Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 17 U 8/96
Tenor
1
T a t b e s t a n d
2Die am 2. April 1908 geborene Mutter der Beklagten, Frau S. K., leidet an der Alzheimer-Krankheit und mußte deswegen im Februar 1989 in einem Pflegeheim untergebracht werden. Die insoweit entstehenden Kosten konnten nur teilweise durch ein eigenes Einkommen der Mutter (Rente) gedeckt werden. Nachdem zunächst die Krankenkasse einen Teil der Kosten übernommen hatte, zahlte die Klägerin die ungedeckten Heimkosten in der Zeit vom 1. Juni 1991 bis 30. Juni 1996 im Wege der Sozialhilfe. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Juli 1991 (GA 20 f.) leitete die Klägerin "gemäß § 90 Abs. 1 BSHG" die Ansprüche auf sich über, die nach ihrer Ansicht der Mutter aus § 2 eines am 4. Januar 1973 abgeschlossenen notariellen Vertrages gegen die Beklagte zustehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Überleitungsanzeige (GA 20 f.) Bezug genommen.
3Der notarielle Vertrag vom 4. Januar 1973 (UR Nr 13 für 1973 des Notars R. in B., vgl. wegen der Einzelheiten GA 15-19) wurde von der Beklagten, ihren Eltern und ihren vier Geschwistern unterzeichnet. Durch den Vertrag verpflichteten sich die Eltern, das Eigentum an dem damals ihnen zu je 1/2 gehörenden Einfamilienhauses auf die Beklagte zu übertragen. In erster Instanz war unstreitig, daß der Wert des Hausgrundstücks damals 60.000 DM betrug. Die Beklagte verpflichtete sich ihrerseits, an ihre vier Geschwister einen Betrag von je 10.000 DM zu zahlen. Ferner heißt es in § 2 des Vertrages: "Frau M. P. (die Beklagte) räumt ihren Eltern, ... als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnrecht an der gesamten Wohnung im Obergeschoß des Hauses G. 9 einschließlich des noch zu errichtenden Zimmers im Anbau, jedoch mit Ausnahme des Kinderzimmers gegenüber dem Treppenaufgang, ein. Frau M. P. verpflichtet sich weiterhin, ihre Eltern in gesunden und kranken Tagen zu pflegen und zu betreuen. Die Berechtigten sind 69 und 65 Jahre alt."
4Die daraufhin an die Geschwister geleisteten Zahlungen betrugen nicht exakt je 10.000 DM, weil eine Verrechnung vorgenommen wurde. Der Wert des Hausgrundstückes und der Wert von zwei Baugrundstücken, die bereits vor 1973 an die beiden Brüder der Beklagten übertragen worden waren, wurden addiert. Ausgehend davon, daß diese Grundstücke jeweils einen Wert von 8.540 DM hatten, überwies die Beklagte an die Brüder je 4.876 DM und an die beiden Schwestern je 13.416 DM. Diese Beträge ergeben sich, wenn man den Wert des Hausgrundstücks, das die Beklagte erhielt, mit 60.000 DM ansetzt, und davon ausgeht, daß die Beklagte durch die Einräumung des Wohnrechts und die Übernahme der Betreuungs- und Pflegeverpflichtung eine Gegenleistung im Wert von 10.000 DM erbracht hatte, so daß der Wert der zu verteilenden "Erbmasse" noch 67.080 DM betrug, der unter fünf Geschwistern zu verteilen bzw. auszugleichen war.
5Die Eltern der Beklagten bewohnten nach Vertragsschluß die vorgesehenen Räume (rund 25 qm, vgl. GA 39), die in dem Haus keine abgeschlossene Wohneinheit bilden und deshalb nicht an Dritte vermietet werden können. Der vorgesehene Anbau wurde nicht errichtet.
6Die Beklagte pflegte ihren Vater bis zu seinem Tod im Jahr 1985 und ihre Mutter bis zu ihrer Überweisung in ein Pflegeheim. Inzwischen ist die Mutter der Beklagten schwerstpflegebedürftig. Eine Rückkehr in das Haus der Beklagten ist ausgeschlossen. Die Beklagte ist berufstätig und besucht die Mutter regelmäßig im H. in B.. Bei diesen Gelegenheiten erbringt sie auch gewisse pflegerische Leistungen (z.B. Hilfe beim Essen). Die Beklagte hat ihrem Ehemann das hälftige Miteigentum am Haus im Jahr 1974 schenkweise übertragen. Gemeinsam mit ihm hat sie in der Zeit nach 1973 erhebliche Investitionen in das Haus vorgenommen, unter anderem wurden eine Zentral-einheizung und neue Fenster eingebaut. Das Bad und das Dach wurden erneuert.
