Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 8 U 58/12
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27.09.2012 – 2 O 149/11 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.606,94 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 20.03.2009 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 15,00 € und Inkassokosten in Höhe von 96,45 € zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Der Kläger, der die Beklagte auf Zahlung restlicher Vergütung in Anspruch nimmt, war langjähriger Steuerberater der Beklagten, die unter der Fa. X C eine Friedhofsgärtnerei nebst Blumenfachgeschäft in M betrieb. Die 1947 geborene Beklagte trug sich 2006 mit dem Gedanken, ihren Betrieb auf ihren Sohn, Herrn N T junior, zu übertragen. Im Juni 2006 kam es zu ersten Besprechungen mit dem Kläger über die Frage der optimalen steuerlichen Gestaltung einer Betriebsübertragung. Mit Schreiben vom 26.10.2006 fasste der Kläger die Überlegungen aus seiner Sicht zusammen. Nach weiteren Besprechungen am 16.11.2006 und 05.01.2007 bestätigte der Kläger mit Schreiben vom 09.01.2007, dass sich die Beklagte und ihr Sohn für die Veräußerung des Geschäfts entschieden hätten und er auftragsgemäß die steuerliche Variante „Übernahme mit Stumpf und Stiel“ berücksichtigen werde. Die Beklagte übergab den Betrieb Mitte Januar 2007 an ihren Sohn und unterzeichnete mit diesem einen vom Kläger vorbereiteten und auf den 15.01.2007 datierten Kaufvertrag, der eine Übernahme von Aktiva und Passiva zum 16.01.2007 vorsah. Zusätzlich verpflichtete sich der Sohn zur Zahlung einer monatlichen Rente von 2.500,00 €.
4Der Kläger entwarf im Februar 2009 die Steuererklärung der Eheleute T für das Jahr 2007, wobei er in der Anlage GSE der Beklagten einen Veräußerungsgewinn von 179.171,00 € eintrug. Dieser Betrag entsprach dem negativen Kapitalkonto des Betriebs zum Stichtag 16.01.2007. Der Kläger reichte die Erklärung im April 2009 unter Beifügung des Kaufvertrages beim Finanzamt ein.
5Der Kläger rechnete seine Leistungen am 18.02.2009 in Höhe von insgesamt 1.651,00 € ab. Die Beklagte leistete eine Teilzahlung von 44,06 €. Der Differenzbetrag von 1.606,94 € ist Gegenstand der Klage.
6Die Beklagte mandatierte zu Beginn des Jahres 2009 als neuen Steuerberater Herrn C2. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass dem Sohn der Beklagten die vertraglich vereinbarte Versorgungsleistung wirtschaftlich nicht mehr zumutbar sei. Die Zahlungen an die Eltern sollten auf 1.000,00 € reduziert werden und in Gestalt von Arbeitslohn erfolgen. Herr C2 ließ sich vom Sohn der Beklagten die Vertragsurkunde aushändigen. Die Versorgungsregelung wurde gestrichen. Den geänderten Vertrag übersandte er sodann dem Finanzamt.
7Dieses setzte mit Bescheid vom 08.12.2009 Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer der Eheleute T für 2007 fest, wobei sich ein Zahlbetrag von 19.198,15 € ergab. Der Festsetzung lag insbesondere der für die Betriebsübertragung deklarierte Veräußerungsgewinn von 179.171,00 € zugrunde. Die Beklagte legte gegen den Bescheid, der dem Steuerberater C2 übersandt worden war, kein Rechtsmittel ein. Nachfolgend wurde der Bescheid mehrfach abgeändert, zuletzt mit Bescheid vom 25.05.2011. Wegen der Änderungen im einzelnen wird auf die zu den Akten gereichten Ablichtungen der Bescheide Bezug genommen.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.606,94 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 20.03.2009 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 15,00 € zu zahlen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Widerklagend hat sie beantragt,
131. den Kläger zu verurteilen, an sie 4.523,40 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen;
142. den Kläger zu verurteilen, sie von ihrer Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt M gemäß Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 25.05.2011 in Höhe von noch 14.373,26 € freizustellen;
153. festzustellen, dass der Kläger sie von weiteren Säumniszuschlägen in Betreff auf die Steuerschuld aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 ab Juni 2011 freizustellen hat.
16Der Kläger hat beantragt,
17die Widerklage abzuweisen.
18Mit der Widerklage, die dem Kläger am 04.04.2011 zugestellt worden ist, hat die Beklagte Schadensersatz wegen der für 2007 festgesetzten Steuern verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger pflichtwidrig gehandelt habe, als er bei der Fertigung der Steuererklärung fehlerhaft einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn deklariert habe. Im Umfang der Klageforderung hat sie den Schadensersatzbetrag zur Aufrechnung gestellt und ihn im Übrigen zum Gegenstand der Widerklage gemacht.
19Demgegenüber hat der Kläger behauptet, dass die von ihm gefertigte Steuererklärung den Vorgaben der Beklagten entsprochen habe. Im Rahmen der Besprechungen habe er diese eingehend über die verschiedenen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten und deren Konsequenzen belehrt. Die Beklagte habe sich für die Übertragung aller Aktiva und Passiva („mit Stumpf und Stiel“) entschieden, da diese eine überschaubare steuerliche Belastung ihrerseits und erhebliche Abschreibungsmöglichkeiten für ihren Sohn habe erwarten lassen. Hilfsweise hat er die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den Schaden selbst verursacht, indem sie gegen die Steuerfestsetzung keine Rechtsmittel eingelegt habe.
20Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage überwiegend stattgegeben. Die Beklagte habe zu Recht gegen die unstreitige Honorarforderung des Klägers mit einem Schadenersatzanspruch aus Schlechterfüllung des Steuerberatungsvertrages in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe aufgerechnet. Der Kläger habe in der Steuererklärung 2007 zu Unrecht einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 179.171,00 € deklariert. Ein solcher Gewinn sei tatsächlich nicht angefallen, weil laut dem Schreiben des BMF vom 13.1.1993 Betriebsübertragungen, die mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge unter Lebenden vorgenommen werden, als ganz oder teilweise unentgeltliche Geschäfts zu behandeln seien. Die übernommenen betrieblichen Verbindlichkeiten seien in diesem Zusammenhang nicht als Veräußerungsentgelt zu behandeln. Für eine unentgeltliche Übertragung spreche bei Übertragungen unter Familienangehörigen eine widerlegbare Vermutung. Da der Kläger die Beklagte nicht ordnungsgemäß über die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten belehrt hätte, greife die Behauptung des Klägers, er habe auf Weisung der Beklagten gehandelt, nicht durch. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger gegenüber der Beklagten die sich aus dem BMF- Schreiben ergebende Möglichkeit der unentgeltlichen Betriebsübertragung richtig dargestellt hätte. Dies führt das Landgericht im Einzelnen näher aus. Das Vorbringen des Klägers im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.7.12, dass Gegenstand der Erörterungen am 5.1.07 auch eine von der Beklagten letztlich nicht gewünschte steuerneutrale Übertragung des Unternehmens gewesen sei, rechtfertige keine andere Beurteilung und damit auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Die Beklagte treffe auch kein Mitverschulden, weil sie gegen den Steuerbescheid keinen Einspruch eingelegt hätte. Ein Verschulden ihres zweiten Steuerberaters, dem der Bescheid übersandt worden sei, sei ihr auch nicht zuzurechnen, da nicht ersichtlich sei, dass dieser Steuerberater damit beauftragt worden wäre, die Folgen eines pflichtwidrigen Verhaltens des Vorberaters zu beseitigen.
