Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 7 U 177/94
Tenor
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger verlangt von dem Beklagten zu 1) (im folgenden: der Beklagte) Schadensersatz wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls, der sich am 19.07.1989 kurz nach 16.00 Uhr auf der K. .. in L.-R. ereignete.
3Der zur Unfallzeit 26 Jahre alte Kläger befuhr die K. .. mit seinem Yamaha-Motorrad aus Richtung L. kommend in Richtung B.. Auf dem Soziussitz saß die Zeugin G.. Es herrschte Sonnenschein. Die Straße war trocken. Der Kläger befand sich mit einer Gruppe von sechs weiteren Motorradfahrern auf einer Ausflugsfahrt. Kurze Zeit vor dem Unfall hatte er sein Fahrzeug beschleunigt und sich dabei aus der mit mäßiger Geschwindigkeit fahrenden Gruppe gelöst. In einer langgezogenen Linkskurve in Höhe der Einmündung zur Mülldeponie L. verlor der Kläger die Kontrolle über das Motorrad, stürzte auf die linke Seite und prallte nach etwa 50 Metern gegen die rechte Leitplanke. Er und Frau G. erlitten sehr schwere Verletzungen. Dem Kläger wurde das rechte Bein und der linke Unterschenkel abgerissen.
4Der Beklagte ist der Betreiber der Mülldeponie L.. Er ist laut Planfeststellungsbeschluß des Regierungspräsidenten Köln vom 23.05.1980 verpflichtet, Verschmutzungen der Straße durch den Deponieverkehr zu beseitigen und dazu bei Bedarf eine selbstaufnehmende Kehrmaschine einzusetzen. Kurze Zeit vor dem Unfall war auf der Verbindungsstraße zwischen der Deponie und der K. .. eine Kehrmaschine im Einsatz. Ihr voraus fuhr ein Tankfahrzeug (Unimog), das die Straße vor dem Kehren befeuchtete, um die Staubentwicklung einzudämmen. Beide Fahrzeuge fuhren bis zur Einmündung in die K. .., beschrieben dort einen Bogen um die im Einmündungstrichter liegende Verkehrsinsel, um dann in Richtung Deponie zurückzufahren. Dabei gelangte aus dem Tankfahrzeug Feuchtigkeit auf die Fahrbahn der K. ... Auf diese Feuchtigkeit führt der Kläger seinen Unfall zurück.
5Der Kläger hat behauptet, auf der Fahrbahn habe sich "ein großer nasser Fleck" befunden, der bewirkt habe, daß er mit dem Motorrad ins Rutschen gekommen sei. Der Fleck sei darauf zurückzuführen, daß der Befeuchter beim Umfahren der Verkehrsinsel weitergearbeitet habe, während die Saugvorrichtung an der Kehrmaschine ausgestellt gewesen sei. Mit seiner Klage hat der Kläger seine Ansprüche unter Berücksichtigung der anrechenbaren Betriebsgefahr auf 75 % des entstandenen Schadens beschränkt. Er hat gemeint, im Hinblick auf die Schwere seiner Verletzungen seien ein Schmerzensgeld von 120.000,00 DM sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 300,00 DM gerechtfertigt. Seinen materiellen Schaden, insbesondere den erlittenen Verdienstausfall, hat er in bezifferter Form für die Zeit bis zum 15.11.1992 geltend gemacht. Seine ursprünglich auch gegen den Fahrer des Tankfahrzeugs, den Zeugen O., gerichtete Klage hat das Landgericht durch Teilurteil vom 16.03.1993 abgewiesen. Seither nimmt der Kläger nur noch den beklagten Verband in Anspruch.
6Der Kläger hat beantragt,
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81. den Beklagten zu verurteilen, an ihn
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10a) 15.154,61 DM,
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12b) ein angemessenes Schmerzensgeld und
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14c) eine angemessene Schmerzensgeldrente
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16zu zahlen,
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182. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm 75 % des aus dem Unfall vom 19.07.1989 noch entstehenden Schadens zu ersetzen, soweit bezüglich dieser Ansprüche kein Rechtsübergang auf Sozialversicherungsträger sowie sonstige Dritte vorliegt.
19Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
20Er hat behauptet, die geringe Menge Wasser, die auf die Fahrbahn der K. .. gelangt sei, sei schnell abgetrocknet gewesen und habe für den Unfall keine Rolle gespielt. Vielmehr sei der Kläger zu schnell gefahren. Auch seien die Bremsen an seinem Motorrad defekt gewesen. Im übrigen sei auf die Reinigungsarbeiten durch ein 100 m vor der Einfahrt zur Deponie aufgestelltes Schild mit dem Zeichen 101 (Gefahrstelle) hingewiesen worden.
21Das Landgericht hat durch Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben. Mit Urteil vom 26.04.1994 hat es die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, aufgrund der Zeugenaussagen sei wohl davon auszugehen, daß die Fahrbahn noch feucht gewesen sei. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht könne darin aber nicht erblickt werden, da die bloße Feuchtigkeit noch nicht zu einer Gefahrerhöhung führe. Das Vorhandensein eines Schmierfilms sei nicht festgestellt worden. § 32 StVO verbiete zwar auch die Benetzung der Straße, aber nur, um die Entstehung von Glätte infolge von Frost oder Schmutz zu verhindern. Eine solche Glätte habe nicht vorgelegen.
22Mit der Berufung erhöht der Kläger seinen bezifferten Zahlungsantrag auf der Grundlage einer neuen Schadensberechnung auf 16.110,92 DM und macht zusätzlich Zinsansprüche geltend. Im übrigen verfolgt er seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
23Wegen aller näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des genauen Inhalts der gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil und auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der Senatssitzungen vom 19.01. und 28.09.1995 sowie vom 30.05.1996 und 29.01.1998 Bezug genommen. Die Akten 150 Js 742/89 StA Köln sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Der Senat hat durch Vernehmung von Zeugen, Ortsbesichtigung und Einholung von Gutachten des Sachverständigen P. und des Deutschen Wetterdienstes Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll des Ortstermins vom 28.09.1995, die schriftlichen Gutachten vom 26.02.1996, 11.12.1996 und 08.10.1997 sowie auf die Protokolle der Sitzungen vom 30.05.1996 und 29.01.1998 verwiesen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber nur teilweise Erfolg. Im Ergebnis führt sie zu einer Verurteilung des Beklagten im Umfang einer Haftungsquote von 40 %.
27I. Dem Grunde nach steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
281. Der Beklagte ist ein kommunaler Zweckverband, der die mit dem Betrieb der Deponie zusammenhängenden Aufgaben in schlicht-hoheitlicher Verwaltung wahrnimmt. Zu dem hohheitlichen Aufgabenbereich gehört auch die Sicherung der Zufahrtswege einschließlich der dem Beklagten durch den Planfeststellungsbeschluß des Regierungspräsidenten aufgegebenen Straßenreinigung. Für dabei verursachte Schäden hat der Beklagte, wie schon das Landgericht in seinem Teilurteil vom 16.03.1993 richtig ausgeführt hat, nach Amtshaftungsgrundsätzen (§ 839 BGB, Art. 34 GG) einzustehen.
292. Den Bediensteten des Beklagten oblag die Amtpflicht, die Reinigung der Verbindungsstraße zwischen der Deponie und der K. .. so durchzuführen, daß andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet wurden. Insbesondere hatten sie die Vorschrift des § 32 StVO zu beachten, wonach es unter anderem verboten ist, die Straße zu benetzen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Gegen dieses Verbot haben die Bediensteten des Beklagten bei der am Unfalltag durchgeführten Reinigung verstoßen.
