Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 5 U 103/01
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Schmerzensgeldanspruch wegen der bei ihm im Juli 1998 durchgeführte Leistenbruchoperation zu.
3Im einzelnen:
4Ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt eines Behandlungsfehlers ist nicht gegeben.
5Dass die Operation des Leistenbruchs in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und fachgerecht durchgeführt worden ist, angesichts der vom Kläger geklagten Symptomatik auch indiziert war und für den Kläger keine negativen körperlichen Folgen gehabt hat bzw. hat, ergibt sich - zweifelsfrei - aus dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten von Prof. Dr. H./Oberarzt Dr. K., wobei der Sachverständige als Chirurg durchaus kompetent zur Beantwortung der vorliegend relevanten Beweisfragen ist.
6Die Gutachter haben insbesondere eindeutig und überzeugend dargelegt, dass und weshalb die Unterbindung des Varixknotens im Zuge der Leistenbruchoperation unumgänglich war, um diese Operation sachgerecht zu Ende zu führen.
7Gegen die überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen, die Behandlungsfehler eindeutig verneinen, erinnert die Berufung in der Sache auch nichts Durchgreifendes.
8Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich entsprechend den weiteren Ausführungen der Sachverständigen aus den ferner vorliegenden ärztlichen Behandlungsunterlagen und sonstigen Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass beim Kläger eine in irgendeiner Form auf die Leistenbruchoperation zurückzuführende Beschwerdesymptomatik festzustellen ist. Aus keiner der vorliegenden nachfolgenden Behandlungsunterlagen ergibt sich nämlich, dass der Kläger nach der Operation irgendwelche, auch nur annähernd verifizierbaren negativen Folgen der Operation geklagt hat noch auch solche feststellbar waren. Soweit der Kläger sich nunmehr wegen angeblich geklagter Schmerzsymptomatik auf die Behandlungsunterlagen des Dr. M. bezieht, erscheint sein Vortrag nicht nachvollziehbar. In der entsprechenden Unterlagen wird zum körperlichen Befund "unauffällige postoperative Verhältnisse" dokumentiert. In dem Schreiben des Dr. M. an die Gutachterkommission vom 10.05.1999 heißt es zwar, bezogen auf den 7.08.1998: "Vorstellung mit Angabe von Schmerzen in der linken Hüfte"; gleichzeitig wird jedoch klargestellt, dass nach eigener Angabe des Klägers diese Schmerzen nach einem Fall auf die linke Seite entstanden seien. Insoweit haben solche eventuellen Schmerzen demzufolge nichts mit der Leistenbruchoperation zu tun; im übrigen klangen sie auch schon am Folgentag ab. Für September wird ein weiterer Sturz auf die rechte Seite dokumentiert, dies einmal am 11.09. und einmal am 14.09.; am 18.09.1998 hat der Kläger gegenüber Dr. M. über Schmerzen in der rechten Hand geklagt, wobei allerdings insoweit auch eine Untersuchung "ohne Befund mit alsbaldiger Abnahme der Schmerzsymptomatik" dokumentiert ist; für den 17.10.1998 werden dann Schmerzen in der linken Leiste geklagt, aber wiederum ordnungsgemäße postoperative Verhältnisse dokumentiert; entsprechendes gilt für eine Untersuchung im November 1998 und Januar 1999. Nach allem ergibt sich gerade aus den Behandlungsunterlagen des Dr. M. mit Deutlichkeit, dass geklagte Schmerzen bis auf die Schmerzen in der Hand nicht durch objektive Befunde verifizierbar waren und wohl psychisch bedingt sind, wobei der Kläger nach den ausdrücklichen Feststellungen des Arztes auf seine Behauptungen fixiert und keiner Weise einsichtig war. Ein irgendwie gearteter Zusammenhang tatsächlicher Beschwerden mit der durchgeführten Operation ist demzufolge ebenfalls zu verneinen.
9Nach allem hat das Landgericht zu Recht angenommen, das Behandlungsfehler im Zuge der Leistenbruchoperation nicht bewiesen sind und außerdem diese Operation auch keine negativen Dauerfolgen für den Kläger gehabt hat.
10Eine Haftung der Beklagten ergibt sich entsprechend der jedenfalls im Ergebnis zutreffenden Ansicht des Landgerichts auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer mangelhaften Risikoaufklärung.
