Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 1 RVs 21/16
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen.
1
Gründe
2I.
3Die Generalstaatsanwaltschaft hat den Sachverhalt in ihrer Vorlageverfügung vom 22.01.2016 wie folgt zusammengefasst:
4„Das Amtsgericht Köln hat den Angeklagten zunächst mit Urteil vom 20.12.2012 ‑ 706 Ds 210/12 ‑ wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von vier Monaten angeordnet (Bl. 53 -II- ff. d. A.).
5Auf die Revision des Angeklagten (Bl. 63 ff. d. A.) hat das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 16.04.2013 ‑ III‑1 RVs 78/13 ‑ das angefochtene Urteil mit seinen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen (Bl. 88 ff. d. A.).
6Nach erneuter Verhandlung hat das Amtsgericht Köln den Angeklagten am 11.07.2013 ‑ 709 Ds 142/13 ‑ wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt. Darüber hinaus hat es gegen den Angeklagten ein ‑ durch die Zeit der Sicherstellung des Führerscheins abgegoltenes ‑ Fahrverbot von drei Monaten verhängt (Bl. 114 ff. d. A.).
7Auf die erneute Revision des Angeklagten (Bl. 112, 129 ff., 134 ff. d. A.) hat das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 11.10.2013 ‑ III‑1 RVs 222/13 ‑ das angefochtene Urteil mit seinen Feststellungen erneut aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen (Bl. 150 f. d. A.).
8Der Angeklagte ist sodann durch das Amtsgericht Köln am 10.07.2014 ‑ 713 Ds 278/13 ‑ wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt worden. Darüber hinaus hat das Amtsgericht gegen den Angeklagten ein ‑ durch die Zeit der Sicherstellung des Führerscheins abgegoltenes ‑ Fahrverbot von drei Monaten verhängt (Bl. 187 ff. d. A.).
9Auf die erneute Revision des Angeklagten (Bl. 203, 210 ff., 215 ff., 225 ff. d.A.) hat das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 11.11.2014 - III-1 RVs 210/14 - das angefochtene Urteil unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels im Ausspruch über die Höhe des Tagessatzes mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen (Bl. 255 ff. d. A.). Dort ist das Verfahren am 27.11.2014 eingegangen.
10Das Amtsgericht Köln hat den Angeklagten am 08.10.2015 - 709 Ds 409/14 - erneut verurteilt und hinsichtlich des im Übrigen rechtskräftigen Urteils des Amtsgericht Köln vom 10.07.2014 die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf 10,00 Euro festgesetzt (Bl. 357 ff. d. A.).
11Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.10.2015, eingegangen beim Amtsgericht Köln am 09.10.2015, hat der Angeklagte gegen dieses Urteil wiederum Revision eingelegt (Bl. 353 d. A.) und diese, nach Zustellung des Urteils an ihn (Bl. 381 d. A.) und seinen Verteidiger (Bl. 382 d. A.) jeweils am 04.11.2015, mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 06.11.2015, beim Amtsgericht Köln am 09.11.2015 eingegangen, begründet (Bl. 369 ff. d.A.). Gerügt wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts.“
12Darauf nimmt der Senat mit der Ergänzung Bezug, dass Gegenstand der Akte eine dienstliche Äußerung des Präsidenten des Amtsgerichts Köln vom 12.10.2015 „zur Besetzung des am 31.08.2012 eingegangenen Verfahrens gegen G Amtsgericht Köln Az. 709 Ds 409/14 (706 Ds 210/14“ ) ist, die folgenden Inhalt hat:
13 14 15II.
16Das in formeller Hinsicht unbedenkliche Rechtsmittel hat (zumindest vorläufigen) Erfolg. Es führt gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur (erneuten) Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln.
17Zu Recht rügt die Revision eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter. Die fehlerhafte Besetzung des erkennenden Gerichts hat als absoluter Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 1 StPO die Aufhebung des Urteils zur Folge.
