Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 14 U 6/02
Tenor
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um die Höhe der Eintrittspflicht des Beklagten für eine Witwenrente der Klägerin aus der betrieblichen Altersversorgung ihres verstorbenen Ehemannes.
3Der Ehemann der Klägerin, Herr G. L., war Vorstandsvorsitzender der F.-L.-Stiftung, die Inhaberin der F.-L.-Holding in D. war. Zu seinen Gunsten bestand über den B. Verband eine Versorgungszusage, aufgrund derer er zuletzt vor seinem Tode am 06. Juni 1999 eine monatliche Betriebsrente (Ruhegeld) von 20.900 DM bezog. Die vereinbarte Leistungsordnung des B. Verbandes vom 1.1.1985 sah unter § 4 Abs. 1 Buchstabe a) vor, dass der hinterbliebene Ehegatte, wenn der Verstorbene den Familienunterhalt überwiegend bestritten hat, ein Ehegattengeld auf der Grundlage von 60 v.H. des Ruhegeldes, das dem verstorbenen am Todestag zustand oder zugestanden hätte, erhält. Mit Schreiben des B. Verbandes vom 21.06.2001 wurde die Versorgungsrente der Klägerin auf 13.292,90 DM festgesetzt und mit Schreiben vom 6.12.1999 auf 13.955,60 DM zum 1.1. 2000 angepasst.
4Am 13.12.1999 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der F.-L.-Holding beantragt, am 01.03.2000 ist das Verfahren eröffnet worden.
5Durch Leistungsbescheid vom 28.06.2000 sagte der Beklagte der Klägerin die Zahlung einer monatlichen Hinterbliebenenversorgung in Höhe von 8.064,00 DM ab 01.01.2000 zu. Diesen Betrag errechnete sie als 60% des dreifachen Betrages der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV, die am 1.3.2000 4.480 DM betrug.
6Mit der dem Beklagten am 20.04.2001 zugestellten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr stehe eine monatlichen Hinterbliebenenversorgung in Höhe von 13.440 DM, dem dreifachen Betrag der monatlichen Bezugsgröße ohne Kürzung auf 60%, zu, und hat Zahlung des Differenzbetrages für die Monate Januar bis Juli 2000 von der Beklagten verlangt.
7Sie hat die Auffassung vertreten, ihr Anspruch aus § 7 Abs. 1 BetrAVG auf Zahlung der durch die Insolvenz nach des Dienstherrn ihres verstorbenen Ehemannes ausgefallenen Hinterbliebenenversorgung von monatlich 13.955,60 DM sei ledig nach Abs. 3 dieser Vorschrift auf 13.440 DM begrenzt. Die weitere Kürzung auf 60% hiervon sei unberechtigt, denn da schon der Ausgangsbetrag von 13.955,60 DM durch Kürzung des Versorgung ihres verstorbenen Ehemannes auf 60% ermittelt worden sei, gebe es für eine nochmalige Kürzung keine Handhabe. Es gebe auch keinen Anlass, die Grenze der sozialen Schutzbedürftigkeit, die mit § 7 Abs. 3 BetrAVG berücksichtigt werde, bei ihr als alleinstehender Witwe anders zu bemessen als bei einem alleinstehenden Altersrentner selbst.
8Sie hat geltend gemacht, bei der vom Beklagten angenommenen Höchstgrenze der Versorgung in ihrer Lebensplanung erheblich beeinträchtigt zu sein, und behauptet, allein für die gemeinsam mit ihrem Ehemann geplante gesicherte Versorgung in einer Seniorenresidenz 5.670 DM monatlich aufwenden zu müssen. Hinzu kämen regelmäßig weitere monatliche - näher erläuterte - Kosten und Aufwendungen von 3.509 DM und 422,92 DM.
9Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
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11den Beklagten zu verurteilen, an sie 32.256,00 DM nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 ab dem 20.04.2001 zu zahlen.
12Der Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er hat die Auffassung vertreten, dass der Klägerin keine höhere Hinterbliebenenversorgung als die von ihm zutreffend berechneten 60% vom Höchstbetrag gemäß § 7 Abs. 3 BetrAVG zustehe.
15Durch am 10.01.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2001 verkündetes Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht Köln die Klage abgewiesen. Gegen diese ihr am11.01.2002 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin mit am 07.02.2002 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Diese hat sie nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 15.03.2002 begründet.
16Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch unter Vertiefung ihres Vortrages unter Hinweis auf weitere Literatur weiter.
