Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 9 U 47/02

Gründe

Die Klägerin, Eigentümerin eines mit einem Erbbaurecht belasteten, gewerblich genutzten, 192 m² großen Grundstücks in der Innenstadt von F., nimmt die beklagten Rechtsanwälte bzw. deren Erben wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagten waren Anfang 1989 von der Klägerin beauftragt worden, gegenüber der damaligen Erbbauberechtigten, der Firma B.,  eine Erhöhung des Erbbauzinses durchzusetzen. Die Klägerin wirft den Beklagten vor, sie hätten unter Verletzung ihrer anwaltlichen Pflichten entgegen ihrer Weisung mit 56.291,00 DM jährlich einen zu geringen Erbbauzins vereinbart. Der Berechnung habe ein Grundstückswert von 12.350,00 DM pro Quadratmeter zugrunde gelegt werden müssen. Dann betrage der richtige Erbbauzins 4 % des Grundstückswertes, somit 94.848,00 DM jährlich. In Höhe der Differenz seien die Beklagten ihr deshalb zum Schadensersatz verpflichtet. Der Senat hat durch Urteil vom 11.05.2002 auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts F. vom 21.08.1998 abgeändert, die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Er hat eine Pflichtverletzung der Beklagten darin gesehen, dass sie der Firma B. mit Schreiben vom 17.05.1991 ein Angebot zur Erhöhung des Erbbauzinses ab 01.04.1991 auf 56.291,00 DM übermittelten, das die Firma B. annehmen konnte und mit Schreiben vom 28.05.1991 angenommen hat. Er hat dennoch einen Schadensersatzanspruch verneint, weil der Klägerin wegen dieser Pflichtverletzung kein Schaden entstanden sei.
Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 24.01.2002 auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Klägerin kann von den Beklagten als Gesamtschuldner nur Schadensersatz in Höhe von 14.580,31 EUR zuzüglich beanspruchen. Der Senat hat die rechtliche Beurteilung, auf der die Aufhebung seines Urteils vom 11.05.2000 durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2002 beruht, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 565 Abs. 2 ZPO a. F.). Somit ist bei der erneuten Entscheidung davon auszugehen, dass die Erbbauberechtigte einer nur vorläufigen Anpassung des Erbbauzinses unter Offenhaltung einer weiteren Erhöhung unter dem Gesichtspunkt der gestiegenen Grundstückswerte zugestimmt hätte. Weiter ist zugrunde zu legen, dass schon zum 01.04.1991 eine Erhöhung durchsetzbar gewesen wäre und bezüglich der Anpassung an die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse an den 01.01.1982 beziehungsweise Dezember 1981 anzuknüpfen ist. Zu den „wirtschaftlichen Verhältnissen“ im Sinne des § 9 des Erbbaurechtsvertrages kann, wovon auch der Senat in dem aufgehobenen Urteil ausgegangen ist, auch der Grundstückswert gehören. Deshalb ist nunmehr zu berücksichtigen, wie sich die Grundstückswerte zwischen dem 01.01.1982 und dem 01.04.1991 entwickelt haben und unter Mitberücksichtigung dieser Entwicklung zu entscheiden, welchen höheren Erbbauzins die Klägerin entweder im Wege der Vereinbarung oder aufgrund eines streitigen Urteils erhalten hätte. Der Mitverschuldenseinwand greift nicht durch, weil im Bereich der rechtlichen Bearbeitung eines Auftrags ein Mitverschulden des Mandanten regelmäßig nicht in Betracht kommt.
Da zwischen den Parteien streitig ist, ob und in welcher Höhe die Firma B. ohne die Pflichtverletzung der Beklagten das nachträgliche Erhöhungsverlangen der Klägerin zum 01.04.1991 akzeptiert hätte und die Klägerin für ihre diesbezügliche Behauptung keinen Beweis angetreten hat, kann entsprechend der Vorgaben in dem Urteil des Bundesgerichtshofs der Entscheidung des Senats nur der Erhöhungsanspruch zugrunde gelegt werden, den die Klägerin gerichtlich hätte durchsetzen können.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 11.05.2000 bereits ausgeführt hat, führt die Auslegung der Anpassungsregelung in dem Vertrag über die Bewilligung des Erbbaurechts dazu, dass bei einer gerichtlichen Entscheidung über ein Erhöhungsverlangen, hier zum Stichtag 01.04.1991, nicht nur die Steigerung der Lebenskosten sondern auch sonstige wesentliche Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen gewesen wären, soweit sich daraus eine Unangemessenheit des Erbbauzinses ergeben hätte. Zu diesen Umständen gehört auch die Entwicklung der Grundstückswerte, soweit deshalb der bisherige Erbbauzins „nicht mehr zugemutet werden kann“, wie es im Vertrag über die Bewilligung des Erbbaurechts heißt (vgl. BGH, WM 2001,631). Insoweit ist allerdings entscheidend, wie sich der Wert derartiger Grundstücke im allgemeinen entwickelt hat. Diese Wertentwicklung der Grundstücke ist neben der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, die sich in der Steigerung des Lebenshaltungskostenindex wiederspiegelt nur ein zusätzlicher Faktor.
