Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 2 Ws 197/12
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Verurteilte zu tragen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Bezirksgerichts G./Polen vom 17.11.2009 in der Fassung des Urteils des Berufungsgerichts K. vom 25.03.2010 wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus diesem Urteil hat das Landgericht K. mit Beschluss vom 25.06.2010 für zulässig erklärt.
4Die bedingte Aussetzung der Strafe zur Bewährung ist durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts W. vom 23.03.2011 sowie vom 14.06.2011 jeweils abgelehnt worden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die gegen den Beschluss vom 23.03.2011 gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten durch Beschluss vom 27.04.2011 (Az. III-3 Ws 151/11) verworfen.
5Mit Beschluss vom 30.01.2012 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts B. festgestellt, dass die nach vollständiger Vollstreckung der Freiheitsstrafe von Gesetzes wegen eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt, und deren Dauer auf zunächst drei Jahre bestimmt sowie dem Beschwerdeführer für die Dauer der Führungsaufsicht bestimmte Weisungen erteilt.
6Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 10.02.2012, mit der er die Anordnung erstrebt, dass die Führungsaufsicht entfällt.
7II.
8Die nach §§ 463 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte, frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
9Die Strafvollstreckungskammer hat den Sachverhalt zutreffend nach deutschem Vollstreckungsrecht beurteilt. Dem steht nicht entgegen, dass ein gem. den §§ 48 ff IRG für vollstreckbar erklärtes ausländisches Urteil zugrunde liegt. Nach § 57 Abs. 4 IRG richtet sich die Vollstreckung der umgewandelten Sanktion nach den Vorschriften, die auf eine entsprechende in der Bundesrepublik Deutschland verhängte Sanktion anwendbar wären. Das schließt nicht nur die in Abs. 2 der Bestimmung besonders geregelte Möglichkeit der Reststrafenaussetzung zur Bewährung ein, sondern gilt allgemein für die Bestimmungen der §§ 57 ff, 67 ff StGB (vgl. Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., IRG § 57 Randn. 13).
10Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht festgestellt, dass die gem. § 68 f Abs. 1 StGB mit der Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Strafvollzug von Gesetzes wegen eingetretene Führungsaufsicht nicht entfallen ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers tritt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB die Führungsaufsicht regelmäßig ein. Dementsprechend ist anerkannt, dass die von dem Beschwerdeführer erstrebte, durch § 68 f Abs. 2 StGB ermöglichte Anordnung des Entfallens der Maßregel Ausnahmecharakter hat (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1990, 356; OLG Karlsruhe MDR 1987, 784) und nur getroffen werden kann, wenn konkrete Tatsachen für eine günstige Prognose vorliegen. Diese Prognose geht über die zur Reststrafenaussetzung nach § 57 Abs. 1 StGB genügende Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit hinaus (vgl. SenE vom 09.01.2008 – 2 Ws 7/08 – und vom 04.05.2008 – 2 Ws 194/06 –; Schneider in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, § 68 f Rn. 20) und verlangt die Erwartung, dass der Verurteilte auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Zweifel an einer solchen Prognose gehen zu Lasten des Verurteilten (vgl. SenE vom 13.01.2010 – 2 Ws 21/10; Fischer, StGB, 59. Auflage, § 68 f Rn. 9).
11Bei Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die angefochtene Entscheidung als richtig. Die konkrete Erwartung, dass der Verurteilte künftig keine Straftaten mehr begehen wird, besteht vorliegend nicht.
12Gegen den Verurteilten spricht bereits, dass er die Strafe voll hat verbüßen müssen. Die Vollverbüßung und das damit verbundene Unterbleiben einer Reststrafenaus-setzung begründen die Vermutung einer weiterhin ungünstigen Sozialprognose (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.11.2009 – 1 Ws 248/09 - ; KG NStZ 2006, 580, 582), es sei denn, die Aussetzung des Strafrestes ist allein an der fehlenden Einwilligung des Verurteilten nach § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB gescheitert. Eine bedingte Entlassung ist vorliegend jedoch nicht unterblieben, weil der Beschwerdeführer auf eine Entscheidung verzichtet hat, sondern beruhte seinerzeit vielmehr auf einer negativen Prognose.
