Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 20 U 1/12
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.11.2011 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 11/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Klägerin, die von Beruf Krankenschwester ist, beantragte am 26. März 2002 bei der Beklagten den Abschuss einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Antragsformular, das von dem Zeugen C, einem Versicherungsvermittler, ausgefüllt wurde, sind sämtliche Gesundheitsfragen mit "nein" beantwortet, so auch die Frage nach Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen in den letzten 5 Jahren. Tatsächlich hatte sich die Klägerin im abgefragten Zeitraum mehrmals in ärztliche Behandlung begeben. Im September 2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aufgrund Multipler Sklerose. Die Beklagte trat daraufhin in die Leistungsprüfung ein. Nach Erhalt einer Auskunft des Hausarztes der Klägerin erklärte sie mit Schreiben vom 26. April 2010 die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung durch Verschweigen ärztlicher Behandlungen.
4Die Klägerin begehrt nun die Feststellung, dass die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht infolge Anfechtung unwirksam sei, sondern fortbestehe, sowie Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente.
5Sie hat erstinstanzlich vorgetragen: Sie sei aufgrund Multipler Sklerose bedingungsgemäß berufsunfähig. Die Beklagte sei zu einer Anfechtung des Versicherungsvertrages nicht berechtigt. Der Zeuge C habe sie lediglich nach dem Bestehen schwerer Erkrankungen, wie z.B. Krebs oder ähnlichem, gefragt; dies habe sie wahrheitsgemäß verneint. Für sie sei auch nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund ihr Hausarzt erhebliche Erkrankungen bzw. Störungen notiert habe, die letztendlich gar nicht vorgelegen hätten. Die unterbliebenen Angaben hätten – bei ihrer Offenlegung - die Entscheidung der Beklagten über den Vertragsschluss auch nicht beeinflusst. Im Übrigen hätte der Umstand, dass sie die Frage nach Arztbesuchen innerhalb der letzten fünf Jahre verneint habe, der Beklagten Anlass zur Nachfrage geben müssen, da die Annahme, dass jemand innerhalb eines solchen Zeitraums keinen Arzt aufgesucht habe, lebensfremd sei.
6Die Klägerin hat beantragt,
71. festzustellen, dass der zwischen den Parteien zur Versicherungsscheinnummer 6.0479xxx.xx abgeschlossene Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrag zu unveränderten Versicherungsbedingungen fortbesteht und nicht durch die Anfechtung der Beklagten wegen arglistiger Täuschung vom 26.04.2010 von Anfang unwirksam ist;
82. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.773,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils aus 703,99 € seit dem 01.10.2009, dem 01.11.2009, dem 01.12.2009, dem 01.01.2010, dem 01.02.2010, dem 01.03.2010 sowie dem 01.04.2010 und aus 649,49 € seit dem 01.05.2010, dem 01.06.2010, dem 01.07.2010, dem 01.08.2010, dem 01.09.2010, dem 01.10.2010, dem 01.11.2010, dem 01.12.2010 sowie dem 01.01.2011 zu zahlen;
93. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 01.02.2011 bis zum Ablauf der Versicherung am 30.04.2034 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 598,70 € monatlich, zahlbar jeweils zum ersten eines jeden Monats im Voraus, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen und ihr von diesem Zeitpunkt an Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge in Höhe von jeweils 50,79 € zu gewähren;
104. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1.419,19 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
11Die Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hat behauptet: Die Klägerin habe bei Antragstellung arglistig getäuscht. Der Zeuge C habe dieser die Gesundheitsfragen vollständig gestellt und die ihm von der Klägerin erteilten Antworten in das Antragsformular eingetragen. Bei Kenntnis des wiederholten Auftretens von Beschwerden im Bereich der LWS und HWS sowie eines depressiven Syndroms bzw. Erschöpfungssyndroms hätte sie den Vertrag nicht uneingeschränkt abgeschlossen. Ferner hat die Beklagte das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit bestritten.
14Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
15Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung der Klägerin und Vernehmung der Zeugen C, M und X abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe den Vertrag wirksam angefochten. Die Klägerin habe die ihr im Antragsformular gestellten Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet. Sie habe jedenfalls ihre psychischen Probleme, derentwegen sie in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei, auch arglistig verheimlicht. Die Klägerin werde nicht dadurch entlastet, dass der Zeuge C sie angeblich nur nach schweren Krankheiten wie Krebs oder ähnlichem gefragt habe. Für sie als Krankenschwester sei ersichtlich gewesen, dass psychische Erkrankungen im Hinblick auf eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ebenso schwer wiegen würden wie Krebs oder ähnliche körperliche Beschwerden.
16Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 5. Dezember 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. Januar 2012 eingelegte und mit einem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat am 2. März 2012 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Klägerin, mit der diese ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt.
17Sie macht geltend: Das Landgericht habe eine arglistige Täuschung zu Unrecht bejaht. Die ihr gestellten Fragen habe sie zutreffend beantwortet; sie sei nicht verpflichtet gewesen, Arztbesuche, nach denen sie nicht gefragt worden sei, anzugeben. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei einseitig.
18Die Klägerin beantragt sinngemäß,
19unter Abänderung des angefochtenen Urteils
201. festzustellen, dass der zwischen den Parteien zur Versicherungsscheinnummer 6.0479xxx.xx abgeschlossene Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrag zu unveränderten Versicherungsbedingungen fortbesteht und nicht durch die Anfechtung der Beklagten wegen arglistiger Täuschung vom 26.04.2010 von Anfang an unwirksam ist;
212. die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.866,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils aus 703,99 € seit dem 01.10.2009, dem 01.11.2009, dem 01.12.2009, dem 01.01.2010, dem 01.02.2010, dem 01.03.2010 sowie dem 01.04.2010 und aus 649,49 € seit dem 01.05.2010, dem 01.06.2010, dem 01.07.2010, dem 01.08.2010, dem 01.09.2010, dem 01.10.2010, dem 01.11.2010, dem 01.12.2010, dem 01.01.2011, dem 01.02.2011, dem 01.03.2011, dem 01.04.2011, dem 01.05.2011, dem 01.06.2011, dem 01.07.2011, dem 01.08.2011, dem 01.09.2011, dem 01.10.2011, dem 01.11.2011, dem 01.12.2011, dem 01.01.2012, dem 01.02.2012 sowie dem 01.03.2012 zu zahlen;
223. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 01.04.2012 bis zum Ablauf der Versicherung am 30.04.2034 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 598,70 € monatlich, zahlbar jeweils zum ersten eines jeden Monats im Voraus, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen und ihr von diesem Zeitpunkt an Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge in Höhe von jeweils 50,79 € zu gewähren;
234. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1.419,19 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
28II.
29Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
301.
31Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 26. April 2010 erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 123 BGB, 22 VVG a.F. beendet worden. Der Klägerin stehen deshalb aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gegen die Beklagte auch keine Ansprüche auf Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente zu.
32a.
33Das Landgericht hat eine arglistige Täuschung der Klägerin im Ergebnis zu Recht bejaht.
34Die Klägerin hat die ihr in dem Formularantrag vom 26. März 2002 gestellte Gesundheitsfrage Nr. 3 objektiv falsch beantwortet, indem darin u.a. ihre Rückenbeschwerden und psychischen Probleme nicht aufgeführt worden sind.
35Zwar erbringt allein das ausgefüllte, nicht den Tatsachen entsprechende Antragsformular nicht den Beweis für die falsche Beantwortung der im Formular stehenden Fragen, wenn nicht der Versicherungsnehmer, sondern der Agent das Formular ausgefüllt hat und der Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben oder von ihm mit einzelnen Fragen nicht konfrontiert worden zu sein. In diesem Fall muss der Versicherer beweisen, dass alle im Formular beantworteten Fragen dem Antragsteller tatsächlich gestellt und so wie niedergelegt von diesem beantwortet worden sind (vgl. BGH NJW 2004, 3427, 3428).
36Vorliegend kann aber bereits nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass der Zeuge C, der - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - deren Versicherungsagent war, ihr die Gesundheitsfrage Nr. 3 nicht korrekt, sondern in einer Weise gestellt hat, die der Klägerin den Blick dafür verstellte, in welchem Umfang Angaben erforderlich waren. Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Anhörung durch das Landgericht erklärt, der Zeuge C habe sie im Rahmen des Antragsgesprächs "nach Krankheiten gefragt, beispielhaft aufgeführt Krebs, Diabetes und Bandscheibe". Sie ist damit ihren eigenen Angaben zufolge nicht lediglich nach dem Bestehen eines Krebs-, Diabetes- oder Bandscheibenleidens gefragt worden, sondern nach dem Vorliegen von Krankheiten als solchen, wobei es sich bei den von dem Zeugen C nach dem Bekunden der Klägerin ausdrücklich erwähnten Krankheiten nur um Beispiele handelte.
37b.
38Die in dem Antragsformular nicht angegebenen Rückenbeschwerden und psychischen Probleme waren auch gefahrerheblich.