30Der Beklagte stellt jedenfalls in der Berufungsinstanz nicht mehr in Abrede, daß bei der Reinigung Wasser auf die Fahrbahn der K. .. gelangt ist. Tatsächlich kann die Reinigung, wie sich bei der Ortsbesichtigung gezeigt hat, mit den vom Beklagten eingesetzten Fahrzeugen gar nicht so durchgeführt werden, daß eine Befeuchtung der K. .. unterbleibt. Bei dem Ortstermin wurde die vor dem Unfall durchgeführte Reinigung weitestgehend rekonstruiert. Es kamen dieselben Fahrzeuge mit unveränderten technischen Einrichtungen und im Tankfahrzeug auch derselbe Fahrer, der Zeuge O., zum Einsatz. Aus dem Wassertank des vom Zeugen gefahrenen Unimog ergoß sich so viel Wasser auf die Straße, daß die K. .. auf einer mehrere Quadratmeter großen Fläche mit einem Feuchtigkeitsfilm überzogen wurde. Bei ihrer anschließenden Vernehmung haben sowohl der Zeuge O. wie auch der Zeuge K., der am Unfalltag die Kehrmaschine fuhr, bestätigt, daß der damalige Geschehensablauf weitgehend der gleiche gewesen sei. Das Ergebnis der Rekonstruktion ist auch vom Beklagten selbst nicht in Zweifel gezogen worden. Es steht daher fest, daß die K. .. vor dem Sturz des Klägers im Bereich der Unfallstelle von Bediensteten des Beklagten mit Wasser befeuchtet wurde und daß sich hierdurch auf der vom Kläger benutzten Fahrbahn ein mehrere Quadratmeter großer Feuchtigkeitsfilm bildete.
31Damit ist der Tatbestand des § 32 StVO erfüllt. Der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts folgt der Senat nicht. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß das Verbot des § 32 StVO im allgemeinen in dem Sinne verstanden wird, daß ein schlichtes Befeuchten der Straße nicht ausreicht. Gefordert wird eine "qualifizierte" Glätte, die sich aus der Art der Flüssigkeit (z.B. Öl), dem Zustand der Straße (z.B. Staub, der zu Schlamm wird) oder klimatischen Einflüssen ergibt. Das schlichte Aufbringen von Wasser, das nicht gefriert und sich nicht mit anderen Substanzen zu einem Schmierfilm verbindet, wird grundsätzlich als unbedenklich angesehen (OLG Karlsruhe, DAR 1964, 352; BayObLG, DAR 1966, 165; Mühlhaus/Janiszewski, StVO, 14. Auf., § 32 Rdnr. 3; Rüth/Berr/Berz, Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., StVO § 32 Rdnr. 3). Diese Auslegung hält der Senat jedenfalls in der Allgemeinheit, wie sie zum Teil formuliert wird, nicht für richtig. Sie geht auf eine Rechtsprechung zurück, die nicht zu § 32 StVO, sondern zu § 41 a. F. StVO ergangen ist. Weil die frühere Verbotsnorm nur aussprach, daß "Gegenstände" nicht auf die Straße gebracht werden durften, ging es um die Beantwortung der Frage, ob darunter nicht nur feste Körper, sondern auch Flüssigkeiten zu verstehen waren (BayObLG a.a.O.). Die Frage wurde bejaht, jedoch mit der Einschränkung, daß schlichtes Wasser ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht ausreichte. Nachdem das Verbot durch § 32 StVO ausdrücklich auf das "Benetzen" ausgedehnt worden ist, besteht zu dieser Einschränkung kein Anlaß mehr. Sie ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn der Vorschrift in Einklang zu bringen.
32Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß es auch eine "einfache" Glätte gibt, die durch nichts anderes als Wasser bewirkt wird. Das gilt besonders für gepflasterte Straßen, namentlich Basalt- und Kopfsteinpflaster; aber auch auf griffigeren Belägen wie Beton oder Asphalt hat Wasser eine schmierende, den Reibungswiderstand spürbar herabsetzende Wirkung. Bei der hier gegebenen Fahrbahn hat der Sachverständige P. eine Verminderung des sogenannten Kraftschlusses um 1 m/s² (6-7 s² bei trockener, 5-6 m/s² bei nasser Fahrbahn) angenommen und dementsprechend eine Erhöhung der Sturzgefahr durch die Nässe bejaht.
33Andererseits ist richtig, daß das bloße Befeuchten der Fahrbahn für sich genommen nicht stets oder auch nur regelmäßig zu einer Gefährdung des Verkehrs führt. Dem braucht bei der Anwendung des § 32 StVO aber nicht schon bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Benetzen" Rechnung getragen zu werden. Vielmehr enthält die Vorschrift selbst die erforderliche Einschränkung, indem sie das Benetzen und die anderen in Abs. 1 S. 1 beschriebenen Handlungen nicht schlechthin verbietet, sondern das Verbot ausdrücklich von der zusätzlichen Voraussetzung abhängig macht, daß der Verkehr durch die jeweilige Handlung "gefährdet oder erschwert" werden kann (vgl. auch schon BayObLG a.a.O.: Der Sinn der Vorschrift - damals § 41 StVO - verlangt, daß die Straße auch von sauberem Wasser freigehalten wird, wenn dieses infolge besonderer Umstände auf der Straße eine der "verpönten Folgen" - Gefährdung, Belästigung oder Behinderung der Verkehrsteilnehmer - herbeiführt). An dieser Voraussetzung wird es, wenn das Benetzen nur zu einer "einfachen" Glätte ohne Schmierfilm oder Vereisung führt, vielfach fehlen. Unter den hier gegebenen Umständen ist aber das Vorliegen einer Gefährdung im Sinne des § 32 Abs. 1 S. 1 StVO zu bejahen.
34Maßgebend ist dabei die Örtlichkeit, die aus zwei Gründen als kritisch einzustufen ist. Die K. .. beschreibt im Bereich der Einmündung der Verbindungsstraße eine Kurve und weist gleichzeitig in Fahrtrichtung B. ein nicht unerhebliches Gefälle auf. Dadurch erhöht sich die Gefahr, daß in dem Streckenabschnitt Fahrfehler begangen werden, etwa dergestalt, daß die Kurve mit zu hoher Geschwindigkeit durchfahren wird oder daß bei zu hoher Ausgangsgeschwindigkeit erst im Bereich der Kurve gebremst wird, um die Geschwindigkeit herabzusetzen. Aus solchen Fahrmanövern können sich für die betroffenen Verkehrsteilnehmer Grenzsituationen entwickeln, in denen sie ihr Fahrzeug bei trockener Fahrbahn noch beherrschen und ihren Fehler korrigieren können, während ihnen bei nasser Fahrbahn die Kontrolle über das Fahrzeug entgleitet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kurve von einem sorgfältigen Kraftfahrer auch bei Nässe noch mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h durchfahren werden kann. Insoweit hat für den Anwendungsbereich des § 32 StVO ebenso wie für die allgemeine Verkehrssicherungspflicht zu gelten, daß mit einem naheliegenden Fehlverhalten der Straßen- und Wegebenutzer gerechnet werden muß (vgl. BGH NJW 1980, 2194, 2196). Jedenfalls durch das Zusammentreffen mit einem unter den gegebenen Umständen nicht ungewöhnlichen Fahrfehler konnte die von den Bediensteten des Beklagten verursachte Nässe für den Verkehr auf der K. .. gefährlich werden.
