Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 13 U 161/95
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2Die zulässige Berufung des Beklagten, die insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden ist, hat in der Sache Erfolg.
3Die Klage ist unbegründet.
4Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 41.500,00 DM Zug um Zug gegen Herausgabe des PKW Kombi vom Typ Daimler Benz 200 TE, amtliches Kennzeichen ........., steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
5Da das betreffende Fahrzeug von dem Beklagten mit schriftlichem Vertrag datierend auf den 26. April 1995 an den Kläger "wie besichtigt und Probe gefahren unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung" verkauft worden ist, kommen Gewährleistungsansprüche nur bei arglistigem Verschweigen, dem das arglistige Vorspiegeln von Eigenschaften oder der Abwesenheit von Fehlern gleichsteht, in Betracht (vgl. § 476 BGB; Palandt-Putzo, BGB, 54. Auflage, § 476 Rdnr. 10, 11, m.w.N.).
6Ein Verhalten des Beklagten als Verkäufer im Zusammenhang mit dem Abschluß des Kaufvertrages mit dem Kläger, das diese Haftungsvoraussetzungen erfüllt, ist indessen nicht gegeben.
7Zwar handelt es sich bei dem in Rede stehenden Fahrzeug um ein in der Zeit vom 03.12.1992 (Zeitpunkt der Erstzulassung) bis zum 24.05.1993 (Zeitpunkt der Stillegung) von der Firma S. AG als Mietwagen genutztes Auto, das in diesem Zeitraum von ca. 5 Monaten und 3 Wochen eine Fahrleistung von rund 17.000 km erreichte. Dennoch brauchte der Beklagte beim Weiterverkauf des Fahrzeugs diesen - gegenüber dem Normalfall der privaten Vorbenutzung - atypischen Gebrauch ungefragt nicht zu offenbaren.
8Ob eine atypische Vorbenutzung des Fahrzeugs zu einer Beeinträchtigung und/oder Wertminderung geführt hat und daher einen offenbarungspflichtigen Umstand darstellt, hängt von dem jeweiligen Einzelfall ab.
9Entscheidend ist dabei auf Kriterien wie z.B. Alter, Fahrleistung, Art des Motors, Dauer der atypischen Vorbenutzung abzustellen (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Auflage, Rdnr. 1610).
10Bei einer mehrjährigen ununterbrochenen Nutzung als Taxi, einem langjährigen ununterbrochenen Einsatz als Fahrschulwagen oder auch als Mietwagen wird beim Verkauf regelmäßig eine Offenlegung der Vorbenutzung erfolgen müssen (vgl. BGH BB 1977, 61 ff.; OLG Nürnberg MDR 1985, 672; OLG Köln NJW-RR 1990, 1144; Reinking/Eggert, a.a.O., Rdnr. 1610, m.w.N.). Denn eine derartige atypische Vorbenutzung stellt einen die Wertbildung negativ beeinflussenden Faktor dar und löst in der Regel einen merkantilen Minderwert des Fahrzeugs aus.
11Die besonderen Umstände des vorliegenden Falls führen indessen zur Verneinung eines merkantilen Minderwertes und damit zur Verneinung einer Offenbarungspflicht des Beklagten in Hinblick auf die frühere Mietwagennutzung des verkauften Fahrzeugs. Von Bedeutung ist insoweit vor allem, daß die Vornutzung als Mietwagen nur während der ersten sechs Monate nach der Erstzulassung des Wagens erfolgte, das jetzt relevante Verkaufsgeschäft fast zwei Jahre nach der Einstellung der Mietwagennutzung stattfand und zudem von dem Beklagten als dem zweiten Eigentümer des Fahrzeugs, der es in seiner Besitzzeit ausschließlich privat nutzte, vorgenommen wurde. Hinzu kommt, daß der Wagen während der ca. 21 Monate dauernden Besitzzeit des Beklagten etwa 48.000 km gefahren worden war (Gesamtfahrleistung zur Zeit des Verkaufs an den Kläger: ca. 65.000 km), was einer durchschnittlichen km-Leistung im Jahr von ca. 27.500 entspricht. Der Kläger mußte angesichts der Gesamtfahrleistung von ca. 65.000 km seit dem 03.12.1992 mit einer durchschnittlichen Jahreskilometerleistung von etwa 26.900 km (= 65.000 : 29 x 12) rechnen. Durch diese erkennbar erhöhte Gesamtfahrleistung - die durchschnittliche Laufleistung bei Personenkraftwagen pro Jahr lag 1993/94 bei ca. 13.000 km (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O. Rdnr. 1604) - wurde die anfängliche Mietwagennutzung als negativer Bewertungsfaktor für die Wertschätzung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs im April 1995, zumal angesichts der bekannten Robustheit und Langlebigkeit eines Fahrzeugs vom Typ Daimler-Benz, neutralisiert. Im übrigen konnte und mußte der Kläger aufgrund der erkennbaren Gesamtfahrleistung sowie des ihm bekannten Erwerbs aus zweiter Hand einen eventuell überdurchschnittlichen Verschleiß und erhöhten Abnutzungsgrad einkalkulieren.