21Mit der am 30.10.2012 eingelegten Berufung wendet sich der Kläger gegen die Berechtigung des vom Landgericht zuerkannten Schadenersatzanspruchs sowie die unterlassene Berücksichtigung der geltend gemachten Inkassokosten (96,45 €). Er ist der Auffassung, dass die Erstellung der Steuererklärung des Jahres 2007 nicht fehlerhaft erfolgt sei, weil der Kläger genau das erklärt habe, was dem Willen der Beklagten und ihres Sohnes in den vorangegangenen Gesprächen entsprochen habe. Das Landgericht hätte zur Begründung einer Pflichtverletzung nicht auf die Deklaration in der Steuererklärung, sondern allenfalls auf mögliche Fehler, die dem Kläger im Zusammenhang mit der Beratung der Beklagten unterlaufen wären, abstellen müssen. Dies hätte dann dazu geführt, dass im Rahmen der Prüfung der Kausalität hätte geklärt werden müssen, für welche Gestaltung sich die Beklagte und ihr Sohn entschieden hätten. Das Landgericht habe den vorliegenden Sachverhalt steuerlich unzutreffend beurteilt. Es habe bei der Beurteilung der streitgegenständlichen Betriebsübergabe nicht berücksichtigt, dass die dem Schreiben des BMF zugrundeliegende Rechtsprechung überholt sei. Die Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG und der Grundsätze des BMF-Schreibens über die vorweggenommene Erbfolge setze bei einem übertragenen Vermögensgegenstand des Betriebsvermögens mit negativem Kapitalkonto regelmäßig voraus, dass mit dem Vermögensgegenstand erhebliche stille Reserven übertragen werden und die Fortführung des Unternehmens ggf. nach Umstrukturierung eine Gewinnchance zulässt. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Aus diesem Grunde sei die steuerliche Deklaration jedenfalls nicht unrichtig, sondern vertretbar. Der Beklagten sei es darauf angekommen, von den aus dem Betrieb resultierenden Verbindlichkeiten befreit zu werden und der Sohn der Beklagten habe diese nur übernehmen wollen, wenn er durch die Abschreibung eines Veräußerungsgewinns steuerliche Einsparmöglichkeiten erzielen würde. Für die von dem Kläger beratene Familie sei es deutlich günstiger gewesen und damit das erstrebte steuerliche Gestaltungsziel, die Übertragung als entgeltlichen Vorgang zu gestalten, weil die Beklagte aufgrund ihres Alters dem ermäßigten Steuersatz des § 16 Abs. 3 EStG unterfiel, während sich die Steuerersparnisse bei ihrem Sohn aufgrund der Abschreibungsmöglichkeiten mit dem vollen Steuersatz auswirkten. Der Kläger habe die Beklagte auch zutreffend beraten; dies ergebe sich auch aus dem Aktenvermerk des Klägers über die Besprechung vom 6.6.2006, die der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten erster Instanz übergeben habe. In der Besprechung vom 16.11.06 habe der Sohn der Beklagten Gewinne im Umfang von 65.000,00 € für realistisch gehalten, woraus sich ein entsprechendes Einsparpotential ergeben hätte. Aufgrund der Steuervorteile habe die Beklagte auf der Variante „Stumpf und Stiel“ bestanden. Die Beklagte habe gewusst, dass den bei ihrem Sohn entstehenden Steuervorteilen eine liquiditätsmäßige Belastung bei ihr gegenüber stehen werde. Die Beklagte hätte sich auch in Kenntnis des Umstandes, dass eine Übernahme der Schulden bei einer Übertragung zu Buchwerten möglich gewesen wäre, nicht für eine Gestaltung entschieden, die die streitgegenständlichen Steuern vermieden hätte. Bei der Schadensberechnung müssten zudem die bei dem Sohn eingetretenen Steuervorteile nach den Grundsätzen der konsolidierten Schadensbetrachtung einbezogen werden mit der Folge, dass die bei der Beklagten eingetretene steuerliche Belastung durch die Steuerersparnisse bei ihrem Sohn kompensiert worden seien.
22Der Kläger beantragt,
23unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 27.9.12 – 2 O 149/11- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.606,94 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 20.03.2009 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 15,00 € und Inkassokosten in Höhe von € 96,45 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.
24Nachdem das Finanzamt mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.3.2013 die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche, Forderungen und Rechte der Beklagten gegen den Kläger aus dem hiesigen Rechtsstreit gepfändet hat, beantragt die Beklagte nunmehr,
25die Berufung zurückzuweisen und das Urteil des Landgerichts Köln mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Klage abgewiesen und der Kläger unter Abweisung der weitergehenden Widerklage verurteilt wird,
261. an das Finanzamt 4.450,75 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.4.2011zu zahlen;
272. an das Finanzamt Leverkusen weitere 14.373,26 € zu zahlen;
283. auf die Widerklage festzustellen, dass der Kläger an das Finanzamt M für den Zeitraum ab Juni 2011 die Säumniszuschläge der Beklagten betreffend die Steuerschuld aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 zu zahlen hat.
29Der Kläger beantragt,
30die Widerklage der Beklagten auch mit den nunmehr gestellten Anträgen abzuweisen.
31Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Der Schadenersatzanspruch sei aufgrund der vom Landgericht Köln festgestellten Pflichtverletzung berechtigt. Bei ordnungsgemäßer Erklärung wäre eine steuerneutrale Abwicklung möglich gewesen durch den Weg der steuerfreien Übertragung zu Buchwerten. In der wirtschaftlichen Situation der Beklagten wäre dies der einzig richtige Rat gewesen, so dass der Grundsatz des beratungskonformen Verhaltens durchgreife.
