Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 24 U 103/99
Tenor
1
T a t b e s t a n d
23
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr notariell beurkundetes Angebot vom 4.08.1997 (A 4) zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit der Beklagten einschließlich Vollmacht betreffend alle im Zusammenhang mit dem Kauf einer Eigentumswohnung aus einer Sanierungs-/Modernisierungsnaßnahme in D. nichtig sei.
4Zum Erwerb der Eigentumswohnung als Renditeobjekt hatte der Klägerin der Finanzberater H. geraten. Er veranlaßte auch die Beurkundung bei der Notarin B. in M., der das Muster der Beklagten über ein Angebot zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages und Vollmacht vorlag. Die Beklagte nahm das Angebot am 26.08.1997 in notarieller Urkunde an (A 5). Der Preis für den Erwerb der Eigentumswohnung in Höhe von 171.595,00 DM zuzüglich voraussichtlicher Erwerbsnebenkosten in Höhe von 30.887,00 DM sollte voll finanziert werden. Zu diesem Zweck schloss die Beklagte aufgrund der ihr erteilten Vollmacht im Namen der Klägerin Darlehensverträge mit der Internationales Bankhaus B. AG (I.) über 190.661,00 DM und mit der H. Bank über 33.756,00 DM (A 10, A 7). Ferner schloss sie einen notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag einschließlich Auflassung mit der Verkäuferin des Objektes und Bauträgerin, der P. GmbH (Bl. 42 ff. d.A.), und bestellte - zugleich als bevollmächtigte Vertreterin der P. GmbH - für die I. eine Grundschuld über 190.661,00 DM mit persönlicher Haftungsübernahme durch die Klägerin (Bl. 28 ff. d.A.). Die Klägerin nahm mit Anwaltsschreiben vom 8.12.1997 (A 13) ihr Angebot zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages und zur Vollmachtserteilung zurück und erklärte die Anfechtung ihrer Angebotserklärung wegen arglistiger Täuschung. Sie sei mit Mitteln der Nötigung und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hinsichtlich der Rentabilität der Vermögensanlage zur Abgabe des Angebots bewegt worden. Mit Anwaltsschreiben vom 19.01.1998 (A 15) widerrief sie die erteilte Vollmacht.
5Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihre Vollmacht sei gemäß § 6 Abs. 1 VerbrKrG nichtig, weil die Beklagte damit auch bevollmächtigt werde, die zur Finanzierung erforderlichen Darlehensverträge abzuschließen, und diese Vollmacht der Form des § 4 VerbrKrG bedürfe. Die Nichtigkeit erfasse zugleich das notarielle Angebot zum Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages. Die arglistige Täuschung des Finanzberaters H. müsse die Beklagte sich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Sie habe ihm gegenüber erklärt, sie wolle ihre Rente aufbessern. Erst aufgrund der Darlehensverträge habe sie festgestellt, dass sie es mit einer Darlehenslaufzeit von zum Teil 25 Jahren nicht schaffen werde, die Immobilie bis zu ihrem voraussichtlichen Renteneintritt in ca. 6 Jahren ab Vertragsbeginn abbezahlt zu haben und dass sie darüber hinaus eine höhere monatliche Belastung als die zugesagten 145,00 DM, nämlich 1.056,58 DM zuzüglich 311,00 DM, zu tragen habe, die sie von ihrer zu erwartenden Altersrente nie werde zahlen können.
6Die Klägerin hat beantragt,
7festzustellen, dass das notariell beurkundete Angebot zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit Vollmacht vom 4.08.1997 durch die Klägerin gegenüber der Beklagten, verhandelt vor der Notarin C. B., Amtssitz in M., (UR-Nr. ) nichtig ist.
8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf den Inhalt der angeführten Urkunden, insbesondere der notariellen Urkunde vom 4.08.1997 (A 4) sowie der Stammurkunde vom 2.07.1997 (A 1) Bezug genommen.
10Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die in dem notariellen Angebot der Klägerin enthaltene Vollmacht sei gemäß § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VerbrKrG nichtig. Diese Nichtigkeit erfasse über § 139 BGB das gesamte notarielle Angebot der Klägerin.
11Die Beklagte hat gegen das ihr am 19.05.1999 zugestellte Urteil am 21.06.1999 (Montag) Berufung eingelegt, die sie in einem weiteren Schriftsatz begründet hat, der - nach Fristverlängerung bis zum 21.08.1999 - am 23.08.1999 (Montag) beim Oberlandesgericht eingegangen ist.
12Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
13Sie hält die Feststellungsklage für unzulässig.
14Ferner hält sie an ihrer Auffassung fest, die Kreditvollmacht unterliege gemäß § 167 Abs. 2 BGB nicht der Vorschrift des § 4 VerbrKrG. Die Vollmacht sei entgegen ihrem Wortlaut nicht unwiderruflich erteilt. Jedenfalls sei eine Heilung nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG eingetreten. Eine Formnichtigkeit der Kreditvollmacht habe auf keinen Fall die Gesamtnichtigkeit der Vollmacht und des Geschäftsbesorgungsvertrages bewirkt. Die Vorgehensweise der Klägerin stelle im übrigen eine unzulässige Rechtsausübung dar.
15Schließlich gehe die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ins Leere, zumal die Klägerin für das Verhalten des Finanzberaters H. nicht einzustehen habe.
16Die Beklagte beantragt,
17unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,
18Sicherheiten durch eine unbedingte unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.
19Die Klägerin beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält an ihren Rechtsansichten fest.
22Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.
25Die Feststellungsklage ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als die Feststellung der Nichtigkeit der von der Klägerin erteilten Vollmacht zum Abschluss von Darlehensverträgen zur Finanzierung des Erwerbs des Kaufobjektes begehrt wird.
261.
27Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 ZPO zulässig.
28Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses mit der Beklagten. Sie will einerseits verhindern, dass die Beklagte aufgrund des von dieser weiterhin für wirksam erachteten Geschäftsbesorgungsvertrages einschließlich der erteilten Vollmacht noch rechtsgeschäftlich mit Bindungswirkung für die Klägerin tätig wird. Andererseits dient die begehrte Feststellung der Vorbereitung der Geltendmachung von Rückabwicklungsansprüchen gegen die finanzierende Bank und die Bauträgerin. Wenngleich das erstrebte Urteil keine Rechtskraftwirkung im Verhältnis zu diesen Drittbeteiligten hat, besteht doch ein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Dritten von der Klärung des Rechtsverhältnisses mit der Beklagten abhängig zu machen. Im übrigen könnte die Klägerin bisher im Wege einer Leistungsklage nur die Rückzahlung des Honorars von der Beklagten verlangen, nicht jedoch Schadensersatz, da derzeit noch nicht feststeht, welcher Schaden ihr aus den von der Beklagten für sie abgeschlossenen Verträgen entstanden ist bzw. entstehen wird.
292.
30Das notarielle Angebot der Klägerin vom 4.08.1997 zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages war entgegen der im ersten Rechtszug von der Klägerin geäußerten Ansicht nicht gemäß §§ 146, 148 BGB mangels Annahme durch die Beklagte erloschen.
31Die in Abschnitt C 1. der notariellen Urkunde vom 4.08.1997 vorgesehene notariell beurkundete Annahme wurde von der Beklagten innerhalb der Frist von 6 Wochen erklärt, für die sich die Klägerin an ihr Angebot gebunden hielt. Sie erfolgte damit gemäß § 148 BGB rechtzeitig. Gemäß §§ 152, 151 Satz 2 BGB bedurfte es keines Zugangs der Annahmeerklärung zu ihrer Wirksamkeit, weil der Geschäftsbesorgungsvertrag notariell beurkundet wurde und im übrigen die Klägerin ausdrücklich auf den Zugang der Annahmeerklärung als Wirksamkeitserfordernis verzichtet hat.
323.
33Die in Abschnitt B. I. 1. und 2. der notariellen Urkunde vom 4.08.1997 von der Klägerin erteilte Vollmacht ist nach §§ 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1, 6 Abs. 1 VerbrKrG insoweit nichtig, als sie den Abschluss von Darlehensverträgen umfaßt. Denn sie enthält nicht die Mindestangaben des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG.
34Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts, dass jedenfalls eine unwiderruflich erteilte Kreditvollmacht nicht nur dem Schriftformerfordernis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG genügen, sondern auch die Mindestangaben nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG enthalten muß (vgl. OLG München NJW 1999, 2196, 2197; LG Chemnitz NJW 1999, 1193, 1194; Palandt-Putzo, § 4 VerbrKrG Rz. 3 b; Köndgen NJW 2000, 468, 480; Rösler NJW 1999, 1150, 1152; Derleder NJW 1993, 2401, 2404; a. A. OLG Köln (3. Zivilsenat) Urteil vom 29.10.1999 - 3 U 156/98 -).
