Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 20 U 167/11
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) wird das am 12.05.2011 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 423/09 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt,
1.
an die Klägerin einen Betrag von 5.500,00 €, Zug-um-Zug gegen Abtretung der von der Klägerin erworbenen Anteile an der , zu zahlen,
2.
die Klägerin beginnend mit dem 01.08.2009 von allen weiteren monatlichen Einlageverpflichtungen gegenüber der R. G. freizustellen, Zug-um-Zug gegen Abtretung der jeweils zu erwerbenden Anteile,
3.
an die Klägerin einen Betrag von 2.624,32 € zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Abtretung der bisher der Klägerin bei der Y Versicherung dem Versicherungsvertrag Nr. XXX gutgeschriebenen Fondsanteile und
4.
die Klägerin beginnend mit dem 01.08.2009 von allen weiteren monatlichen Beitragsverpflichtungen gegenüber der Y Versicherung zum Versicherungsvertrag Nr. XXX freizustellen, Zug-um-Zug gegen Abtretung der jeweils zukünftig der Klägerin bei der Y Versicherung dem Versicherungsvertrag Nr. XXX gutzuschreibenden Fondsanteile.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten beider Instanzen sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) beider Instanzen werden der Klägerin auferlegt. Der Beklagte zu 1) hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist für die Klägerin ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die Berufung des Beklagten zu 2) ist begründet, wohingegen diejenige des Beklagten zu 1) in der Hauptsache ohne Erfolg bleibt.
61.
7Die Berufung des Beklagten zu 1) ist zulässig, aber in der Hauptsache unbegründet.
8a)
9Der Zulässigkeit der Berufung des Beklagten zu 1) steht nicht entgegen, dass diese erst am 16.06.2011, mithin mehr als einen Monat nach der am 14.04.2011 erfolgten Zustellung des angefochtenen Urteils, bei Gericht eingegangen ist. Die an den Beklagten zu 1) entgegen § 172 Abs. 1 S. 1 ZPO persönlich bewirkte Zustellung war unwirksam und hat deshalb die Monatsfrist des § 517 ZPO nicht in Lauf gesetzt.
10b)
11Das Landgericht hat der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) zu Recht einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung hinsichtlich der Sicherung der Altersvorsorge zuerkannt.
12aa)
13Zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) ist ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Aus dem Schreiben des Beklagten zu 1) vom 12.04.2006 ergibt sich, dass dieser den ihm von dem Beklagten zu 2) übergebenen Datenaufnahmebogen der Klägerin individuell auswerten und diese Auswertung zur Grundlage der anschließenden Beratung machen wollte. Dementsprechend wird auch in der „S. “ ausgeführt, dass auf der Grundlage der individuellen Auswertung eine für die Klägerin möglichst ideale Finanzstrategie von dem Beklagten zu 2) entwickelt werden könne. Daraus folgt, dass Gegenstand der Tätigkeit des Beklagten zu 1) nicht die reine Vermittlung einer Geldanlage war, sondern diese die Beratung über die in Betracht kommenden Anlageformen beinhaltete.
14bb)
15Der Beklagte zu 1) hat auch Pflichten aus diesem Anlageberatungsvertrag verletzt.
16Bei der Beratung über eine Kapitalanlage muss der Anlageberater dem Anleger ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermitteln. Er hat diesen über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände wahrheitsgemäß, verständlich und vollständig zu informieren (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.2007, XI ZR 320/06, juris Rn. 14). Dies beinhaltet insbesondere auch eine Aufklärung über die speziellen Nachteile und Risiken, die mit der angebotenen Beteiligung verbunden sind.
17Der Berater schuldet dabei eine anleger- und anlagegerechte Beratung, wobei Inhalt und Umfang der Beratungspflichten von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden, andererseits die allgemeinen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.2007, XI ZR 320/06, juris Rn. 14).
18Diesen Anforderungen ist die Beratung der Klägerin nicht gerecht geworden.
