Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 6 U 155/11
Tenor
1.) Die Berufung der Antragsgegner gegen das am 29.6.2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln –84 O 69/11– wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Antragsgegner.
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G r ü n d e :
2Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen. Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
3I.
4Der Verfügungsantrag ist zulässig, insbesondere fehlt es nicht an einem Verfügungsgrund. Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Antragstellerin ihre Rechte aus dem Geschmacksmuster so zügig wie möglich geltend gemacht hat. Zwar hatte die Antragstellerin bereits früher Kenntnis von den angegriffenen Veneers. Eine frühere Rechtsverfolgung wäre indes aussichtslos gewesen, weil die Antragstellerin ihr eigenes Produkt noch nicht im Markt eingeführt hatte.
5II.
6Der Verfügungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus Art. 106a, 19 Abs. 1, 88, 89 Abs. 1, 90 Abs. 1 GGV i.V.m. §§ 42 Abs. 1, 46 Abs. 1, 3 und 7 GeschmMG.
71. Die Antragstellerin genießt für ihre Veneers Geschmacksmusterschutz. Der im einstweiligen Verfügungsverfahren gemäß Art. 90 Abs. 2 Satz 1 GVV zulässig erhobene Einwand der Nichtigkeit des Geschmacksmusters ist unbegründet.
8a) Bei der Beurteilung der Neuheit und Eigenart des Geschmacksmusters der Antragstellerin hat das Landgericht die Veneers der Antragsgegnerin zu 1 gemäß Art. 7 Abs. 2 und 3 GVV unberücksichtigt gelassen, weil der Antragsgegner zu 2 unter Verletzung seiner Geheimhaltungspflicht die Form und Gestaltung der von der Antragstellerin entwickelten Veneers mit geringfügigen Änderungen übernommen hat. Das hat die Berufung nicht hinreichend angegriffen. Die Berufungsbegründung befasst sich nur mit dem Herstellungsprozess bei der Antragstellerin und gründet auf den dazu von den Antragsgegnern aufgestellten Behauptungen den Schluss, die Feststellung des Landgerichts, die Antragsgegnerin zu 1 habe das Geschmacksmuster übernommen, sei haltlos. Dieser Schluss ist allerdings nicht überzeugend. Dass die Antragstellerin die Veneers – was unstreitig ist – aus gebräuchlichen Prothesenzähnen entwickelt hat, schließt nicht aus, dass die Antragsgegnerin zu 1 sich diese Entwicklungsleistung unter Verletzung der Geheimhaltungspflichten des Antragsgegners zu 2 zunutze gemacht hat.
9b) Das von den Antragsgegnern in der mündlichen Verhandlung vorgelegte „Caulk Mastique Laminate Veneer System“ muss bei der Beurteilung ebenfalls unberücksichtigt bleiben. Die Antragstellerin hat bestritten, dass dieses System offenbart worden ist und den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Inhalt hatte. Eine weitere Einlassung konnte von der Antragstellerin angesichts der unangekündigten Vorlage dieses Systems durch die Antragsgegner nicht erwartet werden. Es kann daher nicht unterstellt werden, dass dieses System der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, zumal es – wie die Antragsgegner eingeräumt haben, technisch (nämlich wegen des verwendeten Kunststoffs) nicht ausgereift war.
10c) Neuheit und Eigenart des Geschmacksmusters der Antragstellerin sind nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Antragstellerin bei der Entwicklung ihrer Veneers auf am Markt erhältliche Prothesenzähne zurückgegriffen hat. Entscheidend für die Neuheit und Eigenart ist es nicht, wie das Geschmacksmuster entwickelt worden ist, sondern ob das Ergebnis mit einem anderen Geschmacksmuster, das zuvor der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, identisch ist (Art. 5 GVV) und ob es einen anderen Gesamteindruck hervorruft als ein solches Geschmacksmuster (Art. 6 GVV).
11d) Das von den Antragsgegnern vorgetragene Umfeld steht der Annahme der Neuheit und Eigenart des Geschmacksmusters der Antragstellerin nicht entgegen.
