Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 Ss 80/03

Tenor

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts X. vom 13. Januar 2003 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
I.
Das Landgericht X. hat die Angeklagten am 13.01.2003 unter Aufhebung eines anders lautenden Urteils des Amtsgerichts Y. vom 26.03.2002 vom Vorwurf der versuchten gemeinschaftlichen Nötigung freigesprochen. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatten sich die Angeklagten 10.04.2001 im Rahmen eines für diesen Tag geplanten „Castortransports“ zum Kernkraftwerk Z. zu dem in dieser Ortschaft liegenden Bahngleiskörper begeben, um dort eine zur Erregung der Aufmerksamkeit der Presse „symbolische Aktion“ durchzuführen. Zu diesem Zweck hätten einige der Angeklagten zwar bereits den Gleiskörper betreten und begonnen Schottersteine vom Gleisbett zu entfernen, alle hätten jedoch gewusst, dass sie aufgrund der Polizeipräsenz und der mitgeführten unzureichenden Werkzeuge den Transport des Castors nicht hätten verhindern können, weshalb sie nur ein Zeichen hätten setzen wollen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft am 14.01.2003 Revision eingelegt, diese am 19.03.2003 begründet und hierzu ausgeführt, dass nach den Vorstellungen der Angeklagten das Graben am Schotterbett eine Ankettung mittels der beigeführten Rohre habe ermöglichen und damit den Transport habe verhindern sollen, weshalb die Tat als versuchte Nötigung zu werten sei.
II.
Die lediglich auf die Sachrüge gestützte Revision war gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.
Mit der Sachrüge kann grundsätzlich nur beanstandet werden, dass auf den im Urteil festgestellten Sachverhalt materielles Recht falsch angewendet worden ist. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung in diesem Sinne allenfalls dann, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. 2004, § 344 Rn. 15). Ergibt die Auslegung der Erklärung, dass nicht die Rechtsanwendung gerügt wird, sondern sich der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung und damit der Urteilsfeststellungen wendet, indem er etwa seine Würdigung der Beweise an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzt, ist die Sachrüge nicht ordnungsgemäß erhoben (vgl. BGH NJW 1956, 1767; NStZ 1993, 31; BGHR StPO § 344 Abs.2 Satz 1, Revisionsbegründung 2;OLG Hamm NStZ-RR 2001, 117 f.; OLG Düsseldorf NStZ 1993, 99; LR-Pfeifer, StPO, 3. Aufl., § 344 Rn 19 m.z.w.N.; Meyer-Goßner, a.a.O., Rn.  17 ff.).
So liegt der Fall hier, denn die in tatsächlicher Hinsicht erfolgten Ausführungen der Beschwerdeführerin finden im Urteil keine Stütze.
Die landgerichtlichen Feststellungen und Ausführungen sind rechtlich dahin zu verstehen, dass die Angeklagten mangels jeglicher Erfolgsaussicht keinen Tatvollendungsvorsatz hatten. Es ist - auf dieser Grundlage rechtlich zutreffend - zum Freispruch gekommen. Die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft nimmt davon abweichend an, die Angeklagten hätten „nach ihrer Vorstellung unmittelbar dazu angesetzt, den am Tattag zeitnah bevorstehenden Transport von Brennelementen zu behindern, in dem sie ...“. Die Staatsanwaltschaft bejaht Vollendungsvorsatz. Sie kommt zu diesem Ergebnis ersichtlich aufgrund der Erwägung, dass die Angeklagten ihr Vorhaben vollendet hätten, wenn die Polizei nicht rechtzeitig eingeschritten wäre. Sie geht damit über die Feststellungen des Landgerichts hinaus, weicht also auch insoweit von ihnen ab. Denn das Landgericht hat entsprechende Feststellungen nicht getroffen.
Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 14.05.2004 kann der Revisionsbegründung selbst bei großzügiger Auslegung - trotz der dort angeführten anders lautenden Formulierung zu Beginn der Ausführungen (Die Angeklagten haben unter Zugrundelegung der landgerichtlichen Feststellungen ...) - nicht entnommen werden, dass auf den im Urteil angewendeten Sachverhalt das Recht falsch angewendet worden sei, vielmehr stützt sich die Rüge durchgehend und maßgeblich auf eine andere Bewertung der subjektiven Tatseite, indem sie - anders als die Strafkammer - vom Vorliegen eines Vollendungsvorsatzes ausgeht und diesen bei ihren rechtlichen Ausführungen einfach unterstellt.
Auch der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft schon bei Einlegung des Rechtsmittels allgemein die „Verletzung materiellen Rechts“ beanstandet hatte (vgl. hierzu ähnlich auch OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Hamm a.a.O), führt zu keiner anderen Bewertung, denn es handelt sich beim Revisionsbegründungsschriftsatz vom 19.03.2003 um eine das Rechtsmittelziel klarstellende Erläuterung der erhobenen Beanstandung und nicht nur um eine dort ergänzend niedergelegte beispielhafte Aufzählung einzelner Rügepunkte, worauf etwa der Zusatz „insbesondere“ hätte hindeuten können. Für eine von der Generalstaatsanwaltschaft - unter Hinweis auf die in § 352 Abs. 2 StPO i.V.m. § 344 Abs. 2 StPO normierte nur eingeschränkte Begründungspflicht - vertretene grundsätzlich weite Auslegung des Rechtsmittelziels sieht der Senat bei einer Revision der Anklagebehörde keine Veranlassung, denn im Gegensatz zu einem Rechtsmittel des Angeklagten kann es bei dieser nicht zu Meinungsverschiedenheiten in der Vertretung, wie etwa zwischen Angeklagten und Verteidiger kommen (vgl. hierzu § 302 Abs.2 StPO), vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Staatsanwaltschaft - sofern sich aus der Rechtsmittelschrift nicht Gegenteiliges ergibt - die nach ihrer Ansicht vorliegenden Angriffspunkte vollständig aufzählen will. Damit ist aber durch die Revisionsbegründungsschrift vom 19.03.2003 vorliegend das Ziel des Rechtsmittels wirksam bezeichnet worden, so dass die späteren - rechtlich den Anforderungen an die Erhebung einer Sachrüge ohne weiteres genügenden - Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragschrift vom 28.05.2003 den Mangel nicht mehr zu beheben vermochten, da zu diesem Zeitpunkt die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen war.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs.2 StPO.

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