39Gefahrerheblich sind nach § 16 Abs. 1 S. 2 VVG a.F. die Umstände, die bei der Entscheidung des Versicherers zum Abschluss des Vertrages von Einfluss sein können. Erfragte Umstände sind im Zweifel gefahrerheblich. Zwar kann der Versicherungsnehmer, dem hinsichtlich der fehlenden Erheblichkeit erfragter Umstände die Darlegungs- und Beweislast obliegt, dieser nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein dadurch genügen, dass er die Gefahrerheblichkeit pauschal bestreitet. Der Versicherer muss aber seinerseits seine Grundsätze der Risikoprüfung nur dann substantiiert darlegen, wenn die Gefahrerheblichkeit nicht ohnehin auf der Hand liegt, d.h. wenn es sich um eine Gesundheitsstörung handelt, die offenkundig als leicht einzuordnen ist, nicht wiederholt aufgetreten ist und deshalb von vornherein keinen Anhalt dafür bietet, dass sie für die Risikoeinschätzung des Versicherers hinsichtlich des auf Dauer angelegten Versicherungsvertrages von Bedeutung sein könnte (vgl. BGH, VersR 2009, 529).
40aa.
41Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt die Gefahrerheblichkeit der von dem Hausarzt der Klägerin diagnostizierten Beschwerden der Lendenwirbelsäule auf der Hand (vgl. auch OLG Köln [5. Zivilsenat] r + s 1986, 46; für eine Lumbalgie: OLG Hamburg VersR 1988, 396), weil diese wiederholt aufgetreten und therapiert worden sind sowie einmal sogar eine kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt haben. Hinzu kommt, dass sie in Zusammenhang mit dem von der Klägerin ausgeübten Beruf der Krankenschwester stehen können, da dieser – auch nach der Tätigkeitsschilderung der Klägerin im Schriftsatz vom 14. April 2011 – Hebetätigkeiten mit sich bringt. Sie können auch Anzeichen einer degenerativen Erkrankung sein (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 04.06.1999, 6 U 131/98, BeckRS 1999, 30061552; OLG Hamburg VersR 1988, 396). Deshalb muss der Versicherungsnehmer sie anzeigen, damit der Versicherer – sei es durch Nachfrage bei dem behandelnden Arzt, sei es durch eine vertrauensärztliche Untersuchung – überprüfen kann, welches Gewicht die Beschwerden haben.
42Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr Hausarzt habe Erkrankungen bzw. Störungen notiert, die gar nicht vorgelegen hätten. Ihr diesbezüglicher Vortrag ist nicht hinreichend substantiiert, weil er nicht erkennen lässt, welche ärztlicherseits dokumentierten Beschwerden tatsächlich nicht vorhanden gewesen sein sollen. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Anhörung durch das Landgericht eingeräumt, dass „früher einmal etwas mit einer Migräne war“ und sie psychische Probleme hatte, so dass sich nicht sämtliche Angaben des Hausarztes als von vornherein unzutreffend erweisen. Dass sie nicht unter Rückenbeschwerden gelitten hat, wendet sie nicht konkret ein.
43bb.
44Auch die Gefahrerheblichkeit der psychischen Probleme liegt auf der Hand.
45Eine Depression ist in der Berufsunfähigkeitsversicherung ein offensichtlich gefahrerheblicher Umstand (OLG Saarbrücken r + s 2000, 432). Die Klägerin hat zwar angegeben, aus ihrer Sicht sei sie nicht depressiv gewesen; hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Unstreitig ist nämlich, dass sie sich in psychotherapeutischer Behandlung befunden hat, was sie auf einen damaligen Zustand der Überarbeitung zurückführt. Ein solcher steht aber in untrennbarem Zusammenhang mit der Berufsausübung und ist damit in besonderem Maße geeignet, das versicherte Risiko zu erhöhen (vgl. auch BGH r + s 2003, 118 f. bezüglich eines Überforderungssyndroms). Dass es sich seinerzeit um eine durch besondere Umstände geprägte, singuläre Situation gehandelt hat, trägt die Klägerin selbst nicht vor.
46c.
47Ein arglistiges Verhalten der Klägerin hat das Landgericht gleichfalls zu Recht bejaht.