353. Ob ein Verstoß gegen § 32 StVO auch dann zu bejahen wäre, wenn an der K. .. in der Nähe der Einmündung ein Schild mit dem Gefahrzeichen 101 aufgestellt worden wäre, kann dahinstehen. Die dahingehende Behauptung des Beklagten hat sich in der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht bestätigt. Namentlich der Zeuge O. hat dazu ausgesagt, daß die Schilder zur Warnung des Verkehrs auf der K. .. regelmäßig nur dann eingesetzt worden seien, wenn Reinigungsarbeiten auf der K. .. selbst stattgefunden hätten. Das war am Unfalltag unstreitig nicht der Fall. Weiterer Ausführungen bedarf es dazu nicht, nachdem der Beklagte selbst seine Behauptung in zweiter Instanz nicht wiederholt hat.
364. Die von dem Tankfahrzeug herrührende Nässe ist für den Unfall des Klägers auch (mit-) ursächlich geworden.
37a) Aufgrund der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, daß sich auf der vom Kläger benutzten Fahrbahn der K. .. in Höhe der Einmündung der Verbindungsstraße unmittelbar nach dem Unfall eine feuchte Stelle befand. Die dazu vernommenen Zeugen T., G., Sp. und E. haben dazu im wesentlichen übereinstimmende Aussagen gemacht, die die Darstellung des Klägers, wonach sich auf der Fahrbahn "ein großer nasser Fleck" befand, bestätigen. Der Senat hat keine Zweifel, daß die Aussagen der Zeugen der Wahrheit entsprechen. Insoweit wird das Beweisergebnis auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
38b) Ebensowenig kann zweifelhaft sein, daß der feuchte Fleck schon vor dem Unfall vorhanden war. Die vom Beklagten erstmals in der Berufungserwiderung angeführte Möglichkeit, daß der Fleck von dem umstürzenden Motorrad herrührte, kann ohne weiteres ausgeschlossen werden. Die bei der Unfallaufnahme von der Polizei festgestellten und in der Unfallskizze (Beiakten Bl. 6) aufgezeichneten Kratzspuren beginnen, in der Fahrtrichtung des Klägers gesehen, erst am Ende des Einmündungsbereichs. Bis zu dem Aufprall, bei dem sich frühestens ein Benzinschlauch gelöst haben kann, muß sich das stürzende Fahrzeug noch ein erhebliches Stück weiterbewegt haben. Schließlich hätte sich auch aus der Leitung oder dem Tank austretendes Benzin nicht schon beim ersten Bodenkontakt der Maschine auf die Straße ergossen, sondern wäre, dem Trägheitsgesetz folgend, noch ein weiteres Stück durch die Luft geschleudert worden und infolgedessen erst an einer noch weiter von der Einmündung entfernten Stelle auf die Fahrbahn gelangt. Die Feuchtigkeit befand sich aber, wie die Zeugen übereinstimmend bekundet haben, unmittelbar im Bereich der Einmündung. Im übrigen hat der Zeuge T. dem Senat auch glaubhaft geschildert, daß er den nassen Fleck bereits wahrnahm, bevor der Kläger stürzte.
39c) Der Senat hat auch keine Zweifel daran, daß die von den Zeugen festgestellte Feuchtigkeit von der Reinigung herrührte, die die Zeugen O. und K. wenige Minuten vor dem Unfall durchgeführt hatten.
40Die Behauptung des Beklagten, zwischen dem Befahren des Einmündungsbereiches durch die Zeugen O. und K. und dem Unfall sei so viel Zeit vergangen, daß bei dem herrschenden Sommerwetter die Feuchtigkeit verdunstet sein müsse, ist widerlegt. Der Sachverständige P. hat in seinem Gutachten vom 08.10.1997 - nach Durchführung von Versuchen - ausgeführt, daß nach 15 bis 20 Minuten in dem relevanten Fahrbahnbereich keine beeinflussende Feuchtigkeit mehr vorhanden gewesen sei. Durch seinem Gutachten beigefügte Fotos hat er das belegt. Die Witterungsverhältnisse zur Zeit der Versuche - 06.08.1997 ab ca. 14.30 Uhr - entsprachen zwar nicht denen zur Unfallzeit, wie sie im Gutachten des Deutschen Wetterdienstes (Bl. 452 GA) beschrieben sind. Daraus kann der Beklagte aber nichts zu seinen Gunsten herleiten. Während nämlich am Nachmittag des Unfalltages an der Station in E. eine maximale Temperatur von 20,4 °C gemessen wurde, woraus der Deutsche Wetterdienst auf ca. 16 °C an der - höher als E. gelegenen - Unfallstelle geschlossen hat, lag die Temperatur z. Zt. des Versuchs vom 06.08.1997 bei bis zu 27 °C (S. 3 des Gutachtens vom 08.10.1997, Bl. 482 GA; Meßaufzeichnungen der Zentraldeponie L. Bl. 512, 513 GA). Da sowohl zur Unfall- als auch zur Versuchszeit trockenes Sommerwetter herrschte und jedweder Anhalt dafür fehlt, daß die relative Luftfeuchtigkeit zur Versuchszeit höher war als zur Unfallzeit, hat der Senat keinen Zweifel daran, daß am Unfalltag die Feuchtigkeit jedenfalls nicht schneller abgetrocknet ist als zur Zeit des Versuchs. Angesichts der z. Zt. des Versuchs herrschenden Temperatur, die deutlich höher war als am 19.07.1989 selbst in dem tiefer gelegenen E., kommt es auf die Zweifel des Beklagten an der Richtigkeit der Schätzung des Deutschen Wetterdienstes - ca 16 °C zur Unfallzeit an der Unfallstelle - nicht an. Kürzer als die vom Sachverständigen P. ermittelten 15 bis 20 Minuten kann der Trocknungsprozeß, d.h. der Zeitraum, innerhalb dessen Feuchtigkeit auf der Straße eine Gefährdung des Fahrzeugverkehrs - speziell für Motorräder - bildete, zur Unfallzeit keinesfalls gewesen sein.
41Der Senat hat keinen Zweifel daran, daß sich der Unfall innerhalb dieses Zeitraums ereignet hat.
42Die Behauptung des Beklagten, ausweislich des Fahrtenschreibers der Kehrmaschine (Bl. 439 GA, Vergrößerung Bl. 511 GA) müsse ein längerer Zeitraum zwischen dem Befahren der K. .. durch Unimog und Kehrmaschine und dem Unfall gelegen haben, ist widerlegt. Der Sachverständige P. hat S. 6 seines Gutachtens vom 08.10.1997 (Bl. 485 GA) ausgeführt, ab etwa 15.25 Uhr sei eine Strecke von ca. 4.000 m mit sehr geringen Geschwindigkeiten, teilweise unter 6 km/h, zurückgelegt worden und anschließend unmittelbar vor 16.05 Uhr - das ist die in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige angegebene Unfallzeit (Bl. 1 BA) - eine Strecke von ca. 1.000 m mit einer Geschwindigkeit von bis zu ca. 30 km/h. Damit ist der Fahrtenschreiber der Kehrmaschine - der des Unimog, sofern es einen solchen überhaupt gab, ist nicht mehr vorhanden - ein untaugliches Beweismittel. Die Entfernung der Einmündung der Deponiestraße in die K. .. vom Werkstattgebäude der Deponie beträgt nämlich nach Angaben des Beklagten 612,15 m (Schriftsatz vom 04.11.1996, Bl. 447 GA), die zur Wasseraufnahmestelle auf dem Deponiegelände nach Angabe des Sachverständigen P. (S. 6 des Gutachtens vom 08.10.1997, Bl. 485 GA) ca. 550 m. Zwischen 15.25 und 16.05 Uhr wurde die Kehrmaschine also nicht nur zur Säuberung der Deponiestraße eingesetzt, sondern auch für andere Zwecke.
