Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 16 Wx 164/2000
Tenor
1
GRÜNDE
2Der Betroffene führt eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten, in denen er sich selbst vertritt und durch den Inhalt seiner Schriftsätze erkennen lässt, dass zumindest Zweifel hinsichtlich seiner (partiellen) Geschäfts- bzw. Prozessfähigkeit bestehen. Deshalb regten seit August 1999 verschiedene Institutionen beim Vormundschaftsgericht an, für den Betroffenen eine Betreuung einzurichten, und zwar insbesondere zur Besorgung seiner Rechtsangelegenheiten.
3Das Amtsgericht lehnte durch Beschluss vom 22.3.2000 die Einrichtung einer Betreuung ab mit der Begründung, das hierfür gemäß § 68 b Abs. 1 S. 1 FGG erforderliche medizinische Gutachten zur Notwendigkeit der Betreuung könne nicht erstellt werden, weil der Betroffene unbekannten Aufenthalts sei und auch der Bitte, sich der Begutachtung zu stellen, nicht entsprochen habe, und ein Gutachten, das nur aufgrund von schriftlichen Unterlagen und Fremdanamnese erstellt werde, nach ständiger Rechtsprechung nicht verwertbar sei. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Betroffenen, die er mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten beim Senat eingelegt hat.
4Die weitere Beschwerde ist statthaft (§§ 27, 29 FGG) und formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen folgt bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
5In der Sache hat sie insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Die Entscheidung ist nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 27 FGG, 550 ZPO), denn sie beruht auf einem noch nicht hinreichend aufgeklärten Sachverhalt (§ 12 FGG).
6Das Landgericht hat zur Begründung ergänzend ausgeführt: Für eine Betreuungsanordnung sei derzeit mangels Mitwirkung des Betroffenen kein Raum. Weil über seinen Aufenthalt nach wie vor konkret nichts bekannt sei, ginge eine Anordnung der Untersuchung und Vorführung des Betroffenen zur Vorbereitung des erforderlichen medizinischen Gutachtens ins Leere. Auch habe er kein ärztliches Zeugnis vorgelegt, das für die Bestellung eines Betreuers auf den eigenen Antrag des Betroffenen genüge, wenn dieser auf die Begutachtung verzichtet hat und die Einholung des Gutachtens insbesondere im Hinblick auf den Umfang des Aufgabenkreises des Betreuers unverhältnismäßig wäre, § 68 b Abs. 1 S. 2 FGG.
7Die Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand, denn die bislang angestellten Ermittlungen des Landgerichts reichen zur Ablehnung der Einrichtung der vom Betroffenen erbetenen Betreuung mit dem Aufgabenkreis "Besorgung der Rechtsangelegenheiten einschließlich der Prozessführung" nicht aus
8Rechtlich nicht zu beanstanden ist zwar die Feststellung, dass mangels Einholbarkeit des medizinischen Gutachtens für die Anordnung einer Betreuung von Amts wegen kein Raum ist. Anders aber ist es mit der Annahme, dass auch eine Betreuungsanordnung auf Antrag ausscheidet.
9Nach § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB erhält ein Volljähriger, der aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, einen Betreuer entweder auf seinen eigenen Antrag oder von Amts wegen. Die Unterscheidung dient dazu, die Einrichtung einer Betreuung auf den eigenen Antrag des Betroffenen unter erleichterten Verfahrensvoraussetzungen zu ermöglichen und das Bewusstsein des Betroffenen von der Freiwilligkeit der Maßnahme zur Förderung seiner Zusammenarbeit mit dem Betreuer nutzbar zu machen (vgl. OLG Hamm BtPrax 95, 222). Deshalb ist in diesen Fall von der grundsätzlichen Pflicht zur Einholung eines Gutachtens gemäß § 68 b Abs. 1 S. 2 FGG eine Ausnahme zugelassen, d.h. es genügt ein ärztliches Zeugnis, wenn der Betroffene auf die Begutachtung verzichtet hat und die Einholung des Gutachtens insbesondere im Hinblick auf den Umfang des Aufgabenkreises des Betreuers unverhältnismäßig wäre. Die beiden letzteren Voraussetzungen sind ersichtlich erfüllt, insbesondere geht es hier um einen relativ geringen Aufgabenkreis, der die Einholung eines Gutachtens unverhältnismäßig erscheinen lassen kann. Das Landgericht hat auch zu Recht einen vom Betroffenen selbst wirksam gestellten Antrag zur Betreuungsanordnung - wobei in diesem Zusammenhang seine partielle Geschäftsunfähigkeit keine Rolle spielt - angenommen. Dem Betroffenen, der ohne Zweifel ein ausreichendes ärztliches Zeugnis bislang nicht vorgelegt hat, war unter den besonderen Umständen des Falls hierzu aber eine weitere Gelegenheit zu geben. Es hätte einer Belehrung des Betroffenen darüber bedurft, dass er ein Originalattest und nicht eine von ihm selbst gefertigte Teilabschrift einreichen muss. Dieses Erfordernis ergab sich aus der Korrespondenz des Betroffenen mit dem Gericht:
