Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 2 Wx 171/22
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1), 2) und 3) wird die am 27.05.2022 erlassene Zwischenverfügung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Grundbuchamts - Köln – NI-31939-2 – aufgehoben und das Grundbachamt angewiesen, den Antrag der Beteiligten vom 23.02.2022 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
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G r ü n d e :
2I.
3Der Beteiligte zu 1) ist der Vater der minderjährigen Beteiligten zu 2) und 3). Er ist mit der Mutter der Beteiligten zu 2) und 3), Frau A, nicht verheiratet. Sie haben das gemeinsame Sorgerecht für die Beteiligten zu 2) und 3).
4Mit notariellem Vertrag vom 22.02.2022 hat der Beteiligte zu 1) seinen ½-Miteigentumsanteil an dem im Rubrum aufgeführten Grundbesitz zu jeweils ¼-Anteil unentgeltlich an die Beteiligten zu 2) und 3), beide vertreten durch Frau A, übertragen, wobei u. a. auch die Übernahme der an dem Objekt bestehenden Miet- und Pachtverhältnisse durch die Erwerber vereinbart worden ist. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die notarielle Urkunde vom 22.02.2022 verwiesen. Mit Schriftsatz vom 23.02.2022 haben die Beteiligten beantragt, den Eigentumswechsel sowie die Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch einzutragen.
5Mit Zwischenverfügung vom 27.05.2022 hat die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es für die Übertragung der Bestellung eines Ergänzungspflegers, alternativ der Vorlage eines Negativattestes seitens des Familiengerichtes bedürfe. Zugleich wurde zur Behebung der Eintragungshindernisse eine Frist bis zum 01.07.2022 gesetzt.
6Hiergegen wenden sich die Beteiligten mit ihrer mit Schriftsatz vom 27.06.2022 erhobenen Beschwerde. Sie vertreten die Rechtsauffassung, mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.03.2021, XII ZB 364/19, sei klargestellt worden, dass ein Vertretungsausschluss gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB bei gemeinsamer Sorge nur bei dem Elternteil eintrete, in dessen Person die Voraussetzungen des § 1795 BGB unmittelbar vorliegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 27.06.2022 verwiesen.
7Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11.08.2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
8II.
9Die gemäß § 71 GBO statthafte und auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der Beteiligten hat auch in der Sache selbst Erfolg.
10Die Zwischenverfügung ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Die Eintragung des Eigentumswechsels und der Rückauflassungsvormerkung an dem im Rubrum aufgeführten Grundbesitz hängt nicht von der Zustimmung eines Ergänzungspflegers oder von der Vorlage eines Negativattestes seitens des Familiengerichtes ab. Zwar ist der Beteiligte zu 1) gemäß § 1629 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB von der gesetzlichen Vertretung der Beteiligten zu 2) und 3) hinsichtlich des streitgegenständlichen Geschäfts sowie des grundbuchrechtlichen Verfahrens ausgeschlossen. Das gilt allerdings für die gemeinsam mit dem Beteiligten zu 1) hinsichtlich der Beteiligten zu 2) und 3) sorgeberechtigte Mutter der Beteiligten zu 2) und 3), die nicht mit dem Beteiligten zu 1) verheiratet ist, nicht. Ein entsprechender Ausschluss ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB.
11Die abstrakt-generelle Ausgestaltung des § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB führte zwar bisher dazu, dass die Vertretung beider Eltern nach herrschender Auffassung stets auch dann ausgeschlossen wurde, wenn die Voraussetzungen der Ausschlusstatbestände von §§ 1795 Abs. 1, 181 BGB nur in der Person eines Elternteils vorlagen und zwar auch dann, wenn die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht (mehr) verheiratet waren (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.1972, IV ZR 53/71, NJW 1072, 1708; Amend-Traut in Beck-Online, Großkommentar, BGB, Stand: 01.05.2022, § 1629 Rn. 47 m.w.N). Dies wurde aus § 1629 Abs Abs. 2 Satz 1 HS 1 BGB a. F. (heute § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB) und der dieser Norm zugrunde liegenden Erwägung, dass es nicht im Interesse des Kindes liege, dass der nicht ausgeschlossene Elternteil die Vertretung des ausgeschlossenen übernehme, da in diesen Fällen häufig eine Befangenheit beider Elternteile vorliege (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.1972, IV ZR 53/71 a.a.O.).
12Der Bundesgerichtshof hat sich nun mit dem Beschluss vom 24.03.2021, XII ZB 364/19, NZFam 2021, 547 ff., zu einer Neuausrichtung seiner bisherigen, der herrschenden Meinung entsprechenden, Rechtsprechung entschieden. Hiernach soll jedenfalls im Vaterschaftsanfechtungsverfahren bei nicht (mehr) verheirateten Eltern nur derjenige Elternteil von der Vertretung ausgeschlossen sein, in dessen Person die Voraussetzungen von §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB vorliegen. Der andere Elternteil bliebe demnach zur Vertretung des Kindes befugt und die Bestellung eines Ergänzungspflegers sei folglich nicht mehr erforderlich.