43Der Zeuge O. hat bei seiner Vernehmung durch das Landgericht am 01.07.1993 die Dauer der Reinigungsfahrt hin und zurück auf ca. 15 Minuten geschätzt (S. 12 des Protokolls, Bl. 129 GA) = ca. 7,5 Minuten für eine Strecke, bei seiner Vernehmung durch den Senat am 28.09.1995 die Dauer der Rückfahrt von der K. .. zur Deponie auf etwa 8 bis 10 Minuten (S. 12 des Protokolls, Bl. 306 GA). Der Zeuge K. hat bei seiner Vernehmung durch das Landgericht am 23.09.1993 ca. 10 Minuten je Strecke angegeben (S. 5 des Protokolls, Bl. 143 GA), bei seiner Vernehmung durch den Senat am 28.09.1995 ca. 10 bis 15 Minuten (S. 11 des Protokolls, Bl. 305 GA). Diese letztere Schätzung hält der Senat von vornherein für unrealistisch, ebenso aber auch die auf 10 Minuten je Strecke. 10 Minuten für - wie hier - rund 600 m würde einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,6 km/h entsprechen. Eine solche geringe Geschwindigkeit ist auch für eine Reinigungsfahrt weder notwendig noch üblich. Für sie ergibt sich auch aus den Ausführungen des Sachverständigen P. - teilweise unter 6 km/h - nicht der geringste Anhalt. Günstigstenfalls für den Beklagten kann von Schrittgeschwindigkeit, 5 km/h, ausgegangen werden = ca. 83 m in der Minute. Für rd. 600 m wurden danach rd. 7 1/2 Minuten benötigt. Das entspricht der ursprünglichen Schätzung des Zeugen O.. Dann aber ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß sich der Unfall innerhalb des kritischen Zeitraums ereignet hat, d.h. bevor die Feuchtigkeit auf der K. .. so weit abgetrocknet war, daß sie keine Gefahr mehr darstellte. Der Zeuge O. hat nämlich ferner bekundet, nach Abschluß der Reinigungsfahrt habe er sich alsbald, ohne sich vorher umzuziehen, in seinen PKW gesetzt und sei losgefahren (S. 12 des Protokolls vom 28.09.1995, Bl. 306 GA), und zwar von der Deponie über die Einmündung in die K. .. Richtung L.; auf der K. .. sei ihm nach etwa 500 m in einer S-Kurve ein Motorrad mit sehr hoher Geschwindigkeit in extremer Schräglage entgegengekommen (Aussage des Zeugen gegenüber der Polizei vom 20.07.1989, Bl. 28, 29 BA) - Fahrer dieses Motorrads war offenbar der Kläger (vgl. die weitere Bekundung a.a.O. Bl. 29 BA, ein Stückchen hinter diesem Motorrad seien ihm 2 PKW entgegengekommen, direkt dahinter 5 oder 6 Motorräder).
44Für die Strecke von rd. 1.100 m (ca. 600 m Deponie bis Einmündung in K. .., weitere ca. 500 m bis zur Begegnung mit dem Kläger) + 500 m für den Kläger nach Begegnung mit dem Zeugen bis zur Unfallstelle wurden allerhöchstens 3 Minuten benötigt. Dem entspräche nämlich eine Geschwindigkeit von 40 km/h bei einer Entfernung von - zu Gunsten des Beklagten aufgerundet - 2 km. Dabei ist auch der Ansatz von 40 km/h eher zu günstig für den Beklagten, denn diese Geschwindigkeit mag zwar für den Zeugen, der an der Deponie anfahren und an der Einmündung bremsen, eventuell sogar anhalten mußte, realistisch sein, nicht aber für den Kläger. Für das Umsteigen vom Unimog in seinen PKW benötigte der Zeuge sicher nicht mehr als höchstens 3 bis 4 Minuten, wahrscheinlich deutlich weniger. Danach hat der Senat keinen Zweifel daran, daß der Kläger an die Unfallstelle gelangte, bevor die vom Unimog stammende Feuchtigkeit so weit abgetrocknet war, daß sie für ihn keine Gefahr mehr bildete. Er hat hieran ferner aus folgendem Grund keinen Zweifel:
45Der zur Unfallzeit vorhandene feuchte Fleck befand sich nach den Bekundungen aller Zeugen in dem Bereich, wo sich auch bei der vom Senat im Termin vom 28.09.1995 durchgeführten Rekonstruktion Wasser ausbreitete. Es müßte also, wenn die von den Zeugen festgestellte Feuchtigkeit eine andere Ursache haben soll, nicht nur die vom Unimog stammende Feuchtigkeit in der Zwischenzeit verdunstet sein, sondern es müßte auch noch ein weiteres Ereignis stattgefunden haben, durch das sich an derselben Stelle wiederum ein feuchter Fleck bildete. Diese Möglichkeit ist so theoretisch und fernliegend, daß sie ausgeschlossen werden kann. Daran ändert nichts, daß die Deponie bis 16.30 Uhr geöffnet war. Für die Erwägung des Beklagten, Wasser sei möglicherweise durch Fahrzeuge, die die Deponie anfuhren, auf die Straße gelangt, gibt es nicht den geringsten Anhalt. Die Deponierungsaufträge betreffend die Fahrzeuge, die im fraglichen Zeitraum die Deponie angefahren haben (Bl. 20 ff. BA), geben nichts dafür her, daß auch nur ein einziges eine "wasserkritische" Ladung hatte. Feuchtigkeit abfahrender Fahrzeuge infolge Benutzung der Reifenwaschanlage auf dem Deponiegelände hätte entsprechende Reifenspuren zur Folge gehabt - auch das in einer Entfernung von 600 m eher unwahrscheinlich -. Das entspricht indes nicht der Beschreibung des feuchten Flecks durch die Zeugen.
46Belanglos ist ferner die Bekundung des Zeugen O. am 20.07.1989 (Bl. 28 BA), als er mit seinem PKW von der Deponiestraße auf die K. .. eingebogen sei, habe er dort keine Nässe bemerkt. Ihm muß die feuchte Stelle entgangen sein - nach dem Ergebnis der vom Sachverständigen P. vorgenommenen Versuche kann zu diesem Zeitpunkt die Feuchtigkeit unmöglich völlig abgetrocknet gewesen sein -. Das ist auch ohne weiteres nachvollziehbar. Der Zeuge hatte keinen Anlaß, auf einen nassen oder feuchten Fleck im Einmündungsbereich zu achten, da ihm im PKW bei relativ geringer Geschwindigkeit, die er beim Einbiegen auf die K. .. notwendigerweise einhalten mußte, eine solche Stelle kaum gefährlich werden konnte. Außerdem mußte er in erster Linie darauf achten, ob sich auf der Bevorrechtigten K. .. Fahrzeuge näherten.
47d) Der Senat sieht es schließlich auch als bewiesen an, daß die im Unfallzeitpunkt noch vorhandene Feuchtigkeit für den Sturz des Klägers ursächlich war.
48Die Annahme, daß es bei trockener Fahrbahn nicht zu dem Unfall gekommen wäre, rechtfertigt sich aus dem Beweis des ersten Anscheins. § 32 StVO ist eine Vorschrift, die bestimmte äußerliche Einwirkungen auf die Straße im Interesse der Sicherheit und der Leichtigkeit des Verkehrs verbietet. Sie bezweckt damit unter anderem den Schutz der Verkehrsteilnehmer vor Schäden an Leib und Leben und ist insoweit Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Wird gegen eine solche Vorschrift verstoßen, so spricht, ebenso wie etwa bei Verstößen gegen konkret gefaßte Unfallverhütungsvorschriften, nach dem ersten Anschein eine Vermutung dafür, daß es bei Beachtung der Schutzvorschrift nicht zu dem Schadensereignis gekommen wäre, wenn im Zusammenhang mit dem Verstoß gerade derjenige Schaden eingetreten ist, deren Eintritt die Vorschrift verhindern wollte (BGH NJW 1983, 1380; 1984, 432, 433; 1994, 945, 946). Hier steht die Zuwiderhandlung gegen die Schutzvorschrift des § 32 StVO fest. Es steht ferner fest, daß der Kläger mit seinem Motorrad in dem Bereich, wo die Straße feucht war, ins Rutschen geriet und bei dem anschließenden Sturz verletzt wurde. Nach Art und Ablauf des Unfalls hat sich damit gerade die Gefahr verwirklicht, die durch das Benetzungsverbot des § 32 StVO vermieden werden soll. Hiernach spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß der eingetretene Schaden ursächlich auf die verbotene Handlung zurückzuführen ist.
