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens eingeholte verkehrstechnische Gutachten des Kfz-Sachverständigen S.R. vom 31.07.1991 (Bl. 77 - 119 der Strafakten 74 Js 460/91 StA Aachen) Bezug genommen.
8Die Klägerin zahlte an die Eltern der tödlich verunglückten Frau B. die mit der Beerdigung zusammenhängenden Kosten sowie ein Schmerzensgeld.
9Der Geschädigte H.L. hat die Klägerin und deren Versicherungsnehmer im Verfahren 10 O 564/91 LG Aachen auf Ersatz materiellen Schadens und auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch genommen; wegen der Einzelheiten wird auf das in diesem Verfahren am 25.02.1992 verkündete Grund- und Teilurteil (Bl. 140 - 150 der Beiakten 10 O 564/91) und das Vergleichsprotokoll vom 03.06.1992 (Bl. 175 - 176 der Beiakten) Bezug genommen. Der Geschädigte R.H. hat von der Klägerin und deren Versicherungsnehmer im Verfahren 10 O 580/91 LG Aachen ebenfalls Ersatz materieller Schäden und Zahlung von Schmerzensgeld gefordert; insoweit wird auf das am 10.03.1992 verkündete Grund- und Teilurteil des Landgerichts Aachen (Bl. 156 - 165 d.A. des vorgenannten Verfahrens) verwiesen.
10Während die Klägerin im ersten Rechtszug unwidersprochen vorgetragen hatte, daß sie wegen des Verkehrsunfalls Ersatzleistungen in Höhe von insgesamt 198.700,94 DM erbracht hat, und zwar für die Verletzten H.L. und R.H. 176.200,82 DM, für die Eltern der Getöteten Frau B. 19.155,90 DM, für den Geschädigten L.K. 1.107,71 DM und als Ausgleich für die beschädigten Leitplanken 2.237,41 DM - wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Schriftsatz der Klägerin vom 28.04.1993 (Bl. 98 - 101 GA) Bezug genommen -, sind im Berufungsrechtszug die Aufwendungen der Klägerin für die Verletzten L., H. und K. von den Beklagten zu 3) und 4) in Zweifel gezogen worden. Die Klägerin hat sich eine vom Pkw ihres Versicherungsnehmers ausgehende Betriebsgefahr anrechnen lassen und mit Rücksicht darauf 80 % der von ihr behaupteten Zahlungen (158.960,75 DM) sowie Ersatz von künftig noch entstehenden Schäden gegenüber den Beklagten geltend gemacht.
11Die Klägerin hat hierzu behauptet, ihr Versicherungsnehmer W. habe nach dem Liegenbleiben seines Pkw Saab im Anschluß an die Kollision mit der Leitplanke die Warnblinkanlage seines Fahrzeugs in Gang gesetzt und versucht, sein Fahrzeug zu starten, um es auf den Seitenstreifen fahren zu können. Die Beifahrerin im Pkw Ford Fiesta des Beklagten zu 1) habe nicht schon durch dessen Aufprall auf den Pkw Saab ihre tödlichen Verletzungen erlitten, sondern sei erst durch die weitere Kollision des Pkw Ford Fiesta mit dem Pkw Renault 19 des Beklagten zu 3) getötet worden. Nach dem ersten Aufprall gegen den Pkw Saab habe nämlich der Beklagte zu 1) seine Freundin noch gefragt, ob alles in Ordnung sei; daraufhin habe sie mit dem Kopf genickt. Auch die Verletzten H.L. und R.H. seien erst aufgrund der Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 3) erheblich verletzt worden.
12Die Klägerin, die das Verfahren gegen die Beklagten zu 1) und 2) nicht betrieben hat,
13hat beantragt,
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1.
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die Beklagten zu 3) - 4) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 158.960,75 DM nebst 4 % Zinsen von 14.400,00 DM seit dem 7. Februar 1992, von 10.000,00 DM seit dem 24. März 1992, von 37.500,00 DM seit dem 7. August 1992 und von 97.060,75 DM seit dem 8. September 1993 zu zahlen.
1819
2.
2021
festzustellen, daß die Beklagten zu 3) - 4) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr 80 % aller Aufwendungen zu erstatten, die ihr wegen der Verletzungen der Herren H.L. und R.H. aus dem Verkehrsunfall vom 21. April 1991 auf der Bundesautobahn , Fahrtrichtung A., Gemeinde D. bei km 30.411 entstanden sind, und zwar gleichgültig, ob es sich um Ansprüche der Verletzten selber oder um übergegangene Ansprüche handelt.
22Die Beklagten zu 3) und 4) haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
25Sie haben die Auffassung vertreten, der Verkehrsunfall sei für den Beklagten zu 3) unabwendbar gewesen, er habe insbesondere nicht auf Sicht fahren müssen; neben dem Abblendlicht habe der Beklagte zu 3) jedenfalls ausreichende Sicht durch Fremdlichter und Leiteinrichtungen gehabt.
