Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 11 U 216/99
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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3Die zulässige Berufung ist begründet.
4Das Landgericht hat die Klage, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, zu Unrecht für unbegründet gehalten. Der Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB auf Zahlung von 9.690,33 DM.
5I.
6Die Klägerin war Verwalterin der zwischen den Beklagten bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Zugleich war sie gewerbliche Zwischenvermieterin einzelner Wohnungen der Gemeinschaft. In dieser Eigenschaft überwies sie irrtümlich einen Geldbetrag mit derselben Zweckbestimmung wie bereits bei einer vorhergehenden Überweisung ein zweites Mal an die Gemeinschaft. Bei dem Betrag handelt es sich um abgerechnete Nebenkosten. Aufgrund der Vereinbarungen in den Zwischenmietverträgen war die Überweisung einheitlicher Beträge an die Wohnungseigentümergemeinschaft und die anteilige Verteilung der eingehenden Beträge durch die Wohnungseigentümergemeinschaft (vertreten durch den Verwalter, seinerzeit also die Klägerin) auf die einzelnen Vermieter (Wohnungseigentümer) vorgesehen. Der doppelt gezahlte Betrag ist nicht auf die einzelnen Vermieter verteilt worden, sondern blieb auf dem Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft stehen; nach der Behauptung der Klägerin erfolgte keine Rückbuchung, weil das Konto ein Debet auswies. Die Klägerin sieht hier einen einfachen Bereicherungsfall. Die Beklagten bestreiten die Passivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft und berufen sich auf Verjährung (§ 197 BGB) und Verwirkung, letzteres weil die Klägerin bis 31.03.1997 Verwalterin war und genügend Zeit zur Rückbuchung gehabt, den Vorfall aber der Wohnungseigentümergemeinschaft nie zur Kenntnis gebracht und die Forderung erst 1998 angemeldet habe.
7II.
81. Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten kann - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht mit der Begründung verneint werden, die Beklagten seien nicht passivlegitimiert, die Klägerin müsse sich, da sie als Zwischenmietern gezahlt habe, an ihre einzelnen Zwischenvermieter halten. Da das Bereicherungsrecht ein Ausfluss von Treu und Glauben ist, kann diese Begründung im Ergebnis nicht richtig sein. Denn die Klägerin hat gegen die einzelnen Vermieter keinen Anspruch, weil diese nichts erlangt haben. Die Doppelzahlung wurde nicht auf die einzelnen Vermieter verteilt. Diese erhielten also keine Zahlung; sie haben auch keinen Anspruch auf Zahlung gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, weil die Ansprüche, die mit dem Leistungszweck verfolgt wurden, bereits durch die erste Zahlung und deren Verteilung auf die Vermieterkonten befriedigt wurden. Diese Sachlage muss bei der Anwendung der Vorschriften des Bereicherungsrechts berücksichtigt werden. In Betracht kommt nach der Sachlage nur eine Direktkondiktion der Klägerin gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft.
9Die Klägerin wollte mit der Zweitzahlung eine Leistung an ihre Vermieter erbringen (Valutaverhältnis). Die Wohnungseigentümergemeinschaft sollte den ihr zugeflossenen Betrag auf die Vermieter verteilen und so ihrerseits eine Leistung an die Klägerin erbringen (Deckungsverhältnis). Bei Vollzug dieses Vorgangs und bei Mängeln im Valuta- oder Deckungsverhältnis wäre eine ungerechtfertigte Bereicherung grundsätzlich in der jeweiligen Leistungsbeziehung rückgängig zu machen (vgl.etwa BGH NJW 1994, 2357 f. mit weiteren Nachweisen). Der Bundesgerichtshof hat aber wiederholt betont, daß sich jede schematische Lösung in Dreipersonenverhältnissen verbiete (BGHZ 61, 289, 292; 66, 362, 364; 372, 374; 89, 376, 378; 111, 382, 385).