49Allerdings behauptet der Beklagte im Anschluß an die Ausführungen des Sachverständigen P. S. 4 ff. des Gutachtens vom 08.10.1997 (Bl. 483 ff. GA), der Kläger habe die Kontrolle über sein Motorrad in dem Bereich verloren, in dem der Sachverständige anhand der Fotos Bl. 53 BA Bild 2, 56 BA oben eine dunkle Spur, wahrscheinlich aus Teervergußmasse bestehend, festgestellt hat. Dorthin habe bei Umrundung der an der Einmündung befindlichen Verkehrsinsel Wasser vom Unimog nicht gelangen können. Letzteres trifft nicht zu. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung im Termin vom 29.01.1998 ausgeführt, bei den von ihm durchgeführten Versuchen sei, wenn die Verkehrsinsel in engem Bogen umrundet wurde, zwar keine Feuchtigkeit in dem Bereich der - inzwischen nicht mehr vorhandenen - dunklen Spur geraten, wohl aber bei Umrundung in weitem Bogen (S. 4 des Protokolls, Bl. 536 GA). Bestätigt wird das durch die dem Gutachten vom 08.10.1997 beigefügten Fotos über die beiden Fahrversuche.
50Ohne jeden Beweiswert ist nach Ansicht des Senats die Bekundung des Zeugen K. im Termin des Landgerichts vom 23.09.1993, am Unfalltag seien er und der Zeuge O. eng um die Verkehrsinsel herumgefahren (S. 5 des Protokolls, Bl. 143 GA). Der Senat hält es für ausgeschlossen, daß ein Zeuge an einen solchen Begleitumstand nach über 4 Jahren eine auch nur einigermaßen sichere Erinnerung hat. Schon das Landgericht ist der betreffenden Bekundung zu Recht nicht gefolgt (S. 6 unten des angefochtenen Urteils).
51Entscheidendes Gewicht kommt unter diesen Umständen den Angaben des - bis auf die Sozia des Klägers, die sich jedoch an das Unfallgeschehen selbst nicht erinnern konnte - einzigen Augenzeugen des Unfalls T. zu. Dieser hat, beginnend schon mit seinen in der Verkehrsunfallanzeige (Bl. 1 BA) wiedergegebenen Angaben gegenüber der Polizei, durchgehend bekundet, daß der Kläger im Bereich des nassen Flecks die Kontrolle über sein Motorrad verloren habe (Bl. 36 BA, 120, 296, 297 GA). Sowohl bei seiner Vernehmung durch das Landgericht als auch durch den Senat hat er angegeben, diese nasse Stelle schon bemerkt zu haben, bevor der Kläger stürzte (Bl. 122, 296 GA).
52Der Senat hält diese Bekundungen des Zeugen für glaubhaft. Der Zeuge ist unbeteiligt und hat kein erkennbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Daß er aus Mitleid mit dem schwer betroffenen Kläger diesem günstige Aussagen macht, schließt der Senat aus. Andernfalls hätte der Zeuge nicht bei seinen gerichtlichen Vernehmungen freimütig Erinnerungslücken eingeräumt, die jedoch gerade nicht das Kerngeschehen - Verlust der Kontrolle im Bereich des nassen Flecks - betreffen. Daß der Zeuge bei seinen verschiedenen Vernehmungen Einzelheiten des Randgeschehens - z.B. Bremsen des Klägers im Bereich des nassen Flecks; Durchdrehen der Räder seines LKW bei Wiederanfahrt - unterschiedlich geschildert hat bzw. teilweise nicht mehr in Erinnerung hatte, ist unerheblich. Das ist geradezu typisch für Aussagen eines Zeugen, der sich um die Wahrheit bemüht, dessen Erinnerung aber naturgemäß im Lauf der Zeit verblaßt. Aussagen zu unterschiedlichen Zeiten, die einander entsprechen "wie ein Ei dem anderen", können viel eher "verdächtig" sein.
53Der Senat berücksichtigt bei seiner Beweiswürdigung auch, daß der Zeuge T. bei seiner Vernehmung durch die Polizei am 01.08.1989 (Bl. 36 BA) angegeben hat, der Kläger sei auf seiner rechten Fahrbahnseite rechts gefahren, und die Sturzstelle nebst nassem Fleck weitab der dunklen Spur bezeichnet hat (Nr. 2 und 3 in der kopierten Unfallskizze Bl: 37 BA; bei seiner Vernehmung durch das Landgericht am 01.07.1993 hat er die Lage des nassen Flecks genauso angegeben - S. 4 des Protokolls, Bl. 121 GA). Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen P. im Senatstermin vom 29.01.1998 kann der Kläger nicht auf seinem Fahrstreifen rechts gefahren sein, weil das mit den in der Unfallskizze (Bl. 6 BA) festgehaltenen Spuren unvereinbar ist (S. 4 des Protokolls, Bl. 536 GA). Die "Sturzursache" kann schon wegen der Fliehkraft nicht rechts von den ersten Unfallspuren gelegen haben (S. 5 des Gutachtens vom 08.10.1997, Bl. 484 GA; S. 3 des Protokolls vom 29.01.1998, Bl. 535 GA). Der Zeuge T. muß sich insoweit also geirrt haben. Das gibt dem Senat jedoch keinen Anlaß, die Richtigkeit der entscheidenden Bekundung - Verlust der Kontrolle im Bereich des nassen Flecks - in Zweifel zu ziehen. Ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall ganz rechts oder in der Mitte oder eher am linken Rand seiner Fahrbahn fuhr, war aus der damaligen Sicht des Zeugen, der auf der anderen Fahrbahn dem Kläger entgegenkam und durch diesen jedenfalls nicht gefährdet wurde, ein ganz nebensächlicher Umstand. Entscheidend war für ihn der Moment, da der vorher nicht gefahrenträchtig fahrende Kläger die Kontrolle über sein Motorrad verlor, und der Umstand, daß sich das Motorrad in diesem Moment auf dem vom Zeugen schon vorher gesehenen nassen Fleck befand. Die falsche Beschreibung der Stelle, an der der Sturz seinen Ausgang nahm - ein paar Meter entfernt -, ist unter diesen Umständen nicht geeignet, die richtige Wiedergabe des Kerngeschehens in Zweifel zu ziehen. Erfahrungsgemäß werden aus der Sicht eines Zeugen nebensächliche Dinge oft nicht richtig beobachtet und dementsprechend später falsch wiedergegeben.