19aaa)
20Aus dem persönlichen Prioritätenprofil (S. 4 der „S. “), in welchem die Klägerin ihre Anlageziele beschrieben hat, ergibt sich, dass ihr wesentlich an einer finanziellen Absicherung gelegen war; denn darin hat die Klägerin als wichtig eingestuft: „höhere Rendite der eigenen Anlagen, Vermögen vor Inflation schützen, den späteren Ruhestand finanziell sichern, Absicherung für die Wechselfälle des Lebens, Vorsorge für die Familie, Verbesserung der vorhandenen Absicherung durch günstigere Angebote anderer Anbieter“. Hinzu kommt, dass sie die als von ihr wichtig eingestuften Anlageziele in dem Aufnahmebogen zur persönlichen S. nummeriert und dabei die Absicherung für die Wechselfälle des Lebens mit der Ziffer 1 und die finanzielle Sicherung des späteren Ruhestandes mit der Ziffer 2 versehen hat, während die Erzielung einer höheren Rendite der eigenen Anlagen lediglich an dritter Stelle eingeordnet worden ist. Darüber hinaus lässt sich auch aus der Beschreibung ihrer Erwartungen an das EDV-Gutachten im Aufnahmebogen, in dem die Klägerin die Frage aufgeworfen hat, ob ihre bestehenden Versicherungen angemessen seien, ein Sparen in sinnvolle Produkte in Betracht käme, ihre Altersvorsorge ausreichend und sie gegen Wechselfälle abgesichert sei, entnehmen, dass die Klägerin vornehmlich eine finanzielle Absicherung und eine Verbesserung der Altersvorsorge erstrebte.
21Die der Klägerin empfohlene Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds -hier: R. G. - entsprach den von dieser genannten Anlagezielen nicht und hätte ihr deshalb gar nicht angeboten werden dürfen (vgl. BGH NJW 2009, 3429). Denn bei der Investition in einen geschlossenen Immobilienfonds handelt es sich nicht um eine sichere Möglichkeit zur Verbesserung der Altersvorsorge, sondern um eine spekulative Anlageform (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 08.05.2007, 10 U 105/06, BeckRS 2008, 07201). Entsprechendes gilt bezüglich der Beteiligung an der fondsgebundenen Rentenversicherung Y. Auch bei einer solchen handelt es sich um eine spekulative Anlage, die zur Alterssicherung nicht empfohlen werden darf (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 05.07.2006, 21 U 15/06, BeckRS 2007, 01586).
22Die Empfehlung der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds stellt sich auch nicht deshalb als anlegergerecht dar, weil die Klägerin auch die Erzielung einer höheren Rendite und die Nutzung staatlicher Vergünstigungen und Steuervorteile als wichtig eingestuft hat. Nennt ein Kunde in der Beratung verschiedene Anlageziele, muss der Anlageberater davon ausgehen, dass diese Ziele für den Kunden wesentlich sind und mit der beabsichtigten Kapitalanlage verfolgt werden sollen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2008, 15 U 85/07, juris Rn. 121). Die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds entspricht aber wegen des damit verbundenen Verlustrisikos nicht sämtlichen Anlagezielen der Klägerin.
23Soweit der Beklagte zu 1) weiter darauf verweist, dass sich die Klägerin im Rahmen des Beratungsgesprächs vom 27.06.2006/07.07.2006 selbst in die Risikoklassen 2 bis 4 eingeordnet habe (vgl. Gesprächsprotokoll vom 27.06.2006/07.07.2006, BK 2), kommt dieser Einordnung bereits deshalb keine Aussagekraft zu, weil sie widersprüchlich ist. Die Risikoklasse 2 ist als „konservativ“ bezeichnet mit geringem Gesamtrisiko, während die Risikoklasse 4 die Klassifizierung „risikobereit“ trägt und ein hohes Gesamtrisiko ausweist.
24bbb)
25Dass der Beklagte zu 2) die Klägerin deutlich darauf hingewiesen hat, die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds bzw. einer fondsgebundenen Rentenversicherung stelle aufgrund ihres spekulativen Charakters keine hinreichend sichere Möglichkeit zur finanziellen Absicherung und Verbesserung der Altersvorsorge dar und könne deshalb nicht empfohlen werden, lässt sich nicht feststellen.
26Die Beweislast für die behauptete Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzung trägt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Anleger. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (vgl. BGH NJW 2009, 3429).