10Im Streitfall ist es zu einem rüchabzuwickelnden "Dreipersonenverhältnis" nicht gekommen, weil ein Anspruch auf den überwiesenen Betrag im Valutaverhältnis nicht bestand (die Vermieter waren schon durch die Erstüberweisung befriedigt) und die Anweisung der Klägerin an die Wohnungseigentümergemeinschaft durch deren Vertreterin (die Klägerin) als Irrtum erkannt und deshalb nicht ausgeführt wurde. In einem solchen Fall, in dem sowohl der Zahlende als auch der Empfänger der Zahlung erkennen, dass die beabsichtigte Leistung ohne rechtliche Grundlage erfolgen würde und der Empfänger deshalb von einer Weiterleitung des Geldes absieht, ist die tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung nach Ansicht des Senats im Wege der Eingriffskondiktion zwischen Zahlendem und Empfänger rückgängig zu machen (vgl. auch BGH BGH NJW 1994, 2357, 2358 sub c, aa). Der Empfänger hat den gezahlten Betrag, auf den er keinen Anspruch hat und den er auch nicht "weitergeben" will, auf sonstige Weise erlangt.
11Diese Sichtweise, die zu einer Direktkondiktion zwischen Zahlendem und Zahlungsempfänger führt, wird bestätigt durch die Rechtsprechung, die bei fehlender oder gefälschter Anweisung und Kenntnis des Empfängers davon einen unmittelbaren Anspruch des Angewiesenen gegen den Empfänger bejaht (BGHZ 66, 362, 364 f.; 66, 372, 374; 67, 75; 87, 393; 88, 232, 235; BGH NJW 1987, 185; OLG Köln OLGR 1996, 251 f.; OLG Hamm WM 1983, 1000, 1001; NJW-RR 1987, 882; ohne auf Kenntnis abzustellen BGH WM 1990, 1280, 1281). Auch hier wird der Tatsache Rechnung getragen, dass eine Direktkondiktion der einzig sinnvolle Weg ist, fehlgeschlagene Leistungen rückabzuwickeln, wenn sich einzelne Leistungsbeziehungen nicht sinnvoll darstellen lassen.
122. Der danach gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB gegebene Anspruch ist nicht verjährt. Dabei kann dahinstehen, ob § 197 BGB auch für Ansprüche des Mieters auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Nebenkostenabrechnungsbeträge gilt. Die Beklagten werden nicht als Vermieter in Anspruch genommen. Der gegen sie bestehende Anspruch folgt daraus, dass sie aus Eingriffskondiktion einen Betrag herauszugeben haben, der ihnen rechtsgrundlos als Verwaltungs- und Zahlstelle (Anweisungsempfänger) zugeflossen ist. Es gilt mithin die dreißigjährige Verjährungsfrist.
133. Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten auch auf Verwirkung des geltend gemachten Anspruchs.
14Zwar spricht einiges dafür, das Zeitmoment zu bejahen. Die Forderung wurde erstmals mit Schreiben vom 16.01.1998, also etwa ein Jahr nach Aufgabe der Verwaltertätigkeit, gegenüber dem neuen Verwalter angemeldet. Die Klägerin war zuvor etwa drei Jahre untätig gewesen, obwohl sie als Verwalterin eine Rückbuchung oder - falls eine Rückbuchung, wie sie unsubstantiiert behauptet, mangels Kontodeckung nicht möglich war - eine Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. der einzelnen in Zahlungsrückstand befindlichen Eigentümer hätte veranlassen können.
15Es fehlt aber das Umstandsmoment. Die Beklagten machen nur geltend, es sei unbillig, wenn sie nach so langer Zeit noch in Anspruch genommen würden. Das reicht nicht aus. Es hätte ein konkretes Vertrauen in dieser Richtung vorgetragen werden müssen. Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft können aber nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Verwalters und der dann erforderlichen Gesamtabrechnung keine übersehenen Beträge mehr auftauchen, die der Gemeinschaft tatsächlich zugeflossen sind und noch ausgeglichen werden müssen.
16III.
17Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
18Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
19Die Beschwer der Beklagten übersteigt nicht 60.000,00 DM.
20Berufungsstreitwert: 9.690,33 DM
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