26Das Landgericht hat nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 25.08.1993 (Bl. 117 GA) Zeugen vernommen und ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.02.1994 (Bl. 149 - 152 GA) und das Gutachten des Sachverständigen R. vom 27.01.1995 (Bl. 179 - 204 GA) Bezug genommen. Die Strafakten 74 Js 460/91 StA Aachen haben dem Landgericht vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
27Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil vom 11.07.1995, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 222 - 235 GA), eine Haftung der Beklagten zu 3) und 4) in Ansehung der Aufwendungen der Klägerin für die Geschädigten L. und H. in Höhe von 50 % angenommen und hat der Zahlungsklage in Höhe eines Betrages von 88.100,41 DM nebst Zinsen (50 % von 176.200,82 DM) stattgegeben sowie dem Feststellungsbegehren wegen 50 % aller künftigen Schäden entsprochen. Es hat ein unabwendbares Unfallgeschehen aus Sicht des Beklagten zu 3) verneint und seine Entscheidung zur Haftungsquote mit einer Abwägung der jeweiligen Verursachungsanteile des Herrn W. und des Beklagten zu 3) begründet und im einzelnen ausgeführt, daß den Unfallbeteiligten nach Maßgabe des unstreitigen Sachverhaltes sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme Verstöße gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung anzulasten seien (§§ 18 Abs. 8, 15, 3 StVO). Weitergehende Ansprüche der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Es hat ihr keine Ausgleichsansprüche wegen der Beträge zuerkannt, die die Klägerin an die Familie der getöteten Frau B. gezahlt hat, weil nicht bewiesen sei, daß der Tod von Frau B. erst durch die Kollision des Fahrzeugs des Beklagten zu 3) mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) verursacht worden sei; etwaige Aufwendungen für den Geschädigten K. könne die Klägerin ebenfalls nicht geltend machen, sie habe nicht substantiiert vorgetragen, daß Herr K. aufgrund des Verkehrsunfalls geschädigt worden sei.
28Diese Entscheidung haben beide Parteien angefochten.
29Die Beklagten zu 3) und 4) haben gegen das ihnen am 13.07.1995 zugestellte Urteil mit einem am 11.08.1995 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig mit einem am 16.11.1995 eingegangenen Schriftsatz begründet haben. Die Klägerin hat gegen das ihr am 20.07.1995 zugestellte Urteil mit einem am 18.08.1995 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese ebenfalls nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig mit einem am 16.11.1995 eingegangenen Schriftsatz begründet.
30Die Beklagten zu 3) und 4) erstreben weiterhin eine Klageabweisung in vollem Umfang. Sie halten hierzu insbesondere an ihrer Auffassung fest, die Kollision zwischen dem Pkw Renault 19 des Beklagten zu 3) und dem Pkw Ford Fiesta des Beklagten zu 1) sei für den Beklagten zu 3) unabwendbar gewesen, weil er mit dem verunfallt auf der Autobahn liegenden Ford Fiesta nicht als Hindernis habe rechnen müssen.
31Sie bestreiten darüber hinaus, daß die erheblichen Verletzungen der Insassen des Pkw Ford Fiesta durch den Aufprall des Pkw Renault 19 verursacht worden sein sollen und behaupten, die Insassen des Pkw Ford Fiesta seien bereits durch die Erstkollision zwischen dem Pkw Ford Fiesta und dem Pkw Saab des Herrn W. verletzt worden.
32Die Beklagten zu 3) und 4) stellen ferner unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Haftungsquote zur Überprüfung und bestreiten erstmalig im Berufungsverfahren die Höhe der von der Klägerin erbrachten Leistungen. Schließlich vertreten sie die Auffassung, dem Feststellungsbegehren der Klägerin fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten zu 3) und 4) wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 15.11.1995 (Bl. 279 - 292 GA) sowie auf den Schriftsatz vom 14.03.1996 (Bl. 539 - 541 GA) Bezug genommen.
33Die Beklagten zu 3) und 4) beantragen,
3435
1.
3637
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;
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2.
4041
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
42Die Klägerin beantragt,
4344
I.
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das Urteil des Landgerichts Aachen vom 11.07.1995 - 10 O 639/91 - abzuändern und
4748
1.
4950
die Beklagten zu 3) und 4) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin DM 130.205,69 incl. des bereits in erster Instanz zuerkannten Betrages zu zahlen, und zwar nebst 5 % Zinsen aus einem Betrag in Höhe von DM 12.000,00 seit dem 07.02.1992, aus einem Betrag in Höhe von 10.000,00 DM seit dem 24.03.1992 und von weiteren DM 108.205,69 seit dem 26.05.1993;
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2.
5354
festzustellen, daß die Beklagten zu 3) und 4) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 2/3 aller weiteren Aufwendungen zu erstatten, die dieser wegen der Verletzungen der Herren H.L. und R.H. aus dem Verkehrsunfall vom 21.04.1991 auf der Bundesautobahn, Fahrtrichtung A., Gemeinde D., bei Kilometer 30,411 entstehen, und zwar gleichgültig, ob es sich um Ansprüche der Verletzten selbst oder um übergegangene Ansprüche handelt;
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3.
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vorsorglich der Klägerin nachzulassen, die Zwangsvollstreckung auch in Form einer Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse abwenden zu dürfen.
5960
II.
6162
die Berufung der Beklagten zu 3) und 4) zurückzuweisen.