11Insoweit ist schon hier darauf hinzuweisen, dass, soweit es die Unterbindung des Varixknotens während der Operation anbetrifft, entsprechend der zutreffenden Ansicht des Landgerichts keine Aufklärung erforderlich war; es handelte sich nämlich bei dieser Maßnahme nicht etwa um eine Operationserweiterung (wie z. B. im Falle einer Mamaoperation beim Übergang von einer zunächst angestrebten Teilresektion eines Tumors zur nachträglichen Vollamputation). Bei der Unterbindung des Varixknotens handelte es sich vielmehr lediglich um einen intraoperativ als erforderlich erkennbar gewordenen einzelnen operativen Behandlungsschritt, über den nicht aufzuklären ist und auch nicht im vorhinein aufgeklärt werden konnte, weil die Notwendigkeit dieser Maßnahme präoperativ noch nicht mit der für eine Aufklärung erforderlichen Sicherheit abzusehen war.
12Im übrigen gilt hinsichtlich des Gesichtspunktes der gebotenen Risikoaufklärung folgendes: Zwar existiert, vom Kläger unterschrieben, nur ein Aufklärungsformular hinsichtlich der Anästhesie; immerhin ist aber am gleichen Tag - von der Ärztin, der Beklagten zu 2), unterzeichnet -, ein Aufklärungsformular über die sonstigen Risiken einer Leistenbruchoperation mit handschriftlichen Zusätzen erstellt worden, welches zwar vom Kläger nicht unterschrieben ist, welches jedoch in seiner individuellen Ausgestaltung in Verbindung auch mit den Eintragungen im Krankenblatt ("Aufklärungsgespräch zur OP erfolgt bzw. Gefäßverletzung/Hodenatrohpien) durchaus dafür spricht, dass auch insoweit tatsächlich eine Aufklärung des Klägers erfolgt ist.
13Selbst wenn sie jedoch tatsächlich nicht erfolgt sein sollte, würde dies gleichwohl nicht zu einer Haftung der Beklagten wegen Aufklärungsversagens führen. Zwar kann insoweit nicht der Argumentation des Landgerichts gefolgt werden, eine Haftung scheide schon deshalb aus, weil ein Aufklärungsmangel für den Kläger konkret keine nachteiligen Folgen gehabt habe, denn ein Nachteil liegt schon darin, dass er den Eingriff als solchen erduldet hat. Gleichwohl scheidet eine Haftung der Beklagten aus, weil der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass und inwiefern er bei einer umfassenden Risikoaufklärung zumindest in einen echten nachvollziehbaren Entscheidungskonflikt geraten wäre.
14Wie sich aus dem Gutachten und auch aus der Überweisung seitens der vorbehandelnden Ärzte ergibt, war die Operation des Leistenbruches, der immerhin Schmerzbeschwerden beim Kläger verursacht hatte und sich auch nicht etwa von selbst zurückzubilden pflegt, durchaus indiziert; es handelte sich insoweit im Ergebnis auch um eine Routineoperation; vor diesem Hintergrund hätte der Kläger substantiiert darlegen müssen, dass und inwiefern er bei umfassender Risikoaufklärung in einen nachvollziehbaren Entscheidungskonflikt geraten wäre. Der Umstand allein, dass er ein ängstlicher Mensch sei, reicht als Argument insoweit nicht aus; es ist nicht nämlich nicht zu übersehen, dass er sich jedenfalls zur Durchführung einer Leistenbruchoperation entschlossen hat; wenn seine Angst generell so stark gewesen wäre, dass er sich in Kenntnis irgendwelcher Risiken überhaupt nicht zu einer Operation entschlossen hätte, wäre er mit Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht mit dem Ziel einer von den vorbehandelnden Ärzten angeratenen Leistenbruchoperation in die Klinik gegangen und hätte sich grundsätzlich überhaupt nicht zu einer solchen Operation entschließen können. Dass eine Operation nämlich schlechterdings mit Risiken verbunden ist, weiß jeder, auch nicht medizinisch vorgebildete und nicht aufgeklärte Patienten. Aus dem Vorhandensein einer Varikozele und auch aus der sich später erweisenden Notwendigkeit der Unterbindung eines Varixknotens ergaben sich keine derart gravierenden - bzw. genau genommen vor dem Hintergrund der Ausführung der Sachverständigen überhaupt keine - zusätzlichen Risiken, die es nachvollziehbar erscheinen lassen könnten, dass der Kläger sich in Kenntnis hiervon nicht zu der durchgeführten Operation hätte bereit finden können bzw. insoweit auch nur in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre. Insbesondere hinsichtlich des Varixknotens, der nach Ansicht des Senats entsprechend dem Vorgesagten überhaupt nicht Gegenstand einer Risikoaufklärung sein musste, hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die Unterbindung dieses Varixknotens zum einen unabdingbar erforderlich war, Komplikationen zu vermeiden und dass diese Maßnahme im übrigen sogar geeignet war, sich positiv auf die Gesundheit des Klägers, wie z. B. in Form einer Verbesserung der Qualität seiner Spermien auszuwirken, weil die mit der Varikozele und dem Varixknoten verbundene Überwärmung der Hoden schädlich für die Spermienqualität war.
