Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 7 SchH 5/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des beklagten Landes durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor das beklagte Land Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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T a t b e s t a n d :
3Der Kläger begehrt mit der Klage Zahlung einer angemessenen Entschädigung gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG („Mindestvorstellung 11.400 €“) wegen einer aus seiner Sicht unangemessenen Dauer des familiengerichtlichen Verfahrens Amtsgericht Aachen 221 F 168/07.
4In jenem Verfahren stellte er am 12.04.2007 beim zuständigen Amtsgericht Aachen einen Antrag auf Regelung des Umganges mit seinen drei - seinerzeit - sämtlich minderjährigen Halbgeschwistern, die bei der Mutter lebten. Die Geschwister waren nach der Trennung der Eltern getrennt worden, die Mutter verweigerte jeglichen Umgang.
5Der Kläger trägt vor, erst am 06.10.2010, also knapp 3 ½ Jahre nach Antragstellung, habe „eine erste (und die einzige) mündliche Verhandlung“ in der Angelegenheit vor dem Amtsgericht Aachen stattgefunden, sein Antrag sei am 30.12.2010 zurückgewiesen worden, die Untätigkeitsbeschwerde vom 26.06.2007 sei am 23.07.2007 zurückgewiesen worden. Zahlreiche weitere Untätigkeitsbeschwerden seien gefolgt, das Verfahren sei keinesfalls gefördert und auch nur ansatzweise im Rahmen eines ordentlichen familienrechtlichen Verfahrens geführt worden, das zuständige Amtsgericht Aachen sei schlichtweg untätig gewesen. Das streitgegenständliche Umgangsverfahren habe keine komplexen Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, die lange Verfahrensdauer habe keinesfalls daraus resultiert, dass umfangreiche Sachverständigengutachten eingeholt worden wären.
6Der Kläger vertritt die Ansicht, die Dauer des familiengerichtlichen Verfahrens sei unangemessen lang gewesen und zwar ausgehend von der Annahme, dass ein durchschnittliches Umgangsverfahren in der Regel 6,8 Monate gemäß der Sonderauswertung des statistischen Bundesamtes zur Familiengerichtsstatistik dauere. Er verweist also diesbezüglich auf eine Verzögerung von 38 Monaten.
7Der Kläger beantragt,
8das beklagte Land Nordrhein-Westfalen zu verurteilen, an ihn eine in das Ermessen des Gerichts gestellte angemessene Entschädigung als Wiedergutmachung für die überlange Dauer des vor dem Amtsgericht Aachen zum Aktenzeichen 221 F 168/07 in der Zeit vom 12.04.2007 bis 30.12.2010 geführten Verfahrens nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31.12.2010 zu zahlen.
9Das beklagte Land beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Das beklagte Land führt an, der klägerische Vortrag sei rudimentär, jedenfalls, soweit überhaupt erfolgt, aber auch unzutreffend, da beispielsweise schon am 23.11.2007 eine Anhörung der minderjährigen Kinder in mündlicher Verhandlung stattgefunden habe (Bl. 86 ff. GA), in der von diesen die Vorbehalte gegen eine Umgangsregelung mit dem Kläger wiederholt worden seien; auch habe das Jugendamt im streitgegenständlichen Ausgangsverfahren nicht berichtsweise am 30.05.2007 - wie noch mit der Klage behauptet - Umgangskontakte angeregt, sondern in dem diesbezüglich allein maßgeblichen Bericht vom 10.07.2007 (Bl. 81 GA) die Bestellung einer Verfahrenspflegschaft für die minderjährigen Kinder vorgeschlagen, was dann auch geschehen sei. Nach einer ersten Anhörung sei am 18.09.2008 in der Hauptsache durch das Amtsgericht entschieden worden. Auf Grund eines neuen Sachantrages des Klägers vom 14.10.2008 sei das Verfahren fortgesetzt und nach mündlicher Verhandlung vom 06.10.2010 durch Beschluss vom 07.12.2010 abschließend entschieden worden. Im Übrigen beschränkt sich das beklagte Land auch darauf, auf Besonderheiten des Verfahrens hinzuweisen, etwa darauf, dass auch über Prozesskostenhilfeanträge und Anträge im einstweiligen Rechtsschutz zu entscheiden gewesen sei (was angemessen zeitnah etwa am 13.08.2007 bzw. am 17.12.2007 erfolgt sei) bzw. darauf, dass der Kläger - ohne hinreichende Veranlassung, da erfolglos - im Laufe des Verfahrens drei Befangenheitsanträge, 7 Untätigkeitsbeschwerden und drei Verfassungsbeschwerden und eine Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben habe.