35Der Vorschrift des § 167 Abs. 2 BGB, die generell die formlose Erteilung einer Vollmacht ermöglicht, ist nicht zu entnehmen, dass § 4 Abs. 1 VerbrKrG auf die Kreditvollmacht nicht anzuwenden ist. Die Bestimmung ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung einengend ausgelegt worden, soweit der Zweck einer Formvorschrift dies erforderte. Die teleologische Reduktion einer Norm setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unterlassene Differenzierung entweder durch den Sinn und Zweck der einzuschränkenden Norm selbst oder durch den vorrangigen Zweck einer anderen Norm angezeigt ist, der sonst nicht erreicht würde (BGH NJW 1998, 1857, 1858).
36So ist die unwiderruflich erteilte Vollmacht zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrages gemäß § 313 Satz 1 BGB notariell zu beurkunden, weil sie bereits eine bindende Verpflichtung zur Veräußerung bzw. zum Erwerb des Grundstücks begründet (vgl. Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rz. 20 m. w. N.). Ebenso hat der Bundesgerichtshof (NJW 1996, 1467, 1468) bei der formbedürftigen Bürgschaft die Vollmacht zur Abgabe der entsprechenden Willenserklärung der Schriftform unterworfen. Anderenfalls würde der Zweck der Schutzvorschrift des § 766 BGB, dem Bürgen Inhalt und Umfang seiner Haftung deutlich vor Augen zu führen, ausgehöhlt. Der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass ein formstrenges Verständnis des § 766 Satz 1 BGB auch der Auslegung vergleichbarer, dem Schutz des Schwächeren dienender Formvorschriften in Verbraucherschutzgesetzen entspreche. Nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG sei der Kreditvertrag schon dann grundsätzlich nichtig, wenn bei Kreditverträgen im allgemeinen eine der in § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 lit. a bis f, und bei Kreditverträgen, die die Lieferung einer bestimmten Sache oder die Erbringung einer bestimmten Leistung zum Gegenstand hätten, eine der in Nr. 2 lit. a bis e vorgesehenen Angaben fehle. Diese Rechtsfolge sei zur Sicherung der zutreffenden Information über die wesentlichen Kreditkonditionen und zur Warnung des Verbrauchers vor unüberlegtem finanziellem Engagement angeordnet (vgl. BGH a.a.O., S. 1469). Da § 4 VerbrKrG noch höhere inhaltliche Anforderungen stellt als § 766 BGB, ist zur Erfüllung des vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweckes, den im Gesetz bezeichneten Personenkreis davor zu schützen, sich unüberlegt oder ohne ausreichende Information über Inhalt und Wirkung seiner Willenserklärung zu verpflichten, erst recht die Formvorschrift des § 4 VerbrKrG auf die unwiderrufliche Kreditvollmacht anzuwenden. Auch hier wird der Vertretene durch die Erteilung der Vollmacht rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise gebunden wie durch die formbedürftige Kreditaufnahme selbst.
37Zum Schutz des Vollmachtgebers reicht die Einhaltung des Schriftformerfordernisses des § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG nicht aus. Die Sicherung der zutreffenden Information über die wesentlichen Kreditkonditionen verlangt zusätzlich die Mindestangaben gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG. Im Anwendungsbereich des VerbrKrG muß daher der wirksame Verbraucherschutz dem Repräsentationsprinzip des Vertretungsrechts vorgehen.
38Der Verbraucher wird vor der Eingehung nachteiliger Kreditverpflichtungen auch nicht dadurch hinreichend geschützt, dass der Vertreter nach dem der Vollmacht zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsvertrag einen bestimmten Kreditgesamtbetrag nicht überschreiten darf und die Konditionen marktüblich sein müssen, dass er ferner die übertragenen Aufgaben sorgfältig und im Interesse des Vollmachtgebers ausüben muß und für die Verletzung der übernommenen Aufgaben nach Maßgabe der üblichen Sorgfalt eines Steuerberaters haftet.
39Da die der Beklagten erteilte Kreditvollmacht unwiderruflich ist und die notarielle Urkunde vom 4.08.1997 nicht die nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG erforderlichen Mindestangaben (Art und Weise der Rückzahlung des Kredits, Zinssatz und alle sonstigen Kreditkosten, effektiver Jahreszins, Versicherungskosten, Sicherheiten) enthält, ist die Kreditvollmacht gemäß § 6 Abs. 1 VerbrKrG nichtig.
40Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Vollmacht nicht entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut als widerruflich zu behandeln ist, weil sie - so die Beklagte - allein dem Interesse der Klägerin diene. Die Parteien hatten den Widerruf ausdrücklich in der von der Beklagten vorformulierten notariellen Urkunde vom 4.08.1997 vertraglich ausgeschlossen. Diese Vereinbarung ist nicht auslegungsfähig.
41Der Ausschluss des Widerrufs war auch nicht etwa deswegen unwirksam, weil die Vollmacht ausschließlich im Interesse der Klägerin erteilt worden wäre (vgl. BGH DNotZ 1972, 229; NJW - RR 1991, 439, 441). Vielmehr dient die Vollmacht im gleichen Maße den Interessen der Beklagten. Es lag in ihrem Interesse, als Abwicklungsbeauftragte z. B. die Kredite aus Kostengründen möglichst für alle Erwerber von Objekten der Sanierungs-/Modernisierungsmaßnahme bei denselben Kreditgebern zu beschaffen. Für eine effektive und reibungslose Abwicklung des Erwerbs nach dem Bauträgermodell war es für die Beklagte von Vorteil, wenn sie als Abwicklungsbeauftragte auch der übrigen Erwerber (vgl. Abschnitt A. VI. 1. und B. I. 3. der notariellen Urkunde vom 4.08.1997) die ihr übertragenen Rechtsgeschäfte einheitlich - soweit die Erwerber gegenteilige Weisungen nicht bereits in der Vollmacht erteilt hatten (vgl. Abschnitt A. I. der notariellen Urkunde) - ohne Rücksicht auf einen möglichen Widerruf einer Vollmacht im Namen und für Rechnung der Erwerber vornehmen konnte.
42Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte dem Widerruf der Vollmacht durch die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 19.01.1998 (A. 15) nicht widersprochen hat.
43Die Klägerin handelt nicht rechtsmißbräuchlich, indem sie sich im nachhinein auf die Nichtigkeit der Kreditvollmacht wegen Formmangels beruft (§ 242 BGB). Die Beklagte behauptet nicht, dass die Klägerin den Formmangel von Anfang an gekannt habe. Hat sie aber erst im nachhinein und durch anwaltliche Beratung hiervon erfahren, so ist sie nicht gehindert, die ihrem Schutze dienende Formnichtigkeit geltend zu machen.
44Davon unberührt und vom Senat nicht zu entscheiden ist die Frage, ob sich die Klägerin mit Erfolg auf eine Nichtigkeit der von der Beklagten abgeschlossenen Darlehensverträge berufen kann oder ob die Darlehensverträge jedenfalls nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG wirksam geworden sind. Eine Heilungswirkung nach dieser Vorschrift erstreckt sich nicht auf die Kreditvollmacht.
45Die Nichtigkeit der Kreditvollmacht führt jedoch nicht gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit der Vollmacht im übrigen und des Geschäftsbesorgungsvertrags der Parteien.
46Die Parteien haben die Regelung des § 139 BGB in Abschnitt B. III. 2. der notariellen Urkunde vom 4.08.1997 vertraglich abgedungen. Nach dieser Klausel berührt die Unwirksamkeit oder teilweise Unwirksamkeit der Vollmacht nicht die Gültigkeit der übrigen Abreden und Vollmachten. Die Parteien sind verpflichtet, die unwirksame Regelung durch eine ihrem wirtschaftlichen Sinn und Zweck entsprechende wirksame zu ersetzen, die - soweit rechtlich zulässig - als von Anfang an vereinbart Geltung haben soll.
47Eine solche Klausel ist zulässig, ohne dass indes in allen Fällen ausgeschlossen ist, dass die Nichtigkeit einer einzelnen Bestimmung weitere Vertragsbestimmungen oder den gesamten Vertrag erfasst. Das kommt in Betracht, wenn die Vertragsauslegung ergibt, dass die Aufrechterhaltung des Restgeschäfts im Einzelfall trotz der salvatorischen Klausel von dem Parteiwillen nicht mehr gedeckt ist. Die Klausel verkehrt lediglich die Vermutung des § 139 BGB in ihr Gegenteil. Die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Umstände, die eine über die Nichtigkeit einer einzelnen Bestimmung hinausgehende Nichtigkeit weiterer Vertragsbestimmungen oder des gesamten Vertrages begründen, trifft denjenigen, der sich darauf beruft (vgl. BGH NJW 1996, 773, 774). Gesamtnichtigkeit trotz salvatorischer Klausel kommt insbesondere in Betracht, wenn nicht nur eine Nebenabrede, sondern eine wesentliche Vertragsbestimmung unwirksam ist und durch die Teilnichtigkeit der Gesamtcharakter des Vertrages geändert würde. Dabei muss die Verpflichtung der Parteien zur Ersetzung der unwirksamen Regelung durch eine wirksame außer Betracht bleiben. Solange von den Parteien eine Ersatzvereinbarung nicht getroffen worden ist, kann durch eine solche rein obligatorische Ersetzungsklausel der Eintritt der Nichtigkeitsfolgen weder verhindert noch kompensiert werden (vgl. BGH a.a.O.).