63Die Klägerin erstrebt eine teilweise Erhöhung der ausgeurteilten Beträge. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wendet sie sich in erster Linie gegen die Haftungsverteilung durch das Landgericht und vertritt hierzu die Auffassung, ihrem Versicherungsnehmer W. könne weder ein Verstoß gegen die Regelung des § 15 StVO noch gegen die Vorschrift des § 18 Abs. 8 StVO angelastet werden. Abweichend von der in erster Instanz von ihr geltend gemachten Haftungsverteilung im Verhältnis von 80 : 20 zu ihren Gunsten geht sie in zweiter Instanz von einer Haftungsverteilung von 2/3 : 1/3 zu ihren Gunsten aus und macht in Ansehung des angefochtenen Urteils den 50 % übersteigenden Mehrbetrag geltend. Die Klägerin rügt, das Landgericht habe zu Unrecht bei der Schadensberechnung die Beträge nicht berücksichtigt, die sie an die Eltern der verstorbenen Frau B. sowie an den Geschädigten K. gezahlt habe. Insoweit greift sie mit der Berufung die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil an und behauptet, daß Frau B. erst durch die weitere Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 3) getötet worden sei; auch die verletzten Herren Lindner und H. seien erst aufgrund der Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 3) erheblich verletzt worden; ferner sei der Insasse des Beklagten zu 3), Herr K., durch den Unfall geschädigt worden.
64Die Klägerin behauptet einen Gesamtschadensbetrag in Höhe von 195.308,53 DM, von dem sie mit der Berufung 2/3 verfolgt, also einen Betrag in Höhe von 130.205,69 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Klägerin, namentlich auch zur Höhe der geltend gemachten Aufwendungen, wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 16.11.1995 (Bl. 296 - 305 GA) und die Berufungserwiderungsschrift vom 21.02.1996 (Bl. 333 - 538 GA) nebst Anlagen Bezug genommen.
65Die Akten 10 O 564/91 LG Aachen sowie 10 O 580/91 LG Aachen und die Strafakten 74 Js 460/91 StA Aachen (mit Bewährungsheft) lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
66E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
67Die Berufung der Beklagten zu 3) und 4) ist zulässig und hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin ist nur in geringem Umfang begründet.
68I. Berufung der Beklagten zu 3) und 4)
69Der Senat folgt dem Landgericht darin, daß der Klägerin wegen des Verkehrsunfalls vom 21.04.1991 gegen die Beklagten zu 3) und 4) dem Grunde nach Rückgriffsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleichs zustehen. Diese Ansprüche haben ihre rechtliche Grundlage über § 67 VVG und § 426 Abs. 2 BGB in den Bestimmungen der §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 und 2 PflVG und den §§ 823 Abs. 1, 847, 840 Abs. 1 BGB.
70Der gesamtschuldnerische Ausgleichsanspruch ist begründet, weil der Versicherungsnehmer der Klägerin, Herr W., und der Beklagte zu 3) nebeneinander für die Verletzungen und Schäden zum Nachteil der Insassen des Pkw Ford Fiesta des Beklagten zu 1) verantwortlich sind. Dieser Ausgleich richtet sich nicht nach Kopfteilen, sondern nach dem Maß der jeweiligen Verursachung des Schadens (§ 17 Abs. 1 StVG). Der Senat sieht indessen - abweichend vom erstinstanzlichen Erkenntnis - den weitaus größeren Verursachungsanteil auf Seiten des Versicherungsnehmers der Klägerin. Dessen Verantwortungsanteil an der Entstehung des Unfalls beträgt 2/3, der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 3) hingegen nur 1/3. Insoweit ist die Berufung der Beklagten zu 3) und 4) erfolgreich.
71(1)
72Allerdings ist der zur Abwendung jeder Haftung erhobene Einwand der Beklagten zu 3) und 4), die Kollision zwischen dem Fahrzeug des Beklagten zu 3) und dem Pkw Ford Fiesta des Beklagten zu 1) sei für den Beklagten zu 3) unabwendbar gewesen, rechtlich fehlsam. Die Haftung der Beklagten zu 3) und 4) ist entgegen der von ihnen vertretenen Auffassung nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen.
73Der Begriff "unabwendbares Ereignis" i.S. von § 7 Abs. 2 StVG meint ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehören erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB hinausgehende Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Umsicht sowie ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln im Augenblick der Gefahr im Rahmen des Menschenmöglichen, also das Verhalten eines "Idealfahrers" (vgl. BGHZ 113, 164, 166; 117, 337, 340; OLG Köln NZV 1992, 233; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 33. Aufl., StVG, § 7 Rdnr. 30). Die Prüfung hat sich darauf zu erstrecken, ob ein Idealfahrer überhaupt in die Gefahrensituation geraten wäre und ob der Schädiger in der konkreten Unfallsituation wie ein Idealfahrer reagiert hat (vgl. BGH DAR 1987, 19; OLG Köln a.a.O.). Das Fahrverhalten des Beklagten zu 3) im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 21.04.1991 genügt diesen Anforderungen nicht. Er hat in jedem Fall die Regel des Fahrens auf Sicht (§ 3 Abs. 1 StVO) verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Kraftfahrzeugführer bei Dunkelheit auch auf der Autobahn grundsätzlich nur so schnell fahren, daß er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten kann (BGH VersR 1965, 88 f.; NJW 1984, 2412; NJW 1987, 1075; OLG Hamm NZV 1988, 64 f. und NZV 1992, 407 f.; OLG Frankfurt NZV 1990, 154 f.; OLG Köln NZV 1993, 271; Jagusch/Hentschel, StVO, § 3 Rdnr. 35). Der Beklagte zu 3) hat im Rahmen des Berufungsverfahrens selbst eingeräumt, ihm sei es mit Rücksicht auf seine Ausgangsgeschwindigkeit von 126 km/h überhaupt nicht möglich gewesen, rechtzeitig vor den auf der Fahrbahn befindlichen Pkw Saab und Pkw Ford Fiesta die Geschwindigkeit so zu reduzieren, daß er noch hätte anhalten können, als er diese Fahrzeuge im Lichtkegel seines Abblendlichts erkannte (Bl. 279, 284 GA). Nach Maßgabe der urkundlich belegten Feststellungen, die der Kraftfahrzeugsachverständige R. in seinem im Rahmen des Strafverfahrens erstatteten verkehrstechnischen Gutachten vom 31.07.1991 getroffen hat, wäre der Unfall für den Beklagten zu 3) nämlich nur vermeidbar gewesen, wenn seine Geschwindigkeit bei Erkennen der Gefahr im Lichtkegel des Abblendlichts geringer als 85 km/h gewesen wäre (Bl. 94, 95 der Beiakten 74 Js 460/91 StA Aachen). Angesichts der im Hinblick auf das Gebot des Fahrens auf Sicht unstreitig überhöhten Geschwindigkeit des Beklagten zu 3) ist dessen Einwand eines vermeintlich unabwendbaren Ereignisses fernliegend.