32Die Beklagte behauptet, dass die Verbindlichkeiten für ihren Sohn keine Rolle gespielt hätten und er auch nicht auf eine entgeltliche Gestaltung bestanden habe, um Abschreibungspotential zu generieren. Der Sohn der Beklagten sei auch nicht Vertragspartner gewesen; eine Beratung unter Berücksichtigung seiner steuerlichen Situation sei weder gewünscht noch geschuldet gewesen. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass etwaige Steuervorteile nicht anzurechnen seien. Sie ist der Ansicht, dass die Inkassokosten nicht mehr geltend gemacht werden könnten, da nach dem Tatbestand des Urteils ein solcher Antrag gar nicht gestellt worden sei.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 23.05.2013 nach Hinweis des Senats vorgelegten Steuerbescheide des Sohnes der Beklagten aus den Jahren 2007 bis 2010 Bezug genommen.
34II.
35Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist begründet.
36Die Klage ist begründet, die Widerklage ist unbegründet. Dem Kläger steht der streitgegenständliche Vergütungsanspruch gegen die Beklagte zu; der Beklagten steht demgegenüber kein Schadenersatzanspruch wegen steuerlicher Fehlberatung gegen den Kläger zu. Demzufolge war das landgerichtliche Urteil abzuändern, die Klageforderung zuzusprechen und die Widerklage abzuweisen.
371. Die Klage ist begründet.
38a. Die Klageforderung in Höhe von 1.606,94 € steht dem Kläger als Entgelt für die von ihm erbrachte Tätigkeit, nämlich Erstellung der Einkommenssteuererklärung 2007 für die Beklagte und ihren Ehemann, zu. Gegen die auf der Grundlage der beiden Rechnungen des Klägers vom 18.2.2009 erfolgte Abrechnung der beauftragten Tätigkeit bestehen keine Bedenken.
39b. Der Vergütungsanspruch ist nicht durch die von der Beklagten geltend gemachte Aufrechnung mit einer Gegenforderung gemäß § 389 BGB untergegangen. Denn der Beklagten steht gegen den Kläger kein Anspruch auf Schadenersatz wegen Schlechterfüllung des Steuerberatungsvertrages aus §§ 611, 280 BGB zu, mit dem sie wirksam gegen die Klageforderung hätte aufrechnen können gemäß §§ 387 ff BGB.
40aa. In Übereinstimmung mit dem Landgericht Köln ist allerdings von einer Pflichtverletzung des Klägers auszugehen. Er hat die Beklagte nicht ausreichend und vollständig über die in Betracht kommenden Möglichkeiten zur Gestaltung des Betriebsübergangs auf ihren Sohn beraten. Insbesondere hat er die Klägerin nicht über die Möglichkeit beraten, den Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf den Sohn zu übertragen. Aufgrund des vom Landgericht festgestellten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass der Kläger zu einer umfassenden und auch diese Gestaltungsform umfassenden Beratung verpflichtet war. Er ist nämlich von der Beklagten beauftragt worden, sie bezüglich der optimalen steuerlichen Gestaltung der Übertragung des Betriebes auf ihren Sohn zu beraten. Eine solche umfassende, auch die Gestaltungsmöglichkeit der „unentgeltliche Betriebsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ einbeziehende Beratung hat der Kläger nicht erbracht. Da die angefallene Steuerlast, die wegen des deklarierten Veräußerungsgewinns entstanden ist, vermieden worden wäre, wenn statt der von dem Kläger vorbereiteten Variante einer entgeltlichen Betriebsübertragung eine unentgeltliche Betriebsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorgenommen worden wäre, hätte die Beratung über diese Gestaltungsform auch zum Pflichtenprogramm des Klägers gehört. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob für die Bejahung der Pflichtverletzung auf die falsche Deklaration in der Steuererklärung oder auf eine falsche Beratung der Beklagten durch den Kläger abzustellen ist. Denn der Kläger kann sich, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, für die Vornahme der Besteuerung nur dann auf eine entsprechende „Weisung“ oder „Vorgabe“ der Beklagten berufen, wenn die für die Besteuerung maßgebliche Entscheidung der Beklagten, den Betrieb mit „Stumpf und Stiel“ zu übertragen und damit eine entgeltliche Übertragung vorzunehmen, auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Beratung durch den Kläger getroffen worden wäre. Das war nicht der Fall.
41Wer einen Steuerberater wegen fehlerhafter und unzureichender Beratung in Anspruch nimmt, hat die behauptete Pflichtverletzung darzulegen und zu beweisen (BGH NJW 1996, 2571; OLG Düsseldorf GI 2002, 241). Besteht die Pflichtverletzung in einem Unterlassen, das heißt einer versäumten Aufklärung durch den Steuerberater, bestehen naturgemäß Schwierigkeiten mit dieser negativen Beweisführung. Die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden. Daher hat der Steuerberater zunächst seinerseits im Einzelnen darzulegen, in welcher Weise er die Belehrung vorgenommen haben will (BGH a.a.O.). Er darf sich nicht damit begnügen zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern, insbesondere konkrete Angaben darüber machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie der Mandant darauf reagiert hat (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl. Rndr. 336 m.w.N.).
42Die Beklagte hat eine Pflichtverletzung des Klägers ausreichend dargelegt, weil auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien davon auszugehen ist, dass der Kläger sie nicht ausreichend darüber informiert hat, dass eine unentgeltliche Übertragung des Betriebes inklusive Aktive und Passiva im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Belastung mit Einkommenssteuer und Gewerbesteuer vermieden worden wäre. Zutreffend hat das Landgericht Köln unter Bezugnahme auf das Schreiben des BMF vom 13.1.1993 ausgeführt, dass bei Vermögensübertragungen zwischen Angehörigen eine widerlegbare Vermutung dafür spreche, dass das Vermögen aufgrund einer Schenkung und damit unentgeltlich übergehen soll (ständige Rechtsprechung, BFH Beschluss in BFHE 161, 317; BFH 10.3.1998 VIII R 76/96; BFH Urteil vom 21.4.1994 IV R 70/92). Eine Besteuerung der „Verbindlichkeiten“ als „Veräußerungsgewinn“ wäre bei dieser Gestaltungsform nicht erfolgt, weil bei der Übertragung eines Betriebes die übernommenen Verbindlichkeiten kein Veräußerungsentgelt und keine Anschaffungskosten darstellen; dies gilt auch bei einem negativen Kapitalkonto ( vgl. Ziffer 30 des Schreibens des BMF vom 13.1.1993; BFH Urteile vom 23.4.1971). Gegenleistungen, die die Annahme eines Veräußerungsgewinns unter Einschluss des negativen Kapitalkontos begründen könnten (z.B. Vereinbarung eines Gleichstellungsgeldes, Abstandszahlungen, Übernahme privater Verbindlichkeiten etc.), sind unstreitig nicht vereinbart worden. Vereinbarte Rentenzahlungen wie im vorliegenden Fall sind bei Betriebsübertragungen unter nahen Angehörigen kraft Vermutung als private Versorgungsleistungen und nicht als Gegenleistung anzusehen.