54Ist mithin davon auszugehen, daß die Sturzursache im Bereich des nassen Flecks lag, so kommt es nicht darauf an, ob sich exakt dort auch die dunkle Spur befand. Dafür, daß es tatsächlich so war, sprechen die zeitnahen Bekundungen der Zeugen G. und E. gegenüber der Polizei vom 25.07. bzw. 22.08.1989 (Bl. 67 R, 68 BA i.V.m. dem Kreis IN der kopierten Unfallskizze Bl. 70 BA). Sofern im Bereich der dunklen Spur Feuchtigkeit vorhanden war, wurde deren Gefährlichkeit erhöht. Der Beklagte haftet auch dann, wenn die von ihm zu vertretende Feuchtigkeit nur mitursächlich geworden ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen P. ist es zwar möglich, daß ein Tangieren der Spur - auch ohne Nässe - den Sturz auslösen oder begünstigen konnte. War es im Bereich der Spur aber naß, so ist nicht feststellbar, ob schon die Nässe bzw. die Spur für sich allein ursächlich war oder ob das Zusammenwirken beider Gefahrenmomente den Sturz auslöste. Auch eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung ist insoweit unmöglich. Damit ist der gegen den Beklagten sprechende Anscheinsbeweis nicht erschüttert.
55Ebensowenig ist der Anscheinsbeweis dadurch erschüttert, daß der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen gebremst und dadurch den Unfall mitverursacht hat. Auch insoweit geht es nur um die Frage der Mitursächlichkeit.
565. Die Bediensteten der Beklagten haben auch schuldhaft gehandelt.
57Sie konnten und mußten erkennen, daß das Wasser, das bei der Umrundung der Verkehrsinsel auf die Fahrbahn der K. .. gelangte, zu einer Gefährdung des dortigen Verkehrs führen konnte. Sie wußten, da sich der Vorgang praktisch täglich wiederholte, daß an der fraglichen Stelle Wasser freigesetzt und auf der Fahrbahn verteilt wurde. Auch die für die Verkehrsgefährdung maßgebenden kritischen Umstände, nämlich die von der K. .. beschriebene Kurve und das Gefälle, waren ihnen bekannt. Der damit für den Verkehr auf der K. .. verbundenen Gefahr konnte und mußte vorgebeugt werden. Wenn eine Nässebildung bei Umrundung der Verkehrsinsel unvermeidbar gewesen sein sollte, so mußten jedenfalls Warnschilder aufgestellt werden.
58Es entlastet sie auch nicht, daß das Landgericht ihr Verhalten als nicht pflichtwidrig beurteilt hat. Die Regel, daß einem Beamten kein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht ein objektiv pflichtwidriges Verhalten verneint hat, ist nicht mehr als eine allgemeine Richtlinie für die rechtliche Beurteilung des im Einzelfall gegebenen Sachverhalts und deshalb unabwendbar, wenn das Kollegialgericht in entscheidenden Punkten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder diesen nicht erschöpfend gewürdigt hat (BGH NJW 1990, 3206, 3207 m.w.N.). Die Begründung des angefochtenen Urteils zeigt, daß das Landgericht von der unrichtigen Tatsache ausgegangen ist, bei sommerlicher Witterung könne der Verkehr allein durch klares Wasser, ohne Hinzutreten von Schmutz, nicht gefährdet werden. Im übrigen hat es bei der Würdigung des Sachverhalts unberücksichtigt gelassen, daß die Gefahr für den Verkehr auf der K. .. durch die Kurve und das Gefälle erhöht wurde. Das Urteil beruht damit in dem für die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit entscheidenden Punkt auf einer unrichtigen Einschätzung des Sachverhalts. Auf Grund der vom Senat durchgeführten Ortsbesichtigung ist dessen Beurteilungsgrundlage breiter als die des Landgerichts.
59II. Der Kläger muß sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, das erheblich über die von ihm eingeräumte, nur mit der Betriebsgefahr begründete Mithaftungsquote von 25 % hinausgeht.
601. Dem Kläger fällt ein Fahrfehler zur Last, weil er im Bereich des feuchten Flecks gebremst hat, obwohl er diesen vorher hätte erkennen müssen.
61Der Senat sieht es aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen P. vom 26.02.1996 (Bl. 349 ff. GA) als bewiesen an, daß es zu dem Unfall nicht gekommen wäre, wenn der Kläger in dem kritischen Bereich vor der Verkehrsinsel nicht zusätzlich noch gebremst hätte. Diese Feststellung hat der Sachverständige anhand der aktenkundigen und von ihm an Ort und Stelle ermittelten Daten im einzelnen überzeugend begründet. Die dagegen gerichteten Angriffe des Klägers sind nicht geeignet, die Argumentation des Sachverständigen zu erschüttern. Das gilt auch im Hinblick auf das außerprozessual vom Kläger eingeholte Gutachten des Sachverständigen N..
62Bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat am 30.05.1996 (Bl. 387 ff. GA) hat der Sachverständigen P. die Gegenargumente des Sachverständigen N. durchgehend widerlegt. Daß N. einen längeren Kurvenradius ermittelt hat, beruht, wie aus seinem eigenen Gutachten folgt, im wesentlichen darauf, daß er von der mutmaßlichen Fahrlinie des Klägers aus gemessen hat, während P. bei der Messung von der linken Fahrstreifenbegrenzung ausgegangen ist. Ob die eine oder andere Berechnung richtig ist, kann letztlich dahinstehen, da die geringfügige Differenz, wie der Sachverständige P. überzeugend ausgeführt hat, für das Ergebnis ohnehin keine Rolle spielt. Die von N. abweichend von P. ermittelten Werte für das Längsgefälle und die Querneigung beruhen auf einer fehlerhaften Umrechnung der gemessenen Winkel in die jeweils in Prozentzahlen ausgedrückten Steigungsquotienten. Darauf hat der Sachverständige P. bei seiner Anhörung zutreffend hingewiesen. Wie er umgerechnet hat, hat der Sachverständige N. in seiner als Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 20.06.1996 zu den Akten gereichten schriftlichen Stellungnahme selbst ausgeführt. Danach hat er sich schlicht einer Dreisatzrechnung bedient, in die er als erstes Größenpaar die Gleichung 45º Steigungs- bzw. Querneigungswinkel = 100º Steigung bzw. Querneigung eingesetzt und daraus als jeweils zweites Größenpaar die Gleichung 4 % Steigungswinkel = 8,8 % Steigung bzw. 2 % Querneigungswinkel = 4,4 % Querneigung abgeleitet hat (Bl. 2 der schriftlichen Stellungnahme vom 18.06.1996). In dieser Berechnung ist nur die erste Gleichung richtig, die zweite dagegen falsch, weil das Verhältnis zwischen Winkel und Steigung bzw. Neigung nicht quotientengleich ist. Aus einem Winkel läßt sich, wie der Sachverständige P. richtig ausgeführt hat, die Steigung nur unter Berücksichtigung der Winkelfunktion des Tangens errechnen. Dabei handelt es sich um eine mathematische Regel, deren Kenntnis in der einschlägigen Literatur bereits Schülern der Sekundarstufe I vermittelt wird (vgl. Schüler-Duden, Die Mathematik I, 5. Aufl., Seite 422, Stichwort "Steigung"). Daß der Sachverständige N. als Dipl.-Ing. eine so einfache Regel nicht kennt und sich die Kenntnis auch nicht verschafft, nachdem er durch den Sachverständigen P. auf seinen Fehler hingewiesen worden ist, muß Zweifel an seiner Sachkunde wie auch an seiner Sorgfalt erwecken und entwertet damit zwangsläufig auch seine sonstigen Aussagen. Auf die Zahlen, die er teils abweichend von P. bei der Auswertung der Unfallskizze ermittelt, kommt es ohnehin nicht an, da es sich nur um geringfügige Differenzen handelt, die im Hinblick auf die zahlreichen anderen Unsicherheitsfaktoren für das Ergebnis letztlich keine Rolle spielen. Dies hat der Sachverständige P. bei seiner Anhörung überzeugend ausgeführt. Entsprechendes gilt für die Abweichungen bei den für die Ermittlung der Ausgangsgeschwindigkeit maßgebenden Verzögerungswerten. In diesem Punkt fehlt es dem Gutachten und auch der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen N. schon deshalb an Überzeugungskraft, weil er die von P. angenommenen Werte zwar kritisiert, dann aber davon absieht, dem Rechenwerk P.s eine eigene Berechnung der Ausgangsgeschwindigkeit entgegenzusetzen. Schließlich folgt der Senat dem Sachverständigen P. auch in der Bewertung der durch die Feuchtigkeit auf der Straße bewirkten Rutschgefahr. Soweit der Sachverständige N. den sog. Gleitbeiwert bei Feuchtigkeit der Fahrbahn erheblich niedriger ansetzt als P.; stützt er sich auf ungesicherte und teils unzutreffende tatsächliche Annahmen. So geht er davon aus, daß im Unfallzeitpunkt die gleichen Bedingungen vorgelegen hätten wie "direkt nach Beginn eines schwachen Regenfalles" wobei er eine "Schmierwirkung von Zwischenmedien (Straßenschmutz)" unterstellt (Gutachten Seite 16). In welchem Umfang Straßenschmutz vorhanden ist, der sich in Verbindung mit dem beginnenden Regen zu einem Schmierfilm verbinden kann, hängt aber entscheidend davon ab, wieviel Zeit seit dem letzten Regen vergangen ist. Der Sachverständige N. läßt offenbar unberücksichtigt, daß die Verbindungsstraße zwischen der Deponie und der K. .. regelmäßig alle 24 Stunden gereinigt wurde und daß damit auch die K. .. im Bereich der Unfallstelle praktisch täglich mit einem Wasserguß überspült wurde. Durch diese Spülung ist der Bildung einer Schmutz- und Staubschicht zumindest entgegengewirkt worden, auch wenn dem Unfall, wie der Beklagte behauptet, eine längere Trockenperiode vorausgegangen war.
