Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 3 U 130/95
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
3Zu Recht hat das Landgericht eine Nichtigkeit des Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 12. September 1994 analog § 241 AktG verneint. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 241 Nr. 3 AktG nicht vor. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Zwar mag § 241 Nr. 3 AktG eine Auffangfunktion für die Fälle zukommen, in denen ein Beschluß ersichtlich keinen Bestand haben kann, ohne daß sich dieses Ergebnis auf bestimmte Vorschriften stützen ließe (vgl. Hüffer, AktG, 2. Aufl., § 241 Rdnr. 21). Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt ein derartiger Fall hier aber nicht vor. Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist in § 34 GmbHG ausdrücklich vorgesehen. Auch in § 10, § 11 Abs. 5 und § 12 Abs. 3 der Satzung der Beklagten ist die Einziehung geregelt. Es kann daher keine Rede davon sein, daß der Einziehungsbeschluß vom 12. September 1994 jeglicher Rechtsgrundlage entbehre. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte für eine mögliche Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses ersichtlich. Allerdings wird eine Unwirksamkeit der Einziehung angenommen, wenn bereits bei Beschlußfassung feststeht, daß die geschuldete Abfindung nicht ohne Verstoß gegen § 30 GmbHG gezahlt werden kann (vgl. Baumbach-Hueck, GmbHG 15. Aufl., § 34 Rdnr. 24; ScholzWestermann, GmbHG 8. Aufl., § 34 Rdnr. 52). Daß diese Voraussetzungen am 12. September 1994 vorgelegen hätten, wird von der Klägerin nicht behauptet. Es mag sein, daß die Beklagte der Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung mit Schreiben vom 7. Februar 1991 eine Abfindung nur unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften hätte zahlen können. Die damaligen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten mögen auch mit dafür ursächlich gewesen sein, daß die Beklagte den Einziehungsbeschluß nicht schon früher gefaßt hat. Ihre finanzielle Situation hat sich aber inzwischen unstreitig gebessert. Die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses setzt auch nicht voraus, daß in dem Beschluß sogleich über die Höhe der Abfindung entschieden wird. Zwar sind nach herrschender Meinung in einem Ausschlußurteil die Höhe der Abfindung und eine Zahlungsfrist hierfür festzusetzen (vgl. Baumbach-Hueck, GmbHG, Anhang § 34 Rdnr. 12 m.w.N.). Bei einem Einziehungsbeschluß erscheint ein solches Junctim jedoch entbehrlich, weil dessen Wirksamkeit ohnehin unter der Bedingung steht, daß im Augenblick der Auszahlung der Abfindung genügend gesellschaftlich ungebundene Mittel im Gesellschaftsvermögen vorhanden sind, der ausgeschlossene Gesellschafter also erst mit der ohne Verstoß gegen § 30 GmbHG erfolgten Auszahlung der Abfindung endgültig aus der GmbH ausscheidet (vgl. ScholzWestermann, GmbHG, § 34 Rdnr. 53).
