Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 1 U 63/96
Tenor
1
T a t b e s t a n d
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4Die Parteien sind Brüder. Sie sind die Söhne der am 18. Februar 1994 in Köln verstorbenen Frau M.S.. Der Kläger begehrt vom Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Mutter der Parteien, Versicherung der Richtigkeit der Auskunft an Eides statt sowie Verurteilung zur Zahlung einer Pflichtteilsquote nach Maßgabe der erteilten Auskunft.
5Seit seiner Jugend leidet der Kläger an einer sich schleichend entwickelnden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Auf Antrag seiner Mutter erhielt er durch Beschluß vom 2. November 1992 einen Betreuer für die Bereiche medizinische Behandlung, Regelung der Vermögensangelegenheiten und Vertretung bei Behörden.
6Mit letztwilliger Verfügung vom 4. März 1982 hatte die Erblasserin den Beklagten zum alleinigen Erben eingesetzt. Sie bestätigte diese Erbeinsetzung mit einem weiteren Testament vom 20. Januar 1994 und fügte hinzu:
7"Meinen gewalttätigen Sohn N. S., geb. 07.06.1957, enterbe ich, weil er mich nachweislich oft körperlich mißhandelt (Faustschläge auf den Kopf) und dadurch meinen eventuellen plötzlichen Tod in Kauf nimmt."
8Nachdem der Sachverständige Dr. Si. am 28. Januar 1994 eine deutliche Verschlechterung der chronischen schizophrenen Psychose mit akuten Verhaltensauffälligkeiten festgestellt und die Erweiterung der Betreuung auf den Bereich der Aufenthaltsbestimmung des Klägers empfohlen hatte, damit eine dringend gebotene stationäre medizinische Behandlung ermöglicht werde, wurde - zum wiederholten Male - die vorläufige Unterbringung des Klägers ins Auge gefaßt. Hierzu kam es jedoch zunächst nicht.
9Aus Wut und Angst vor der bevorstehenden Einweisung in das Landeskrankenhaus tötete der Kläger seine Mutter am 18. Februar 1994.
10Durch Urteil vom 8. Dezember 1994, rechtskräftig seit dem 16. Dezember 1994, ordnete das Landgericht Köln die Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus an (112-26/94 Landgericht Köln).
11Der Kläger hat geltend gemacht, ihm sei der Pflichtteil nicht wirksam entzogen worden, da der Wortlaut des letzten Testaments ausdrücklich nur eine Enterbung erwähne. Eine etwaige Entziehung des Pflichtteils sei im übrigen aber auch nicht wirksam erfolgt, weil er, der Kläger, nicht schuldhaft gehandelt habe, als er der Mutter gegenüber gewalttätig geworden sei.
12Der Kläger hat beantragt,
13den Beklagten zu verurteilen,
141.
15dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 18. Februar 1994 in K. verstorbenen Frau M. S., geborene Pf., geb. am 22. Juni 1926, zu erteilen;
162.
17die Richtigkeit der Auskunft an Eides statt zu versichern;
183.
19einen noch zu beziffernden Geldbetrag entsprechend der Pflichtteilsquote an den Kläger zu zahlen.
20Der Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Er hat eingewandt, das Testament vom 20. Januar 1994 könne nur dahin verstanden werden, daß die Erblasserin dem Kläger auch den Pflichtteil habe entziehen wollen.
23Im übrigen sei der Kläger weder am 13. Januar 1994, als er die Erblasserin angegriffen habe, noch im Zeitpunkt der Testamentserrichtung schuldunfähig im Sinne des § 2333 BGB gewesen. Er habe nämlich logisch und zweckgerichtet gehandelt und sei auch in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat einzusehen.
24Durch das am 25. April 1996 verkündete Teilurteil hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Frau M.S. verurteilt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Gegen das am 7. Mai 1996 zugestellte Teilurteil hat der Beklagte mit einem am 7. Juni 1996 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit einem am 8. Oktober 1996 eingegangenen Schriftsatz begründet.
25Mit seinem Rechtsmittel erstrebt der Beklagte erneut die vollständige Abweisung der in der ersten Stufe auf Auskunft gerichteten Klage. Zu diesem Zweck wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen.
26Hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung macht er geltend, er habe bis heute keine Erbschaftssteuererklärung abgegeben. Den Bestand des Nachlasses habe er deswegen auch noch nicht erfassen oder auflisten müssen. Unter diesen Umständen sei die Auskunftserteilung mit einem sehr hohen Arbeits- und Kostenaufwand verbunden. Da die Zusammenstellung des Nachlaßbestandes nicht ohne Beteiligung eines Steuerberaters vorgenommen werden könne, sei allein durch die hiermit verbundenen Kosten eine Beschwer in Höhe von mehr als 1.500,00 DM erreicht. Es komme hinzu, daß unter Umständen behördliche Erklärungen und Unterlagen notwendig seien. Auch die Beschaffung dieser Dokumente sei mit einem nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Da er keine Auskunft zu erteilen brauche, weil dem Kläger der Auskunftsanspruch bereits dem Grunde nach nicht zustehe, sei auch ein Geheimhaltungsinteresse des Beklagten gegeben. Allein für die Wertermittlung des Hauses habe der Sachverständige P. ihm, dem Beklagten, einen Betrag in Höhe von 3.220,00 DM in Rechnung gestellt, wie sich aus der Gebührenaufstellung vom 9. Mai 1996 ergebe. Damit stehe fest, daß der Beklagte erhebliche Kosten habe aufwenden müssen, um wenigstens einen Teil des Nachlasses ermitteln und einschätzen zu können. Die Erfassung des gesamten Nachlasses, der sich in einem Hause befinde, sei nicht innerhalb von zwei bis drei Stunden zu bewältigen. Vielmehr bedürfe es eines Aufwandes mehrer Tage, um alle Gegenstände und Unterlagen in den einzelnen Zimmern zu sichten, zu sortieren und schließlich auch dem Wert nach einzuschätzen. Diese Arbeit könne der Beklagte, der in F. lebe, nur an Wochenenden ausführen. Er sei deswegen gezwungen gewesen, regelmäßig mindestens ein- bis zweimal im Monat nach Köln zu fahren. Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 8. Oktober 1996 sowie der Schriftsätze vom 8. November, 3. Dezember und 11. Dezember 1996 verwiesen.
27Der Beklagte beantragt,
28unter Abänderung des am 25. April 1996 verkündeten Urteils der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 15 O 411/95 - nach seinen erstinstanzlichen Schlußanträgen zu erkennen.
29Der Kläger beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Er ergänzt und vertieft ebenfalls sein erstinstanzliches Vorbringen in der Sache.
32Der Kläger vertritt die Auffassung, die Berufung des Beklagten sei unzulässig, weil aufgrund der erstinstanzlichen Verurteilung zur Auskunft die für das Rechtsmittel erforderliche Beschwer des Beklagten nicht erreicht werde. Die Auskunftserteilung gemäß Teilurteil verursache keinen nennenswerten Arbeits- bzw. Kostenaufwand. Bei einem Rechtsmittel des Auskunftsbeklagten richte sich der Wert des Beschwerdegegenstandes aber allein nach dem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, also nach dem für eine sorgfältige Auskunftserteilung erforderlichen Aufwand.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze vom 24. Oktober 1996 und vom 25. November 1996 verwiesen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
35Die Berufung ist unzulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.500,- DM nicht übersteigt, § 511 a Abs. 1 ZPO.
36Der Senat hat durch den in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 1996 verkündeten Beschluß den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren und damit den Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne des § 511 a Abs. 1 ZPO auf 1.000,- DM festgesetzt. Wegen der Einzelheiten der Gründe, die zu dieser Festsetzung geführt haben, wird zunächst auf die mündliche Begründung im Verhandlungstermin Bezug genommen. Zusammenfassend ist hierzu folgendes anzumerken:
371.
38Wird gegen eine Verurteilung zur Auskunft bzw. Rechnungslegung u.s.w. ein Rechtsmittel eingelegt, so bemißt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes grundsätzlich allein nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert (vgl. BGH NJW 1995, 664). Während der Anspruch auf Auskunft seinen wirtschaftlichen Wert typischerweise daraus bezieht, daß mit ihm die Durchsetzung eines Hauptanspruchs vorbereitet werden soll, so daß es angebracht erscheint, den Wert des Auskunftsanspruchs mit einem Bruchteil des Hauptanspruchs festzusetzen, ist Gegenstand des Rechtsmittels des im Auskunftsverfahren unterlegenen Beklagten allein das Ziel, keine Auskunft erteilen zu müssen. Hat sein dahingehender Antrag Erfolg, so erspart er die Kosten, die mit dem Aufwand der Auskunftserteilung verbunden sind. Diese Kostenersparnis ist grundsätzlich maßgebend für die Festsetzung des Beschwerdewertes. Das etwa daneben bestehende Interesse des Beklagten, die Durchsetzung des Hauptanspruchs zu hindern, geht über den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung hinaus. Der dahingehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Große Senat für Zivilsachen in der oben zitierten Entscheidung bestätigt hat, folgt der erkennende Senat.