43Den insoweit zutreffenden Feststellungen des Landgerichts ist zu entnehmen, dass bereits nach dem eigenen Vorbringen des Klägers eine Beratung über die Möglichkeit einer unentgeltlichen Betriebsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gemäß dem Schreiben des BMF vom 13.1.1993 nicht erfolgt ist. Hierfür spricht auch das gesamte Vorbringen des Klägers zum Gang der Beratung. Bei der konkreten Sachlage hätte sich eine Beratung über diese Gestaltungsform allerdings aufgedrängt. Die Beklagte ist 1947 geboren, sie will ihre Tätigkeit aufgeben und den Betrieb durch den Sohn fortführen lassen. Aufgrund der engen familiären Verbundenheit der Mandantin zu ihrem Sohn war die Möglichkeit der unentgeltlichen Betriebsfortführung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von dem Kläger von sich aus in Betracht zu ziehen. An diese Möglichkeit hatte der Kläger jedoch offensichtlich gar nicht gedacht. Dies geht aus seinen Darlegungen, in denen er erstinstanzlich den Verlauf der Gespräche und die möglichen Gestaltungsformen beschrieben hat, hervor. In der mündlichen Verhandlung beim Landgericht hat er eindeutig erklärt, dass eine steuerneutrale Übernahme der Aktiva und Passiva nicht möglich sei. Bei seinen Vorstellungen ging er immer in von einer entgeltlichen Übertragung aus. Ganz deutlich tritt dies im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 5.9.12 zu Tage. Denn dort erklärt er ausdrücklich, dass es sich vorliegend nicht um einen Fall der vorweggenommenen Erbfolge handeln würde. Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger nicht mitgeteilt habe, den Betrieb an den Sohn zu schenken, spielt für die Beratung durch den Steuerberater in der vorliegenden Konstellation jedoch keine Rolle. Der Kläger sollte die steuerliche optimale Beratung der Betriebsübertragung leisten. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Zu der optimalen Beratung hätte dann auch der Hinweis auf die unentgeltliche Betriebsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gehört, da die Steuerlast hierdurch entfallen wäre. Ein Beratungsfehler liegt damit eindeutig vor.
44(1) Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, dass eine Pflichtverletzung schon deswegen ausscheide, weil genau das der Besteuerung zugrunde gelegt worden sei, was die Parteien gewollt haben, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Erklärung der Beklagten beruht gerade auf der vorangegangenen, nicht vollständigen Beratung des Klägers. Soweit der Kläger mit der Berufung sein Vorbringen auf neuen, von der Beklagten bestrittenen Vortrag bei der Schilderung der Ausgangssituation der erfolgten Beratungsgespräche stützt, ist dieses Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr zuzulassen, da es schon in erster Instanz hätte vorgetragen werden können.
45(2) Gleiches gilt für den nunmehr erstmalig vorgelegten Aktenvermerk vom 6.6.06, mit dem der Kläger versucht darzulegen, dass er auch über diese unentgeltliche Übertragungsform beraten hätte. Der Kläger trägt vor, dass es mehrfach „missverständlich“ formuliert worden sei, was die Übernahme auch der Passiva durch den Sohn der Beklagten angeht. Da dieser Umstand allerdings in erster Instanz auch in der mündlichen Verhandlung mehrfacht erörtert und Gegenstand der Schriftsätze war, ist von dem Sachverhalt auszugehen, den das Landgericht im Tatbestand zugrunde gelegt hat; der Inhalt des erst jetzt vorgelegten Aktenvermerks, der gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO auch nicht mehr zuzulassen ist, hat unberücksichtigt zu bleiben.
46(3) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landgericht Köln den vorliegenden Sachverhalt auch nicht steuerlich unzutreffend beurteilt, weil es die Möglichkeit einer unentgeltlichen Betriebsübertragung nach den Grundsätzen der vorweggenommenen Erbfolge in Betracht gezogen hat. Nach dem Urteil des BFH vom 10.3.1998 spricht bei Vermögensübertragungen zwischen Angehörigen eine widerlegbare Vermutung für die Unentgeltlichkeit der Übertragung. Diese Vermutung ist nicht begrenzt auf die Frage der Bewertung der Gegenleistung als entgeltlich, unentgeltlich oder teilentgeltlich. Entgegen der Auffassung des Klägers war eine Bewertung der Leistung und Gegenleistung der streitgegenständlichen Betriebsübergabe nicht erforderlich, um von einer unentgeltlichen Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ausgehen zu können. Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es vorliegend der Bewertung der erbrachten „Leistungen“ nicht, weil eben weder die Versorgungszusage noch die Übernahme der betrieblichen Verbindlichkeiten als Veräußerungsentgelt anzusehen sind (vgl. BMF-Schreiben vom 13.1.1993 Rn. 31).
47(4) Zu folgen ist dem Kläger auch nicht in seiner Argumentation, dass aufgrund des Vorliegens eines negativen Kapitalkontos unter Berücksichtigung der nach dem Schreiben des BMF ergangenen Entscheidung des BFH vom 10.3.1998 die Grundsätze des BMF-Schreibens über die vorweggenommene Erbfolge bei einem übertragenen Vermögensgegenstand des Betriebsvermögens mit negativem Kapitalkonto nicht anwendbar seien, weil dies regelmäßig voraussetze, das mit dem Vermögensgegenstand erhebliche stille Reserven übertragen werden und die Fortführung des Unternehmens ggfl. nach Umstrukturierung eine Gewinnchance zulasse. Eine solche einschränkende Auslegung lässt sich dem vom Kläger zitierten Urteil des BFH nicht entnehmen. In dem Urteil, das sich auf die Übertragung eines Mitunternehmeranteils bezieht, ist vielmehr zunächst dargestellt, dass eine unentgeltliche Übertragung auch bei Übernahme eines negativen Kapitalkontos in Betracht kommt. Für eine unentgeltliche Übertragung spreche bei Angehörigen eine widerlegbare Vermutung, insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Im folgenden ist in dem Urteil dann ausgeführt, dass dieser Beurteilung gerade nicht entgegensteht, dass regelmäßig eine Schenkung eines Gesellschaftsanteils nicht in Betracht komme, wenn dieser keinen Vermögenswert mehr verkörpert. Für diesen Fall weise ein Ausscheiden eines Gesellschafters darauf hin, dass er sein Engagement im verlustbringenden Betrieb beenden wolle. Davon könne aber bei einer Übertragung des Anteils im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aber gerade nicht ausgegangen werden. Das heißt, dieser Satz bezieht sich darauf, dass keine Betriebsaufgabe vorliegt, die von der vorweggenommenen Erbfolge abzugrenzen ist. Wenn es daran anschließend heißt, dass dies jedenfalls dann gilt, wenn das Gesellschaftsvermögen erhebliche stille Reserven enthält und die Fortführung des Unternehmens durch den verbleibenden Gesellschafter den Schluss zulasse, dass der Anteil noch eine Gewinnchance repräsentiert, dann dürfte sich diese Einschränkung auf die Abgrenzung der Betriebsaufgabe zur Fortführung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge beziehen. Bei letzterer ist per se davon auszugehen, dass der Betrieb fortgeführt wird. Die Einschränkung heißt aber nicht, dass eine Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bei negativem Kapitalkonto an weitere Voraussetzungen geknüpft wird, um als unentgeltlich angesehen zu werden. Durch die spätere Entscheidung des BFH sind die Grundsätze des Schreiben des BMF vom 13.1.1993 daher nicht eingeschränkt worden.