74Die Beklagten zu 3) und 4) können sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, die auf der Fahrbahn liegenden bereits verunfallten Fahrzeuge seien so ungewöhnliche Hindernisse gewesen, daß der Beklagte zu 3) sie auch bei gehöriger Aufmerksamkeit und angepaßter Geschwindigkeit nicht hätte erkennen können. Selbst wenn ein Kraftfahrer seine Geschwindigkeit nicht auch auf solche Hindernisse einzurichten hat, die wegen ihrer Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind, so gilt diese Einschränkung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch gerade nicht für auf der Straße liegengebliebene Kraftfahrzeuge, mögen sie auch unbeleuchtet sein (BGH NJW-RR 1987, 1235, 1236; NJW 1984, 2412).
75Eine Ausnahme von dem Grundsatz, bei Dunkelheit die Geschwindigkeit der Reichweite des Abblendlichts anzupassen, ergibt sich allerdings aus § 18 Abs. 6 StVO. Diese Vorschrift erlaubt es dem Kraftfahrer, schneller zu fahren, wenn entweder die Schlußleuchten des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs klar erkennbar sind und ein ausreichender Abstand von ihm eingehalten wird, oder wenn der Verlauf der Fahrbahn durch Leiteinrichtungen mit Rückstrahlern und, zusammen mit fremdem Licht, Hindernisse rechtzeitig erkennbar sind; die Beklagten zu 3) und 4) berufen sich auf die letztgenannte Ausnahme (Bl. 279, 291 GA). Die in dieser Vorschrift benannten besonderen Umstände liegen im Streitfall indessen nicht vor, weil nach den urkundlich belegten und nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen R. die Bundesautobahn A 4 an der Unfallstelle gerade nicht beleuchtet ist (Bl. 78 der Strafakten). Mangels anderer Lichtquellen waren Hindernisse, so auch die bereits verunfallten Fahrzeuge, nicht rechtzeitig erkennbar.
76(2)
77Die Beklagten zu 3) und 4) machen schließlich auch ohne Erfolg geltend, die Verletzungen der Insassen des Pkw Ford Fiesta seien nicht erst durch den Aufprall des Fahrzeugs des Beklagten zu 3) verursacht worden, sondern bereits durch den Zusammenstoß mit dem Pkw Saab des Herrn W.. Die von ihnen erhobenen Bweiseinreden sind unbegründet. Sie weisen zwar im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, daß sich der Beweisbeschluß des Landgerichts vom 25.08.1993 dem Wortlaut nach nur auf die Verursachung der tödlichen Verletzungen der Beifahrerin des Fahrzeugs Ford Fiesta, Frau B., bezieht, nicht aber auf die Verursachung der Verletzungen der Herren L. und H.. Dieser Umstand war bisher aber nicht aufklärungsbedürftig, weil die Ursächlichkeit in erster Instanz nicht in Frage gestellt worden war. Deshalb ist das Landgericht im angefochtenen Urteil zu Recht davon ausgegangen, daß die beiden auf der Rücksitzbank sitzenden Insassen des Pkw Ford Fiesta durch dessen Aufprall auf den Pkw Saab noch keine wesentlichen Verletzungen erlitten haben, sondern erst durch die nachfolgende Kollision zwischen dem Ford Fiesta und dem Fahrzeug Renault 19 des Beklagten zu 3) erheblich verletzt worden sind. Das erstmalige Bestreiten dieses Ursachenzusammenhanges durch die Beklagten zu 3) und 4) im Rahmen des Berufungsverfahrens gibt zu einer abweichenden Beurteilung im Ergebnis keinen Anlaß. Das vom Landgericht eingeholte Gutachten des Kraftfahrzeugsachverständigen R. vom 27.01.1995 enthält auch zu diesem Ursachenzusammenhang präzise und überzeugende Feststellungen, die sich der Senat zu eigen macht. Der Sachverständige hat anhand seiner Unfallrekonstruktion nachvollziehbar und plausibel einen Kollisionsablauf ermittelt, bei dem der Pkw Renault nur wenig zur Mitte versetzt neben dem linken Frontscheinwerfer gegen die weitgehend senkrecht stehende Hinterachse und den Stabilisator des Pkw Ford Fiesta gestoßen war. Insbesondere daraus hat der Sachverständige eine Richtung der maximalen Stoßkraftwirkung abgeleitet, die unmittelbar auf die Rücksitzbank des Pkw Ford Fiesta weist, auf der unstreitig die Geschädigten L. und H. Platz genommen hatten. Die Feststellungen des Sachverständigen zum Kollisionsablauf verleihen seinen Ausführungen zum Ursachenzusammenhang besondere Überzeugungskraft; hiernach sind gerade wegen der Richtung der maximalen Stoßkraftwirkung die Fußverletzungen und bei Berücksichtigung der vom Boden zum Dach gerichteten Stauchung des Innenraums auch die Verletzungen der Herren L. und H. am Kopf und an den Hals- und Lendenwirbeln durch die Kollision mit dem Pkw Renault 19 entstanden. Eine Verursachung dieser schweren Verletzungen bereits durch die Kollision zwischen dem Pkw Saab und dem Pkw Ford Fiesta scheidet deshalb nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen aus.