17Sie beantragt,
18unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 16.492,23 EUR nebst 4 % Zinsen auf den Betrag von 13.743,50 EUR sowie Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 auf den Betrag von 2.748,70 EUR ab dem 20.04.2001 zu zahlen,
19ihr zu gestatten, Sicherheitsleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse zu erbringen.
20Der Beklagte beantragt,
21Die Berufung zurückzuweisen,
22dem Beklagten als Gläubiger Sicherheitsleistung auch durch unbefristete, unwiderrufliche, unbedingte, schriftliche selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Steuer- und Zollbürge zugelassenen inländischen Kreditinstituts zu gestatten,
23hilfsweise
24dem Beklagten für den Fall des teilweisen oder vollständigen Unterliegens nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, auch durch unbefristete, unwiderrufliche, unbedingte, schriftliche selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Steuer und Zollbürge zugelassenen inländischen Kreditinstituts, abzuwenden.
25Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
26Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen. Im übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die zu den Akten gereichten Urkunden, Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Berufung ist zulässig und begründet.
29Der Klägerin steht gemäß § 7 Abs. 1 und 3 BetrAVG der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten zu.
30Das Bestehen der Verpflichtung des Beklagten dem Grunde nach, die tatsächlichen Grundlagen und die Berechnung des Anspruchs der Klägerin nach der ihrem verstorbenen Ehemann gegebenen Versorgungszusage über den B. Verband sind zwischen den Parteien nicht streitig. Streit besteht allein hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die Begrenzung des Anspruchs nach § 7 Abs. 3 BetrAVG auf das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sich auf den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente selbst bezieht, oder ob, wie der Beklagte meint, die Begrenzung auf das "Stammrecht", den Pensionsanspruch des verstorbenen Ehemannes, zu beziehen ist, und die Witwenrente entsprechend der Versorgungszusage auf 60% hiervon zu kürzen ist.
31Die Frage ist in der Literatur umstritten, veröffentlichte Rechtsprechung hierzu ist nicht ersichtlich.
32Während Paulsdorff (Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl., § 7 Rn. 407 ) die Auffassung vertritt, dass wegen der Akzessorietät der Hinterbliebenenrente auf den Hauptanspruch des Versorgungsempfängers selbst abzustellen sei, ist nach Höfer (vgl. Höfer, BetrAVG Band I, § 7 Rn. 2916 f.) die Hinterbliebenenleistung selbst an der Höchstgrenze zu messen. Letztere Auffassung unterstützen - jedenfalls für den Fall, dass der Sicherungsfall, der zur Verpflichtung des Beklagten führt, erst nach dem Tode des Hauptversorgungsempfängers eintritt - auch Blomeyer/Otto (BetrAVG, 2. Aufl. § 7 Rn. 279) sowie - wie in der Berufungsbegründung zitiert - Andresen/Förster/Rößler/Rühmann (Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung, Stand 12/2001, Teil 13 A Rz. 808) und Langohr-Plato (Rechtshandbuch, Betriebliche Altersversorgung, 2. Aufl., 2002, Rn. 524 ff).
33Auch der Senat schließt sich letzterer Auffassung an. Hierfür streitet zunächst der Wortlaut des § 7 Abs. 3 BetrAVG. Die Begrenzung bezieht sich auf den "Anspruch auf laufende Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung" und unterscheidet nicht zwischen dem Primäranspruch des Versorgungsempfängers und dem davon abhängigen Anspruch des Hinterbliebenen, die beide in § 7 Abs. 1 BetrAVG als Anspruchsberechtigte genannt werden. Wenn der Hauptversorgungsberechtigte - wie im vorliegenden Fall - bereits vor dem Sicherungsfall verstorben ist, gibt es für ihn einen solchen Anspruch auf laufende Leistungen, der begrenzt werden könnte, nicht. Anknüpfungspunkt kann nach dem Wortlaut hier eindeutig nur der Hinterbliebenenanspruch selbst sein. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bemessung der Begrenzung ist der Zeitpunkt der ersten Fälligkeit dieses Anspruchs. Da der Verstorbene in diesem Zeitpunkt keinen Anspruch hat, kann sich die Begrenzung auch hiernach nur auf den Hinterbliebenenanspruch beziehen.