48bb. Für die Entscheidung ist allerdings davon auszugehen, dass die Pflichtverletzung des Klägers zu keinem Schaden der Beklagten geführt hat, auf den sie einen Schadenersatzanspruch gegen den Kläger stützten könnte. Für die Entscheidung kann auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien nicht davon ausgegangen werden, dass es bei einer pflichtgemäßen, d.h. vollständigen Beratung durch den Kläger zu einer unentgeltlichen Übertragung des Betriebes im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gekommen wäre. Der Grundsatz der Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens greift nach Auffassung des Senats vorliegend nicht ein. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Beklagte bei entsprechender Beratung für die Gestaltungsform der vorweggenommene Erbfolge entschieden hätte, bleibt offen, ob ihr Sohn als Erwerber bzw. Übernehmer des Betriebes diese Gestaltung überhaupt mitgemacht hätte. Dass der Sohn der Beklagten betriebliche Verbindlichkeiten übernommen hätte, ohne über die Möglichkeit zu verfügen, diese entsprechend abzuschreiben, davon kann nach Auffassung des Senats nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Einer näheren Aufklärung dessen, was die Parteien tatsächlich bei ordnungsgemäßer Beratung gemacht hätten, bedurfte es auf der Grundlage der von den Parteien angebotenen Beweise jedoch nicht. Denn für die Entscheidung ist davon auszugehen, dass der Beklagten durch die fehlerhafte Beratung jedenfalls im Ergebnis kein erstattungsfähiger Schaden entstanden ist. Im Rahmen der konsolidierten Schadensbetrachtung muss sich die Beklagte nämlich die Steuervorteile, die ihr Sohn auf der Grundlage der gewählten Gestaltungsform unstreitig erzielt hat, anrechnen lassen. Da die nach ihren eigenen Angaben erzielten Steuervorteile des Sohnes die ihr entstandene Steuerlast bereits übersteigen, hat die fehlerhafte Beratung des Klägers jedenfalls im Ergebnis zu keinem Schaden der Beklagten geführt.
49(1) Um die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung eines steuerlichen Beraters für einen Schaden festzustellen, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten, insbesondere wie der Mandant darauf reagiert hätte, und wie dessen Vermögenslage dann wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2003 - IX ZR 249/02). Die Ursächlichkeit einer von dem steuerlichen Berater begangenen Pflichtverletzung für einen dadurch angeblich entstandenen konkreten Schaden gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis die in § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen gelten (BGH Urteil vom 23.10.2003 – IX ZR 249/02). Dabei hat grundsätzlich der Geschädigte den Ursachenzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem Schaden als anspruchsbegründende Voraussetzung darzutun und nachzuweisen (BGHZ 123, 311, 313). Die Darlegungslast des Mandanten kann zusätzlich noch durch die Grundsätze des Anscheinsbeweises erleichtert sein, nach denen die Vermutung gilt, der Mandant hätte beratungsgemäß gehandelt, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des steuerlichen Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten nahegelegen hätte (BGH a.a.O.; BGHZ 123, 31, 313; BGHZ 126, 217 m.w.N.).
50Der Anscheinsbeweis kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Voraussetzung der Anwendung dieses Grundsatzes sind tatsächliche Feststellungen, die aus der Sicht eines zutreffend beratenen und vernünftig urteilenden Mandanten im Hinblick auf dessen Interessenlage oder andere objektive Umstände eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahelegen (BGH a.a.O.). Die Beweiserleichterung beruht auf Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte, tatsächliche Vermutung rechtfertigen. Die Beweiserleichterung wird jedoch erschüttert und ist nicht anwendbar, wenn z.B. unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verschiedene Verhaltensweisen in Betracht kommen und diese konkrete Möglichkeit eines anderen Kausalverlaufs vom Steuerberater dargetan und bewiesen wird (Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rndr. 631). Lässt ein Sachverhalt vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus mehrere Entscheidungen des Mandanten im damaligen Zeitpunkt vertretbar erscheinen, trifft den Mandanten die nur durch § 287 ZPO erleichterte Beweislast dafür, dass er die von ihm behauptete Entscheidung bei vertragsgerechter Belehrung durch den Steuerberater getroffen hätte (BGH NJW-RR 2004, 1210).
51Der Schaden in Form der angefallenen Steuern für den Veräußerungsgewinn hätte nur vermieden werden können, wenn die Beklagte sich tatsächlich für die Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge entschieden hätte, und zwar auch in Kenntnis des Umstandes, dass dann für ihren Sohn kein Abschreibungspotential entstanden wäre. Bei einer entgeltlichen Betriebsübergabe können die übernommenen betrieblichen Verbindlichkeiten sofort als Anschaffungskosten gewinnmindernd berücksichtigt und abgeschrieben werden, je nach Steuersatz, z.B. 40%, ergibt sich daraus ein beachtliches Steuereinsparpotential. Demgegenüber können im Rahmen einer Betriebsübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge lediglich die Buchwerte fortgeführt und demnach nur die bereits vorhandenen Abschreibungsmöglichkeiten genutzt werden.