39In diesem Zusammenhang wird nicht verkannt, daß dem Beklagten auf der Grundlage dieser Rechtsprechung häufiger der Zugang zur Rechtsmittelinstanz versagt sein wird, weil der Betrag des mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwandes die Rechtsmittelsumme nicht erreicht, während der unterlegene Kläger wegen des höheren Beschwerdewertes ein Rechtsmittel einlegen kann. Indes wird damit nicht Gleiches ungleich behandelt. Die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels rechtfertigen sich daraus, daß das Interesse hieran verschieden hoch zu bewerten ist, weil das Verfahrensergebnis sich für die Parteien unterschiedlich auswirkt. Da der Kläger sich mit der Auskunftsklage die Kenntnis über einen Teil des Anspruchsgrundes für den Hauptanspruch verschaffen will, bedeutet ein den Auskunftsanspruch rechtskräftig abweisendes Urteil, daß die Durchsetzung des Hauptanspruchs aus tatsächlichen Gründen in Frage gestellt ist. Dagegen hat der im Auskunftsverfahren unterlegene Beklagte weiterhin Gelegenheit, sich gegen den Hauptanspruch zu wehren. Im Verfahren über den Hauptanspruch kann er sein Interesse, diesen abzuwehren, in vollem Umfang geltend machen.
402.
41Vor diesem Hintergrund kam es für die Festsetzung des Beschwerdewertes allein darauf an, welche Kosten für den Beklagten mit der Auskunftserteilung verbunden sind. Auf der Grundlage der Ausführungen des Beklagten ist davon auszugehen, daß ein Betrag von 1.000,- DM nicht überschritten wird.
42Zu berücksichtigen ist zunächst, daß der Beklagte durch die angefochtene Entscheidung ausschließlich zur Auskunft verurteilt worden ist. Er hat insbesondere keine Schätzwerte zu ermitteln oder sonstige Aufwendungen zu erbringen, um den Nachlaßwert im einzelnen festzustellen. Die Gutachterkosten, die der Beklagte in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, sind deswegen für die Wertfestsetzung ohne Bedeutung. Daß er kostenpflichtige behördliche Auskünfte einholen müßte, hat der Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Ebensowenig ist dargetan, daß er für die Auskunftserteilung die Hilfe sachkundiger Dritter benötigt. Insbesondere ist nicht zu erkennen, daß es des fachkundigen Rates eines Steuerberaters bedarf, um die begehrte Auskunft zu erteilen.
43Aus alledem ergibt sich, daß nicht die Vergütung, die ein Dritter im Rahmen seiner Berufsausübung verlangen könnte, sondern allein der Zeitaufwand des Beklagten bei der Bestimmung des Beschwerdewertes Berücksichtigung finden kann. Selbst wenn der zeitliche Aufwand des Beklagten - großzügig - auf zwei bis drei Tage geschätzt wird, ergibt sich keine Summe, die den festgesetzten Betrag überschreitet. Dies gilt auch dann, wenn die Kosten einer zweimaligen Hin- und Rückfahrt vom Wohnort des Beklagten zum Haus der Erblasserin in Ansatz gebracht werden.
44Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, er müsse Auskünfte bei Entsorgungsunternehmen einholen, durch deren Containerdienst er nicht verwendbare Hausratsgegenstände habe abholen lassen, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Für die zur Berechnung eines etwaigen Pflichtteilsanspruchs des Klägers erforderliche Auskunft bedarf es keiner detaillierten Feststellungen zu Gegenständen, die wegen ihrer offensichtlichen Wertlosigkeit der Entsorgung bzw. Müllverwertung zugeführt worden sind.
45Ein Geheimhaltungsinteresse, das unter besonderen Umständen den Wert des Beschwerdegegenstandes erhöhen kann, ist nicht dargetan. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, ob ein Interesse an der Geheimhaltung besteht, das über das Interesse des Beklagten hinausgeht, durch Nichterteilung der Auskunft die Durchsetzung des möglicherweise bestehenden Hauptanspruchs zu erschweren oder zu verzögern (vgl. BGH a.a.O.). Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
46Insgesamt erscheint daher ein Wert in der festgesetzten Höhe sachangemessen und ausreichend.
473.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
49Beschwer des Beklagten: 1.000,- DM.
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