13Begründet wird dies damit, dass sich bereits aus dem Wortlaut des § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB keine eindeutige Festlegung des Gesetzgebers ergebe. Vielmehr könne § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB - insbesondere unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte – neben dem Verweis auf die Ausschlussgründe nach § 1795 BGB nicht die gesetzgeberische Entscheidung entnommen werden, dass ein in der Person eines Elternteils verwirklichter Ausschlussgrund zugleich auch den anderen, nicht davon betroffenen Elternteil erfasse. Ein Ausschluss der Mutter von der gesetzlichen Vertretung im Fall der Gesamtvertretung sei auch nicht aus Sachgründen geboten. Dass ein mit dem Vertretungsausschluss verbundener Eingriff in das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG insoweit vielmehr allein auf der vom Gesetz in §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB eröffneten Eingriffsgrundlage erfolgen könne, ergebe sich aus verfassungsrechtlichen Erwägungen.
14Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs handelt es sich beim gesetzlichen Ausschluss wie der gerichtlichen Entziehung der Vertretungsbefugnis um Eingriffe in das Elternrecht, die einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage bedürfen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen (vgl. BGH Beschluss vom 24.03.2021, XII ZB 364/19, NZFam 2021, 547 ff. m.w.N.). § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebe damit für sich genommen bereits keine taugliche Eingriffsnorm für einen Ausschluss der elterlichen Vertretungsbefugnis der Mutter. Eine allenfalls mögliche entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften scheitere in der vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fallkonstellation schon an der mangelnden Vergleichbarkeit zwischen der Ehe von Vater und Mutter und der lediglich bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge. Während die Ehe nach § 1353 BGB unter anderem die gegenseitige Rücksichtnahme gebiete, sei das gemeinsame Sorgerecht damit schon deswegen nicht vergleichbar, weil der Vater im Hinblick auf die gesetzliche Vertretung von der elterlichen Sorge gerade ausgeschlossen sei, die Mutter für das Kind also in eigener Verantwortung handeln könne und müsse. Die Stellung der Mutter entspreche damit insoweit vielmehr dem Fall, dass sie - aufgrund Übertragung nach § 1628 BGB oder § 1671 BGB - allein sorgeberechtigt ist. Für diesen Fall sei aber ein gesetzlicher Ausschluss von der Vertretung – zumindest - im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach zutreffender, nahezu einhelliger Meinung nicht gegeben (vgl. auch § 173 FamFG). Es kommt dann allenfalls eine gerichtliche Entziehung der Vertretungsbefugnis im Einzelfall aufgrund §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB in Betracht (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.). Insofern stehe auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einem generellen Ausschluss der Mutter von der gesetzlichen Vertretung entgegen, weil insoweit das auf den Einzelfall bezogene Verfahren gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB jedenfalls als milderes Mittel anzusehen sei (vgl. BGH a.a.O.). Auf die Frage, ob eine Entziehung der Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB wegen eines Interessengegensatzes zwischen der Mutter und den Kindern geboten gewesen wäre, kommt es nicht an, weil die Vertretungsbefugnis erst mit der Entziehung und nicht bereits mit dem Auftreten des Interessengegensatzes entfallen würde und die Entziehung im vorliegenden Fall nicht erfolgt ist. Soweit das Bundesverfassungsgericht für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde bereits aus der Möglichkeit eines Interessenkonflikts einen Wegfall der Vertretungsbefugnis der Eltern kraft Gesetzes herleitet ( (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.09.2020, 1 BvR 528/19) bezieht sich diese Rechtsprechung ausschließlich auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren (vgl. BGH a.a.O.).
15An einer klaren gesetzlichen Eingriffsgrundlage fehlt es aus der Sicht des Senats jedoch auch für die Übertragung des Grundbesitzes. Denn das vorliegende Rechtsgeschäft betrifft nach §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB ausdrücklich nur den Beteiligten zu 1), nicht aber die mit dem Beteiligten zu 1) nicht verheiratete Mutter der Beteiligten zu 2) und 3). Die oben wiedergegebenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens gelten gleichermaßen für die hier vorliegende Fallkonstellation (vgl. auch Prinz, FamRZ 2021, 554; BeckOK/Veit, BGH, zu § 1629 Rn. 37; Amend-Traut in BeckOK, BGB, zu § 1629 Rn. 47). Bei der danach gebotenen konsequenten Anwendung der durch den Bundesgerichtshof herangezogenen Grundsätze bleibt die Vertretungsbefugnis der Mutter der Beteiligten zu 2) und 3) daher bestehen. Denn die Entziehung der Vertretungsbefugnis würde anderenfalls mangels klarer gesetzlichen Eingriffsgrundlage einen unzulässigen Eingriff in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG bedeuten.
163.
17Für das weitere Verfahren weist der Senat das Grundbuchamt darauf hin, dass auch zu prüfen sein wird, ob die Mutter der minderjährigen Kinder nicht der familiengerichtlichen Genehmigung gem. §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 10 BGB bedarf (vgl. Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1822 Rn. 21).
184.
19Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
20Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 GBO) besteht nicht.
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Referenzen
- BGB § 181 Insichgeschäft 2x
- XII ZB 364/19 3x (nicht zugeordnet)
- GBO § 71 1x
- BGB § 1822 Genehmigung für sonstige Geschäfte 1x
- GBO § 78 1x
- IV ZR 53/71 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 1795 Ausschluss der Vertretungsmacht 4x
- BGB § 1796 Entziehung der Vertretungsmacht 1x
- BGB § 1643 Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte 1x
- BGB § 1629 Vertretung des Kindes 5x
- 1 BvR 528/19 1x (nicht zugeordnet)