27Weder dem Vortrag des Beklagten zu 1), die Klägerin habe im Gesprächsprotokoll vom 22.07.2006 bestätigt, mit dem Beklagten zu 2) die mit der Beteiligung verbundenen Risiken im Einzelnen erörtert zu haben, noch demjenigen des Beklagten zu 2), die Art der Beteiligung, die Risiken und die Haftung seien mit der Klägerin ausführlich besprochen worden, lässt sich aber der konkrete Inhalt der behaupteten Beratung entnehmen. In dem Gesprächsprotokoll vom 22.07.2006 heißt es lediglich: „Bei einer Beteiligung an dem R. G. handelt es sich um eine chancenreiche, längerfristige Investition, die auch Risiken beinhaltet. Diese Investition ist nur geeignet für einen risikobereiten Anleger, der gegebenenfalls auch eine Wertminderung seiner Beteiligung wirtschaftlich hinnehmen kann.“ Eine konkrete Aufklärung darüber, dass die Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds keine hinreichend sichere Möglichkeit zur finanziellen Absicherung und Verbesserung der Altersvorsorge darstellt, ergibt sich daraus nicht.
28Zwar wird in dem Persönlichen Versorgungsvorschlag zur Y darauf hingewiesen, dass der Anleger bei einem Fondspreisrückgang das Risiko der Wertminderung sowie bei der Fondsgebundenen Rentenversicherung das in den gewählten Fonds enthaltene Kapitalanlagerisiko trägt. Der Berater ist aber zur Aufklärung auch darüber verpflichtet, dass das empfohlene Geschäft vom Anlageziel des Kunden deutlich abweicht (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 05.07.2006, 21 U 15/06, BeckRS 2007, 01586). Dass dies geschehen ist, tragen die Beklagten selbst nicht vor.
29cc)
30Das Verschulden des Beklagten zu 1) wird ebenso vermutet wie der Umstand, dass sich der Anleger bei ordnungsgemäßer Aufklärung beratungsgerecht verhalten hätte (vgl. BGH NJW-RR 2006, 685, 688). Diese Vermutung hat der Beklagte zu 1) nicht entkräftet.
31dd)
32Nach § 249 BGB ist die Klägerin so zu stellen, als hätte sie sich an den Fonds nicht beteiligt.
33Sie kann daher Erstattung der von ihr geleisteten Beteiligungszahlungen Zug um Zug gegen Übertragung der jeweiligen Fondsanteile sowie Freistellung von sämtlichen Einlage- und Beitragsverpflichtungen verlangen.
34c)
35Ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist dagegen nicht schlüssig dargetan. Ein solcher könnte sich nur unter dem Gesichtspunkt des Verzugs nach §§ 280, 286 BGB ergeben und würde voraussetzen, dass der Beklagte zu 1) von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach Verzugseintritt zur Leistung aufgefordert worden wäre. Dies hat die Klägerin nicht vorgetragen.
362.
37Die Berufung des Beklagten zu 2) ist begründet.
38Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2) besteht nicht, da dieser nicht passiv legitimiert ist.
39a)
40Ein Anlageberatungsvertrag ist mit dem Beklagten zu 2) nicht zustande gekommen. Dieser hat unstreitig namens des Beklagten zu 1) gehandelt. Die Klägerin selbst trägt insoweit vor, der Beklagte zu 2) habe Beratungsleistungen im Auftrag und für die Rechnung des Beklagten zu 1) erbracht.
41Die von dem Landgericht in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.01.2007 III ZR 193/05 (NJW 2007, 1362), welche die Frage des Zustandekommens des Vertrages mit dem Anlagevermittler betrifft, ist im Streitfall nicht einschlägig.
42b)
43Hat der Beklagte zu 2) aber als Vertreter des Beklagten zu 1) gehandelt, kommt seine persönliche Inanspruchnahme nur in Betracht, wenn er am Vertragsschluss ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse oder ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat, derart, dass er zu erkennen gegeben hat, er werde persönlich mit seiner Sachkunde neben der von ihm vertretenen Gesellschaft die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts gewährleisten. Hierfür genügt nicht ein lediglich mittelbares Interesse, wie ein Provisionsinteresse, erforderlich ist vielmehr, dass der Verhandelnde gleichsam in eigener Sache tätig wird (vgl. BGH NJW-RR 2006, 109). Dies hat die Klägerin nicht dargetan. Sie behauptet schon nicht, vor dem streitgegenständlichen Kontakt mit dem Beklagten zu 2) persönlich bekannt gewesen zu sein. Aber selbst ein durch persönliche Bekanntschaft entstandenes Vertrauen würde noch nicht die berechtigte Erwartung begründen, der Beklagte zu 2) werde für die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts persönlich einstehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2010, 16 U 171/08).
443.
45Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
464.
47Von der Zulassung der Revision sieht der Senat ab, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).
48Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 11.863,16 €
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