13Das Entfallen der Führungsaufsicht ist ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn im letzten Stadium des Strafvollzuges Umstände eingetreten sind, die nunmehr eine günstige Prognose ermöglichen, die Aussetzung des Strafrestes aber nicht mehr beschlossen werden konnte (vgl. SenE vom 13.01.2010 – 2 Ws 21/10 -; Fischer, StGB, 59. Auflage, § 68 f Rn. 9). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass – anders als bei einem Erstverbüßer – es bei einem Vorbestraften wie dem Verurteilten maßgeblicher Anhaltspunkte für eine Veränderung der Persönlichkeit durch die Einwirkung des erneut erlittenen Strafvollzugs bedarf. So liegen die Umstände hier aber nicht. Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht auf die Gründe der Beschlüsse des Landgerichts W. vom 23.03.2011 und 14.06.2011 verwiesen, durch die die Anträge des Verurteilten auf bedingte Entlassung mangels günstiger Legalprognose abgelehnt worden sind. Das Beschwerdevorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis.
14Bei der Beurteilung misst der Senat dem beanstandungsfreien Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers nur untergeordnete Bedeutung zu. Denn dieses sagt für künftiges gesetzmäßiges Verhalten in Freiheit wenig aus. Es belegt nur, dass der Verurteilte sich unter den kontrollierten Bedingungen des Vollzuges straffrei geführt hat (vgl. KG Beschluss v. 15.11.2000 – 5 Ws 762/00 -). Gleiches gilt für die dem Beschwerdeführer gewährten Vollzugslockerungen. Diese stellen keine belastbare Grundlage für eine Prognoseentscheidung dar, weil der Verurteilte bis zur Vollverbüßung am 28.02.2012 noch keine ausreichende Gelegenheit hatte, sich in Freiheit zu bewähren. Nach der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt E. vom 16.12.2012 erhielt der Beschwerdeführer erst seit Ende November 2011 regelmäßige Ausgänge und seit Dezember 2011 regelmäßige Hafturlaube .
15Auch die nach der Haftentlassung erreichte Festigung seiner Lebensumstände, insbesondere das erfolgreiche Bemühen um einen festen Wohnsitz und eine feste Arbeitstelle, sind anerkennenswert, lassen aber noch keine sicheren Schlüsse darauf zu, dass der Beschwerdeführer sein Leben in Freiheit künftig ohne Begehung neuer Straftaten zu gestalten vermag. Auch zur Zeit der Begehung der Straftaten lebte der Verurteilte in geordneten häuslichen Verhältnissen und ging einer geregelten Beschäftigung nach. Diesem Umstand kommt im Rahmen der Prognoseentscheidung somit nur eine eingeschränkte Aussagekraft zu. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nach Verbüßung der Strafe wieder in seinem erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker arbeitet, der ihm tatgeneigte Gelegenheiten verschafft. Die der früheren Verurteilung durch das Landgericht D. vom 26.02.1997 zugrunde liegenden Taten (schwerer Bandendiebstahl) standen gleichermaßen wie die Anlaßtat im Zusammenhang mit der Beschäftigung des Verurteilten im Bereich des Kfz-Handels bzw. als Kfz-Mechaniker. Insoweit ist die mehrjährige Dauer des aufgrund des Urteils des Landgerichts D. erstmals erlittenen Strafvollzuges, die eine Vermutung künftiger Straffreiheit zu begründen vermag, durch die erneute Begehung von Vermögensdelikten widerlegt. So hat auch der Sachverständige Dipl. Psych. J. in seinem von der Strafvollstreckungskammer eingeholten Gutachten vom 25.01.2011 auf verbleibende Unsicherheiten hingewiesen. Soweit der Sachverständige gleichwohl zu einer günstigen Sozialprognose gelangte, hat das Landgericht W. in dem Beschluss vom 23.03.2011 zutreffend ausgeführt, dass es an tragfähigen Anhaltspunkten für eine solche Einschätzung fehlt.
16Zu dem Gutachten ist noch anzumerken, dass der Sachverständige seiner günstigen Prognose unter anderem die den eigenen Tatbeitrag herunter spielende Schilderung des Beschwerdeführers zugrunde gelegt hat, die durch entsprechende Urteilsfeststellungen nicht belegt ist. Insoweit verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Beschwerdeführers.
17Änderungen der Umstände, in denen die Strafvollstreckungskammer seinerzeit die negative Prognose gesehen hat, haben sich seitdem nicht ergeben.
18Auch die Justizvollzugsanstalt ist in ihrer Stellungnahme vom 16.12.2011 vom Regel-fall des Eintritts der Führungsaufsicht ausgegangen und hat dazu vorgeschlagen, die üblichen Weisungen zu erteilen.
19Im Übrigen begegnen die von der Strafvollstreckungskammer erteilten Weisungen sowie die Abkürzung der Dauer der Führungsaufsicht keinen rechtlichen Bedenken.
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