7Gestützt auf die erfolgte Überleitung verlangt die Klägerin von der Beklagten den Betrag von 132.699,74 DM, den sie in der Zeit vor Klageerhebung - vom 1. Juni 1991 bis zum 30. April 1995 - zum Ausgleich der ungedeckten Heimkosten aufgewendet hat. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlage K 6 zur Klageschrift verwiesen (GA 30 - 32).
8Die Klägerin hat behauptet, das Hausgrundstück habe im Jahr 1995 einen Wert von rund 420.000 DM gehabt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei gemäß § 2 des notariellen Vertrages in Verbindung mit den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage verpflichtet, die ungedeckten Heimkosten zu erstatten. Der notarielle Vertrag ähnele einem Altenteils-vertrag entsprechend Art. 96 EGBGB, so daß sich seine Auslegung an den Vorschriften über Altenteilsverträge zu orientieren habe. Die Beklagte habe einen Betrag zu leisten, der dem Zeitaufwand für die von ihr ursprünglich geschuldete Pflege entspreche. Insoweit sei von einem Pflegeaufwand von 7 Stunden pro Tag und einem Stundensatz von 15 DM auszugehen, so daß sich unter Berücksichtigung des mit monatlich 238 DM in Ansatz zu bringenden Wohnrechts ein monatlicher Anspruch der Mutter von mindestens 3.388 DM ergebe, der über diejenigen Aufwendungen hinausgehe, die ihr durch die Heimunterbringung entstanden seien. Infolge der Überleitung stehe der Anspruch der Klägerin im eingeklagten Umfang zu.
9Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 132.699,74 DM nebst 4% Zinsen seit dem 16.2.1995 zu zahlen,
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2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr die ungedeckten Heimkosten für Frau S. K. für die Zeit ab 1.5.1995 bis zu einem Betrag von 3.388 DM monatlich zu erstatten.
14Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
17Sie hat behauptet, bei Abschluß des notariellen Vertrages sei nicht an den Fall gedacht worden, daß eine Pflege im Haus nicht mehr möglich sei. Bei der Einkommens- und Vermögenssituation der Beklagten sei klar gewesen, daß sie zu Ersatzzahlungen nicht in der Lage sein würde.
18Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht gegeben seien. Wegen aller Einzelheiten wird auf das am 11. Dezember 1995 verkündete Urteil Bezug genommen, gegen das die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet hat.
19Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Sie beanstandet, daß das Landgericht einen Wert des Hausgrundstücks von 60.000 DM im Jahr 1973 als unstreitig behandelt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.
20Nachdem die Klägerin zunächst (Antrag zu 2.) beantragt hat, festzustellen, die Beklagte sei zeitlich unbeschränkt - also auch nach dem 30. Juni 1996 - verpflichtet, ihr Heimkosten bis zu einem Betrag von 3.388,00 DM monatlich zu erstatten, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich dieses Antrages für die Zeit ab dem 1. Juli 1996 teilweise für erledigt erklärt, weil die Pflegeversicherung für Heimkosten bis zur Höhe von monatlich 2.800 DM eintritt.
21Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 132.699,74 DM nebst 4% Zinsen seit dem 16. Februar 1995 zu zahlen.
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2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr die ungedeckten Heimkosten für Frau S. K. für die Zeit vom 1. Mai 1995 bis zum 30. Juni 1996 bis zu einem Betrag von 3.388,00 DM monatlich zu erstatten
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und (sinngemäß) für die Zeit ab 1. Juli 1996 festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr die über monatlich 2.800,00 DM hinausgehenden Heimkosten bis zu einem Betrag von 3.388,00 DM monatlich zu erstatten,
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hilfsweise,
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ihr Vollstreckungsnachlaß - auch in Form der selbstschuldnerischen Bürgschaft eines als Zoll- und/oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts - zu gewähren.
32Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
35Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt weitere Einzelheiten unter anderem zum Wert des Hauses und zu den von ihr und ihrem Ehemann ab 1973 getätigten Investitionen in das Haus vor. Wegen der Einzelheiten, die die Beklagte hierzu und zu den Vereinbarungen mit ihren Geschwistern vorgetragen hat, wird auf die Berufungserwiderung nebst Anlagen verwiesen.
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
38Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen, auch soweit Feststellung begehrt ist (§ 256 ZPO), keine Bedenken. Die Klage ist jedoch unbegründet.
391. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der eingeklagten Beträge. Die Ansprüche, die sie auf sich überleiten wollte, stehen der Mutter der Beklagten nicht zu. Der Vertrag sieht keine Zahlungspflicht vor. Und auch im Wege der Auslegung oder Anpassung ergibt sich kein entsprechender Anspruch.