48In subjektiver Hinsicht muss der Versicherungsnehmer vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Dabei rechtfertigen falsche Angaben in einem Versicherungsantrag zwar allein nicht den Schluss auf eine arglistige Täuschung (vgl. BGH NJW-RR 1991, 411 f.), zumal es keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts gibt, dass die bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer und nur in der Absicht geschieht, auf den Willen des Versicherers einzuwirken (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 04.03.2010, 1 U 74/09, BeckRS 2010, 10103; OLG Naumburg, Urteil vom 09.10.2008, 4 U 51/07, BeckRS 2011, 00056). Deshalb muss der Versicherer nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf seinen Willen zum Vertragsschluss einwirken wollte, er sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Fragen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen. Da es sich bei diesem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis meist nur durch Indizien geführt werden. Für ein solches Bewusstsein des Versicherungsnehmers spricht, wenn er schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder auftretende zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen verschweigt oder solche, die zu erheblichen Einschränkungen seines Alltags geführt haben oder ihm offensichtlich als erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten. Beim Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer als solche angesehen werden, wird der Beweis dagegen häufig als nicht geführt angesehen werden können (vgl. OLG Celle, a.a.O.; OLG Köln [Senat], Beschluss vom 11.04.2011, 20 U 28/11, BeckRS 2011, 20806). Hat der Versicherungsnehmer – wie vorliegend die Klägerin – bei der Antragstellung objektiv falsche Angaben gemacht, so muss er im Rahmen der sekundären Darlegungslast plausibel darlegen, wie und weshalb es hierzu gekommen ist (vgl. BGH VersR 2008, 242; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.02.2010, 7 U 276/07, BeckRS 2011, 05021; OLG Hamm VersR 2008, 106). Dies ist der Klägerin nicht gelungen.
49Die Klägerin beruft sich darauf, dass die Art der Fragestellung des Zeugen C ihr suggeriert habe, sie müsse nur schwere Erkrankungen, wie etwa ein Krebsleiden, angeben. Dies lässt sich aber mit ihren Angaben im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch das Landgericht, sie sei "nach Krankheiten (...), beispielhaft aufgeführt Krebs, Diabetes und Bandscheibe" gefragt worden, nicht in Einklang bringen. Weder bei einem Diabetesleiden noch bei Bandscheibenbeschwerden handelt es sich um eine dem Krebsleiden vergleichbar gravierende Erkrankung; vielmehr können beide Krankheitsformen mild und in einer Art und Weise verlaufen, die die Lebensführung des Betroffenen – gegebenenfalls bei entsprechender Medikation – kaum beeinträchtigt. Gemeinsam ist den von dem Zeugen C nach eigenem Bekunden der Klägerin beispielhaft aufgeführten Krankheiten nur, dass es sich hierbei nicht um solche handelt, die alsbald vorübergehen, sondern um Krankheitsbilder, die chronisch verlaufen oder degenerativ bedingt sein können. Ähnlich verhält es sich aber auch hinsichtlich der von dem Hausarzt der Klägerin behandelten Rückenbeschwerden, die seit September 1997 immer wieder aufgetreten waren. Deshalb musste gerade die Frage des Zeugen C nach Krankheiten der Bandscheibe das Augenmerk der Klägerin auf die bei ihr wiederholt aufgetretenen Rückenbeschwerden lenken, zumal diese ihr auch angesichts der ihr im Rahmen ihrer Berufsausübung abverlangten Hebetätigkeit für das versicherte Risiko offensichtlich als erheblich erscheinen mussten. Entsprechendes gilt erst recht bezüglich der psychischen Beschwerden der Klägerin, die – wie sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erläutert hat – fachärztlich und mittels einer Psychotherapie behandelt worden sind, was indiziert, dass es sich nicht bloß um geringfügige Störungen handelte, und welche die Klägerin selbst in Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit gebracht hat, indem sie sie als Zustand der Überarbeitung bewertet hat.
50c.
51Die Klägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf eine Verletzung der Nachfrageobliegenheit seitens der Beklagten berufen. Eine etwaige Verletzung der Risikoprüfungsobliegenheit lässt das Anfechtungsrecht des Versicherers unberührt, weil der Versicherungsnehmer, der sich den Vertrag arglistig erschlichen hat, nicht schutzbedürftig ist (Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl., N Rn. 17). Im Übrigen gilt die Nachfragepflicht nur bei widersprüchlichen oder lückenhaften Angaben des Versicherungsnehmers; eine generelle Pflicht zur Überprüfung dessen Angaben besteht nicht (Voit/Neuhaus, a.a.O., M Rn. 70).
52.
532.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
553.
56Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Vielmehr sind die Fragen, auf die es hier alleine ankommt, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen hinreichend geklärt. Im Übrigen beruht die Entscheidung lediglich auf einer Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles.
57Berufungsstreitwert: bis 45.000,00 €
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.