Die Grundstückswerte sind vom 01.01.1982 bis 01.04.1991 um über 20 % gestiegen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen K. betrug der aus den Bodenrichtwerten abgeleitete Wert dieses Grundstücks am 01.04.1991 8.700,00 DM pro Quadratmeter. Für den 31.12.1980 wurde ein Bodenwert von 6.000,00 DM pro Quadratmeter und für den 31.12.1982 von 6.400,00 DM pro Quadratmeter ermittelt. Daraus errechnet sich für den hier maßgebenden Stichtag 01.01.1982 ein Mittelwert von 6.200,00 DM pro Quadratmeter. Dies entspricht einer Steigerung von ca. 40 %.
Es besteht  kein Anlass zur Einholung eines Obergutachtens zumal es nicht auf die Wertentwicklung gerade dieses Grundstücks ankommt. Auf den in dem von der Klägerin eingeholten Gutachten des Sachverständigen L. berücksichtigten einmaligen Verkaufsfall im Jahre 1987 in der Nachbarschaft des Erbbaugrundstücks kommt es nicht an, da zum einen der Kaufpreis eines einzelnen Verkaufs besondere Gründe haben kann und deshalb nicht ausreichend repräsentativ ist und zum anderen aus diesem Verkauf ein nicht gesicherter Schluss auf den allgemeinen   Wert im Jahre 1991 erfolgen müsste. Für die Beurteilung der Wertentwicklung von 1982 bis 1991 kommt es daher auf diesen Verkaufsfall nicht an. Da der vom gerichtlichen Sachverständigen ermittelte  Bodenwert aus dem Ertrag nicht wesentlich von dem Bodenrichtwert abweicht und es auf die Veränderung der Werte vom 01.01.1982 bis 01.04.1991 ankommt, kann der Entscheidung die Entwicklung der Bodenrichtwerte in diesem Zeitraum zugrunde gelegt werden.
Ein Bodenwert zum Stichtag 01.04.1991 von 12.350,00 DM pro Quadratmeter, den der von der Klägerin beauftragte Sachverständigen L. errechnet hat, kann der Entscheidung schon deshalb nicht zugrunde gelegt werden, weil es nicht auf den Wert des unbebauten Grundstückes am 01.04.1991 sondern auf die Wertentwicklung vom 01.01.1982 bis 01.04.1991 und nicht nur dieses Grundstückes sondern allgemein von Grundstücken dieser Art ankommt. Es hat auch nicht etwa, wie die Klägerin meint, eine völlige Neufestsetzung eines angemessenen Erbbauzinses zu erfolgen, vielmehr ist der zuletzt vereinbarte Erbbauzins unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung seit der letzten Erhöhung nur verhältnismäßig anzupassen.
Grundlage dieser Anpassung ist hier die Regelung in § 9 des Vertrages vom 12.10.1953, der an Kaufkraftveränderung, Unzumutbarkeit des bisherigen Erbbauzinses und Angemessenheit eines neuen Erbbauzinses anknüpft. Wertsteigerungen des Grundstücks sind hier ausdrücklich nicht genannt. Jedoch ist bei der vorzunehmenden Abwägung, wie bereits erörtert, auch die Entwicklung der Grundstückswerte einzubeziehen. Aber weiter ist auch zu berücksichtigen, dass der Erbbauberechtigte nach den vertraglichen Absprachen zum Zeitpunkt des Heimfalles nur den hälftigen Sachwert erstattet erhält. Dieser sich am 01.04.1991 etwa 12 Jahre vor dem Ablauf des Erbbauvertrages bereits abzeichnende Vorteil der Heimfallregelung spricht bei der  vorzunehmenden Abwägung dagegen, der Entwicklung der Wertverhältnisse der bebauten Grundstücke eine entscheidende Bedeutung zuzumessen. Es war zu diesem Zeitpunkt bereits abzusehen, dass der Klägerin alsbald der volle Wert des unbelasteten  Grundstückes einschließlich des Bauwerks zufließen wird und sie darüber hinaus für das Bauwerk selbst nur  die Hälfte des Sachwertes zu bezahlen haben würde. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klägerin, wie sie unter Hinweis auf andere Verkaufsfälle meint, das Grundstück ohne das Erbbaurecht zu einem wesentlich höheren als dem vom Sachverständigen angenommenen Wert hätte veräußern könnte. In diesem Zusammenhang ist ohne Bedeutung, dass nach Vortrag der Klägerin diese für den Eigentümer günstige Heimfallregelung mit dem Verzicht des Eigentümers auf ein übliches Vorkaufsrecht im Zusammenhang stand. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin durch diesen Verzicht ein Nachteil entstanden ist oder entstehen konnte. Andererseits kommt es für die Höhe des Erbbauzinses nicht darauf an, dass der  Heimfallspruch inzwischen tatsächlich früher als vertraglich vereinbart und ohne jede Entschädigung für das Bauwerk  entstanden ist.
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Bei einer streitigen Auseinandersetzung hätte unter diesen Umständen nach Auffassung des Senats die Mitberücksichtigung der Entwicklung der Grundstückspreise zu einer Erhöhung des Erbbauzinses um den auf 31% gerundeten Mittelwert zwischen der der Anpassung zum 1.4.1991 zugrunde liegenden Steigerung der Lebenshaltungskosten um 22,16 % und der Steigerung der Bodenwerte um 40% führen können. Somit hätte die Klägerin bei einer streitigen Auseinandersetzung ab 01.04.1991 eine Erhöhung des Erbbauzinses von 46.080,00 DM jährlich um 31 % auf 60.364,80 DM erreichen können. Tatsächlich hat die Klägerin mit der Vereinbarung, die sie den Beklagten zu Recht als Pflichtverletzung anlastet, einen Erbbauzins von jährlich 56.291,00 DM erlangt. Dies sind jährlich 4.073,80 DM (monatlich 339,48 DM) weniger als bei einer streitigen Entscheidung. Somit hätte die Klägerin bei einer streitigen Auseinandersetzung bis zum Ende des Erbbaurechts den Betrag von 4.073,80 DM jährlich mehr erhalten.

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