Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 13 W 16/01
Tenor
1
Gründe:
2Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Entscheidung über die nachgesuchte Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung der Gründe dieses Beschlusses (§ 575 ZPO).
3Die Ausführungen des Landgerichts im Beschluss vom 31.01.2001 und im Nichtabhilfebeschluss vom 09.03.2001 vermögen die Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfe nicht zu rechtfertigen. Denn das Landgericht hat wesentlichen Sachvortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen.
41.
5Das Landgericht ist allerdings im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (im folgenden: HausTWG) in der Fassung vom 16.01.1986 (vgl. die Übergangsregelung in § 9 Abs. 3 HausTWG n. F.) nicht zusteht. Dabei kann dahinstehen, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass es für einen Ausschluss des Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 HausTWG a. F. ausreicht, dass lediglich das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages notariell beurkundet worden ist, nicht aber der Darlehensvertrag selbst. Denn jedenfalls folgt der Ausschluss des Widerrufsrechts aus § 5 Abs. 2 HausTWG a. F.. Dies gilt auch dann, wenn es sich, wie vorliegend, um ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen handelt und deshalb gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG einzelne Bestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere das Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG, nicht zur Anwendung kommen und damit weder ein Widerrufsrecht nach HausTWG noch nach VerbrKrG gegeben ist. Zwar hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München - 5 U 5342/99 - in der von der Klägerin zitierten Entscheidung vom 11.04.2000 die gegenteilige Ansicht vertreten; die ganz überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur sieht demgegenüber die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HausTWG in Bezug auf Realkredite im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG stets als abschließend an und erachtet daher § 1 HausTWG als unanwendbar (vgl. die Nachweise in der Entscheidung des BGH vom 30.11.1999 in BGH NJW 2000, 521, 522; so kürzlich auch OLG München, 31.ZS.,in WM 2001,680,681,682). Der BGH führt in dem vorzitierten Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof aus, dass er sich dieser überwiegenden Meinung anschließen möchte. Demnach ist jedenfalls derzeit mangels Vorliegens einer entgegenstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes von der abschließenden Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HausTWG auszugehen.
62.
7Da der Darlehensvertrag vom 30.12.1992 unmittelbar zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossen worden ist, kommt es auf eine etwaige Nichtigkeit des der umfassenden Bevollmächtigung (vgl. S. 12 und 13 des notariellen Kaufangebotes vom 17.12.1992) zugrunde liegenden Geschäftsbesorgungsvertrages sowie der Vollmacht selbst wegen Verstoßes gegen das Rechtberatungsgesetz (vgl. BGH NJW 2001,70,71) nicht an.
83.
9Ebenfalls unbegründet sind die vagen Ausführungen der Klägerin zu einem eventuellen Einwendungsdurchgriff. Ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG kommt schon nach der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr.2 VerbrKrG nicht in Betracht, weil es sich bei dem der Klägerin gewährten Kredit um einen Realkredit handelt und dieser zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt worden ist (vgl. nur BGH WM 2000, 1245, 1247; BGH WM 2000, 2352, 2353).
10Ob ein Einwendungsdurchgriff nach allgemeinen Grundsätzen
11(§ 242 BGB) bei grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen wegen der Sonderregelung in §§ 3 Abs. 2 Nr. 2, 9 Abs. 3 VerbrKrG überhaupt noch in Betracht kommt (offengelassen von OLG Braunschweig in WM 1998, 1223, 1227), kann hier ebenfalls dahinstehen. Denn für das Vorliegen der besonderen Voraussetzungen für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit zwischen Kauf- und Darlehensvertrag (vgl. BGH WM 2000, 1287 ff ) fehlt es an einem substantiierten Vorbringen der Klägerin. Bei Grundstückskäufen liegt die erforderliche innere Verknüpfung zwischen Erwerbsgeschäft und Kreditgewährung jedenfalls nicht schon darin, daß dem Käufer ein zweckgebundenes Darlehen gewährt wird.
124.