18Die Regelung in Ziffer C VIII 7. des Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Köln in der am 27.11.2014 geltenden Fassung (= Tag des Eingangs des Verfahrens beim Amtsgericht Köln nach dessen Aufhebung und Zurückverweisung durch den Beschluss des Senats vom 11.11.2014 – III -1 RVs 210/14) stellt sich in Bezug auf mehrfach zurückverwiesene Verfahren wegen Verstoßes gegen § 354 Abs. 2 StPO als rechtswidrig dar, weil sie in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Abteilung – hier konkret die Abteilung 709 – mit einer (bereits zurückverwiesenen) Sache befasst war, die Zuständigkeit bei einer (dritten) Zurückverweisung der bereits mit der Sache befassten Abteilung vorsieht bzw. nicht ausschließt. Die Abteilung 709 des Amtsgerichts Köln hätte als erkennendes Gericht – unabhängig von ihrer personellen Besetzung – nach den Regelungen des Geschäftsverteilungsplans ausgeschlossen werden müssen, nachdem sie bereits einmal – nämlich durch Urteil vom 11.07.2013 - über die verfahrensgegenständliche Sache entschieden hatte.
191.
20Ein „anderer Spruchkörper“ im Sinne des § 354 Abs. 2 StPO ist ein solcher, der sich unabhängig von seiner personellen Besetzung in seiner Bezeichnung von sämtlichen bislang in dieser Sache tätigen Spruchkörpern zu unterscheiden hat (vgl. BGH Beschluss vom 20.07.2004, 5 StR 207/04, zitiert nach juris; OLG Hamm NJW 1968, 1438; LG Potsdam, Beschluss v. 26.11.2014 – 22 KLs 14/13, zitiert nach BeckRS 2014, 22603 – beck-online). Insoweit normiert § 354 Abs. 2 StPO für das Strafverfahren die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung einer – der StPO sonst ohne Bezugnahmen auf die konkrete Gerichtsperson nicht bekannten – „Befangenheit“ des Spruchkörpers (vgl. Satzger/Schluckebier/Widmaier, Strafprozessordnung, 1. Auflage 2014, § 354 Rn. 55).
212.
22Gemessen hieran erweist sich die genannte Regelung als jedenfalls teilweise gesetzeswidrig. Zwar stellt die Ausgangsregelung in Ziffer C VIII 7. des Geschäftsverteilungsplans zunächst richtig auf die „Abteilung“ ab, die für die weitere Bearbeitung einer zurückverwiesenen Sache zuständig ist, sofern die andere Abteilung (§ 354 Abs. 2 StPO) durch das Revisionsgericht nicht bestimmt ist. Unmittelbar anschließend wird jedoch durch die Nennung des „geschäftsplanmäßigen Vertreters“ und der „zur Vertretung berufenen Richter“ sowie die Inbezugnahme der Regelung in Abschnitt C I 6. die allgemeine Vertretungsregelung des Geschäftsverteilungsplans gleichsam inkorporiert, die ihrerseits vom eindeutigen Wortlaut und nach ihrem Regelungsinhalt nicht auf die Bezeichnung der Abteilung, sondern auf die Person des Richters abstellt. Daraus folgt, dass es nach den Regelungen des Geschäftsverteilungsplans nicht ausgeschlossen bzw. sogar vorgesehen ist, dass „Nachrücker“ als geschäftsplanmäßige Vertreter zuständig werden, die (zufällig) eine Abteilung besetzen, die bereits mit der Sache befasst war.
23Dementsprechend ist die maßgebliche Regelung – wie sich aus den Ausführungen des Präsidenten des Amtsgerichts Köln in der dienstlichen Äußerung vom 12.10.2015 unter Ziffer a) ergibt - nach der dritten Zurückverweisung im November 2014 auch angewandt worden. Denn dort heißt es, dass die Abteilung 709 zuständig ist, deren Richterin zuvor mit diesem Verfahren nicht befasst war.
24In dieser Konstellation handelt es sich um die Anwendung eines Geschäftsverteilungsplans mit gesetzeswidrigem Inhalt, der bei der Zuweisung gerade entsprechend diesem Inhalt angewandt worden ist. Anders als bei der im Einzelfall unzutreffenden bzw. irrigen Anwendung eines richtig aufgestellten Geschäftsverteilungsplans (vgl. Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Auflage, Teil 5 Rn. 126) kommt es dabei entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Vorlageverfügung auch nicht auf den Maßstab einer sachfremden Motivation oder Willkür des Anwendenden an.
253.
26Im Hinblick auf die mit der Sachrüge beanstandete Ermittlung der Tagessatzhöhe bestehen keine Bedenken, dass diese in rechtmäßiger Weise auf der Grundlage der eingeholten Auskunft des Jobcenters vom 05.08.2012 erfolgen konnte. Da die Revision aber bereits mit der Verfahrensrüge Erfolg hat, bedarf es insoweit keiner weiteren Ausführungen.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.