40a) Entgegen der in der Überleitungsanzeige vertretenen Rechtsansicht hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Geldrente nach Art. 96 EGBGB, Art. 15 §§ 8, 9 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum BGB (PrAGBGB). Die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs liegen nicht vor. Der Vertrag, den die Beklagte mit ihren Eltern geschlossen hat, war kein Altenteilsvertrag im Sinne des genannten Gesetzes. Das Wesen eines Altenteilsvertrages besteht darin, daß die folgende Generation in eine die Existenz - wenigstens teilweise - begründende Wirtschaftseinheit nachrückt, wobei die Interessen des abziehenden Altenteilers und diejenigen der nächsten Generation gegeneinander abgewogen werden (vgl. BGH NJW-RR 1989, 451). Das Haus, das hier übertragen wurde, bildete keine existenzbegründende Wirtschaftseinheit. Mit dem Vertrag wurde eine Wohnrechts- und eine Pflege- und Betreuungsvereinbarung getroffen, die ein Teil der von der Beklagten geschuldeten Gegenleistung war. Sie übernahm weitere Leistungen gegenüber ihren Geschwistern, weil der Vertrag nicht nur zur Übertragung des elterlichen Hausgrundstücks führte, sondern der vorweggenommenen Erbauseinandersetzung zwischen der Beklagten und ihren vier Geschwistern diente. Es lag dementsprechend keine Schenkung (auch keine gemischte) vor.
41b) Aus § 2 des notariellen Übertragungsvertrages vom 4. Januar 1973 hat die Mutter der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente.
42Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung, die immer dann vorzunehmen ist, wenn der Vertrag eine Lücke enthält. Es kann hier letztlich dahinstehen, ob eine entsprechende Lücke vorliegt, ob nämlich die Vertragsparteien den eingetretenen Fall nicht bedacht und deshalb keine Regelung darüber getroffen haben, was hinsichtlich des Wohnrechts und der Verpflichtung zur Betreuung und Pflege zu geschehen habe, wenn der Beklagten eine Betreuung und Pflege nicht mehr möglich sein sollte, weil die Eltern - oder ein Elternteil - aufgrund einer Erkrankung in einem Krankenhaus oder Pflegeheim untergebracht werden müßten.
43Geht man davon aus, daß eine Lücke vorliegt, so ist diese nachträglich nach Treu und Glauben entsprechend dem hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen (vgl. z.B. Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 157 Rn. 7 ff. m.w.N.). Jedoch darf eine solche Ergänzung nicht zu einer über den Vertragsinhalt hinausgehenden Bindung und zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen. Da die von der Beklagten übernommene Pflege- und Betreuungspflicht nicht etwa alsbald nach Vertragsschluß sinnlos geworden ist, handelt es sich hier nicht darum, eine sinnlos gewordene Verpflichtung im Wege der Auslegung durch eine andere zu ersetzen (vgl. hierzu BGHZ 92, 370).
44Eine Auslegung mit dem von der Klägerin angenommenen Inhalt ist nicht zulässig, sie würde zu einer wesentlich über den Vertragsinhalt hinausgehenden Bindung und einer inhaltlichen Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen, nämlich zu einer erheblichen, letztlich nicht absehbaren Zahlungspflicht der Beklagten. Zugunsten der Mutter der Beklagten würden bei einer solchen Auslegung aus dem Vertrag wesentliche Rechte zusätzlich hergeleitet, für die der Vertragsinhalt keine Grundlage bietet. Bei dieser Sachlage kann die von der Klägerin angestrebte Rechtsfolge nicht durch ergänzende Vertragsauslegung aus dem Vertrag abgeleitet werden (vgl. Palandt/Heinrichs a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). Würde man eine so weitgehende Auslegung, wie die Klägerin sie anstrebt, als möglich ansehen, so käme sie hier dennoch aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, die dann insoweit entsprechend gelten.
45c) Ein auf die Klägerin übergeleiteter Anspruch der Mutter aus dem notariellen Vertrag ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Die zu diesem Institut entwickelten Regeln greifen, wenn man annimmt, Grundlage des Vertrages sei die gemeinsame Vorstellung der Vertragsschließenden gewesen, daß beide Elternteile bis an ihr Lebensende im Haus der Beklagten leben würden und daß die Beklagte ihre Betreuung und Pflege bis zuletzt wahrnehmen würde.