78(3)
79Die mit der Berufung vorgebrachten Rügen der Beklagten zu 3) und 4) hinsichtlich der Haftungsverteilung durch das Landgericht haben allerdings in der Sache teilweise Erfolg. Eine Abwägung der mitwirkenden Verursachungsanteile (§ 17 StVG) führt abweichend von der angefochtenen Entscheidung zu einer Quotierung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerin. Dabei hat sich der Senat im einzelnen von folgenden Erwägungen leiten lassen:
80Der Versicherungsnehmer der Klägerin, Herr W., und der Beklagte zu 3) haben durch voneinander unabhängige selbständige Handlungen den Unfall durch Aufprallen des Pkw Renault 19 auf den Pkw Ford Fiesta herbeigeführt. Mitursächlich für die Kollision zwischen diesen Fahrzeugen war darüberhinaus auch der Beklagte zu 1) als Fahrer des Pkw Ford Fiesta, hinsichtlich dessen die Klägerin den Rechtsstreit nicht weiter betreibt. Nach Maßgabe dieser nebentäterschaftlich herbeigeführten Unfallverursachung hat der Beklagte zu 3) dasjenige aufzubringen, was bei der Gesamtschau des Unfalls seinem Gesamtanteil an Verantwortung entspricht; es ist eine Gesamtabwägung aus der Gesamtschau durchzuführen. Die Gesamtschau hat davon auszugehen, daß der Fahrer des Pkw Saab durch sein Fehlverhalten das gesamte Unfallgeschehen eingeleitet hat und daß die Verletzungen der Insassen des Pkw Ford Fiesta durch den Aufprall des Pkw Renault 19 verursacht worden sind. Vor diesem Hintergrund ist die hälftige Haftungsverteilung im angefochtenen Urteil nicht überzeugend. In vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung bislang stets den weitaus größeren Verursachungsanteil zu Lasten desjenigen angenommen, der ein Hindernis auf der Bundesautobahn geschaffen hat (vgl. BGH VersR 1965, 88; BGH NJW-RR 1987, 1235; OLG Hamm NZV 1992, 407 f.; vgl. auch für einen Sonderfall OLG Köln, 19. Zivilsenat, NZV 1993, 271 f.). In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung liegt der überwiegende Verursachungsanteil auch im Streitfall auf Seiten der Klägerin bzw. deren Versicherungsnehmers. Ihm ist zunächst sein grob verkehrswidriges Verhalten anzulasten, daß er ohne sachlichen Grund nachts auf einer Bundesautobahn eine Ausweichbewegung gemacht hat, ins Schleudern geraten ist, die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat und schließlich auf der Überholspur quer zur Fahrbahn zum Stillstand gekommen ist (§ 2 Abs. 1 StVO). Das Landgericht weist im Hinblick auf den von Herrn W. geltend gemachten Grund für sein Ausweichmanöver mit Recht darauf hin, daß zugunsten von Kleintieren auf Schnellstraßen und Autobahnen nicht so reagiert werden darf, daß andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Insoweit fehlt es für ein Abbremsen oder auch für Ausweichbewegungen an einem sachlichen und ausreichenden Grund (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 28 f.). Durch sein verkehrswidriges Verhalten hat Herr W. für den nachfolgenden Verkehr eine erhebliche Gefährdung geschaffen, weil das unbeleuchtete Fahrzeug - nach den urkundlich belegten Feststellungen des Kraftfahrzeugsachverständigen R. im Strafverfahren waren an der Front des Pkw Saab alle lichttechnischen Einrichtungen zerstört (vgl. Bl. 82 der Strafakten 74 Js 460/91 StA Aachen) - ein gefährliches Hindernis darstellte. Die Betriebsgefahr des in der Dunkelheit quer auf der Bundesautobahn stehenden Pkw Saab war dadurch erheblich erhöht. Allerdings kann in die Abwägung auf Seiten des Herrn W. nicht ein Verstoß gegen § 18 Abs. 8 StVO eingestellt werden. Er hat mit seinem Pkw Saab nicht im Sinne der vorgenannten Bestimmung auf der Autobahn "gehalten". Es ist unstreitig, daß der Pkw Saab infolge der Kollision mit der Leitplanke zum Stillstand kam. Dieser Vorgang bedeutet ein "Liegenbleiben" im Sinne von § 15 StVO und nicht "Halten" im Sinne von §§ 12, 18 StVO. Da "Halten" immer eine gewollte, nicht durch die Verkehrslage oder eine Anordnung gebotene Fahrunterbrechung ist, verstößt das Liegenbleiben wegen etwaiger Störungen nicht gegen § 18 Abs. 8 StVO (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1235, 1236; Jagusch/Hentschel, StVO, § 18 Rdnr. 25). Der Fahrer eines liegengebliebenen Fahrzeugs hat sogleich in ausreichender Weise Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen, weil er andernfalls nicht nur gegen das Gebot der ausreichenden Beleuchtung des Kraftfahrzeugs nach § 17 StVO verstößt, sondern den Verkehrsunfall auch durch Unterlassen einer Absicherung und damit unter Verstoß gegen § 15 StVO mitverursacht. Indessen kann ein Verstoß gegen diese Bestimmungen im Streitfall ebenfalls nicht in die Abwägung mit eingestellt werden, weil keine gesicherten Erkenntnisse über die zur Verfügung stehende Zeit vorliegen; die mehrfachen Kollisionen der Fahrzeuge mit der Mittelleitplanke bzw. mit den nachfolgenden Fahrzeugen stellen ein bewegtes, dynamisches Geschehen dar, das sich unmittelbar aufeinanderfolgend ereignet hat.
