Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 20 U 141/12
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Juni 2012 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 48/11 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
3II.
4Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
5Die Klägerin hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihr auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Policenmodells gemäß § 5 a Abs. 1 VVG a.F. wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. November 2002 zustande gekommen. Die Klägerin hat dem Vertragsschluss nicht binnen der vorliegend maßgebenden Frist von 14 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprochen (§ 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 10. März 2010 erklärte Widerspruch war verfristet.
6Nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10 a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
7Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass der Klägerin mit dem Versicherungsschein auch die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen übersandt worden sind .
8Die Widerspruchsbelehrung durch die Beklagte, die im Versicherungsschein enthalten ist, ist - wie der Senat bereits für eine wortgleiche Belehrung entschieden hat (Urt. v. 13. Juli 2012 – 20 U 80/12) - formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie lautet:
9Sie können dem Versicherungsvertrag ab Stellung des Antrags bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen schriftlich widersprechen. Eine Erklärung in Textform, z.B. per Fax oder eMail mit Angabe Ihres Namens, genügt. Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
10Im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben macht die Belehrung dem Versicherungsnehmer ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Daran ändert entgegen der Auffassung der Klägerin die Formulierung „der übrigen Verbraucherinformationen“ nichts.
11Die Belehrung ist auch in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt. Dies fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Verwendung einer hinreichend großen Schrift voraus (vgl. BGH, NJW 2011, 1061). Darüber hinaus muss sich der Belehrungstext in einer nicht zu übersehenden Weise (etwa durch farbliche Gestaltung, größere Buchstaben, Sperrschrift oder Fettdruck) aus dem übrigen Text hervorheben (vgl. BGH, NJW 2009, 3060). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Widerspruchsbelehrung ist in dem 3-seitigen Versicherungsschein durch Fettdruck des gesamten Widerspruchstextes deutlich vom sonstigen Text abgehoben; das gilt entgegen der Ansicht der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Textformatierungen auf den beiden ersten Seiten des Scheins. Die Widerspruchsbelehrung ist zusätzlich deshalb besonders hervorgehoben, weil sie den Schluss des Textes des Versicherungsscheins bildet und unmittelbar über den Unterschriften der für die Versicherung handelnden Personen platziert ist. Damit ist hinreichend gewährleistet, dass sie nicht übersehen wird. An dieser Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 2. Oktober 2010 fest.
12Die Beklagte musste auch den Adressaten des Widerspruchs nicht angeben. Das verlangt § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. – im Gegensatz etwa zu § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB – nicht. Die Angabe einer Faxnummer und einer eMail-Adresse ist im Übrigen selbst nach § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB und nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 VVG n.F. kein zwingend erforderlicher Bestandteil der Widerrufsbelehrung,
13Da die Beklagte die Klägerin mithin über ihr Widerspruchsrecht wirksam belehrt und ihr die notwendigen Vertragsunterlagen mit Zusendung der Versicherungsscheine überlassen hat, hätte die Klägerin das Widerspruchsrecht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen, was vorliegend nicht geschehen ist.
14§ 5 a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 S. 1 VVG a.F. steht im Einklang mit europäischem Recht. Diese Gesetzesbestimmungen stellen sich insbesondere nicht als fehlerhafte Umsetzung der Bestimmungen in Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang II Buchstabe A der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 bzw. Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang III Buchstabe A der die erstgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 dar.
15Die Richtlinienbestimmungen führen aus: „Vor Abschluss des Versicherungsvertrages sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang .. (II nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96 EWG bzw. III nach Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG) Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen.“ In dem jeweils genannten Anhang werden sodann die erforderlichen Angaben im Einzelnen aufgeführt.
16Diesen Anforderungen wird § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a.F. inhaltlich gerecht. Soweit er die Übermittlung der Verbraucherinformation nach § 10 a Abs. 1 VAG a.F., in dem die Angaben aus den Anhängen der Richtlinien übernommen worden sind, nicht zwingend bis zur Antragstellung verlangt, bleibt der Vertrag bis zum Ablauf einer vierzehntägigen Widerspruchsfrist nach Überlassung der Unterlagen schwebend unwirksam (vgl. dazu Senat, VersR 2011, 245 und 248 sowie RuS 2011, 216; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837 ff.; OLG Frankfurt, VersR 2005, 631 ff.). Diese rechtliche Konstruktion gewährleistet, dass eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers richtlinienkonform erst nach der gebotenen Verbraucherinformation eintritt (Senat, aaO).
17Ob die Übereinstimmung des Policenmodells mit Europäischem Recht im Hinblick auf die Jahresfrist des § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. anders zu beurteilen wäre, mag dahingestellt bleiben. Diese Regelung greift hier nicht ein.
18Soweit die Klägerin erstmals in der Berufung geltend macht, ihr sei ein zu geringer Rückkaufswert ausgezahlt worden, und insoweit hilfsweise eine Stufenklage erhoben hat, kann sie damit schon aus prozessualen Gründen nicht durchdringen. Ein solcher Anspruch war erstinstanzlich nicht geltend gemacht worden. Es liegt mithin eine zweitinstanzliche Klageänderung in Form einer Klageerweiterung mit Einführung eines neuen Streitgegenstandes vor. Diese ist nach § 533 ZPO ohne Einwilligung des Gegners unzulässig; es liegt auch keine Sachdienlichkeit vor und die Klageänderung ist zudem nicht auf Tatsachen gestützt, die ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen wären. Darauf, ob das Vorbringen nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet ist oder nicht, kommt es nicht an.
19Darüber hinaus stünde der Klägerin – was sie mit der Klageerweiterung augenscheinlich geltend machen will – auch kein über den tatsächlich ausgekehrten Rückkaufswert hinausgehender Mindestrückkaufswert zu. Bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung ist davon auszugehen, dass die Summe der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals wegen des Abzugs von Risikoanteilen und laufenden Verwaltungskosten stets geringer als die Hälfte der gezahlten Prämien ist (vgl. BVerfG NJW 2006, 1783 ff.). Vorliegend hat die Klägerin indes gut 61% der von ihr eingezahlten Prämien als Rückkaufswert erhalten.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
21Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; die Zulassung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Frage der Europarechtskonformität des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist vorliegend nicht entscheidungserheblich.
22Berufungsstreitwert: 6.450,01 €
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