Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 14 WF 11/00
Tenor
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute, aus deren Ehe 3 bei der Beklagten lebende Kinder (geboren 1987, 1989 und 1992) hervorgegangen sind. Der Kläger ist außerdem Vater von 2 weiteren Kindern, von denen eines 6 Jahre alt und das andere 1995 geboren ist.
4Im Jahre 1994 schlossen die Parteien einen Vergleich, demzufolge sich der jetzige Kläger zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 264,00 DM für das älteste gemeinsame Kind, je 217,00 DM für die beiden jüngeren gemeinsamen Kinder sowie 852,00 DM für die Beklagte selbst verpflichtete. Grundlage dieses Vergleichs waren ein bereinigtes Nettoeinkommen des Klägers von monatlich 3.077,00 DM und eine Unterhaltspflicht für eine Ehefrau und (damals noch) 4 Kinder.
5Der Kläger begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Abänderungsklage, mit der er erreichen will, daß der titulierte Gesamtunterhalt von (264 + 217 + 217 + 852 =) 1.550,00 DM monatlich ab November 1999 auf insgesamt 1.078,76 DM monatlich reduziert wird, wobei der Kindesunterhalt erhöht (für das älteste Kind auf monatlich 311,10 DM, für die beiden jüngeren Kinder auf monatlich je 262,91 DM), der Ehegattenunterhalt auf monatlich 241,84 DM abgesenkt werden soll.
6Das derzeitige bereinigte Nettoeinkommen des Klägers ist gegenüber demjenigen bei Abschluß des Vergleichs nahezu unverändert, es beträgt unstreitig monatlich 3.083,11 DM.
7Der Abänderungsklage liegt eine Mangelfallberechnung zugrunde, bei welcher der Kläger von seinem Einkommen zunächst für alle (nunmehr) 5 Kinder die Tabellenbeträge nach der 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle - insgesamt 2.158,00 DM - in Abzug gebracht hat. Von dem Restbetrag von 925,11 DM hat er sodann 3(7 = 396,47 DM als Unterhaltsquote der Beklagten errechnet. Die vorgenannten Tabellenunterhaltsbeträge und den Betrag von 396,47 DM hat er als Einsatzbeträge in die Mangelfallberechnung eingestellt und ist damit zu einem Gesamtunterhaltsbedarf von monatlich 2.554,47 DM gelangt. Diesen hat er dem für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkommen von (3.083,11 - 1.500 =) 1.583,11 DM gegenübergestellt und sodann die Einsatzbeträge auf die ermittelte Mangelquote von rund 61 % gekürzt.
8Mit dem angefochten Beschluß hat das Amtsgericht das Prozeßkostenhilfegesuch zurückgewiesen und zur Begründung unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Beklagten ausgeführt, der Ehegattenunterhalt sei im Rahmen der Mangelfallberechnung mit einem Betrag von monatlich 1.300,00 DM als Einsatzbetrag zu berücksichtigen. Da die Beklagte außergerichtlich ihre Bereitschaft erklärt habe, sich auf den danach errechneten Gesamtunterhalt von monatlich 1.235,78 DM zu einigen, habe sie insoweit keine Veranlassung zur Abänderungsklage gegeben, weswegen der Kläger, soweit die Rechtsverfolgung Erfolg verspreche, gemäß § 93 ZPO die Kosten tragen müsse.
9Auf die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers hat das Amtsgericht in seiner Nichtabhilfeverfügung vom 18. Januar 2000 sinngemäß weiter ausgeführt, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf welche sich der Kläger berufe, könne nicht gefolgt werden, vielmehr sei der Ehegattenunterhalt mit einem Mindestbedarfsbetrag in die Mangelfallberechnung einzustellen.
10II.
11Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Beschwerde des Klägers führt in der Sache zu dem aus der Beschlußformel ersichtlichen vorläufigen Erfolg.
121. Das Amtsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß die Abänderungsklage keine Aussicht auf Erfolg biete. Stützt sich eine um Prozeßkostenhilfe nachsuchende Partei auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, kann der Rechtsverfolgung oder -verteidigung die Erfolgsaussicht grundsätzlich nicht mit dem Hinweis abgesprochen werden, das Gericht vermöge sich der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs nicht anzuschließen. Dies stünde im Widerspruch zu den Anforderungen, die nach allgemeiner Ansicht an die Erfolgsprüfung gemäß § 114 ZPO zu stellen sind. Danach ist nämlich schon dann von hinreichender Erfolgsaussicht auszugehen, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt der Prozeßkostenhilfe beantragenden Partei zumindest für vertretbar hält und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Prozeßerfolg spricht, wobei es nicht einmal der überwiegenden Wahrscheinlichkeit bedarf (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl. 1999, Rdn. 409; Wendl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Auflage 1997, Rdn. 11 zu § 114, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ferner entspricht es allgemeiner Auffassung, daß die Instanzgerichte nicht von fehlender Erfolgsaussicht ausgehen dürfen, wenn die Entscheidung von der Beantwortung einer schwierigen, bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. dazu und zum Folgenden Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rdn. 412; Wendl/Thalmann, a.a.O.). Erst recht kann dann aber die Erfolgsaussicht nicht verneint werden, wenn - wie hier - die Rechtsfrage im Sinne der Prozeßkostenhilfe begehrenden Partei höchstrichterlich entschieden ist, mag auch das Instanzgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung für unzutreffend halten.