63Aus den Feststellungen des Sachverständigen P. folgt auch ohne weiteres, daß der Kläger nicht mit einer für die Kurve zu hohen Geschwindigkeit fuhr, so daß er nicht etwa genötigt war, zu bremsen, um seine Geschwindigkeit herabzusetzen. Ob dem Kläger schon das unnötige Bremsen zum Vorwurf gereicht, kann aber letztlich dahinstehen. Er durfte jedenfalls deshalb nicht bremsen, weil er die Feuchtigkeit und die davon ausgehende Gefahr rechtzeitig hätte erkennen müssen. Auf der hellen Fahrbahnoberfläche hob sich die feuchte Stelle durch ihre dunklere Färbung ab. Der Zeuge T., der dem Kläger mit einem VW-Transporter entgegenkam, hat dazu bekundet, er habe den nassen Fleck bereits wahrgenommen, bevor der Kläger stürzte. Daß die Sichtverhältnisse für den Kläger wesentlich ungünstiger waren, kann ausgeschlossen werden. Auch für den Zeugen Sp., der sich der Einmündung aus der gleichen Fahrtrichtung näherte wie der Kläger, stellte sich die Feuchtigkeit von oben her als "riesiger dunkler Fleck" dar (Sitzungsprotokoll des Landgerichts vom 01.07.1993 Seite 8, GA 125). Dem Kläger fällt deshalb entweder, wenn er den Fleck nicht bemerkte, eine Unaufmerksamkeit oder, wenn er sehenden Auges trotz der Nässe bremste, ein Fahrfehler zur Last. Daß irgendein plötzliches Hindernis eine Rolle spielte, an das der Kläger keine Erinnerung mehr hat, kann aufgrund der Aussage des Zeugen T. ausgeschlossen werden. Dieser beobachtete das Unfallgeschehen von Beginn an und hatte als entgegenkommender Fahrer die vor dem Kläger liegende Strecke im Blickfeld. Ihm wäre es nicht entgangen, wenn der Kläger durch ein unvorhersehbares Ereignis, wie etwa das plötzliche Auftauchen eines Tieres, zu seinem Bremsmanöver gezwungen worden wäre.
642. Bei der nach § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachung muß sich der Kläger ferner die von seinem Motorrad ausgehende Betriebsgefahr (§ 7 StVG) anrechnen lassen.
65Dabei ist entgegen der Auffassung des Beklagten aber nicht zu berücksichtigen, daß die Betriebsgefahr durch die defekten Bremsen des Motorrades erhöht war. Es trifft zwar zu, daß nach den Feststellungen des Sachverständigen Sch., der das Motorrad im Auftrag der Staatsanwaltschaft untersucht hat, die Beläge vorne und hinten verschlissen und brüchig waren und daß außerdem die Bremsscheiben "stark riefig" waren (Gutachten Sch. Seite 6, Ermittlungsakten Bl. 47). Es steht aber nicht fest, daß sich der schlechte Zustand der Bremsen auf den Unfall ausgewirkt hat. Der Sachverständige Sch. hat dazu ausgeführt, die Frage der Mitursächlichkeit lasse sich "nicht einwandfrei beantworten" (Gutachten Seite 9, Ermittlungsakten Bl. 50). Ebenso hat der Sachverständige P. die Frage offengelassen. Nach seiner Einschätzung können die an der Bremsanlage festgestellten Schäden zwar dazu geführt haben, daß die Dosierbarkeit der Bremswirkung herabgesetzt war. Als sicher hat er dies aber nicht beurteilt. Im Ergebnis folgt daraus, daß der mangelhafte Zustand der Bremsen bei der Entscheidung über die Haftungsquote außer Betracht zu bleiben hat. Denn für die Abwägung nach § 254 Abs. 1 BGB ist ebenso wie für den Anwendungsbereich des § 17 StVG anerkannt, daß nur solche Umstände Berücksichtigung finden können, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben. Das gilt auch für solche Umstände, die als betriebsgefahrerhöhende Faktoren die Haftungsanteile beeinflussen (BGH NJW 1995, 1029, 1030 m.w.N.). Im Hinblick darauf hat auch unberücksichtigt zu bleiben, daß die Frist für die TÜV-Untersuchung (§ 29 StVZO) im Unfallzeitpunkt um 19 Tage überschritten war.
66Bei der Abwägung der beiderseitigen Verantwortung gemäß § 254 Abs. 1 BGB geht der Senat davon aus, daß der Ursachenbeitrag des Klägers überwiegt. Er muß sich außer dem gefährlichen Bremsmanöver die von dem Motorrad ausgehende - allgemeine - Betriebsgefahr (§ 7 StVG) zurechnen lassen. Andererseits hat auch der Beklagte durch das von ihm zu vertretende Befeuchten der Straße und die dadurch bewirkte Glätte eine nicht unerhebliche Ursache gesetzt. Das Verschulden erscheint beiderseits nicht schwerwiegend. Daß der Kläger die Feuchtigkeit auf der Straße bei der sommerlichen und trockenen Witterung nicht wahrnahm oder nicht richtig einschätzte, rechtfertigt nur einen mäßigen Verschuldensvorwurf. Das gleiche gilt für die Bediensteten des Beklagten. Es erforderte schon eine gewisse Weitsicht und Überwindung der täglichen Routine, um die von ihnen verursachte Gefahr zu erkennen. Im Ergebnis hält der Senat eine Mithaftung des Klägers im Umfang von 60 % für angemessen. Er kann daher nur 40 % seines Schadens ersetzt verlangen.
67III. Der Höhe nach gilt für die mit dem Zahlungsantrag geltend gemachten Ansprüche folgendes:
681. Materieller Schaden
69a) Der Kläger mußte sein Kraftfahrzeug behindertengerecht umbauen lassen. Die Kosten betrugen unstreitig 669,18 DM.