46Die durch die Krankheit der Mutter eingetretene Situation läßt sich systematisch als Fall der Leistungserschwerung einordnen (vgl. Palandt/Heinrichs a.a.O. § 242 Rn. 140). Eine Ausübung des Wohnrechts und eine Betreuung durch die Beklagte wären seit Jahren nur noch möglich, wenn die Beklagte in ihrem Haus Pflegepersonal beschäftigen würde, das nahezu Tag und Nacht bereitstehen würde. Das Risiko dieser Leistungserschwerung trifft die Beklagte im vorliegenden Fall nicht.
47Die Beklagte ist nach dem Vertrag - sieht man von den erbrachten Zahlungen an die Geschwister ab - nicht zu Geldleistungen verpflichtet. Sie hat es nicht einmal übernommen, für die Verpflegung der Eltern Sorge zu tragen, weil diese offenbar aufgrund eines Renteneinkommens sichergestellt war. Nachdem die Beklagte ihre Verpflichtungen nicht mehr ohne erheblichen Geldaufwand erfüllen kann, ist sie - bis auf die ihr noch möglichen geringfügigen Betreuungsleistungen - von ihrer Verpflichtung zu Pflege und Betreuung freigeworden.
48Eine Anpassung des Vertrages mit dem von der Klägerin angestrebten Inhalt scheidet aus. Sie kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn durch Umstände außerhalb des Einfluß- und Risikobereichs des Schuldners ein so krasses Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht, daß dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist (vgl. BGH BB 1956, 254). Aus Sicht der Mutter liegt jedoch kein solches Mißverhältnis vor.
49Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Vertragsschließenden den Wert des Hausgrundstücks damals mit 60.000 DM angenommen haben und Wohnrecht und Betreuungsleistung mit nur 10.000 DM bewertet haben. Allein durch die bis 1989 erbrachten Betreuungs- und Pflegedienste hatte die Beklagte im Lauf der 16 Jahre ab Vertragsschluß längst eine Gegenleistung erbracht, die weit über einen Wert von 10.000 DM hinausging. Die Beklagte hat ihre Mutter, die ab 1980 an der Alzheimer-Krankheit litt (GA 103), neun Jahre lang gepflegt. Darüber hinaus hat sie von 1982 bis 1985 etwa drei Jahre lang ihren kranken Vater versorgt und gepflegt. Die tatsächlich erbrachten Betreuungs- und Pflegeleistungen haben einen höheren und nicht etwa einen geringeren Wert als das, was sie ihrerseits erhalten hat. Erst recht liegt kein krasses Mißverhältnis vor, so daß keine Anpassung des Vertrages zu erfolgen hat, durch die die Beklagte verpflichtet wird, zusätzliche Zahlungen zu erbringen.
50Soweit die Berufung rügt, das Landgericht habe zu Unrecht einen Gesamtwert des Hauses von 60.000 DM angenommen, ist dem zunächst entgegenzuhalten, daß kein Tatbestandsbe-richtigungsantrag nach § 320 ZPO gestellt worden ist. In der Berufungsinstanz ist deshalb davon auszugehen, daß dieser Wert jedenfalls (unabhängig von früheren schriftsätzlichen Ausführungen) in der letzten mündlichen Verhandlung vor der Zivilkammer unstreitig war. Im übrigen hat die Klägerin in der Berufungsinstanz ebenso wie in erster Instanz zum Wert des Hausgrundstücks im Jahr 1973 nicht substantiiert vorgetragen. Sie hat lediglich behauptet, der Wert habe 1995 bei rund 420.000 DM gelegen und hieraus gefolgert, er müsse 1973 deutlich über 60.000 DM gelegen haben. Eine einfache "Rückrechnung" verbietet sich aber schon deshalb, weil die Beklagte und ihr Ehemann erhebliche Investitionen getätigt (und nachgewiesen) haben, durch die der Wert des Hauses sich zwangsläufig erhöht hat. Im übrigen kommt es hier nicht auf den exakten Verkehrswert des Grundstücks zum damaligen Zeitpunkt an, denn die Beklagte hat mit den Eltern und Geschwistern eine vorweggenommene Erbauseinander-setzung gewollt. Wenn in diesem Zusammenhang die angenommenen Werte des Hauses und der an die Söhne übertragenen Grundstücke nicht exakt dem Marktpreis. entsprochen haben sollten, so ist das letztlich unerheblich. Die Geschwister der Beklagten erhielten durch die Auszahlung eine gewisse vorzeitige wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Zinsvorteile. Eine genaue Ermittlung des Marktwertes ist bei derartigen Verträgen entbehrlich. Die Beklagte hat im Rahmen der Berufungserwiderung detailliert dargelegt, welche Überlegungen der Ausbezahlung an die Geschwister zugrunde lagen. Diese Ausführungen lassen keinen Raum für die Annahme, daß man damals die von ihr übernommenen Betreuungs- und Pflegeleistungen mit mehr als 10.000 DM veranschlagte.