34Der Normzweck - Grenze der sozialen Schutzbedürftigkeit, Vermeidung extremer Belastungen des Trägers der Insolvenzsicherung (vgl. Höfer, a.a.O., Rn. 2906, Paulsdorf, a.a.O., Rn. 402) - gebietet bei der Witwenrente auch keine eingrenzende Auslegung über den Wortlaut hinaus. Denn die Witwe erscheint unter sozialen Aspekten grundsätzlich nicht weniger schutzwürdig als der Ehegatte. Der Senat übersieht nicht, dass die soziale Wirklichkeit dem Hinterbliebenen ohne eigene Versorgung generell eine Kürzung von Rente und Versorgung zumutet, wenn der Hauptberechtigte, der sie erworben hat, verstirbt, während sie dem allein lebenden Empfänger einer Versorgung aus eigenem Recht in voller Höhe verbleibt. Auch wird regelmäßig der Bedarf geringer sein, wenn nur noch eine Person ihr Auskommen finden muss. - Dies gilt allerdings gleichermaßen für den allein von seiner Versorgung lebenden Pensionär. - Das heißt aber keineswegs, dass zwangsläufig auch eine unterschiedliche Höchstgrenze bestehen müsste und eine undifferenzierte Regelung ihren Zweck verfehlte. Solche letztlich individuellen Gesichtspunkte können bei einer schematischen sozialen Obergrenze, wie sie § 7 Abs. 3 BetrAVG zieht, und die nur besagt, dass darüber hinaus jedenfalls keine Hilfe der Solidargemeinschaft erforderlich ist, keine Berücksichtigung finden.
35Auch die Einschätzung der Belastung des Beklagten als extrem kann nicht davon abhängen, ob die Leistung an den Versorgungsempfänger oder einen Hinterbliebenen erbracht wird. Sie drückt den Beklagten in beiden Fällen gleichermaßen, so dass dieser Gesichtspunkt für eine einheitliche Grenzziehung spricht.
36Die vom Landgericht befürchtete Situation, dass der Anspruch der Witwe höher ausfällt als der des Hauptberechtigten, kann jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, wenn der Hauptberechtigte bereits bei ungekürzter Pension verstorben ist, nicht eintreten. Auch wenn der Pensionär selbst den Sicherungsfall noch erlebt und die Kürzung gemäß § 7 Abs. 3 BetrAVG hinnehmen muss, kann der Anspruch der Witwe nicht höher ausfallen, wenn man als Zeitpunkt der ersten Fälligkeit eines Anspruchs gegen den Beklagten auf die erste Fälligkeit des Hauptanspruchs abstellt.
37Soweit der Beklagte auf die Akzessorietät der Witwenrente abhebt und darauf hinweist, dass für sie dieselben vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen wie die Hauptrente gelten, ergibt sich hieraus nach Auffassung des Senats nichts Gegenteiliges. Denn die vertragliche Bemessung der Witwenrente (Ehegattengeld) auf 60% bezieht sich auf das dem Dienstherrn vertraglich geschuldete Ruhegehalt des Hauptberechtigten. Die Pensionsvereinbarung, hier § 4 der Leistungsordnung des B. Verbandes, sagt nichts über die Höhe der gesetzlich geregelten Pensionssicherung. Die Vereinbarung von 60% Witwenrente bezieht sich daher auch nicht auf die im Insolvenzfall gemäß § 7 Abs. 3 BetrAVG reduzierte Höhe des Ruhegeldes des Hauptberechtigten.
38Ob diese Argument letztlich auch in Fällen, in denen der Hauptberechtigte bereits eine nach § 7 Abs. 3 BetrAVG gekürzte Pension vom Beklagten bezogen hat, dazu führen muss, dass eine weiteren Kürzung der Witwenrente entfällt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls kann nach Auffassung des Senats die vom Beklagten monierte (mögliche) Ungleichbehandlung von Witwen je nach dem, ob der hauptberechtigte Ehegatte vor oder nach dem Sicherungsfall verstorben ist, nicht dazu führen, die Witwe des vor dem Sicherungsfall verstorbenen Pensionsberechtigten entgegen dem Wortlaut der Bestimmung schlechter zu stellen.
39Demnach ermittelt sich der Anspruch der Klägerin wie folgt:
40| Rentenanspruch der Klägerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens monatlich | 13.955,40 DM | |
| Bezugsgröße gemäß § 16 SGB IV am 1.3.2000 | 4.480,00 DM | |
| Grenze § 7 Abs. 3 S.1 BetrAVG | 13.440,00 DM | |
| Vom Beklagten gezahlt ( 60%) | 8.064,00 DM | |
| Differenz | 5.376,00 DM | = 2.748,71 EUR |
| Zahlbetrag für 6 Monate (Januar bis Juni 2000) | 32.256,00 DM | = 16.492,23 EUR |
Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB alter und neuer Fassung.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
43Da die für die Entscheidung maßgebliche Rechtsfrage bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. die Revision zugelassen.
44Berufungswert: 16.492,23 EUR.
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