Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - - 2 Ws 275/02 -
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Haftbefehl des Landgerichts Köln vom 13. Mai 2002 - 102-49/02 - wird unter folgenden Auflagen und Weisungen außer Vollzug gesetzt:
1.
Der Angeschuldigte hat sich umzumelden auf die Wohnung In der F. 47, xxxxx L., dem Gericht jeden Wohnungswechsel anzuzeigen und allen Ladungen in dieser Sache pünktlich Folge zu leisten.
2.
Der Anschuldigte hat jeden Kontakt zu den gesondert Verfolgten M. T. B. und B. K. als auch zu den Kindern der Frau K., dem am 25. Oktober 1990 geborenen K. B. und der am 5. November 1992 geborenen N. K., zu unterlassen.
3.
Der Angeschuldigte hat sich unverzüglich nach seiner Haftentlassung in psychotherapeutische Behandlung der Diplom-Psychologin G. K. zu begeben, bei der zu Beginn in den ersten Monaten zumindest ein psychotherapeutisches Gespräch pro Woche durchzuführen ist.
4.
Der Angeschuldigte hat eine Sicherheit von 20.000,- EUR (in Worten: zwanzigtausend Euro) durch Hinterlegung in barem Geld oder durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse zu leisten, welche verfällt, wenn er schuldhaft gegen die ihm in diesem Beschluss erteilten Weisungen und Auflagen verstößt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer hierin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staats
1
G r ü n d e :
2Der am 2. März 2002 vorläufig festgenommene Angeschuldigte ist in dieser Sache am 3. März 2002 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom selben Tag in Untersuchungshaft genommen worden. Ihm wird sexueller Missbrauch von Kindern in einer Vielzahl von Fällen zur Last gelegt, Vergehen und Verbrechen, strafbar gemäß § 176 Abs.1,3 Nr.2, § 25 Abs.2, §§ 52, 53 StGB. Das Amtsgericht hat Verdunkelungs- und Wiederholungsgefahr angenommen.
3Die Staatsanwaltschaft hat am 3. Mai 2002 die öffentliche Klage erhoben; die 2. große Strafkammer des Landgerichts Köln hat den bestehenden Haftbefehl mit Beschluss vom 13. Mai 2002 der Anklage entsprechend neu gefasst, ihn nur noch auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112 a Abs.1 Nr.1 StPO) gestützt und im Haftprüfungstermin vom 17. Mai 2002 die Haftfortdauer angeordnet.
4Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Verteidigerschriftsatz vom 29. Mai 2002 eingelegte Beschwerde des Angeschuldigten, der die Außervollzugsetzung des Haftbefehls beantragt. Die Strafkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
5II.
6Die nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist begründet.
7Der Haftbefehl der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 13. Mai 2002 ist gemäß § 116 Abs.3 StPO außer Vollzug zu setzen.
8Zwar ist der Angeschuldigte der ihm zur Last gelegten Taten nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis auf Grund der in der Anklageschrift näher bezeichneten Beweismittel über sein Geständnis hinaus dringend verdächtig. Es besteht in Anbe-
9tracht der erheblichen, auch auf schwere Persönlichkeitsmängel hindeutenden Verfehlungen auch Wiederholungsgefahr. Weder der dringende Tatverdacht noch das Vorliegen des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr wird mit der Beschwerde angegriffen. Damit kann der Haftbefehl nicht aufgehoben werden.
