Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 2 Wx 29/96
Tenor
Als örtlich zuständig für die bei dem Amtsgericht Plauen gestellten Anträge auf Erteilung von Erbscheinen nach den Erblassern und für die Erteilung von Ausfertigungen zu den vom Amtsgericht Aachen am 21. November 1977 nach den Erblassern erteilten Erbscheinen wird das Amtsgericht ( Nachlaßgericht ) Plauen bestimmt.
1
G r ü n d e
2I.
3Die eingangs bezeichneten Erblasser verstarben in den Jahren 1943 und 1956 mit letztem Wohnsitz in Plauen. Plauen gehörte zum Gebiet der ehemaligen DDR. Im Jahre 1977 beantragte der Beteiligte zu 1), ein Sohn der Erblasser, durch den Notar Dr. N. in Aachen bei dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg Erbscheine zur Vorlage beim Lastenausgleichsamt in Aachen, die ihn und die übrigen Erben auswiesen. Das Amtsgericht Berlin-Schöneberg erklärte sich gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 FGG für zuständig und übertrug die Bearbeitung der Sache nach Satz 2 der genannten Vorschrift dem Nachlaßgericht in Aachen. Die Erbscheine wurden von dem Amtsgericht Aachen am 21. November 1977 antragsgemäß erteilt (AG Aachen 74 b VI 725-26/77).
4Im März 1994 bat der Notar das Amtsgericht Aachen um die Erteilung einer Erbscheinsausfertigung. Das Amtsgericht Aachen stellte sich auf den Standpunkt, seine Zuständigkeit habe nur für die Erteilung von Erbscheinen zu Lastenausgleichszwecken bestanden, für die Erteilung weiterer Erbscheine sei nach der Wiedervereinigung Deutschlands das Amtsgericht Plauen zuständig. Daraufhin beantragte der Notar die Abgabe der Sache an das Amtsgericht Plauen. Das Amtsgericht Aachen teilte daraufhin mit, eine Abgabe sei nicht möglich, nunmehr müsse bei dem Amtsgericht Plauen ein neuer Erbscheinsantrag gestellt werden. Auf einen nachfolgenden Antrag des Notars, die Erbscheine nunmehr allgemein zu erteilen, teilte das Amtsgericht Aachen unter Hinweis auf den bisherigen Schriftverkehr mit, dies sei nicht möglich.
5Im September 1994 beantragte die Beteiligte zu 3) beim Amtsgericht Plauen einen Erbschein nach ihrem Vater (dem Erblasser zu 1) zum Zweck der Grundbuchberichtigung. Im Dezember 1994 forderte das Amtsgericht Plauen die Nachlaßakte des Amtsgerichts Aachen an. Im Februar 1995 beantragte der Beteiligte zu 1) die Erteilung von Erbscheinen nach beiden Erblassern. Das Amtsgericht Plauen legte für jeden Erblasser eine Akte an. Die folgenden Vorgänge sind in jeweils einer der beiden Akten ohne erkennbare Systematik abgeheftet. Im April 1995 beantragte die Beteiligte zu 2), die Tochter eines inzwischen verstorbenen weiteren Sohnes der Erblasser, die Erteilung eines Erbscheins nach dem Erblasser zu 1), nachdem ihr das Amtsgericht Aachen auf einen an dieses gerichteten Antrag hin mitgeteilt hatte, sie möge sich an das Amtsgericht Plauen wenden. In der Folge sprach der Beteiligte zu 1) beim Amtsgericht Plauen vor. Die Beteiligten zu 1) und zu 2) wurden gebeten, die Anschriften anderer Erben und weitere Daten zur Akte zu reichen. Unter dem 23. August 1995 erteilte der Beteiligte zu 1) weitere Auskünfte.
