Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 14 UF 117/02
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 04.04.2002 - 321 F 325/2000 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
1
Gründe :
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- Der Beklagte wurde während der 1984 geschlossenen Ehe seiner Mutter, Frau Ch. R., mit dem Kläger am 11.10.1988 geboren. Die Eheleute, die inzwischen getrennt leben, und der Beklagte sind belgische Staatsangehörige.
Durch Urteil vom 04.04.2000 - 321 F 325/2000 -, auf das wegen des zugrunde liegenden Sachverhalts und der Begründung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht - Familiengericht Köln festgestellt, dass der Beklagte nicht das Kind des Klägers ist.
5Gegen dieses Urteil, das dem Beklagten am 11.04.2002 zugestellt worden ist, hat dieser mit einem am 13.05.2002 (Montag) beim Oberlandesgericht Köln eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 10.06.2002 eingegangenen Schriftsatz begründet.
6Er ist der Ansicht, die am 6. November 2000 beim Familiengericht eingegangene Anfechtungsklage sei nicht rechtzeitig erhoben worden. Es müsse belgisches Recht zur Anwendung kommen. Gemäß Art. 332 des belgischen code civil könne die Vaterschaft nur innerhalb eines Jahres nach der Geburt oder nach Kenntnis von der Geburt des Kindes angefochten werden. Auch bei Anwendung deutschen Rechts sei die Klage zu spät eingereicht worden und ein etwaig bestehendes Anfechtungsrecht des Klägers jedenfalls verwirkt.
7Der Beklagte beantragt,
8das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
9Der Kläger beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen geht der Kläger von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus und meint, selbst bei Anwendung belgischen Rechts sei die Klagefrist gewahrt. Art. 332 des belgischen code civil sei so zu verstehen, dass eine Anfechtung entweder innerhalb eines Jahres nach der Geburt oder nach Kenntnis der Umstände geltend zu machen sei, die gegen eine Vaterschaft sprächen.
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- Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgemäß eingelegt und begründet, und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Anfechtungsklage des Klägers kann entgegen der Auffassung des Familiengerichts nicht entsprochen werden. Denn das im November 2000 eingereichte Anfechtungsbegehren des Klägers ist zwölf Jahre nach der Geburt des Beklagten verfristet, da eine Anfechtungsklage nur innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Beklagten am 11.10.1988, die dem Kläger nicht verborgen geblieben ist, erhoben werden konnte.
15Die Anfechtung der Vaterschaft richtet sich vorliegend nach belgischem Recht.
16Nach Art. 20 EGBGB n.F., der nach Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB auch auf die Anfechtung der Ehelichkeit von vor Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes am 01.07.1998 geborenen Kindern anwendbar ist, richtet sich die Anfechtung der Abstammung nach dem Recht, aus welchem sich die Voraussetzungen der Abstammung ergeben (vgl. Palandt-Heldrich, BGB, 61. Aufl., Art. 20 EGBGB, Rn. 2). Bezüglich der Abstammung selbst sind gemäß Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB die vor Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes maßgeblichen Vorschriften anwendbar (vgl. Palandt-Heldrich, 61. Aufl., Art. 19 EGBGB, Rn. 3). Gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. unterliegt die eheliche Abstammung dem Recht, das für die allgemeinen Wirkungen der Ehe der Mutter bei der Geburt des Kindes maßgeblich ist. Die allgemeinen Wirkungen der Ehe richten sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a.F. nach dem Recht des Staates, dem beide Eltern angehören. Da beide Eltern vorliegend belgische Staatsangehörige sind, ist nach dem belgischen code civil zu entscheiden.
17Maßgebliche Vorschrift ist Art. 332 Abs. 4 des belgischen code civil. Hiernach muss die Anfechtungsklage des Ehemannes der Mutter, der nach Art. 315 des belgischen code civil Vater des während der Ehe geborenen Kindes ist, innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes oder nach deren Entdeckung eingeleitet werden. Wie seitens des belgischen Schiedshofs im Urteil vom 21.12.2000 (Urteil Nr. 138/2000, veröffentlicht im Moniteur Belge - Belgisch Staatsblad am 08.03.2001) als verfassungsgemäß bestätigt worden ist, beginnt die Anfechtungsfrist mit der Geburt des Kindes oder dem Zeitpunkt, in dem der Elternteil von der Geburt Kenntnis erlangt, nicht hingegen erst mit der Entdeckung der Umstände, die gegen eine Vaterschaft sprechen. Diesbezüglich werden beide Ehegatten gleich behandelt. Die naturgemäße Benachteiligung des Ehemannes gegenüber der Mutter des Kindes, welche die Umstände der Zeugung im Gegensatz zum vermeintlichen Kindsvater kennt und daher unproblematisch die Anfechtungsfrist wahren kann, wurde vom belgischen Gesetzgeber erkannt, allerdings zur Wahrung des "Friedens in der Familie" hingenommen (Urteil des belgischen Schiedshofes, B.3; B.6). Zum Wohle des Kindes wurde die Frist auf den Zeitraum beschränkt, in welchem sich das Kind der Vaterschaft noch nicht bewusst ist, so dass der Status des ehelich geborenen Kindes nicht zu lange Zeit unsicher bleibt. Die Ausschlussfrist des Art. 332 manifestiert insoweit den vom belgischen Gesetzgeber gewollten Vorrang der tatsächlichen Vaterschaft vor der biologischen (B.6.).
18Im Hinblick auf die Ausführungen des belgischen Schiedshofes hat der Senat vorliegend auch keine Bedenken gegen die Anwendung von Art. 332 Abs. 4 des belgischen code civil unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichen Ordnung (ordre public - Art. 6 EGBGB). Das schützenswerte Interesse des Kindes, seine Herkunft klären zu können, wird durch die für den Vater geltende Anfechtungsfrist nicht berührt.
19Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 ZPO.
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