81Zu Lasten des Beklagten zu 3) ist der eingangs bereits festgestellte Verstoß gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht zu berücksichtigen. Als Fahrer des Pkw Renault 19 hatte er auch aus einem weiteren Gesichtspunkt hinreichenden Anlaß, seine Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren (§ 3 Abs. 1 StVO); es gab einen deutlichen Hinweis auf eine Gefahr im Straßenbereich. Während sich der Beklagte zu 3) der Unfallstelle näherte, stand das Fahrzeug des Herrn K. mit bereits eingeschalteter Warnblinkanlage auf dem Standstreifen. Der Senat geht davon aus, daß der Unfallzeuge K. bereits zu diesem Zeitpunkt die Warnblinkanlage seines Fahrzeugs in Gang gesetzt hatte. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den urkundlich belegten und bestätigenden Angaben, die Herr K. als Zeuge im Rahmen des Strafverfahrens gemacht hat (Bl. 298, 299 der Strafakten 74 Js 460/91 StA Aachen). Den vom Kraftfahrzeugsachverständigen R. in seinem verkehrstechnischen Gutachten getroffenen Feststellungen zufolge hätte der Beklagte zu 3) die eingeschaltete Warnblinkanlage des auf dem Standstreifen stehenden Zeugenfahrzeugs bereits aus einer Entfernung von ca. 120 m erkennen können (Bl. 94 der Strafakten). Der Beifahrer des Beklagten zu 3), der Geschädigte K., hat seinen urkundlich belegten Angaben im Strafverfahren zufolge die Warnblinkanlage auch aus einer Entfernung von ca. 100 m wahrgenommen (Bl. 65 R der Strafakten). Nach alledem steht außer Zweifel, daß die Warnblinkanlage am Pkw des Zeugen K. bereits im Zeitpunkt der Annäherung des Pkw Renault 19 an die Unfallstelle in Betrieb und für den Beklagten zu 3) auch erkennbar war. Damit hatte der Beklagte zu 3) hinreichenden Anlaß zur Reduzierung seiner Fahrgeschwindigkeit. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 3) und 4) hat das Warnblinklicht nicht nur die Funktion, Kollisionen des nachfolgenden Verkehrs mit dem das Warnblinklicht aussendenden Fahrzeug zu verhindern. Vielmehr gibt eine eingeschaltete Warnblinkanlage auch den Hinweis auf Gefahren im Straßenbereich, die nicht von diesem Pkw ausgehen. Wenn diese Möglichkeit gegeben ist, wird der nachfolgende Verkehr in der Regel seine Geschwindigkeit zugleich soweit herabzusetzen haben, daß er einer plötzlich auftretenden Fahrtbehinderung wirksam begegnen kann (OLG Köln VRS 68, 354, 356). Der Beklagte zu 3) mußte bei pflichtgemäßer Führung seines Kraftfahrzeuges das Warnblinklicht auch zur Kenntnis nehmen, denn ein Kraftfahrer ist grundsätzlich auch bei breiten Straßen verpflichtet, die gesamte vor ihm liegende Fahrbahn zu beobachten (BGH NJW 1987, 2377 f.).
82Im Hinblick auf die jeweils zu berücksichtigenden Verursachungsanteile liegt der Schwerpunkt der Verursachung bei dem Versicherungsnehmer der Klägerin, Herrn W.. Er hat durch sein grobes Fehlverhalten das gesamte Unfallgeschehen eingeleitet und ist dafür verantwortlich geworden, daß die Betriebsgefahr seines in der Dunkelheit mit zerstörter Frontbeleuchtung quer auf der Autobahn stehenden Pkw erheblich erhöht war. Berücksichtigt man demgegenüber das Fehlverhalten auf Seiten des Beklagten zu 3), der nicht auf Sicht gefahren ist, dann ist nach Einschätzung des Senats eine Quotierung im Verhältnis 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerin sachgerecht.