48Die Klägerin hat nicht substantiiert dargetan, dass sich durch die Nichtigkeit der Kreditvollmacht der Gesamtcharakter des Geschäftsbesorgungsvertrages verändert. Eine solche überragende Bedeutung kommt der Vollmacht zum Abschluss von Kreditverträgen im Verhältnis zu den übrigen Vollmachten und den von der Beklagten auszuführenden Aufgaben nicht zu. Im Vordergrund des Geschäftsbesorgungsvertrags stand der Erwerb der Immobilie. Die Beklagte hatte sich verpflichtet, alle zur Vorbereitung, Durchführung und gegebenenfalls Rückabwicklung des Erwerbs erforderlichen Maßnahmen für die Klägerin zu besorgen. Dazu gehörten neben der Finanzierung des Erwerbs u. a. der Abschluss eines Kauf- und Werklieferungsvertrages, der Abschluss von Mietverträgen, die Abgabe von Erklärungen nach dem WEG, die Bestellung von Grundpfandrechten, der Abschluss einer Lebensversicherung, eines Mietgarantievertrages, eines Vertrages über die technische Baubetreuung, eines Steuerberatungsvertrages sowie die Beauftragung von Rechtsanwälten mit der Geltendmachung der klägerischen Interessen, ferner die Durchführung sämtlicher Zahlungen, die Abgabe aller zum grundbuchlichen Vollzug erforderlichen Erklärungen. Auch bei Wegfall der Ermächtigung zum Abschluss von Kreditverträgen im Namen der Klägerin bleibt die Erfüllung dieser vertraglichen Verpflichtungen für die Beklagte möglich und die gebündelte Übertragung der zeitaufwendigen Aufgaben an einen Abwicklungsbeauftragten aus der Sicht der Klägerin sinnvoll. Die Finanzierung konnte ohne weiteres dadurch verwirklicht werden, dass die Klägerin entweder die Darlehensverträge nach entsprechender Vermittlung durch die Beklagte selbst schloss oder dass sie der Beklagten nachträglich eine den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG entsprechende Vollmacht erteilte.
49Die Kreditvollmacht ist also ohne weiteres vom übrigen Vertragsinhalt abtrennbar, ohne dass der gesamte Charakter des Vertrages geändert würde.
504.
51Der Geschäftsbesorgungsvertrag der Parteien ist schließlich nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB aufgrund der von der Klägerin erklärten Anfechtung vom 8.12.1997 wegen arglistiger Täuschung nichtig.
52Die Klägerin hat den Anfechtungsgrund des § 123 Abs. 1 BGB nicht schlüssig vorgetragen. Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob der Finanzberater H. als Verhandlungsgehilfe der Beklagten mit deren Wissen und Wollen tätig geworden und damit nicht "Dritter" im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB ist, so dass sich die Beklagte eine arglistige Täuschung durch Herrn H. zurechnen lassen müßte.
53Denn die Klägerin ist zur Abgabe des notariellen Angebots vom 4.08.1997 nicht durch eine arglistige Täuschung bestimmt worden. Durch die von Herrn H. erteilten Informationen wurde die Klägerin nicht darüber getäuscht, dass sie die zu erwerbende Immobilie bis zu ihrem voraussichtlichen Renteneintritt ca. 6 Jahre nach Vertragsbeginn abbezahlt haben werde und dass die finanzielle Belastung lediglich 145,00 DM pro Monat betrage.