10Das Landgericht hatte unter dem 8.6.2000 den Betroffenen im Hinblick darauf, dass er selbst die Einrichtung einer Betreuung anrege/wünsche, darauf hingewiesen, dass er dazu ein aussagefähiges ärztliches Zeugnis vorlegen müsse, ohne das über die Betreuung nicht entschieden werden könne. Daraufhin traf am 17.8.2000 ein Schriftsatz des Betroffenen ein, in dem er angibt, "auflagegemäss die vom Gericht angeforderten ärztlichen Zeugnisse nachzureichen und zwar solange, bis diese Aussagekraft erlangen....." (Bl. 175 GA), und dem er von ihm selbst erstellte Abschriften sowohl eines ärztlichen Berichts als auch einer ärztlichen Bescheinigung beigefügt hatte (Bl. 181 und 182 GA). Ergänzend bemerkte er in einem "Einschub" selbst (Bl. 177 GA), dass die Frage der Geschäfts- und Prozessunfähigkeit nicht Gegenstand des damaligen neurologischen Untersuchungsauftrages war und deshalb im Untersuchungsergebnis vom Juli 1999 unerwähnt blieb, und bittet er für den Fall, dass die vorgelegten ärztlichen Berichte/Zeugnisse nicht hinreichend aussagefähig und Ergänzungen erforderlich sind, um einen richterlichen Hinweis sowie Zeit und Gelegenheit, dem nachkommen zu können, was dann unverzüglich erfolgen werde (Bl. 177 GA). Zweifelsohne ist richtig, dass der Betroffene damit keine ihm etwa vorliegende Kopie des ärztlichen Berichts bzw. der Bescheinigung vorgelegt sondern solche ganz oder teilweise und unter Weglassung des Namens und der Adresse des Arztes nur abgeschrieben hat, um offensichtlich zu verhindern, dass sein Aufenthaltsort ermittelbar ist, und dass Gegenstand des damaligen Untersuchungsauftrages, wie er auch selbst anführt, dabei nicht die Frage seiner Geschäfts- und Prozessunfähigkeit war, sondern - was den Erklärungen in den Unterlagen entnehmen wäre - der Grad der Minderung seiner Erwerbsunfähigkeit, so dass das geforderte ärztliche Zeugnis nicht vorgelegt war.
11Wenn das Landgericht ohne den erbetenen Hinweis die Einrichtung der Betreuung ablehnte, genügte es nicht seiner sich aus § 12 FGG ergebenden Pflicht, im Wege der Amtsermittlung zur Feststellung der etwaigen Betreuungsbedürftigkeit alle erschließbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen. Das Landgericht hätte nämlich vor einer Entscheidung dem Betroffenen noch den erbetenen und dabei klaren und deutlichen Hinweis geben können und müssen, dass der Auflage nicht genügt ist, weil er das Original oder die Kopie eines ärztlichen Zeugnisses- wobei das des Hausarztes genügen kann (vgl. Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler FGG § 68 b Rdnr. 9 mwN) - vorlegen müsse, das sich zur Frage seiner (partiellen) Geschäftsunfähigkeit verhält und - wenn auch in verkürzter Form - die aus medizinischen Gründen herzuleitende Notwendigkeit der Betreuung des Betroffenen für den gewünschten Aufgabenkreis (Rechtsangelegenheiten einschließlich Prozessführung) bestätigt, und das auch den Aussteller und dessen Anschrift erkennen lässt, also die Vorlage wieder nur einer von ihm selbst gefertigten Abschrift nicht genügen würde. Ferner wäre dem Betroffenen, da ersichtlich keine Dringlichkeit jedenfalls für eine Ablehnung der Einrichtung einer Betreuung bestanden hatte, eine weiträumige Frist einzuräumen gewesen, um dem Hinweis nachkommen zu können.
12Dafür, dass der Hinweis mit Sicherheit wieder fruchtlos verlaufen wäre, sind begründete Anhaltspunkte weder dargetan noch ersichtlich. Die zur anstehenden Entscheidung, ob für den Betroffenen auf seinen Antrag hin Betreuung anzuordnen ist, dem Landgericht möglichen und gebotenen Ermittlungen waren sonach nicht erschöpft. Das Gericht darf seine Ermittlungen indes erst einstellen, wenn ihre Fortsetzung keine Ergebnisse mehr erwarten lässt (Senat in FamRZ 95, 1083).
13Hilfsweise, d.h. für den Fall, dass der Betroffene das gebotene Zeugnis gleichwohl nicht vorlegt, wird das Landgericht zu überprüfen haben, ob gerade dieser Umstand in Verbindung mit den zutage getretenen übrigen Umständen die Störung mit Krankheitswert i.S. des § 1896 Abs. 1 BGB bezüglich seiner Rechtsangelegenheiten einschließlich der Prozessführung evident werden lässt und deshalb eine diesbezügliche Betreuungsbedürftigkeit offenkundig ist, und ob bei dieser Sachlage im Hinblick auf den Sinn und den Zweck des Betreuungsrechts, hilfebedürftigen Personen den gebotenen staatlichen Schutz zu gewähren, ausnahmsweise im konkreten Fall die Vorlage des ärztlichen Zeugnisses entbehrlich ist. Der Betroffene hat mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Einrichtung der Betreuung für den genannten Aufgabenkreis auch ausdrücklich beantragt, weitere Gerichtsentscheidungen vorgelegt, die seinen Begehren im Hinblick auf den Inhalt seiner Schriftsätze, die zeigen, dass er nicht in der Lage ist, die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände verständlich und richtig einzuschätzen und zu beurteilen, und bei ihm die Grenze zum Krankhaften überschritten sei, entweder wegen begründeten Zweifeln an seiner Geschäfts- und Prozessfähigkeit (wie zuvor schon das LG Nürnberg Bl. 194 GA) oder sogar wegen fehlender Prozessfähigkeit nicht entsprechen (Bl. 264 - 267 GA).
14Bei der Auswahl des Betreuers wird das Landgericht beachten müssen, dass dieser in der Lage sein muss, die zahlreichen Prozesse sachgerecht fortzuführen bzw. zu beenden und dass er insoweit sachfremde Einflüsse des Betroffenen wird abwehren müssen.
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