83(4)
84Zur Schadenshöhe geht der Senat hinsichtlich der Aufwendungen der Klägerin für die Geschädigten H.L. und R.H. in Übereinstimmung mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil von einem Gesamtbetrag in Höhe von 176.200,82 DM aus. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensbeträge (vgl. Bl. 99 - 101 GA) haben die Beklagten zu 3) und 4) in erster Instanz nicht bestritten, so daß das Landgericht bei seiner Schadensberechnung hiervon zu Recht ausgegangen ist. Erstmalig im Berufungsverfahren haben die Beklagten zu 3) und 4) die von der Klägerin erbrachten Aufwendungen in Zweifel gezogen. Daraufhin hat die Klägerin im Schriftsatz vom 21.02.1996 nochmals eingehend und im einzelnen aufgeschlüsselt die Schadensaufstellung erläutert und - soweit möglich - belegt (Bl. 338 - 538 GA). Angesichts der außerordentlich eingehenden und substantiierten Darlegungen der Klägerin, die sich auch auf die in den vor dem Landgericht Aachen geführten Parallelprozessen 10 O 564/91 und 10 O 580/91 ausgeurteilten bzw. im Vergleichsweg übernommenen Ersatzbeträge beziehen, wäre es nunmehr Sache der Beklagten zu 3) und 4) gewesen, im einzelnen zu erklären, ob und gegebenenfalls welche der dezidiert geltend gemachten Beträge von ihnen auch weiterhin bestritten werden sollen. Dies ist nicht geschehen, ohne daß hierfür ein sachlicher Grund geltend gemacht worden wäre. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 3) und 4) handelt es sich bei dem sehr umfangreichen Schriftsatz vom 21.02.1996 zur Darlegung der Schadenshöhe um einen auch in formeller Hinsicht ordnungsgemäßen Schriftsatz, der insbesondere unterschrieben ist und seinen Aussteller erkennen läßt (Bl. 508 GA). Darüberhinaus sind die Angaben zu den Schadensbeträgen in diesem Schriftsatz nebst Anlagen auch sachlich und rechnerisch nachprüfbar und vom Senat nachgeprüft. Das einfache Bestreiten der Schadensbeträge durch die Beklagten zu 3) und 4) sieht der Senat dieserhalb gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unbeachtlich an.
85(5)
86Ohne Erfolg bleiben schließlich auch die Einwendungen der Beklagten zu 3) und 4) im Hinblick auf den von der Klägerin erhobenen Feststellungsantrag. Mit Rücksicht auf die erheblichen Verletzungen, die die Insassen des Pkw Ford Fiesta durch den Aufprall des Pkw Renault 19 des Beklagten zu 3) unstreitig erlitten haben, hat der Senat ebenso wie das Landgericht keine Bedenken hinsichtlich des Feststellungsinteresses der Klägerin im Hinblick auf etwaige Zukunftsschäden. Allerdings ist auch der Feststellungsausspruch im angefochtenen Urteil nach Maßgabe der geänderten Haftungsverteilung teilweise abzuändern und anderweitig auf 1/3 festzusetzen.
87II. Die Berufung der Klägerin
88Das Rechtsmittel der Klägerin ist nur insoweit begründet, als sie einen Anspruch auf Ersatz der an den Geschädigten K. geleisteten Zahlungen geltend macht. Im übrigen hat die Berufung keinen Erfolg.
89(1)
90Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung ebenfalls die Haftungsverteilung durch das Landgericht beanstandet und einen Ausgleichsanspruch von mindestens 2/3 zu ihren Gunsten geltend macht, bleibt diesem Vorbringen der Erfolg versagt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf die vorstehenden Ausführungen zur angemessenen Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerin verwiesen.
91(2)
92Der Senat folgt dem Landgericht darin, daß der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten, die sie an die Familie der bei dem Unfall getöteten Frau B. gezahlt hat, nicht zusteht.
93Die Klägerin hat nicht den Nachweis geführt, daß der Tod von Frau B. erst durch den Anstoß des Pkw Renault 19 des Beklagten zu 3) auf das Fahrzeug Ford Fiesta verursacht worden ist. Die sachkundigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen R. in seinem Gutachten vom 27.01.1995, die sich auch der Senat zu eigen macht, legen vielmehr den Schluß nahe, daß der Beifahrerin im Pkw Ford Fiesta die zu ihrem Tode führenden Verletzungen bereits durch die erste Kollision zwischen dem Pkw Ford Fiesta und dem Pkw Saab des Herrn W. beigebracht worden sind. Nach der Unfallrekonstruktion des Sachverständigen saß Frau B. in ihrer Position auf dem Beifahrersitz im direkten Bereich der maximalen Stoßkraftwirkungen des Erstunfalls mit massiven Eindringungen der vorderen Karrosseriebereiche in den Innenraum und hat sich dadurch zumindest schwerste Verletzungen zugezogen. Die Beweisaufnahme des Landgerichts durch Vernehmung der weiteren Insassen des Pkw Ford Fiesta hat im übrigen auch nicht ergeben, daß sich die Insassen des Ford Fiesta nach dem Zusammenstoß mit dem Pkw Saab und vor dem Aufprall des Pkw Renault 19 noch miteinander unterhalten haben, das haben die Zeugen nicht bestätigt. Eine andere Beurteilung ist nicht durch den erneuten Hinweis der Klägerin auf den Umstand veranlaßt, daß die verstorbene Frau B. nach der ersten Kollision noch auf eine Frage des Beklagten zu 1), ob alles in Ordnung sei, mit dem Kopf genickt haben soll. Der Beklagte zu 1) hat im Rahmen seiner Vernehmung durch das Landgericht ein Kopfnicken der Frau B. geschildert. Es ist allerdings bereits zweifelhaft, ob diese Aussage in der Sache zutrifft. Denn im Rahmen seiner Einlassung zur Sache in der mündlichen Verhandlung vor dem erweiterten Schöffengericht D. am 22.03.1993 (Bl. 293, 295 der Strafakten 74 Js 460/91 StA Aachen) hat sich der Beklagte zu 1) zurückhaltender geäußert; er hat das angebliche Kopfnicken damals nicht erwähnt, sondern lediglich ausgeführt, es seien keine Anzeichen vorhanden gewesen, daß nicht alles in Ordnung sei. Selbst wenn der Beklagte zu 1) aber meinte, ein Kopfnicken gesehen zu haben, so kommt diesem Umstand nach Maßgabe der Ermittlungen des Sachverständigen R. keine Bedeutung zu. Der Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, daß Frau B. bereits nach der Erstkollision zwischen den Fahrzeugen Saab und Ford Fiesta, als das Fahrzeug Ford Fiesta auf die Fahrerseite gekippt war, eine Art hängende Position über dem Fahrer innegehabt haben muß, aus der allein sich bereits entsprechende Kopfbewegungen eingestellt haben können.