52Die Beklagte trägt vor, dass sie sich, wenn der Kläger sie über die Möglichkeit der unentgeltlichen Übertragung im Wege der vorweggenommen Erbfolge beraten hätte, diesen Weg gewählt hätte, da dann die Veranlagung des „Veräußerungsgewinns in Höhe des neg. Kapitalkontos“ zur Einkommenssteuer 2007 vermieden worden wäre. Da die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in der Lage war, die vorhandenen betrieblichen Schulden zu tilgen und auch ihre finanzielle Lage die Bezahlung der Steuern grundsätzlich, auch unter Berücksichtigung der vertraglich zugesagten Versorgungsleistungen, nicht ermöglichte, spricht viel dafür, dass die Beklagte sich für diese Gestaltungsform bei entsprechendem Hinweis auch tatsächlich entschieden hätte. Damit steht allerdings nach Auffassung des Senats noch nicht fest, dass auch der Sohn der Beklagten diese Gestaltungsform mitgetragen hätte. Denn dies hätte dazu geführt, dass der Sohn nicht unbeträchtliche Verbindlichkeiten aus dem Betrieb hätte übernehmen müssen, ohne über ein entsprechendes Abschreibungspotential zu verfügen, durch das er die Besteuerung seines Gewinnes hätte reduzieren können. Die Übernahme eines Betriebes mit einem negativen Kapitalkonto hätte für ihn ohne entsprechende Abschreibungsmöglichkeiten ein nicht unerhebliches Risiko dargestellt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Beklagte und ihr Sohn im Rahmen der beabsichtigten Betriebsübertragung bei ordnungsgemäßer Beratung tatsächlich nur für die behauptete unentgeltliche Betriebsübertragung entschieden hätten. Für die Entscheidung kann nicht nur allein auf die mögliche Interessenlag der Beklagten abgestellt werden, denn wie der Schriftswechsel der Parteien und der Umstand, dass der Sohn bei den Beratungsgesprächen dabei war, belegt, sind auch seine Interessen bei der Wahl der Gestaltungsform mitzuberücksichtigen. Auch wenn der Sohn nicht Vertragspartner des Klägers war, spielen seine Interessen, welche der Gestaltungformen gewählt worden wäre, dennoch eine entscheidende Rolle. Da der Sohn den Betrieb übernehmen sollte, hätte die Beklagte ihre eigenen Interessen auch nicht einseitig ohne Rücksichtnahme auf die Interessen ihres Sohnes als Vertragspartner durchsetzen können. Der Grundsatz des beratungsgerechten Verhaltens greift daher wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass sich unter Berücksichtigung auch der Interessen des Sohnes die Beklagte dennoch für eine entgeltliche Übertragung entschieden hätte, nicht ein. Der Kläger hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass für die Beklagte und ihren Sohn die konkret veranlagte entgeltliche Gestaltungsform günstiger gewesen wäre, weil hierdurch der Sohn der Beklagten – wie gewollt – Abschreibungspotential gewonnen hätte. Demgegenüber hat die Beklagte bestritten, dass es für sie (und ihren Sohn) auf die Abschreibungsmöglichkeiten angekommen wäre und benennt ihren Sohn hierfür als Zeugen.
53Den angebotenen Beweisen brauchte der Senat jedoch nicht nachzugehen, da es für die Entscheidung letztlich nicht mehr darauf ankommt.
54(2) Denn der Beklagten ist durch die fehlerhafte Beratung jedenfalls kein Schaden entstanden, selbst wenn man unterstellt, dass sich die Beklagte im Falle ordnungsgemäßer Beratung für die unentgeltliche Übertragung des Betriebes im Wege der vorweggenommenen Erbfolge entschieden hätte. Bei der Schadensermittlung nach § 249 BGB ist die Beklagte so zu stellen, wie sie bei pflichtgemäßer Vertragserfüllung gestanden hätte (BGH NJW 2001, 673). Der Steuerberater muss nicht für das Ersatz leisten, was sich ergeben hätte, wenn eine fehlerhafte Belehrung oder Auskunft richtig gewesen wäre, sondern wenn die falsche Auskunft in richtiger Weise gegeben worden wäre. Nur wenn bei ordnungsgemäßer Belehrung über die Steuerpflicht eine wirtschaftlich und tatsächlich gleichwertige Gestaltung möglich gewesen wäre, die steuerfrei hätte realisiert werden können, kann ein Vermögensschaden eintreten. Das muss im Rahmen eines Differenzrechnung – eines Gesamtvermögensvergleichs - ermittelt werden. Es muss ein rechnerischer Vergleich der durch das schädigende Ereignis bewirkten Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenen Umstand eingetreten wäre, vorgenommen werden. Es ist im Wege einer Gesamtschau zu fragen, ob dem Mandanten unter Abwägung aller entstandenen Vorteile und Nachteile ein Schaden entstanden ist (BGH NJW-RR 2004, 1210). Die Beklagte macht die Steuerlast als Schaden geltend, die ihr entstanden sei, weil das negative Kapitalkonto als Veräußerungsgewinn deklariert wurde und sie davon ausging, dass diese Gestaltungsform für sie die steuerlich günstigste Alternative gewesen sei. Stellt man allein auf die Vermögenslage der Beklagten ab, dann ist ihr tatsächlich ein Schaden entstanden, weil bei der Gestaltungsform „Betriebsübertragung“ im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Einkommenssteuer nicht angefallen wäre. Als Schaden macht sie insgesamt einen Betrag von 20.503,60 €, zuzüglich Versäumniszuschläge, geltend, nämlich im einzelnen:
55- 56
1. bisher gezahlte Einkommenssteuer: 6.130,34 €
- 57
2. Freistellung von 14.373,26 € (noch offene Steuer einschließlich Säumniszuschläge bis Mai 2011)
- 58
3. zukünftige Säumniszuschläge.
Bei der Berechnung des Schadens ist jedoch zu berücksichtigen, dass den Nachteilen der Beklagten, die ihr aus der streitgegenständlichen Betriebsübertragung entstanden sind, auf der Seite des Erwerbers, ihres Sohnes, Vorteile gegenüberstehen, die den dargelegten Schaden übersteigen. Diese Vorteile muss sich die Beklagte nach den Grundsätzen der konsolidierten Schadensberechnung anrechnen lassen, da es sich um Vorteile handelt, die ihrem Sohn gerade durch die von dem Kläger empfohlene Gestaltung zugeflossen sind. Aus rechtlichen Gründen ist der Beklagten daher kein Schaden entstanden.