12aa) Die vorgelegten Lichtbilder des Umfelds können insofern nicht berücksichtigt werden. Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass dort Prothesenzähne abgebildet sind. Denn der Geschmacksmusterschutz wird nicht für eine konkrete Verwendung gewährt, sondern für die Gestaltung (vgl. Eichmann/von Falckenstein, GeschmG, 4. Aufl., § 2 Rdn. 7). Es ist also nicht ausgeschlossen, den Gesamteindruck unter Ausblendung der technischen Unterschiede auf Übereinstimmungen zu untersuchen. Die Lichtbilder können aber deshalb nicht herangezogen werden, weil nicht festgestellt werden kann, dass sie den Gesamteindruck identisch wiedergeben, den die Prothesenzähne im Original vermitteln. Die Antragsgegnerin hat Prothesenzähne abgelichtet, die sie zuvor zu Veneers umgearbeitet hat. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dabei ein neuer Gesamteindruck erzeugt worden ist. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Lichtbilder der bearbeiteten Vitapan-Zähne (Seite 5 der Berufungsbegründung vom 26.8.2011) mit den überreichten Originalen:
13Der Zahn Vitapan T77 11 wirkt in der Abbildung deutlich stärker abgerundet als im Original; zudem sind die im Original vorhandenen Querrillen in der Abbildung nicht zu erkennen.
14Der Zahn Vitapan T88 12 wirkt im Original deutlich länglicher und am Zahnhals schmaler als in der Abbildung wiedergegeben. Zudem ist in der Abbildung im Schneidebereich des Zahns eine Einwölbung zu erahnen, die das Original nicht aufweist (die sich ähnlich, allerdings spiegelverkehrt bei dem Originalzahn T88 22 wiederfindet).
15Der Zahn Vitapan T66 13 weist links im Original eine recht scharfe Ecke auf, während diese Stelle in der Abbildung abgerundet ist. Dagegen ist in der Abbildung auf der rechten Seite eine kleine Ecke zu sehen, die im Original nicht zu finden ist. Schließlich wirkt auch hier das Original am Zahnhals schmaler als in der Abbildung.
16Die Lichtbilder sind daher für die Beurteilung des von den Original-Zahnprothesen vermittelten Gesamteindrucks ungeeignet und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dies bei den Abbildungen der aus Zahnprothesen anderer Hersteller entwickelten Veneers (Anlage BB 9) anders wäre.
17bb) Als Umfeld können danach allein die vorgelegten Original-Zahnprothesen des Herstellers Vitapan Berücksichtigung finden. Ob diese – wofür manches spricht - früher als die Veneers der Antragstellerin der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind, kann dahinstehen, weil der Senat nicht festzustellen vermag, dass sie identisch im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GVV wären oder beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck wie die Veneers der Antragstellerin hervorrufen, Art. 6 Abs. 1). So wirken die Geschmacksmuster jeweils deutlich glatter als die Vitapan-Zähne. Die Veneers sind auch jeweils zum Zahnhals hin anders gestaltet; insofern kann nicht festgestellt werden, dass lediglich der Zahnhals „abgeschnitten“ worden wäre. Veneer 11 und 12 weisen zudem an der Schneidefläche eine deutlich unruhigere Struktur auf als die Zahnprothese; Veneer 13 mutet kompakter an als die wuchtig wirkenden entsprechenden Zahnprothesen. Dies führt in der Gesamtschau zu einer unterschiedlichen Wirkung.
182. Die Antragsgegner haben diese Rechte durch die verfahrensgegenständlichen Veneers verletzt.
19a) Die angegriffenen Veneers rufen – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – den gleichen Gesamteindruck hervor wie die Geschmacksmuster der Klägerin. Die minimalen Unterschiede in der Form sind nur dann sichtbar, wenn man die Formen nachzeichnet und diese Zeichnungen übereinanderlegt. Unterschiede in der Oberflächengestaltung bestehen ebenfalls nur in ganz geringfügigem Ausmaß, wie die Antragstellerin durch die Untersuchung ASt 6 anhand der Originale glaubhaft gemacht hat. Relevante Unterschiede zu den Abbildungen, die Gegenstand des eingetragenen Geschmacksmusters sind, sind nicht erkennbar. Vielmehr treten insofern die geringen Abweichungen im Gesamteindruck in den Bereich des nicht mehr Wahrnehmbaren zurück.
20b) Die Antragsgegner können sich nicht auf Art. 19 Abs. 2 GVV berufen. Wie bereits oben dargelegt, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegner ihre Muster selbständig entworfen und keine Kenntnis von den Geschmacksmustern der Klägerin gehabt haben.
21III.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
23Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
24Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 150.000 €.
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