51Hier kommt hinzu, daß die Beklagte für ihre Eltern an Betreuung und Pflege so viel geleistet hat, daß sie ein Mehrfaches von 10.000 DM erbracht hat, so daß das Gleichgewicht zwischen der Leistung der Eltern und den Gegenleistungen der Beklagten - läßt man das auch im Verhältnis zu den Geschwistern angestrebte Gleichgewicht außer acht - auch dann nicht gestört ist, wenn der Wert des Hausgrundstücks 60.000 DM überstiegen hat. Vor diesem Hintergrund kann es nicht ausreichen, diesen Wert nur zu bestreiten. Die Klägerin hätte vielmehr den ihrer Ansicht nach zutreffenden Wert angeben müssen, um nachvollziehbar darzutun, daß die an von ihr angestrebte Vertragskorrektur "richtig" ist.
52Würde man das Bestreiten der Klägerin hinsichtlich des Grundstückswertes von damals 60.000 DM aber trotz der vorstehenden Ausführungen als erheblich ansehen, so wäre sie mit ihrem Bestreiten gemäß § 528 Abs. 1 ZPO zu präkludieren, denn vor dem Verhandlungstermin hätte der Senat ein in diesem Fall notwendiges Sachverständigengutachten nicht einholen können.
53Es kann hier dahinstehen, ob ein Zahlungsausgleich unabhängig von der Feststellung eines Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung stets in solchen Fällen zu erfolgen hat, in denen ein persönliches Zerwürfnis zwischen den Vertragsparteien zum Wegfall der Geschäftsgrundlage geführt hat und dafür ursächlich ist, geschuldete Sach- und Dienstleistung nicht mehr geschuldet sind (vgl. BGH DB 1981, 1614 f.), denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
54Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Oktober 1993 (4 U 333/92, veröffentlicht in NJW-RR 1994, 202 f), nicht notwendig in Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung steht. Das OLG Düsseldorf hat "in Anlehnung an Art. 15 § 9 Abs. 3 PrAGBGB" angenommen, an die Stelle von vertragsgemäß geschuldeter Pflege sei eine Rente geschuldet, die in ihrer Höhe den Vorteilen entsprechen müsse, die die dortigen Beklagten durch die Befreiung von den ihnen obliegenden Leistungen erlangt hätten. Der veröffentlichte Inhalt dieser Entscheidung enthält keine ausdrücklichen Feststellungen zu einer Äquivalenzstörung als Voraussetzung einer Vertragsanpassung, setzt diese aber möglicherweise als dort gegeben voraus. Im übrigen hat das OLG Düsseldorf in der zitierten Entscheidung angenommen, die Übernahme der Pflegepflicht gehe nicht "bis zu einer Hilfe im allerschwersten Pflegefall". Mit einer solchen Auslegung des hier abgeschlossenen notariellen Vertrages müßte ein Wegfall der Geschäftsgrundlage und damit die Möglichkeit der Vertragsanpassung im vorliegenden Fall von vornherein verneint werden.
55Die Frage, ob die Beklagte gegenüber ihrer Mutter unterhaltspflichtig ist (§§ 1601 ff. BGB), bedarf keiner Erörterung. Solche Ansprüche hat die Klägerin, soweit ersichtlich ist, nicht übergeleitet. Jedenfalls macht sie solche Ansprüche in diesem Rechtsstreit nicht geltend.
562.) Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, daß sie mit dem Klageantrag zu 2) nicht ungedeckte Heimkosten einklagen will, sondern lediglich einen Rentenanspruch verlangt, der durch den Wegfall der Verpflichtungen der Beklagten gemäß § 2 des Übertragungsvertrages entstanden sei, bestehen unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken mehr gegen die Begründetheit ihres Feststellungsbegehrens, das im Sinne dieser Klarstellung auszulegen ist. Indes folgt aus den Ausführungen zur Zahlungsklage, daß auch der Feststellungsantrag unbegründet ist.
573.) Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 a, 97 Abs. 1 ZPO, soweit sie auf § 91 a ZPO beruht, ergibt die Begründung sich aus den vorstehenden Ausführungen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
58Streitwert:
59für das Berufungsverfahren bis zur Erledigungserklärung: 212.699,74 DM (132.699,74 DM + 80.000,00 DM),
60danach - und zugleich Urteilsbeschwer für die Klägerin -: 192.699,74 DM (132.699,74 DM + 60.000,00 DM)
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