60(a) Die Voraussetzungen für eine konsolidierte Schadensbetrachtung liegen vor. Familienangehörige, insb. Eheleute, betrachten sich in der Regel als wirtschaftliche Einheit (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Rndr. 563). Wenn jeder von ihnen bereit ist, persönliche, steuerliche, oder finanzielle Nachteile in Kauf zu nehmen, falls sich dadurch die Vermögenslage der Familie im Ganzen bessert, ist es verfehlt, bei der Berechnung des Schadens allein darauf abzustellen, inwieweit sich die Vermögensverhältnisse eines Familienangehörigen durch die zum Schadenersatz verpflichtende Handlung des Beraters verändert haben; es müssen vielmehr die Auswirkungen auf alle Familienangehörigen in Betracht gezogen werden (BGH GI 1986, 169). Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen der konsolidierten Schadensbetrachtung sind Familienangehörige in solchen Fällen wirtschaftlich als eine Einheit zu betrachten. Wenn im Interesse der Steuerersparnis eine bestimmte Vermögensverschiebung gewollt und gewünscht ist, kann in einer solchen Vermögensverschiebung kein Schaden, in ihrem Unterbleiben kein mit dem Steuerschaden verrechenbarer Vorteil gesehen werden. Ob jemand bereit gewesen wäre, im Interesse des Unternehmens und der Gesamtfamilie z.B. eine Einschränkung seiner persönlichen Rechte in Kauf zu nehmen, hat der Tatrichter nach § 287 ZPO zu beurteilen (vgl. Urteile des BGH vom 24.9.1986 IV a ZR 263/84 ; BGH vom 28.11.1984 IV a ZR 224/82).
61(aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Grundsätze der konsolidierten Schadensbetrachtung auf den vorliegenden Fall auch anwendbar. Der Umstand, dass der BGH-Entscheidung vom 28.11.1984 keine vollständige Betriebsübertragung zugrunde lag, sondern es nur um einen Fall der Beteiligung eines Angehörigen an einem Unternehmen ging, steht dem nicht entgegen. Der der BGH-Entscheidung zugrunde liegende Rechtsgedanke ist auf die vorliegende Konstellation grundsätzlich entsprechend anwendbar, da die Übertragung des Unternehmens die stärkste Form der Beteiligung an einem Unternehmen darstellt.
62(bb) Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist für die Entscheidung davon auszugehen, dass die erforderliche Voraussetzung einer wirtschaftlichen Einheit zwischen der Beklagten und ihrem Sohn auch vorliegt. Auch wenn sich die Entscheidungen des BGH in der Regel auf Eheleute bzw. Lebensgefährten beziehen, steht dies einer Anwendung dieser Grundsätze auf gleichermaßen nahe Angehörige, wie hier Eltern und Kinder, nicht entgegen. Der Kläger war beauftragt, die optimale steuerliche Gestaltung für die Übertragung des Betriebes zu finden; dies schließt eine Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen sowohl für die Beklagte als auch ihren Sohn mit ein. Für den vorliegenden Fall der Betriebsübertragung innerhalb der Familie, insbesondere wenn wie hier Versorgungszahlungen aus dem Betrieb heraus an die übertragenden Eltern von Kindern als Erwerbern erwirtschaftet werden müssen und diese sogar teilweise durch Arbeitskraft abgeleistet werden können, ist von einer wirtschaftlichen Einheit der Beteiligten auszugehen. Die Beklagte spricht selbst von einem „gemeinsamen Wirtschaften“ der Familie in ihrem Schriftsatz vom 4. März 2011 und von gegenseitiger Unterstützung in dieser wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit. Der Familienbetrieb sollte fortgeführt werden und auch weiterhin die finanzielle Grundlage für die Versorgung der Eltern und des Sohnes bilden. Die steuerliche Gestaltung war auf Basis dieser Grundkonstellation zu überlegen gewesen. Dies rechtfertigt es, die Vor- und Nachteile bei der Übertragung von Unternehmen innerhalb einer Familie bei der Berechnung eines etwaigen Schadens einzubeziehen. Für die erforderliche wirtschaftliche Einheit zwischen der Beklagten und ihrem Sohn spricht insbesondere, dass der Sohn der Beklagten nach den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen zunächst eine Rente zahlen sollte in Höhe von 2.500 €, die später auf den Betrag von 1.000 € reduziert wurde. Dieser Umstand spricht wiederum dafür, dass die Abschreibungsmöglichkeiten nicht nur für den Sohn, sondern auch für die Beklagte bei ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt haben, da dadurch eine höhere Liquidität des Sohnes geschaffen werden konnte.
63(cc) Es entspricht auch der Billigkeit, den Steuervorteil, der bei dem Sohn durch die gewählte Gestaltung entstanden ist, bei der Schadensberechnung einzubeziehen, auch wenn dies vorliegend dazu führt, dass der Schaden der Beklagten dadurch kompensiert wird. Es ist kein Rechtsgrund ersichtlich, weshalb die entstandenen Vorteile dem Sohn weiterhin verbleiben sollen, wenn diese Vorteile bei der Gestaltungsform, die die Beklagte ihrer Schadensberechnung zugrunde legt, gar nicht entstanden wären.
64(dd) Nach den vorliegend anwendbaren Grundsätzen der konsolidierten Schadensbetrachtung ist der Beklagten im Ergebnis kein erstattungsfähiger Schaden entstanden. Aus den auf Hinweis des Senats vorgelegten bestandskräftigen Steuerbescheiden des Sohnes aus den Jahren 2007 bis 2010 (Bl. 306 ff) ergibt sich nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten bisher eine die Klageforderung übersteigende Steuerersparnis von insgesamt 22.815,73 €. Im einzelnen hat der Sohn der Beklagten auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten bis 2010 folgende Steuern erspart:
652007: 1.900,00 €;
662008: 6.437,04 €;
672009: 8.611,61 €
682010: 5.867,08 €.
69Dieses Steuerersparnis ist durch die gewählte entgeltliche Betriebsübertragung und den damit verbundenen Abschreibungsmöglichkeiten herbeigeführt worden. Nach Darstellung der Beklagten ergeben sich die Unterschiede zu den von dem Kläger ermittelten Beträgen daraus, dass der Kläger die Gewerbesteuer nicht berücksichtigt habe. Eine nähere Klärung war indes nicht erforderlich, da die bereits nach dem Vorbringen der Beklagten erzielten Vorteile die ihr tatsächlich entstandene Steuerlast übersteigen.
70(b) Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass die steuerliche Bewertung des übertragenen Betriebes fehlerhaft sei und sich auf der Grundlage der von ihr vorgetragenen AFA-Werte in den einzelnen Jahren eine deutlich geringere Steuerersparnis ergeben hätte, führt dies zu keiner anderen Beurteilung.
71Denn für die Schadensbeurteilung kann ohne weiteres von den bereits bestandskräftigen Steuerbescheiden des Sohnes ausgegangen werden. Die zugrunde gelegten AFA-Werte hat das Finanzamt offenbar anerkannt. Ob das Unternehmen falsch bewertet wurde und die bisherigen Werte im Rahmen einer späteren, noch zeitlich gar nicht feststehenden Betriebsprüfung abgeändert werden würden, stellt eine reine Vermutung der Beklagten dar, für die keine greifbare Wahrscheinlichkeit spricht. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass angesichts der vorgelegten Steuerbescheide eine „geringere“ Steuerersparnis zugrundegelegt werden müsste.