10Jedoch bedarf es seines Vollzuges nicht, da weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs.3 StPO die Erwartung hinreichend begründen, dass der Angeschuldigte bestimmte Weisungen befolgen und dass dadurch der Zweck der Untersuchungshaft erreicht werden kann:
11Nach dem jetzigern Stand der Ermittlungen hatte der Angeschuldigte sich zwar früher schon über Prostituierte Fotos von Kindern verschafft (teilweise "klassische Familienfotos", teilweise auch bereits "bestellte" Bilder eines Jungen mit Strumpfhose), ohne jedoch mit diesen Kindern in persönlichen, sexuellen Kontakt zu treten. Dies ist erstmals auf die an die gesondert verfolgte Prostituierte B. gerichtete Aufforderung hin geschehen, zu seiner sexuellen Stimulierung Kontakt zu Kindern herzustellen, in deren Gegenwart der Geschlechtsverkehr sodann durchgeführt werden sollte. Der Angeschuldigte hat damit allerdings selbst die Initiative dazu ergriffen, Kinder in seine sexuellen Handlungen persönlich ein zu beziehen. Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass er selbst auf fremde Kinder zugegangen ist, um sie für sexuelle Handlungen zu gewinnen, oder dass er das Vertrauen von Kindern für sexuelle Handlungen ausgenutzt hätte. Er lebt in einem familiären Verbund, zu dem auch die fünf, sechzehn und siebzehn Jahre alten Kinder seiner Geschwister gehören, ohne dass eine sexuelle Annäherung an diese Kinder bekannt geworden wäre.
12Damit erscheint der Beschuldigte nicht als unkontrollierter und damit unberechenbarer "Triebtäter", wohl aber als gespaltene Persönlichkeit, die einerseits in einer beruflich herausgehobenen Stellung ein bürgerliches Leben führt, andererseits sexuelle Phantasien unter strafbarer Einbeziehung von Kindern im Vertrauen auf die Anonymität seiner Handlungen ausgelebt hat. Dabei ist der Angeschuldigte sich der Verwerflichkeit seiner Handlungen durchaus bewusst . Er empfindet darüber Scham und will sich seiner Verantwortlichkeit nicht entziehen. So hat er, als ihm fernmündlich von der Durchsuchung seiner Wohnung berichtet wurde, darum gebeten, seine Familienangehörigen über den Grund der Durchsuchung nicht zu informieren, zugleich aber einen Hinweis auf einen Koffer mit "für die Polizei interessantem Material" gegeben, wieder verbunden mit der Bitte, den Inhalt dieses Koffers nicht seinen Angehörigen zu zeigen. Die ihm vorgeworfenen Taten hat er weitgehend eingestanden . Sein im Haftprüfungstermin übergebener Brief spricht dafür, dass er sich mit den Ursachen seines devianten Verhaltens auseinandersetzen will.
13Der Senat kommt unter Würdigung aller Umstände zu dem Schluss, dass der Angeschuldigte, mag sein Sexualverhalten auch therapeutischer Behandlung bedürfen, die zum Schutz von Kindern bestehenden Grenzen sexuell hinnehmbaren Verhaltens kennt und sich jedenfalls jetzt, nach Aufdeckung der Taten, unter dem Eindruck der Haft, in Erwartung der Hauptverhandlung und unter der ihm aufgegebenen therapeutischen Begleitung in Verbindung mit dem drohenden Verlust einer erheblichen Sicherheitsleistung so weit unter Kontrolle hat, dass er der Versuchung einer sexuellen Stimulation durch den Missbrauch von Kindern nicht erliegen wird. Der Senat hat sich von der Therapeutin bestätigen lassen, dass die Therapie unmittelbar im Anschluss an die Entlassung des Angeschuldigten aus der Untersuchungshaft beginnen und mindestens im Anfangsstadium einmal wöchentlich ein psychotherapeutisches Gespräch durchgeführt werden wird.
14Mit der von der Verteidigung vorgeschlagenen Weisung, sich von den kindlichen Zeugen dieses Verfahrens fernzuhalten, soll einer insoweit denkbaren Versuch des Angeschuldigten entgegengewirkt werden. Im übrigen kann aus den oben genannten Gründen von entsprechenden Weisungen abgesehen werden.
15III.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.3 StPO. Das Rechtsmittel war von vornherein auf das Ziel der Haftverschonung gerichtet und hatte in diesem Umfang Erfolg.
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