13Für dieses Ergebnis spricht auch folgende Überlegung:
14Würde ein erstinstanzliches Gericht aufgrund seiner von der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs abweichenden Ansicht in der Hauptsache zuungunsten der Prozeßkostenhilfe beantragenden Partei entscheiden, müßte ein mit einem hiergegen erhobenen Rechtsmittel befasstes Oberlandesgericht, wollte es ebenfalls dem Bundesgerichtshof nicht folgen, gemäß §§ 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 621d Abs. 1, 621e Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision bzw. die weitere Beschwerde zulassen. Schon daraus ergibt sich die oben dargestellte gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich letztlich die auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhende Rechtsverfolgung oder - verteidigung durchsetzen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein Rechtsmittel in der Hauptsache möglich und nicht zweifelsfrei ausgeschlossen ist (Wendl/Thalmann, a.a.O., Rdn. 12 zu § 114).
15Anders mag es im Einzelfall sein, wenn begründete Anzeichen dafür bestehen, daß der Bundesgerichtshof bei einer erneuten Befassung mit der betreffenden Rechtsfrage nicht länger an seiner bisherigen Auffassung festhalten, sondern künftig im Sinne der von dem Instanzgericht vertretenen Ansicht entscheiden wird. Solche Anzeichen könnten sich beispielsweise aus einem obiter dictum in einer anderen Entscheidung, in welcher es auf die Rechtsfrage letztlich nicht ankommt, ergeben. Im vorliegenden Fall bestehen derartige Anhaltspunkte jedoch nicht. Vielmehr ist der Bundesgerichtshof bisher ungeachtet aller kritischen Stellungnahmen aus dem Schrifttum und gegen den Widerstand verschiedener Oberlandesgerichte bei seiner Ansicht geblieben, daß als Unterhaltsbedarf des Ehegatten im Mangelfall kein allgemeiner Mindestbedarf anzusetzen ist, sondern nur der sich nach §§ 1361, 1578 BGB - unter Vorwegabzug des Kindesunterhalts - ergebende Betrag (vgl. dazu u.a. die Darstellung bei Hoppenz, Ehegattenbedarf im Mangelfall, FamRZ 1999, 1473 ff.).
162. Soweit das Amtsgericht weiter gemeint hat, der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe stehe der Umstand entgegen, daß die Beklagte im Rahmen einer Absenkung des Gesamtunterhalts auf monatlich 1.235,78 DM keine Veranlassung zur Klage gegeben habe, erscheint es schon fraglich, ob mit dieser Begründung Prozeßkostenhilfe versagt werden durfte oder nicht ein förmlicher Verzicht der Beklagten auf den in Rede stehenden Teil des titulierten Anspruchs hätte vorliegen müssen (vgl. dazu allgemein Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rdn. 470 mit Rechtsprechungsnachweisen). Das kann indes dahinstehen, weil das Verhalten der Beklagten zeigt, daß sehr wohl Klageveranlassung auch insoweit bestanden hat, als die Beklagte selbst eine Absenkung des titulierten Gesamtbetrages für gerechtfertigt angesehen hat. Der Kläger hat nämlich vorgetragen und dies auch durch seine Gehaltsabrechnung für Dezember 1999 belegt, daß die Beklagte nach wie vor in Höhe des titulierten Gesamtbetrages von 1.550,00 sein Gehalt pfänden läßt (Bl. 25, 26).
173. Ein möglicher Einwand gegen die vom Kläger erstrebte Abänderung des Unterhaltsvergleichs könnte daraus hergeleitet werden, daß im Bezug auf den Kindesunterhalt höhere als bisher festgesetzte Unterhaltsbeträge tituliert werden sollen. Dem naheliegenden Argument des insoweit fehlenden Rechtsschutzinteresses wegen der Möglichkeit der freiwilligen Mehrzahlung ist jedoch entgegenzuhalten, daß der Kläger bei einer isolierten Herabsetzung des Ehegattenunterhalts auf den von ihm errechneten Betrag mit Anträgen auf Erhöhung des Kindesunterhalts zu rechnen hätte. Einer dahingehenden Abänderungsklage könnte er nur mit dem Hinweis begegnen, daß er freiwillig zu einer entsprechenden Titulierung des erhöhten Kindesunterhalts - auf seine Kosten - bereit gewesen sei. Von daher ist der jetzt vom Kläger beschrittene Weg, den gesamten Unterhalt neu titulieren zu lassen, prozeßökonomisch und unter Kostengesichtspunkten vernünftig.
184. Ob es letztlich bei den vom Kläger errechneten Unterhaltsbeträgen verbleibt oder aber die Relation zwischen Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt eine Verschiebung zugunsten des Letzteren gebietet, ist mit der grundsätzlichen Anknüpfung an die Berechnungsweise des Bundesgerichtshofs zu den Einsatzbeträgen im Mangelfall noch nicht entschieden. Vielmehr bedarf es insoweit noch einer abschließenden Prüfung des Ergebnisses auf seine Angemessenheit (vgl. dazu BGH FamRZ 1997, 806 ff. [811 unter 4. e)] ), die dem Amtsgericht vorbehalten bleibt. Klar dürfte aber sein, daß es bei einem nahezu unverändertem Einkommen des Klägers angesichts der hinzugekommenen Unterhaltsverpflichtung für ein weiteres Kind und dem gestiegenen notwendigen Selbstbehalt des Klägers (bei Vergleichsabschluß 1994 waren es 1.300,00 DM monatlich, jetzt sind es 1.500,00 DM) zu einer Absenkung der Gesamtunterhaltsverpflichtung kommen muß.
19Da das Amtsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bisher nicht geprüft hat, war ihm die erneute Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch des Klägers unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen gemäß § 575 ZPO zu überlassen.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.