94Nach alledem steht jedenfalls eine Verursachung des Todes der Frau B. durch die Kollision zwischen dem Pkw Renault 19 des Beklagten zu 3) und dem Pkw Ford Fiesta nicht fest.
95Auch wenn danach nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, durch welche der Kollisionen die Beifahrerin die tödlichen Verletzungen erlitten hat, so kann gleichwohl ein Anspruch nicht auf § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützt werden. Das hat das Landgericht zutreffend entschieden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen der Senat keinen Anlaß sieht, ist für die Anwendung dieser Bestimmung insoweit kein Raum, als die Auswirkungen des zweiten Unfalls dem Verursacher des ersten Unfalls haftungsrechtlich zuzurechnen sind (BGHZ 72, 355 ff. = NJW 1979, 544 f.). Da der Versicherungsnehmer der Klägerin durch sein Fehlverhalten das gesamte Unfallgeschehen eingeleitet hat, hat das Landgericht ihm zutreffend haftungsrechtlich auch den Zweitunfall, also den Zusammenstoß der Fahrzeuge Ford Fiesta und Renault 19 zugerechnet. Hiergegen bringt die Klägerin mit ihrer Berufung Erhebliches auch nicht vor.
96(3)
97Mit Recht macht die Klägerin allerdings Aufwendungen für den Geschädigten K. geltend. Nach den urkundlich belegten Angaben des Herrn K. im Rahmen des Strafverfahrens (Bl. 65 R der Strafakten) steht fest, daß er als Beifahrer des Beklagten zu 3) durch den Unfall ebenfalls verletzt worden ist. Die Klägerin hat die Höhe der Aufwendungen, die sie an Herrn K. gezahlt haben will, mit 1.107,07 DM beziffert und hat hierzu im Rahmen ihrer Berufungsbegründung nochmals eingehend und im einzelnen aufgeschlüsselt die Schadensbeträge dargelegt. Auch diesem Vorbringen sind die Beklagten zu 3) und 4) nicht erheblich entgegengetreten, sie haben sich vielmehr mit einer Schadensschätzung durch den Senat einverstanden erklärt. Angesichts der sachlich nachprüfbaren und rechnerisch zutreffenden Angaben der Klägerin legt der Senat der nachfolgenden Schadensberechnung den Betrag der Aufwendungen zugrunde, den die Klägerin mit 1.107,07 DM beziffert hat und von dem sie in ihrer Berechnung ausgeht (§ 287 Abs. 1 ZPO).
98III. Berechnung der Ausgleichsforderung der Höhe nach
99Nach dem Vorstehenden ergeben sich folgende Schadenspositionen:
100- bezüglich der Aufwendungen hinsichtlich der Verletzten
101H.L. und R.H.: 176.200,82 DM
102- bezüglich der Aufwendungen für den Verletzten Herrn
103K.: 1.107,71 DM
104- Summe: 177.308,53 DM
105Davon 1/3: 59.102,84 DM
106============
107Der Klägerin steht nach alledem ein Ausgleichsanspruch in Höhe der vorgenannten 59.102,84 DM zu. Soweit das Landgericht der Klägerin einen höheren Ersatzbetrag zugestanden hat, war das angefochtene Urteil teilweise abzuändern.
108IV. Zinsen und Nebenentscheidungen
109Hinsichtlich des Zinsausspruchs macht die Klägerin mit Recht einen früheren Beginn des Zinslaufs geltend. Ausweislich der von ihr in Bezug genommenen Zustellungsurkunden sind als Beginn der Verzinsungszeiträume hinsichtlich der berechtigten Forderungen der 24.03.1992 (Bl. 38 GA) und der 26.05.1993 (Bl. 109 GA) zugrundezulegen.
110Zinsen in Höhe der verlangten 5 % nach § 352 Abs. 1 HGB stehen der Klägerin indessen nicht zu. Die von ihr nach Anspruchsübergang geltend gemachten Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Gefährdungshaftung wegen des Haltens und Fahrens von Kraftfahrzeugen sind keine Handelsgeschäfte im Sinne des § 343 Abs. 1 HGB.
111Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 und 100 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
112Streitwert des Berufungsverfahrens: 136.871,69 DM.
113Beschwer der Klägerin: 74.435,85 DM
114Beschwer der Beklagten zu 3) und 4): 62.435,84 DM.
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