6Mit Verfügung vom 8. September 1995, die sich in der Akte betreffend die Erblasserin zu 2) befindet, die aber ausweislich ihres Inhalts beide Verfahren betreffen soll, übersandte die nunmehr tätig werdende Rechtspflegerin des Amtsgerichts Plauen die Sache an das Amtsgericht Aachen mit der Bitte um Übernahme der Sache gemäß § 4 FGG zu der dortigen Erbscheinssache aus dem Jahre 1977. Das Amtsgericht Aachen lehnte die Übernahme mit Verfügung vom 19. September 1995 ab. Mit Verfügungen vom 16. Oktober 1995 übersandte das Amtsgericht Plauen die Vorgänge erneut an das Amtsgericht Aachen mit der Bitte um Übernahme. Mit Verfügung vom 20. Oktober 1995 sandte das Amtsgericht Aachen die Sache an das Amtsgericht Plauen zurück und machte erneut geltend, es sei nicht zuständig. Nunmehr lehnte der Richter des Amtsgerichts Plauen die Erteilung von Erbscheinen für die Beteiligten zu 1) und zu 2) mit Beschluß vom 7. November 1995 ab. Er begründete diese Entscheidung damit, das Amtsgericht Plauen sei nicht zuständig, weil das Amtsgericht Aachen bereits einen unbeschränkten Erbschein erteilt habe und sich weigere, die Sache an das Amtsgericht Plauen abzugeben, das Verfahren also fortführen müsse. Diesen Beschluß hob das Landgericht Zwickau auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) auf und verwies die Sache zum Zwecke der Vorlage an das nach § 5 FGG zuständige gemeinsame Obergericht an das Amtsgericht Plauen zurück.
7Nunmehr hat das Amtsgericht Plauen dem Senat die Sache mit Beschluß vom 8. Juli 1996 - der sich in der Akte betreffend den Erblasser zu 1) befindet, aber beide Aktenzeichen trägt - zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
8II.
9Das Oberlandesgericht Köln ist für die Entscheidung über das örtlich zuständige Nachlaßgericht zuständig, da das Amtsgericht Aachen, welches im hiesigen Bezirk liegt, zuerst mit der Sache befaßt war (§ 5 Abs. 1 Satz 1 FGG). Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung liegen vor, da zwischen dem Amtsgericht Aachen und dem Amtsgericht Plauen Streit über die örtliche Zuständigkeit besteht.
10Als örtlich zuständig wird das Amtsgericht Plauen bestimmt.
11Nach § 73 Abs. 1 FGG bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit des Nachlaßgerichts nach dem Wohnsitz, den der Erblasser zur Zeit des Erbfalls hatte. Beide Erblasser hatten ihren Wohnsitz im Zeitpunkt ihres Todes in Plauen. Danach ist das Amtsgericht Plauen zuständig.
12Dieses beruft sich darauf, das Amtsgericht Aachen sei gemäß § 4 FGG zuständig. Dem folgt der Senat nicht. Zwar hat das Amtsgericht Aachen im Jahre 1977 bereits Erscheine nach beiden Erblassern erteilt. Bei diesen Erbscheinen handelte es sich, wie das Amtsgericht Plauen und das Landgericht Zwickau zutreffend erkannt haben, das Amtsgericht Aachen indes offenbar verkennt, auch um unbeschränkte Erbscheine. Die Erteilung eines Erbscheins "zu Lastenausgleichszwecken" bedeutet keine gegenständliche Beschränkung (vgl. BGHZ 65, 311, 318), sondern erfolgt lediglich im Hinblick auf die damit verbundene Kostenbegünstigung (vgl. § 107 a KostO). Die Erteilung von Ausfertigungen und deren Gebrauch zu anderen als Lastenausgleichszwecken ist mithin möglich und führt lediglich zu einer Nacherhebung der Kosten nach § 107 a KostO.