54Der Finanzberater hat der Klägerin die "individuelle Finanzstrategie für Dr. V. J. vom 14.08.1997" (Bl. 356 d.A.) vorgelegt. Danach sind monatliche Investitionen der Klägerin von 146,00 DM, jährlich also 1.752,00 DM vorgesehen. Die Klägerin erkannte, auch wenn sie - obwohl Ärztin - in finanziellen Dingen "völlig unerfahren" gewesen sein sollte, bereits aus dieser Angabe, dass sie auch nach dem Renteneintritt langfristig Zuzahlungen erbringen mußte, weil die voraussichtliche jährliche Steuerersparnis, die ab 1999 mit 9.061,00 DM veranschlagt war, und die jährlichen Mietzinseinnahmen zur Rückzahlung der Darlehen nicht ausreichen würden. Sie behauptet selbst nicht, nicht gewußt zu haben, dass die von ihr gewünschte Vollfinanzierung des Kaufpreises in Höhe von 171.595,00 DM zuzüglich voraussichtlicher Erwerbsnebenkosten in Höhe von 30.887,00 DM Kreditlaufzeiten von ca. 15 - 25 Jahren zur Folge haben mußte, wenn zur Rückzahlung "nur" die Mieteinnahmen, die Steuerersparnis und die monatlichen Investitionen von 146,00 DM eingesetzt wurden, jährlich also insgesamt ca. 17.000,00 DM. Der Senat nimmt der Klägerin nicht ab, dass sie davon ausgegangen ist, Kredite zur Finanzierung eines Betrages von ca. 200.000,00 DM durch den Einsatz von Mieteinnahmen in Höhe von jährlich ca. 6.000,00 DM (bei einer Mietgarantie auf 5 Jahre ab 1998, vgl. Anlage VI zur Stammurkunde), der Steuerersparnis von ca. 43.000,00 DM für den Zeitraum 1997 bis 1999 und jährlich ca. 9.000,00 DM ab 1999 sowie monatlichen Zuzahlungen von 146,00 DM in ca. 6 Jahren vollständig abbezahlt zu haben. Es lag auf der Hand und bedurfte keines weiteren Hinweises, dass die finanziellen Belastungen bis zum Erreichen des Rentenalters nicht abgetragen sein würden und dass damit der Erwerb des Objektes kurzfristig nicht zur Rentenaufbesserung geeignet war. Die Klägerin wußte auch aus eigener Erfahrung, dass die Finanzierung eines Betrages von ca. 200.000,00 DM nicht innerhalb von ca. 6 Jahren zur Bildung lastenfreien Vermögens führen kann. Sie hatte im Jahre 1993 zur Finanzierung eines Hauses einen Darlehensvertrag über 236.000,00 DM geschlossen. Dem seitens der darlehensgewährenden Bank aufgestellten Tilgungsplan ist zu entnehmen, dass das Darlehn im Jahre 2003 immer noch in Höhe von über 202.000,00 DM valutiert.
55Wenn die Klägerin sich trotz des Wissens um die langfristigen Belastungen dennoch zum Erwerb des Objektes entschloss, so muss dies andere Gründe als den Wunsch nach Aufbesserung der Rente bereits bei Erreichen des Rentenalters gehabt haben.
56Soweit die Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.04.2000 die Anfechtung nunmehr auch darauf stützt, dass der Kaufpreis für das Objekt überhöht sei (Bl. 387 d.A.), war ihr neues Vorbringen gemäß §§ 523, 296 a ZPO unbeachtlich und bot keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO.
57Die Klägerin hat auch insofern einen Anfechtungsgrund nicht schlüssig vorgetragen. Sollte sie geltend machen wollen, sich über den tatsächlichen Marktpreis des Objektes geirrt zu haben, so handelt es sich nicht um einen Eigenschaftsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB, da nach ständiger Rechtsprechung der Wert oder der Marktpreis einer Sache keine Eigenschaften im Sinne der Vorschrift sind. Eine arglistige Täuschung über die Angemessenheit des Kaufpreises hat die Klägerin ebenfalls nicht dargetan.
58Somit war der Berufung der Beklagten teilweise stattzugeben und das angefochtene Urteil entsprechend abzuändern.
59Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nach §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
60Der Senat läßt für die Beklagte gemäß § 546 Abs. 1 ZPO die Revision gegen dieses Urteil zu, da die Rechtssache insoweit grundsätzlich Bedeutung hat, als die Rechtsfrage, ob die unwiderrufliche Vollmacht zur Aufnahme eines in den Anwendungsbereich des VerbrKrG fallenden Darlehns der Formvorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG genügen muss, als grundsätzlich anzusehen und - soweit ersichtlich - bisher höchstrichterlich nicht entschieden ist.
61Berufungsstreitwert: bis 240.000,00 DM
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