12Dem Kläger ist auch nicht der Beweis dafür gelungen, daß er während des Kaufgesprächs den Beklagten nach dem Erstbesitzer des Fahrzeugs gefragt und dieser - anstatt die Firma S. AG zu nennen - ihm darauf geantwortet hätte, er habe den Wagen von einem Patienten erworben, der Kraftfahrzeugmeister bei Daimler-Benz sei.
13Zwar hat die Zeugin E. H. bei ihrer erneuten Vernehmung vor dem Senat wie schon bei ihrer Aussage vor dem Landgericht die entsprechende Darlegung ihres Ehemannes, des Klägers, bestätigt. Die Bekundungen der Zeugin H. sind jedoch in Bezug auf die hier maßgeblichen Streitpunkte nicht hinreichend zuverlässig und abgesichert, um die Entscheidung allein auf ihre diesbezüglichen Angaben zu stützen. Abgesehen davon, daß die Zeugin H. als Ehefrau des Klägers ein eigenes, persönliches Interesse an einem für diesen günstigen Prozeßausgang haben kann, ist sie auch in der Sache selbst keine unbeteiligte Zeugin. Sie war nämlich nicht nur bei dem in Rede stehenden Verkaufsgespräch zwischen den Parteien anwesend, sondern sie war es dann selbst, die den gekauften Wagen wegen einer zwischenzeitlich aufgetretenen Erkrankung des Klägers beim Beklagten am 05.05.1995 abholte; sie will dann auch schon kurz nach der Übergabe des Wagens auf der Fahrt vom Beklagten nach Hause verdächtige Getriebegeräusche bemerkt und das Fahrzeug am folgenden Montag der Werkstatt vorgeführt haben. Ungeachtet des beklagtenseits geäußerten Verdachts, daß der Getriebeschaden durch unsachgemäße Schaltung des Fahrzeugs nach der Übergabe an die Zeugin H. durch diese verursacht worden sei, war die Zeugin in jedem Fall mit der Angelegenheit weitergehender befaßt und in diese involviert, als durch ihre bloße Anwesenheit bei dem Verkaufsgespräch.