15Auch bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat hat der Kläger nicht zu verdeutlichen vermocht, dass und weshalb er bei umfassender Risikoaufklärung in einen nachvollziehbaren oder auch nur annährend vernünftig erscheinenden Entscheidungskonflikt geraten wäre (wobei die Beklagten sich insoweit ausdrücklich auf den Gesichtspunkt einer hypothetischen Einwilligung des Klägers berufen haben). Der Kläger hat nämlich bei seiner Anhörung mehr oder weniger stereotyp immer nur wiederholt, er sei ohnehin ein ängstlicher Mensch, habe psychische Probleme und hätte sich deshalb nie zu einer "Operation im Schambereich" entschließen können. Dieses Vorbringen geht jedoch an der Sache vorbei, denn eine Operation "im Schambereich" ist beim Kläger überhaupt nicht durchgeführt worden. Der Kläger war mit dem Ziel der Durchführung einer Leistenbruchoperation zu dieser Operation entschlossen, und eben diese Operation ist beim Kläger auch durchgeführt worden. Dass im Zuge der Durchführung diese Operation ein Varixknoten unterbunden worden ist, war nach den Ausführungen des Sachverständigen unbedingt erforderlich, weil der Bruchsack von allen ihm anhaftenden Strukturen, wie z. B. auch des Venengeflechts oder eines solchen Venenknotens frei präpariert werde musste, weil ansonsten ein geordneter Bruchsackverschluss nicht möglich gewesen wäre. Es handelte sich hierbei um ein fachlich korrektes Vorgehen, das im übrigen nicht etwa den Übergang zu einer "anderen" Operation als der Leistenbruchoperation bedeutete. Vor diesem Hintergrund kann eine echte Entscheidungskonfliktsituation auf Seiten des Klägers aus dessen Erklärung, er hätte sich nie im Schambereich operieren lassen, nicht hergeleitet werden. Der Senat kann nicht umhin festzustellen, dass der Kläger, wohl aufgrund einer psychischen Fehldisposition, auf die Vorstellung fixiert ist, es sei bei ihm im Skrotalbereich operiert worden, was tatsächlich nach den eindeutigen Feststellungen des Sachverständigen überhaupt nicht der Fall war. Angesichts einer solchen Fehlvorstellung ist das Vorbringen des Klägers jedoch nicht geeignet, einen signifikanten nachvollziehbaren Entscheidungskonflikt für den Fall ordnungsgemäßer Risikoaufklärung darzutun.
16Nur ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass die vom Kläger mit seiner Berufung wohl auch vertretene Ansicht, man hätte ihn auch über die möglichen psychischen Folgen der Operation aufklären müssen, nicht zutreffend ist. Weder bei einer Leistenbruchoperation noch auch bei der Beseitigung eines Varixknotens, welche nach dem Sachverständigengutachten sogar positive Auswirkungen hat, sind irgendwelche psychischen Beschwerden zu erwarten oder in Rechnung zu stellen. Die Reaktion des Klägers war eine nicht vorhersehbare, dies auch dann nicht, wenn der Kläger bei dem Aufklärungsgespräch sich als angeblich sehr ängstlich erwies. Die Ärzte hatten demzufolge keine Veranlassung, ihn auf - tatsächlich nicht zu erwartende - psychische Folgen einer Leistenbruchoperation hinzuweisen. Im übrigen trifft es auch nicht zu, dass die psychischen Beschwerden des Klägers nur Folge der vorliegenden Operation sind. Vielmehr war der Kläger ersichtlich schon psychisch vorbelastet wie z. B. dem Schreiben des behandelnden Urologen Dr. S. vom 1.10.1998 an den Prozessvertreter des Klägers zu entnehmen ist. So wurden schon im Januar 1995 Probleme aus dem urologischen Bereich besprochen, wie z. B. ein nächtliches Einnässen, welches psychogenen Ursprungs war. Auch aus der Behandlungskarte des Dr. S. ergeben sich für 1996 mehrfach psychogene Probleme.
17Nach allem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
18Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
19Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer des Klägers: 15.000,00 DM
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