70b) Auch der vom Kläger erlittene Verdienstausfall ist im Verlauf des Rechtsstreits im wesentlichen unstreitig geworden. Aus seiner Tätigkeit als Betriebsschlosser bezog der Kläger zuletzt ein monatliches Nettoeinkommen von 1.950,00 DM. Die Lohnfortzahlung lief Ende August 1989 aus. Anschließend bezog er bis zum 15.01.1991 ein monatliches Krankengeld von netto 1.600,00 DM. Seither erhält er eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die sich in der Zeit bis zum 15.11.1992, für die der Kläger seinen Schaden in bezifferter Form geltend macht, auf monatlich 1.375,64 DM belief (Bescheid der LVA Rheinprovinz vom 06.11.1991, GA Bl. 77). Das ergibt für weitere 22 Monate einen Ausfall von monatlich 574,36 DM. Bis zum 15.11.1992 ist dem Kläger daher folgender Verdienstausfall entstanden:
7116,5 Monate x 350,00 DM 5.775,00 DM
7222 Monate x 574,36 DM 12.635,92 DM
73zusammen 18.410,92 DM
74c) Der Kläger kann ferner Ersatz der Fahrtkosten beanspruchen, die seinen Eltern durch Krankenbesuche entstanden sind. Auch dieser Anspruch ist dem Grunde nach außer Streit, ebenso wie der Umfang der Fahrten mit insgesamt 4440 Km. Streitig sind nur die Kosten pro Kilometer, die der Kläger mit 0,52 DM, der Beklagte dagegen mit nur 0,14 bis 0,17 DM ansetzt. Der Senat schätzt die Kosten für den von den Eltern des Klägers benutzten Mittelklassewagen (Opel-Kadett GT) auf 0,40 DM/Km. Das ergibt in der Summe einen Kostenaufwand von 1.776,00 DM.
75d) Die vom Kläger geltend gemachten Telefonkosten sind ebenfalls nur der Höhe nach streitig. Der Kläger beziffert die behandlungsbedingten Kosten für die achtmonatige stationäre Behandlung auf monatlich 61,10 DM, insgesamt 512,80 DM. Mangels genauerer Angaben des Klägers können die tatsächlich entstandenen Gebühren nur geschätzt werden. Der Senat hält einen Aufwand von 50,00 DM monatlich (ca. 1,70 DM täglich) für angemessen. Das ergibt insgesamt 400,00 DM.
76e) Für einen Krankentransport von Leverkusen nach Remscheid sind dem Kläger unstreitig weitere Kosten in Höhe von 248,50 DM entstanden.
77Insgesamt steht dem Kläger hiernach für die Zeit bis zum 15.11.1992 folgender Ersatzanspruch zu:
78Kfz-Umbau 669,18 DM
79Verdienstausfall 18.410,92 DM
80Fahrtkosten 1.776,00 DM
81Telefonkosten 400,00 DM
82Krankentransport 248,50 DM
83zusammen 21.504,60 DM
84davon 40 % 8.601,84 DM
852. Schmerzensgeld
86Art und Umfang der vom Kläger erlittenen Verletzungen sowie deren Folgen sind im wesentlichen unstreitig. Bei dem Unfall wurden dem Kläger der linke Unterschenkel und das rechte Bein bis zum Oberschenkel abgetrennt. Beide Gliedmaßen ließen sich nicht reimplantieren. Außerdem erlitt er einen Bruch des rechten Oberarmknochens. Bis Ende Juli 1989 befand er sich in intensiv-medizinischer Bahandlung im Städtischen Krankenhaus L.. Während der anschließenden Heilbehandlung im Krankenhaus R.-L. litt der Kläger unter anderem an hartnäckigen Phantomschmerzen, die nach etwa sieben Wochen abklangen. Die Beweglichkeit im rechten Schultergelenk blieb eingeschränkt (Arztbericht vom 15.11.1989, Anlagenheft Bl. 29). Der Kläger erhielt eine rechtsseitige Oberschenkelprothese mit Beckenkorb und eine linksseitige Unterschenkelkurzprothese. Vom 06.12.1989 bis zum 16.01.1990 befand er sich in stationärer Behandlung in der Fachklinik R.-R. in K.. 1994 wurden nach wiederholten Ulcerationen (Geschwürbildungen) eine Stumpfkorrektur und eine prothetische Neuversorgung der Oberschenkelamputation erforderlich. Zu diesem Zweck befand sich der Kläger vom 24.01. bis zum 31.03.1994 und erneut vom 09.05. bis zum 15.06.1994 in der Universitätsklinik M..
87Den Kläger hat damit in jungen Jahren ein Schicksalsschlag getroffen, von dessen schweren Folgen sein ganzes weiteres Leben gezeichnet sein wird. Er hat außerdem eine langwierige, mit Schmerzen und Entbehrungen verbundene Behandlung hinter sich. Inzwischen kann er sich zwar wieder selbständig bewegen, ist aber auf die Benutzung eines Stockes angewiesen. Der Ablauf der Gehbewegungen ist durch die Beinprothesen in deutlich sichtbarer Weise beeinträchtigt. Seinen Arbeitsplatz hat der Kläger verloren. Ob und in welchem Umfang seine Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt werden kann und ob ihm jemals ein beruflicher Neubeginn gelingen wird, ist ungewiß.
88Zu berücksichtigen ist auch, daß die Bewegungsfähigkeit seines rechten Arms eingeschränkt ist. Ob ihm in der Zukunft die Versteifung des Arms droht, wie der Kläger behauptet, kann für die im vorliegenden Verfahren zu treffende Entscheidung dahinstehen. Durch die unter Ziff. 2 des Urteils getroffene Feststellung bleibt dem Kläger die Geltendmachung eines weiteren, derzeit noch nicht absehbaren Schadens vorbehalten.
89Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat der Senat neben der Schwere der vom Kläger erlittenen Verletzungen und deren Folgen auch das geringe Maß des vom Beklagten zu vertretenden Verschuldens und die erheblichen Mitverursachung des Unfalls durch den Kläger berücksichtigt. Das Verlangen des Klägers, ihm das Schmerzensgeld teilweise in Form einer Rente zu gewähren, erscheint im Hinblick auf die vorliegenden Dauerfolgen gerechtfertigt. Im Ergebnis hält der Senat unter Abwägung aller Umstände eine einmalige Zahlung von 50.000,00 DM und eine monatliche Rente von 150,00 DM für angemessen.
90Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 1 BGB. In Verzug geraten ist der Beklagte erst mit der Zustellung der Klageschrift am 14.09.1992. Das vorprozessuale Schreiben des Klägers vom 17.01.1992 und die darin enthaltene Fristsetzung bis zum 07.02.1992 hatte noch keine verzugsbegründende Wirkung. Das Schreiben enthält keine Zahlungsaufforderung, sondern beschränkt sich auf die Bitte um eine Stellungnahme. Es handelt sich daher nicht um eine Mahnung im Sinne des § 284 Abs. 1 S. 1 BGB. Für die Schmerzensgeldrente gilt nichts Abweichendes. Die monatliche Zahlungspflicht als solche begründet noch keine Kalenderfälligkeit im Sinne des § 284 Abs. 2 S. 1 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Auf., § 284 Rdnr. 23). Hinsichtlich des erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachten Verdienstausfalls ist der Verzug erst mit der Zustellung der Berufungsbegründung am 20.09.1994 eingetreten.
91IV. Der Feststellungsantrag ist im Hinblick auf die noch nicht abgeschlossene Schadensentwicklung zulässig und in der Sache auch mit der Einschränkung auf die Haftungsquote von 40 % begründet.
92Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 100 ZPO.
93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
94Berufungsstreitwert: 174.110,92 DM (vgl. Beschluß vom 09.11.1994).
95Wert der Beschwer: Für beide Parteien über 60.000,00 DM.
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