13Der Grundsatz der Kontinuität der einmal begründeten Zuständigkeit des Nachlaßgerichts in derselben Sache gilt indes in Fällen der vorliegenden Art nicht. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Aachen ergab sich aufgrund entsprechender Anwendung des § 73 Abs. 2 FGG, die seinerzeit auf dem Gesichtspunkt des Fürsorgebedürfnisses oder der Notzuständigkeit beruhte, weil anders Erbscheine nach Erblassern, die mit letztem Wohnsitz in dem zur DDR gehörenden Gebiet gestorben waren, zur Geltendmachung der nicht zum Nachlaß gehörenden Lastenausgleichsansprüche vielfach nicht erlangt werden konnten (vgl. im einzelnen BGHZ 65, 311 ff.; KG Rpfleger 1992, 160 f.).
14Einer Erhaltung dieser als vorübergehende Auffangzuständigkeit gedachten Zuständigkeit bedarf es nach der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands nicht. Vielmehr ist es geboten, daß nunmehr das jeweils nach § 73 Abs. 1 FGG zuständige Nachlaßgericht tätig wird (KG a.a.O. und Rpfleger 1992, 487; OLG Bremen DtZ 1994, 252).
15Dies gilt jedenfalls für die jetzt gestellten Anträge auf Neuerteilung von Erbscheinen. Soweit das vorlegende Gericht in dem Vorlagebeschluß möglicherweise davon ausgeht, es seien lediglich Anträge auf Erteilung von Ausfertigungen der bereits erteilten Erbscheine gestellt, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Beteiligten haben sich - veranlaßt durch die teilweise unrichtige Auskunft des Amtsgerichts Aachen - gerade mit der Bitte um die Erteilung weiterer Erbscheine an das Amtsgericht Plauen gewandt.
16Der Senat hält es für geboten, das Amtsgericht Plauen auch als örtlich zuständiges Gericht für die möglicherweise notwendige Erteilung von Ausfertigungen der bereits erteilten Erbscheine zu bestimmen. Zwar mag die Erteilung von Ausfertigungen bereits erteilter Erbscheine in der Regel keine erneute Entscheidungsfindung erfordern, so daß es naheliegt, sie dem bereits tätig gewesenen Nachlaßgericht auch dann zu überlassen, wenn es nur im Rahmen der oben beschriebenen Auffangzuständigkeit tätig geworden ist (so KG Rpfleger 1993, 201 f.). Hier ist indes eine Entscheidungsfindung erforderlich. Da die beteiligten Amtsgerichte nicht nur über die Zuständigkeit, sondern auch über zutreffende Antragstellung streiten und die Parteien bereits zu unterschiedlicher Antragstellung veranlaßt haben, ist auf jeden Fall eine Entscheidungsfindung erforderlich, die über die bloße Erteilung von Ausfertigungen hinaus geht. Es ist aber den Beteiligten, die bereits seit zwei Jahren auf Erbscheine zum Zwecke der Grundbuchberichtigung warten, schlechterdings nicht zuzumuten, sich nunmehr der auf unterschiedlichen Rechtsauffassungen verschiedener Gerichte beruhenden letztlich nur Formalien betreffenden Behandlung ihrer Anträge auszusetzen, die unter Berücksichtigung des Entscheidungsfindungsprozesses der ersten Instanzen und möglicher Rechtsmittelverfahren zu einer noch langdauernden Blockierung der zweifellos berechtigten und in der Sache problemlosen Erteilung der Erbscheine oder ihrer Ausfertigungen führen kann. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, daß die Sache dem nach § 73 Abs. 1 FGG allgemein zuständigen Gericht zur einheitlichen Behandlung der gestellten Anträge zugewiesen wird.
17Ob letztlich die Erteilung von Ausfertigungen der vorhandenen Erbscheine oder die Erteilung weiterer Erbscheine zu erfolgen hat, kann der Senat im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung nicht mit bindender Wirkung feststellen. Dies muß der Entscheidungsfindung des zuständigen Gerichts überlassen werden, welches bei den Beteiligten die nach seiner Ansicht sachgerechte Antragstellung anregen kann.
18Das Amtsgericht Aachen wird daruf hingewiesen, daß eine sinnvolle Behandlung der Sache nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen eine Abgabe des bisher in Aachen geführten Verfahrens an das Amtsgericht Plauen erfordern wird.
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