13Nicht hinreichend berücksichtigt hat das Landgericht jedoch das Vorbringen der Klägerin, dass der damalige Filialdirektor der Niederlassung Nürnberg der Beklagten, der Zeuge E. E., eng mit dem zwischenzeitlich verstorbenen Vermittler, Herrn G. B., zusammen gearbeitet und die Klägerin in Begleitung des Vermittlers B. in deren Geschäftsräumen aufgesucht habe. Der Vermittler B., der bereits im notariellen Kaufangebot vom 17.12.1992 unter Ziffer VII. mit aufgeführt ist und eine Abschrift des Kaufangebotes erhalten hat, soll -so die Klägerin- ihr gegenüber erklärt haben, die Wohnung sei mit geringem finanziellen Aufwand zu erwerben und über Steuerersparnisse und Mieteinnahmen zu finanzieren und könne nach etwa 2 Jahren mit einem Gewinn von 50.000,00 DM verkauft werden. Der Zeuge E. habe diese Aussage des Vermittlers B. und dessen Kalkulation bestätigt. Erst, nachdem der Zeuge E. von der Beklagten zum zweiten Gespräch mit hinzu gezogen worden sei und die Angaben des Vermittlers B. bestätigt habe, habe sie, die Klägerin, sich auf die Empfehlung des Zeugen E. hin zum Kauf der Wohnung entschlossen.
14Danach spricht einiges dafür, dass die Beklagte durch das behauptete Verhalten des Zeugen E. ihre Rolle als Kreditgeber überschritten haben könnte. In diesem Falle entspricht es aber der gefestigten Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte, dass die Kredit gewährende Bank dann, wenn sie im Zusammenhang mit Planung, Vertrieb und Durchführung des finanzierten Projektes nach außen erkennbar über ihre Rolle als Kreditgeberin hinaus gegangen ist, eine Aufklärungspflicht über konkrete Umstände des Anlagegeschäftes trifft (vgl. Nachweise bei Nobbe, Bankrecht, Aktuelle höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, 1999, Rdz. 464 ff.; OLG Köln, Urteil vom 21.03. 2001 -13 U 124/00-). Insbesondere dann, wenn die Bank in Bezug auf das Kaufobjekt einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand schafft, kommen eigene Aufklärungspflichten der Bank in Betracht, deren Verletzung Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss auslösen können (OLG Köln, 22 ZS., WM 2000, 2139, 2141). Die Klägerin behauptet aber ausdrücklich, sich erst auf die Empfehlung des Bankkaufmannes und damaligen Filialleiters der Beklagten, des Zeugen E. -der (bisher) unstreitig den Vermittler B. in das Geschäftslokal der Klägerin begleitete- zum Kauf der nach einem Gutachten des Dipl. Ing. H. angeblich sanierungs- und renovierungsbedürftigen, überteuerten Eigentumswohnung entschlossen zu haben. Von dem Zeugen E. sei auch die (angeblich unzutreffende) Kalkulation des Zeugen B. bestätigt worden.
155.
16Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich. Denn zum einen fehlt es bisher an einer Stellungnahme der Beklagten zu dem das angebliche Verhalten des Zeugen E. betreffenden Sachvortrag der Klägerin; dazu brauchte sich die Beklagte angesichts des Umstandes, dass das Landgericht den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin, ohne eine Stellungnahme der Beklagten abzuwarten, zurückgewiesen hat, auch nicht veranlasst zu sehen. Der Beklagten ist Gelegenheit zu geben, zu den entsprechenden Behauptungen der Klägerin Stellung zu nehmen. Zum anderen ist der Klägerin nach der Stellungnahme der Beklagten die Möglichkeit zu geben, ihr Vorbringen dazu zu ergänzen, inwiefern sich die angeblichen Angaben des Zeugen E. konkret als falsch herausgestellt haben, insbesondere die angeblich von dem Zeugen bestätige Kalkulation des Vermittlers B. und das Gutachten des Sachverständigen H. vorzulegen. Erst dann ist es möglich, abschließend über den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zu entscheiden.
176.
18Weil die Frage, ob die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. O. in R. vom 30.12.1992 - UR-Nr. K 3652/1992 - einstweilen einzustellen ist, sachlich unmittelbar mit der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zusammenhängt, sieht der Senat auch insoweit von einer Entscheidung ab, die ebenfalls dem Landgericht vorbehalten bleibt.
197.
20Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
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