12Wegen aller weiteren Einzelheiten des beidseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
13Die Akten 221 F 168/07 Familiengericht Aachen sind beigezogen worden und wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15Die Klage ist unbegründet. Es fehlt schon an einem schlüssigen Klagevorbringen, da klägerseits substantiiert zu den Umständen des als „überlang andauernd“ gerügten familiengerichtlichen Verfahrens nicht vorgetragen ist.
16Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Von einer generellen zeitlichen Festlegung, ab wann ein Verfahren angemessen lange dauert, hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen, weil die Zügigkeit eines Verfahrens kein absoluter Wert ist, sondern stets im Zusammenspiel mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen und dem Interesse des Gerichts an einer gründlichen Bearbeitung zu sehen ist (vgl. Bundestagsdrucksache 17/3802, Seite 18). Gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor dem Landgericht im ersten Rechtszug entsprechend anzuwenden. Daraus folgt, dass dem Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast für eine unangemessene Verzögerung trifft (so zu Recht Wittschier in Musielak ZPO, 9. Aufl., 2012, § 201 GVG Rn. 8, vgl. auch Baumbach-Lauterbach/Hartmann ZPO, 70. Aufl., § 201 GVG Rz. 10). Für einen schlüssigen Klagevortrag kann demzufolge allein die Gegenüberstellung einer aufgrund von statistischen Erhebungen als regelmäßig anzusehenden Verfahrensdauer mit der tatsächlichen Verfahrensdauer nicht ausreichen. Vielmehr müsste der Kläger die Tatsachen, die eine unangemessene Dauer gerade des Verfahrens des Amtsgerichts Aachen 221 F 168/07 begründen sollen, nachvollziehbar vortragen. Hieran fehlt es jedoch beim Sachvortrag des Klägers, in dem mehr oder weniger willkürlich und zusammenhanglos einzelne Geschehnisse aus dem Verfahren – teilweise in verzerrter Darstellung - herausgegriffen werden, die ohne Darlegung des übrigen Verfahrenslaufes jedoch eine überlange Verfahrensdauer – auch in Hinblick auf die von Beklagtenseite demgegenüber angeführten Umstände - nicht begründen können.
17Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 14.02.2012 (Bl. 106 ff. GA), Eingang bei Gericht per Fax am 14.02.2013, näher den Ablauf des Ausgangsverfahrens darlegt, so war dies, da nicht unter den in der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2013 bewilligten Schriftsatznachlass, der nur in Bezug auf neues tatsächliche Vorbringen im Schriftsatz des beklagten Landes vom 07.01.2013 gewährt worden war, fallend, nicht zu berücksichtigen (vgl. § 296a ZPO). Zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht kein Anlass. Mit der Klagerwiderung hatte das beklagte Land zu Recht die im Ergebnis durchgreifenden Schlüssigkeitsbedenken erhoben und u.a. unter richtigem Verweis auf den Gesetzeswortlaut des § 198 Abs. 1 GVG, der auf die Umstände des Einzelfalles abstellt, angeführt, dass „hierzu“ der Kläger „nichts“ vortrage. Ein solcher Vortrag wäre deshalb von Seiten des Klägers in der ausdrücklich unter richterlicher Fristsetzung erbetenen Replik zu machen gewesen. Soweit der Kläger darauf verweist, ihm seien die Akten des Ausgangsverfahren trotz mehrfacher Bitte nicht übersandt worden, so veranlasst auch dies keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Dem Kläger muss als damaligem Verfahrensbeteiligten jedenfalls der äußere, zunächst darzulegende Gang des Ausgangsverfahrens bekannt sein, den er, da klagebegründend vorzutragen hat. Angesichts dessen ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, dass er, wie er ausführt, „naturgemäß“ keine Kenntnis davon hat, welche Umstände das Ausgangsgericht dazu bewogen hat, „seine Anträge nicht weiter zu verfolgen“.
18Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
19Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.
20Streitwert: 11.400,00 €
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