Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 5 U 7/12
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen.
G r ü n d e:
1Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens war zurückzuweisen (§ 114 ZPO), weil die beabsichtigte Berufung der Klägerin, mit der sie gegen die Beklagten die erstinstanzlich geltend gemachten Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche mit der Rüge von Aufklärungs- und Behandlungsfehlern im Zusammenhang mit den operativen Eingriffen durch den Beklagten zu 1) im Krankenhaus der Beklagten zu 2) weiterverfolgt, keine Aussicht auf Erfolg hat.
2Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO). Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Entscheidung begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), werden von der Klägerin nicht aufgezeigt und ergeben sich auch sonst nicht.
3Zunächst geht die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Aufklärungsrüge, mit der die Klägerin geltend macht, sie hätte auf die mögliche Chronifizierung des Schmerzsyndroms des Nervus pudendus hingewiesen werden müssen, ins Leere. Die Rüge ist bereits unzulässig. Die Haftung wegen eigenmächtiger Behandlung, die sich regelmäßig auf den Vorwurf unterbliebener oder unzureichende Eingriffs- und Risikoaufklärung gründet, stellt sich neben dem Behandlungsfehlervorwurf als eigenständiges Angriffsmittel im prozessualen Sinne dar. Die Aufklärungsrüge muss deshalb zwingend bereits in erster Instanz erhoben werden. Wird sie – wie hier – erstmals mit der Berufung geltend gemacht, handelt es sich um ein neues Angriffsmittel im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO (vergl. Wenzel, Handbuch FA MedizinR/Rosenberger, 2. Auflage 2009, Kap. 7 Rn. 473 mit weiteren Nachweisen). Gründe, die das verspätete Vorbringen erst im Berufungsverfahren entschuldigen könnten, hat die Klägerin nicht vorgebracht. Darüber hinaus hätte die Aufklärungsrüge aber auch in der Sache keinen Erfolg. Denn die Klägerin rügt hier die fehlende Aufklärung über Folgen des Eingriffs, die, wie die Sachverständigen T. und M. übereinstimmend festgestellt haben, seinerzeit nicht bekannt waren. Seitens der Beklagten konnte mithin auch keine Aufklärung über die mögliche Chronifizierung des Schmerzsyndroms des Nervus pudendus verlangt werden.
4Auch die weiter aufrechterhaltene Rüge behandlungsfehlerhaften Vorgehens bleibt ohne Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit praeoperativ auf den variablen anatomischen Verlauf der sensiblen Endäste des Nervus pudendus hätte reagiert werden können und müssen. Insoweit haben die Sachverständigen wiederum übereinstimmend und – auch für den Senat – überzeugend erläutert, dass die Darstellung und die Identifikation dieser Nervenendäste operativ-technisch nicht möglich gewesen sei, da diese von dem umgebenden Gewebe, auch optisch, nicht zu separieren seien. Auch die praeoperativ durchgeführte Kernspinuntersuchung hat hinsichtlich des Verlaufs der Endäste ausweislich des Befundberichts offensichtlich keine Erkenntnisse gebracht, was in Anbetracht der ganz minimalen Dicke der Endäste wohl auch nicht erwartet werden kann. Welche weiteren praeoperativen Maßnahmen zur Darstellung der Endäste darüber hinaus hätten durchgeführt werden können oder müssen, erschließt sich daher nicht und wird von der Klägerin auch nicht dargelegt.
5Wie sich bereits aus der Fassung der Frage 1. des Beweisbeschlusses des Landgerichts vom 1.7.2010 (Blatt 89 f. GA) ergibt, ist das Landgericht den Behandlungsfehlervorwürfen der Klägerin umfassend und über die von der Klägerin konkret erhobenen Vorwürfe hinaus nachgegangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise freilich Behandlungsfehler insgesamt nicht feststellen können. Fehl geht auch die Ansicht der Klägerin, dass Behandlungsfehler immer dann vorlägen, wenn dies die einzig denkbare Ursache für die Schädigung sei. Denn zum einen ist die Möglichkeit einer Schädigung durch Narbenbildung und/oder Gewebeveränderungen im operierten Bereich nicht gänzlich ausgeschlossen, wenn auch nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer iatrogenen Schädigung der Endäste des Nervus pudendus auszugehen ist. Und zum anderen ist die Feststellung einer iatrogenen Schädigung allein weder Indiz für einen haftungsrechtlich relevanten Behandlungsfehler noch genügt dies als Voraussetzung für die Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises zu dessen Nachweis.
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