Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 5 U 42/12
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 28. Februar 2012 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 233/10 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
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Gründe:
2I. Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
3Das Landgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger kann von dem Beklagten wegen der am 21.4.2009 durchgeführten Untersuchung weder die Zahlung von Schmerzensgeld noch materiellen Schadensersatz verlangen.
41. Behandlungsfehler hat das Landgericht nach sachverständiger Beratung durch Prof. Dr. X nicht festgestellt. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Würdigung begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), sind weder dargetan noch erkennbar.
5a) Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Beklagte das vorgeschädigte Knie des Klägers trotz gelockerter Prothese nach der Neutral-Null-Methode, die eine Streckung und Beugung des Knies beinhalte, habe untersuchen dürfen. Es handele sich um eine etablierte Methode zur Funktionsprüfung von Gelenken. Die klinische Beweglichkeitsprüfung gehöre zu jeder orthodädischen Untersuchung und gehe der Prüfung der Notwendigkeit bildgebender Verfahren voraus.
6Diese Beurteilung überzeugt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es insbesondere nicht widersprüchlich, dass der Sachverständige bei vorgeschädigtem Knochen und gelockerter Prothese von der Möglichkeit eines spontanen Bruchs durch Bagatellereignisse, zugleich aber von der Zulässigkeit einer Untersuchung nach der Neutral-Null-Methode ausgeht. Zum einen hat Prof. Dr.X darauf hingewiesen, dass das Bein schon beim Laufen gebeugt werde. Zum anderen hat er darauf aufmerksam gemacht, dass es sich von selbst verstehe, dass die Untersuchung sorgfältig und vorsichtig durchgeführt werden müsse. Es handelt sich damit bei der Neutral-Null-Methode um eine am natürlichen Bewegungsablauf von Bein und Knie orientierte klinische Untersuchung, bei der der Arzt einer Vorschädigung durch vorsichtiges Vorgehen Rechnung tragen und die Frage der Instabilität mit einfachen Mitteln abklären kann.
7b) Ein unvorsichtiges Vorgehen des Beklagten bei der Untersuchung lässt sich nicht feststellen. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass der Beklagte den am 11.5.2009 im E-Krankenhaus L diagnostizierten und am 14.5.2009 operativ versorgten Bruch des Oberschenkelknochens verursacht hat. Dies gilt auch dann, wenn man den in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen streitigen Vortrag des Klägers als wahr unterstellt, dass der orthopädische Techniker A am 23.4.2009 Hämatome am Bein des Klägers wahrgenommen habe.
8Das Verhalten des Klägers nach dem 21.4.2009 spricht entscheidend gegen einen bereits an diesem Tag verursachten Bruch. Wie der Sachverständige Prof. Dr. X dargelegt hat und ohne weiteres nachvollziehbar ist, wäre ein Bruch mit Schmerzen einhergegangen und hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass der Kläger nicht mehr eigenständig voll belastend hätte laufen können. Unstreitig hat der Kläger die Praxis des Beklagten jedoch ohne Hilfe verlassen und sich in den folgenden Wochen zunächst weder beim Beklagten noch bei einem anderen Arzt wegen Schmerzen im Knie vorgestellt. Obwohl die am 21.4.2009 erhobenen Untersuchungsbefunde vom Beklagten ausführlich dokumentiert worden sind, enthalten dessen Behandlungsunterlagen zudem keinen Hinweis auf die Äußerung von Schmerzen. In die Behandlung des Dreifaltigkeits-Krankenhauses Köln hat der Kläger sich sodann erst am 11.5.2009 – das heißt fast drei Wochen später – begeben.
9Im Hinblick auf die angesichts der Vorschädigung des Knies bestehende Möglichkeit spontaner Brüche durch Bagatellereignisse ist es daher konkret denkbar, dass die Fraktur des Oberschenkels nicht am 21.4.2009, sondern zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten ist. Hämatome, wie sie der Kläger für den 23.4.2009 behauptet und unter Beweis gestellt hat, sind nach den Darlegungen von Prof. Dr. X lediglich ein gewisses Indiz für einen Bruch. Gegen dieses Indiz streiten die sich aus dem Verhalten des Klägers nach dem 21.4.2009 ergebenden Indizien. Im Übrigen hätte ein Bruch auch zwischen dem 21.4.2009 und dem 23.4.2009 auftreten können. Hämatome als Frakturfolge werden nach den Ausführungen des Sachverständigen innerhalb von Stunden oder zumindest Tagen sichtbar. Auch wenn man die Möglichkeit einer unvollständigen, sich später erweiternden Fraktur einbezieht, auf die der Kläger in der Berufungsbegründung noch verweist, für die sich aber weder aus den Ausführungen des Sachverständigen noch aus den Behandlungsunterlagen Anhaltspunkte ergeben, bleibt eine Entstehung des Bruchs erst nach der Behandlung vom 21.4.2009 konkret denkbar.
102. Ersatzansprüche des Klägers wegen mangelhafter Aufklärung kommen nicht in Betracht.
11Wie der Kläger selbst vorgetragen hat, wünschte er eine Untersuchung im Hinblick auf die Stabilität der Prothese im Bereich des Knies. Dies konnte und durfte der Beklagte dahin verstehen, dass der Kläger mit den in diesem Zusammenhang üblichen nicht invasiven klinischen Untersuchungsmethoden einverstanden war. Hierzu zählt, wie sich aus den Darlegungen von Prof. Dr. X ergibt und dem Senat aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt ist, die Neutral-Null-Methode.
12II. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.
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