Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 9 U 41/00
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist unbegründet.
3Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.
4Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Entschädigung auf Grund der zwischen den Parteien bestehenden Hausratsversicherung wegen der Einbruchdiebstahlereignisse vom 19./20. bzw. 20./21.9.1997 im Hause T.-K. Straße in B.-B. nach § 5 Nr. 1 a) bzw. f) VHB 92 nicht zu.
5Die Beklagte ist nach den §§ 21 Nr. 1c), Nr. 3 VHB 92,
66 Abs. 3 VVG leistungsfrei, weil der Kläger die vertragliche Obliegenheit der unverzüglichen Vorlage der Stehlgutliste bei der Polizei verletzt hat.
7Bei Eintritt des Versicherungsfalles muss der Versicherungsnehmer unverzüglich der zuständigen Polizeidienststelle ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen (Stehlgutliste) einreichen (§ 21 Nr. 1 c) VHB 92). Die Stehlgutliste hat den Zweck, der Polizei eine gezielte Sachfahndung zu ermöglichen und bei entsprechendem Fahndungserfolg den vom Versicherer zu ersetzenden Schaden möglichst gering zu halten. Außerdem dient die Liste dazu, den Versicherer vor einer unberechtigten Inanspruchnahme zu schützen. Durch die Obliegenheit der unverzüglichen Vorlage der Stehlgutliste soll die Hemmschwelle für Vortäuschungen bei dem Versicherungsnehmer heraufgesetzt werden. Er soll sich zum Schadenumfang frühzeitig festlegen müssen, um zu verhindern, dass er den Schaden nachträglich zu Unrecht aufbauscht (vgl. OLG Köln, Senat, r+s 2000, 248; OLGR 2000, 249, 250; r+s 1995, 147; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl. § 21 VHB 84, Rn 5).
8Die Stehlgutliste muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 2 BGB) vorgelegt werden. Die Frist ist danach zu bemessen, wieviel Zeit der Versicherungsnehmer benötigt, die Liste anzufertigen. Nur eine solche Frist erfüllt den Zweck der Obliegenheit des § 21 Nr. 1 c) VHB 92. Damit ergibt sich, dass die Vorlage der Liste am 10.12.1997 - als Eintritt des Versicherungsfalles war spätestens 21.09.1997 anzusehen - bei weitem zu spät erfolgt ist.
9Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz vorträgt, er habe bereits im Oktober 1997 der Polizei eine Liste zuleiten lassen, ist dies nach den §§ 288 Abs. 1, 532 ZPO unbeachtlich. Denn der Kläger hat in erster Instanz zugestanden, er habe erstmalig "drei bis vier Wochen vor dem 10.12.1997" (vgl. Schriftsatz vom 23.12.1999) bzw. Ende November 1997 (vgl. Schriftsatz vom 29.09.1999) eine Stehlgutliste bei der Polizei abgegeben. Geht man von diesem Vortrag des Klägers aus, an den das Gericht gebunden ist, erweist sich die Einreichung des Verzeichnisses frühestens vier Wochen vor dem 10.12.1997 auch als nicht mehr unverzüglich. Die Einreichung der Stehlgutliste bei der Polizei wäre viel eher möglich gewesen.
10Außerdem handelt es sich bei dieser Liste nicht um ein "Verzeichnis der abandengekommenen Sachen" im Sinne des § 21 Nr. 1 c) VHB 92. Eine solche Liste muss nämlich entsprechend ihrem Zweck mindestens eine konkrete Festlegung des Versicherungsnehmers zum Schadenumfang enthalten und eine gezielte Sachfahndung ermöglichen. Nach dem Vermerk der Polizei vom 05.12.1997 war die zunächst eingereichte Liste für diese Zwecke ungeeignet. Es muss eine möglichst konkrete Beschreibung der entwendeten Gegenstände vorliegen. Diesen Anforderungen genügte die Aufstellung nicht. Dass der Kläger diese Liste selbst als unvollständig angesehen hat, ergibt sich aus dem Vermerk der Polizei vom 08.12.1997, wonach der Kläger telefonisch erklärt hat, er habe "inzwischen die Unterlagen gefunden", die er der Versicherung zugesandt gehabt habe.
11Nach § 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 21 Nr. 3 VHB 92 tritt Leistungsfreiheit nicht ein, wenn die Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Diese Voraussetzungen hat der Versicherungsnehmer zu beweisen. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht erbracht.
12Er hat die Vorsatzvermutung nicht widerlegt. Dass der Kläger Kenntnis von der Verpflichtung zur unverzüglichen Abgabe der Stehlgutliste bei der Polizei gehabt hat, ergibt sich aus der vom Kläger unterschriebenen Schadenanzeige.
13Dort ist nämlich ausdrücklich danach gefragt, ob die "Stehlgutliste bei der Kripo abgegeben" worden ist.
14Der Kläger stellt nicht in Abrede, diese Frage gelesen zu haben. Im übrigen hätte die Frage Anlass gegeben, bei Unklarheiten in den Versicherungsbedingungen nachzulesen (vgl. Senat, r+s 2000, 248).
15Bei einer vorsätzlichen, jedoch folgenlosen Obliegenheitsverletzung tritt Leistungsfreiheit ein, wenn der Verstoß gegen die Obliegenheit generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und wenn dem Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden zur Last fällt (vgl. zur Relevanzrechtsprechung Senat, r+s 1995, 147 mit weiteren Nachweisen). Einer besonderen Belehrung über diese Folgen bedarf es nicht, weil hier wegen der vertraglichen Regelung eine spontan zu erfüllende Obliegenheit vorliegt (vgl. Senat , a.a.O., 148).
16Die generelle Eignung der Interessengefährdung entfällt auch nicht, weil es sich bei den betroffenen Gegenständen etwa um nicht hochwertige Massenware handeln würde. In solchen Fällen könnte ein Fahndungserfolg der Polizei allerdings unwahrscheinlich sein. Das Stehlgut besteht hier aber aus individualisierbaren Sachen von nicht unbedeutendem Wert, also Schmuck, goldene Herrenuhr, wertvolle Kleidung und technische Geräte.
17Es ist auch ein erhebliches Verschulden des Klägers anzunehmen. Er hat sich insoweit nicht entlasten können. Die Verzögerung beruht nicht auf einem Verschulden leichter Art, das jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer einmal unterlaufen kann und welches sein Verhalten in milderem Licht erscheinen lässt. Die Nierenerkrankung war vor dem Schadenfall aufgetreten. Der Kläger war bereits nach der Operation in Kur gewesen. Maßgebend ist insbesondere, dass die Polizei ausweislich des Vermerks vom 05.12.1997 den Kläger mehrfach erinnert hat, dass durch die ausbleibende Schadenaufstellung die Ermittlungen erschwert würden. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger gehindert war, die Aufstellung mit der Post rechtzeitig zur Polizei zu senden.
18Auf die Frage, ob eine arglistige Täuschung im Sinne von
19§ 22 Nr. 1 VHB 92 über Kleidungsstücke vorgelegen hat, kam es nicht mehr an.
20Demnach konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
21Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Wert der Beschwer ist nach § 546
22Abs. 2 ZPO festzusetzen.
23Streitwert für das Berufungsverfahren
24und Wert der Beschwer des Klägers: 32.510,-- DM
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