14Die daraus resultierenden Bedenken, der Zeugin könne - ähnlich wie einer Partei selbst - die kritische Distanz für eine verläßliche, objektiv wahrheitsgemäße Geschehensschilderung fehlen, sind durch das Aussageverhalten der Zeugin H. und den persönlichen Eindruck, den der Senat bei ihrer Vernehmung im Termin vom 8. Mai 1996 hat gewinnen können, nicht ausgeräumt worden. Die Zeugin H. wirkte in der Darstellung der maßgeblichen Erklärungen der Vertragsbeteiligten im Rahmen des Verkaufsgesprächs festgelegt und zu einer kritischen Infragestellung nicht bereit. Wenngleich der Senat davon ausgeht, daß die Zeugin subjektiv wahrheitsgemäß die maßgeblichen Erklärungen wiedergegeben hat, läßt sich nicht sicher feststellen, daß ihre Angaben auch objektiv der Wahrheit entsprechen. Der Beklagte hat bei seiner vom Senat gemäß § 448 ZPO angeordneten und durchgeführten Vernehmung als Partei seine bisherige Darstellung im Prozeß vom Verlauf des Verkaufsgespräch wiederholt. Danach will er die Frage, ob er der Estbesitzer sei, verneint und erklärt haben, daß er den Wagen über einen Patienten, der Kraftfahrzeugmeister bei Mercedes-Benz sei, gekauft habe. Seine Schilderung ist vom Aussagegehalt her nicht mehr und nicht weniger glaubhaft als diejenige der Zeugin H.. Objektivierbare Anhaltspunkte, die die Bekundung der Zeugin H. stützen, gibt es nicht. Vielmehr spricht der Inhalt des unstreitig vom Kläger vorformulierten Vertragstextes dafür, daß der Umstand, daß der Beklagte das Fahrzeug in zweiter Hand besessen hatte, eine Rolle gespielt hatte, nicht aber, wer der Erstbesitzer gewesen war. Wenn dem Kläger tatsächlich - wie von der Zeugin H. geschildert - so viel daran gelegen gewesen wäre, den Erwerb eines vormals als Mietwagen genutzten Fahrzeugs auszuschließen, und er deswegen konkret nach dem Erstbesitzer gefragt hätte, dann hätte es nahegelegen, die darauf vom Beklagten gemachten Angaben auch in den Vertragstext aufzunehmen.
15Schließlich kommt hinzu, daß die im Streit befindlichen Erklärungen der Vertragsbeteiligten beim Verkaufsgespräch in Sinn und Tragweite von der genauen Formulierung, von dem Gebrauch einzelner Worte abhängen: ob etwa der Beklagte von sich aus oder auch auf Nachfrage erklärt hat, daß er nicht Erstbesitzer sei, sondern den Wagen ü b e r einen Patienten, der Kraftfahrzeugmeister bei Mercedes-Benz sei, erworben habe, oder ob der Beklagte konkret danach gefragt wurde, w e r Erstbesitzer sei und er darauf geantwortet habe, er habe den Wagen v o n einem Patienten, der Kraftfahrzeugmeister bei Mercedes-Benz sei, erworben. Da bei solchen, nur geringfügigen Unterschieden in Formulierung und Wortwahl es schon bei der Wahrnehmung des Gesprächsinhalts zu Fehlvorstellungen und erst recht bei der Wiedergabe aus der Erinnerung eines Zeugen zu wesentlichen - durchaus unbewußten - Abweichungen und Verfälschungen kommen kann, ist eine hinreichend sichere Rekonstruktion des wirklichen Inhalts des Verkaufsgesprächs zu dem entscheidenden Streitpunkt nicht möglich.
16Die nicht gelungene Beweisführung geht zu Lasten des Klägers, dem als Käufer nicht nur die Darlegungs-, sondern auch die volle Beweislast dafür obliegt, daß der Beklagte als Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen bzw. eine Eigenschaft oder die Abwesenheit von Fehlern arglistig vorgespiegelt hat (vgl. zur Beweislastverteilung BGH NJW 1990, 42/43; Palandt-Putzo, a.a.O., § 463 Rdnr. 28, m.w.N.).
17Soweit der Kläger schließlich auch behaupten will, der Beklagte habe zur Zeit es Kaufvertragsabschlusses bereits von dem Getriebeschaden gewußt, jedenfalls mit seinem Vorhandensein gerechnet, reicht bereits der diesbezügliche Sachvortrag für die erforderliche substantiierte Darlegung eines arglistigen Verschweigens durch den Beklagten nicht aus. Es genügt insoweit nämlich nicht, daß der Kläger bestreitet, daß der Beklagte, wie dieser vorgetragen hat, keine Getriebegeräusche gehört habe. Vielmehr hätte er dartun und unter Beweis stellen müssen, daß dem Beklagten bereits damals Getriebegeräusche aufgefallen bzw. bekannt waren. Ebensowenig reicht die Behauptung des Klägers unter Beweisantritt, der Getriebeschaden habe bereits bei Fahrzeugübergabe am 05.05.1995 vorgelegen.
18Nach alldem kommt auch eine wirksame Anfechtung des Kaufvertrages durch den Kläger nach § 123 BGB nicht in Betracht.
19Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
20Streitwert des Berufungsverfahrens
21und Wert der Beschwer des Klägers: bis 45.000,00 DM.
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Referenzen
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