4Das Landgericht hat auch zu Recht eine Anfechtbarkeit des Einziehungsbeschlusses verneint. Wie es zutreffend ausgeführt hat, konnte die Klägerin ihre Kündigung vom 7. Februar 1991 als Gestaltungserklärung nach deren Zugang bei der Beklagten nicht mehr einseitig zurücknehmen (vgl. Rowedder/Fuhrmann, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rdnr. 57; Scholz-Winter, GmbHG, § 15 Rdnr. 122). Die Kündigung war auch wirksam. Allerdings kennt das GmbHG die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung nicht. Auch in der Satzung der Beklagten ist die Kündigung nicht geregelt; sie wird in § 12 lediglich vorausgesetzt. Nach einhelliger Meinung ist ein Austrittsrecht des Gesellschafters aus wichtigem Grund zu bejahen. Daneben muß es aber auch - soweit keine Gläubigerinteressen tangiert werden - die Möglichkeit eines Austritts des Gesellschafters mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung geben (vgl. Rowedder a.a.O.). Das Erfordernis eines wichtigen Grundes für den Austritt des Gesellschafters dient nämlich im wesentlichen dem Schutz der übrigen Gesellschafter davor, daß sich der austrittswillige Gesellschafter nicht grundlos seiner Verantwortung für die Gesellschaft entzieht. Ist die Gesellschaft aber mit seinem Ausscheiden einverstanden, besteht kein Anlaß, die Wirksamkeit der Kündigung an weitere Voraussetzungen zu knüpfen. Im vorliegenden Fall hat die Gesellschafterversammlung der Beklagten der Kündigung jedenfalls mit der Fassung des Einziehungsbeschlusses konkludent zugestimmt. Nach Auffassung des Senats würde es auch Treu und Glauben zuwiderlaufen, wenn sich die Klägerin auf eine Unwirksamkeit ihrer Kündigung mit der Begründung berufen könnte, ein wichtiger Grund habe hierfür nicht vorgelegen. Da hier somit von einem wirksamen Austritt der Klägerin auszugehen ist, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte auch berechtigt gewesen wäre, die Klägerin auszuschließen.
5Die Kündigungserklärung der Klägerin beinhaltet zugleich ihre Zustimmung zur Einziehung im Sinne von § 10 der Satzung. Diese Zustimmung unterliegt den Regeln der §§ 182 ff. BGB (vgl. Rowedder, GmbHG § 34 Rdnr. 9; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 14. Aufl., § 34 Rdnr. 15) mit der Folge, daß sie gemäß § 183 BGB grundsätzlich bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich ist. Ein Widerruf ist hier jedoch ausgeschlossen, weil sich aus dem der Erteilung der Zustimmung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ein anderes ergibt, § 183 S. 1, 2. Halbsatz BGB. Im Hinblick auf die Unwiderruflichkeit der Kündigung wäre es sinnwidrig, wenn die Klägerin ihr Einverständnis mit der Einziehung ihres Geschäftsanteils frei zurücknehmen könnte. Damit würde die Unwiderruflichkeit der Austrittserklärung unterlaufen, weil die Klägerin so die zur Durchführung ihres Austritts erforderliche Einziehung ihres Geschäftsanteils nachträglich verhindern könnte. Im übrigen gebietet es auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), daß sich die Klägerin an ihrer früheren Erklärung festhalten lassen muß. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Kündigungserklärung der Klägerin auch einen wichtigen Grund zur zwangsweisen Einziehung ihres Geschäftsanteils darstellt (vgl. ScholzWestermann, GmbHG, § 34 Rdnr. 14; Hachenburg-Ulmer, GmbHG, § 34 Rdnr. 40).
6Eine Verwirkung des Einziehungsrechts hält der Senat übereinstimmend mit dem Landgericht allein aufgrund des Zeitablaufs von 3 ½ Jahren nicht für gegeben, zumal die schlechte finanzielle Lage der Beklagten die Zahlung einer Abfindung an die Klägerin ohne Verstoß gegen § 30 GmbHG zur damaligen Zeit wohl ohnehin nicht zugelassen hätte. Die Beklagte hat ihr Einziehungsrecht auch nicht dadurch verwirkt, daß sie die Klägerin weiterhin zu den Gesellschafterversammlungen eingeladen und unverändert als Gesellschafterin behandelt hat. Die Beklagte hat damit lediglich der Rechtslage Rechnung getragen. Wie das Landgericht in seinem Beschluß vom 29. November 1994 in der Parallelsache 11 O 141/94 zutreffend ausgeführt hat, scheidet der kündigende Gesellschafter nämlich nicht schon mit seiner Austrittserklärung aus der Gesellschaft aus; vielmehr bleiben seine Mitgliedschaftsrechte bis zur Einziehung oder Veräußerung seines Geschäftsanteils bestehen.
7Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
8Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
9Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin: 25.200,00 DM.
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