72(c) Für die Entscheidung ist das Vorbringen der Beklagten, dass ihr ein Schaden jedenfalls dadurch entstanden sei, dass der Kläger bei der Steuererklärung den Veräußerungsfreibetrages gemäß § 16 EStG nicht berücksichtigt habe, nicht mehr zu berücksichtigen. Unabhängig davon, dass nicht dargetan ist, weshalb aus der Nichtberücksichtigung eines Freibetrages von 1.829,- € ein Schaden in Höhe von 1.832,- € entstanden sein soll, kann dieses als neu zu bewertende Vorbringen aus prozessualen Gründen nicht mehr zugelassen werden.
73Nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Bei dem Vorbringen, ein Freibetrag sei bei der Steuererklärung nicht berücksichtigt worden, handelt sich um ein neues Verteidigungsmittel. Zwar hat die Beklagte erstinstanzlich den nicht berücksichtigten Freibetrag im Schriftsatz vom 28.3.11 ausdrücklich angesprochen , nämlich
74„Zudem war kein Veräußerungsfreibetrag gemäß § 16 EStG beantragt worden.“ bzw. „Soweit in dem Schreiben – gemeint ist das vorprozessuale Schreiben der Steuerberaterin I der Beklagten – nur von einem Schaden von ca. 1.800 € die Rede ist, handelt es sich dabei um den Steuermehrbetrag, der entstanden ist, weil in der Steuererklärung nicht der Veräußerungsfreibetrag gemäß § 16 EStG angegeben wurde.“ Sie hat daraus aber für ihre Verteidigung keine rechtlichen Konsequenzen gezogen, so dass es sich insoweit nunmehr um ein neues Verteidigungsmittel handelt. Weder hat sie diesen Betrag zum Gegenstand der erstinstanzlichen Aufrechnung gemacht noch zum Gegenstand der Widerklage. Die Schadenspositionen hat die Beklagte ausdrücklich nur auf die gemäß Steuerbescheid vom 3.12.2010 festgestellten Steuern gestützt. Das beruht auf einer Nachlässigkeit ihrerseits, da sie insoweit zumindest eine Hilfsaufrechnung bzw. sogar unbedingte Aufrechnung hätte erklären können. Das hat sie nicht getan. Zudem nimmt sie in dem nachgelassenen Schriftsatz nur Bezug auf eine bereits erklärte Aufrechnung in erster Instanz. Eine solche ist aber nicht erfolgt, so dass ihr Vorbringen „neu“ ist.
75Nach § 533 ZPO ist eine erstmalig erfolgte Aufrechnungserklärung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt bzw. wenn der Senat es für sachdienlich hält (§ 533 Nr. 1 ZPO) und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seine Entscheidung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat. Nach dem allein in Betracht kommenden § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO können neue Tatsachen nur zugrunde gelegt werden, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist. Nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO sind neue Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Beklagte diesen von ihr schon erstinstanzlich gerügten Fehler ohne weiteres schon zum Gegenstand einer Aufrechnung hätte machen können. Da sich der Kläger in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28.5.2013 gegen die Berücksichtigung dieser Position wendet und die Höhe des Schadens auch bestreitet, kann auch nicht von einer Einwilligung des Gegners ausgegangen werden. Der Senat hält die Einbeziehung dieser Position im jetztigen Verfahrensstand auch nicht für sachdienlich, da der Rechtsstreit im übrigen entscheidungsreif ist.
76Da der Beklagten gegen den Kläger kein Schadenersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung aus dem Steuerberatervertrag zusteht, ist die Klageforderung auch nicht durch die erklärte Aufrechnung untergegangen.
77b. Als Nebenforderung stehen dem Kläger ferner ein Anspruch auf Zahlung der Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.3.09 und der Mahngebühren zu, §§ 286, 288 BGB. Der Senat ist der Auffassung, dass dem Kläger im Hinblick auf die drei dargelegten Mahnschreiben ein Betrag von insgesamt 15,00 € und nicht nur in Höhe der vom Landgericht zuerkannten 7,50 € zusteht. Der Kläger hat unter dem Gesichtspunkt des Verzuges auch Anspruch auf Erstattung der mit der Berufung geltend gemachten Inkassokosten in Höhe von 96,45 €, § 286 BGB. Der Senat ist an der Entscheidung hierüber nicht gehindert, auch wenn das Landgericht in seinem Urteil die geltend gemachten Inkassokosten, die Gegenstand des erstinstanzlichen Antrages des Klägers gemäß Schriftsatz vom 25.10.2010 waren, zu Unrecht als zurückgenommen qualifiziert hat. Die Rücknahmeerklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 12.7.2012 bezog sich nur auf die über die im Schriftsatz vom 25.10.2010 hinausgehenden Inkassokosten. Der Kläger ist prozessual nicht gehindert, die Inkassokosten mit der Berufung im Wege der Klageerweiterung erneut geltend zu machen (BGHZ 182, 158). Die Sachdienlichkeit der Klageerweiterung ist angesichts des erstinstanzlich bereits gestellten Antrages auch zu bejahen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der Inkassokosten auch der Sache nach zu. Der Kläger hat die Berechtigung der geltend gemachten Inkassokosten entsprechend dem ursprünglich noch vom AG Leverkusen erteilten Hinweis nachgewiesen. Die Inkassokosten können als zweckentsprechende und geeignete Maßnahme der Rechtsverfolgung angesehen werden, da sie der Höhe nach dem nicht anrechnungsfähigen Betrag der vorgerichtlichen Anwaltskosten entsprechen; auch aus sonstigen Gründen bestehen keine Bedenken gegen ihre Erstattungsfähigkeit.
782. Die Widerklage ist unbegründet.
79Der Beklagten steht gegen den Kläger kein Schadenersatzanspruch wegen Schlechterfüllung des Steuerberatervertrages aus §§ 611, 280 BGB zu. Auf die obigen Ausführungen zur Berechtigung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Die Beklagte hat demnach gegenüber dem Kläger keinen Anspruch auf Erstattung bereits gezahlter bzw. Freistellung von der Steuerschuld sowie etwaiger Säumniszuschläge gegenüber dem Finanzamt M.
80III.
81Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
82Die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil lediglich die Würdigung des Sachvortrags der Parteien in einem Einzelfall in Rede steht. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
83Berufungsstreitwert: 21.503,60 €
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