Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 15 AR 24/04

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Karlsruhe bestimmt.

Gründe

 
I. Mit Beschluss vom 23.01.2003 hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - in B. auf Antrag des Gläubigers Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin gepfändet. Am 17.05.2004 hat der Gläubiger beim Amtsgericht K. - Vollstreckungsgericht - beantragt, die gepfändeten Ansprüche der Gläubigerin zur Einziehung zu überweisen. Er hat angegeben, die Schuldnerin (genauer: die Rechtsnachfolgerin der Schuldnerin im Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts in B. vom 23.01.2003), habe ihren Sitz inzwischen in K..
Auf einen entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts - Vollstreckungsgerichts - K. hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom 27.05.2004 hilfsweise beantragt, das Verfahren an das Amtsgericht in B. zu verweisen. Mit Beschluss vom 02.06.2004 hat sich das Amtsgericht K. für örtlich unzuständig erklärt und das Vollstreckungsverfahren an das Amtsgericht in B. verwiesen. Das Amtsgericht K. hat die Auffassung vertreten, die beim Amtsgericht in B. im Pfändungsverfahren begründete örtliche Zuständigkeit bleibe auch für den Antrag auf Überweisung der Forderung zur Einziehung bestehen.
Mit Beschluss vom 09.06.2004 hat sich das Amtsgericht B. für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Amtsgericht B. vertritt die Auffassung, für die örtliche Zuständigkeit sei der Sitz der Schuldnerin zum Zeitpunkt des Überweisungsantrags (in K.) maßgeblich.
II. Als zuständiges Gericht war das Amtsgericht K. zu bestimmen.
1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung ergibt sich aus § 36 Abs. 2 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Senats gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO liegen vor; denn sowohl das Amtsgericht K. als auch das Amtsgericht B. haben sich im Sinne dieser Vorschrift rechtskräftig für unzuständig erklärt. § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO ist auch bei einem negativen Zuständigkeitskonflikt im Rahmen von § 828 ZPO anwendbar (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 828 ZPO Rn. 3).
2. Örtlich zuständiges Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht K.. Entscheidend ist, dass die Schuldnerin ihren Sitz im Bezirk dieses Gerichts hat (§§ 828 Abs. 2, 17 Abs. 1 ZPO).
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die örtliche Zuständigkeit ist der Beginn der Zwangsvollstreckung (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl. 2002, Rn. 453). Der Gläubiger begehrt eine Überweisung einer (bereits früher gepfändeten) Forderung zur Einziehung gemäß § 835 Abs. 1 ZPO. Für diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme (Überweisung) ist der Antrag des Gläubigers vom 17.05.2004 maßgeblich. Bei Antragstellung hatte die Schuldnerin ihren Sitz in K..
b) Aus dem Umstand, dass das Amtsgericht B. im Januar 2003 den zugrunde liegenden Pfändungsbeschluss erlassen hat, ergibt sich keine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts B. für die Überweisung. Denn die Überweisung einer Forderung stellt gegenüber der früheren Forderungspfändung eine neue gerichtliche Handlung im Sinne von § 828 Abs. 1 ZPO bzw. eine neue Anordnung einer Vollstreckungshandlung im Sinne von § 764 Abs. 1 ZPO dar. Die örtliche Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts ist für jede neue Vollstreckungshandlung selbstständig zu prüfen (vgl. Stöber a.a.O.). Die wegen der Forderungspfändung begründete Zuständigkeit des Amtsgerichts B. hat keine Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Gerichts bei späteren (neuen) Maßnahmen des Gerichts.
c) Eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts B. ergibt sich auch nicht daraus, dass Forderungspfändung und Überweisung - wenn die Überweisung erst nach der Pfändung beantragt wird - als einheitliches Verfahren anzusehen wären. Zwar soll für gerichtliche Handlungen im selben Vollstreckungsverfahren die einmal begründete örtliche Zuständigkeit fortdauern. Dies gilt jedoch nur für nicht selbständige Handlungen, die der Abwicklung eines einheitlichen Vollstreckungsaktes dienen (vgl. beispielsweise Münzberg in Stein-Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1995, § 764 Rn. 5). Zum selben Vollstreckungsverfahren (mit fortdauernder Zuständigkeit) gehören insbesondere die gerichtlichen Maßnahmen nach einem Rechtsbehelf eines Verfahrensbeteiligten (Münzberg a.a.O.) sowie nachträgliche Änderungen einer vorausgegangenen Entscheidung des Vollstreckungsgerichts (vgl. zu § 850 f ZPO bzw. § 850 g ZPO, OLG München, JurBüro 1985, 945 und BGH, Rpfleger 1990, 308). Um eine solche unselbstständige Vollstreckungsmaßnahme handelt es sich bei der Überweisung einer Forderung nicht. Die Überweisung ist nicht zwingender Bestandteil eines Verfahrens der Forderungspfändung; die Forderungspfändung kann im Einzelfall bereits für sich allein (beispielsweise als Druckmittel gegenüber dem Schuldner) zur Befriedigung der Gläubigerinteressen ausreichen.
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Bei der Überweisung handelt es sich der Sache nach um die Pfandverwertung einer Geldforderung (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 835 ZPO Rn. 2). Einzelne Verwertungsmaßnahmen im Rahmen der Zwangsvollstreckung sind generell als selbständige - ein neues Verfahren auslösende - Maßnahmen zu bewerten (vgl. Münzberg in Stein-Jonas, a.a.O., § 764 ZPO Rn. 4; ebenso für eine Entscheidung gemäß § 844 Abs. 1 ZPO RGZ 61, 330, 332). Bei einer Überweisung als selbstständigem Akt der Verwertung der gepfändeten Forderung ist dementsprechend die örtliche Zuständigkeit neu zu prüfen mit der Konsequenz, dass sich eine unterschiedliche Zuständigkeit ergeben kann, wenn der Schuldner - wie vorliegend - in der Zwischenzeit seinen Sitz oder Wohnsitz gewechselt hat (vgl. Stöber, Forderungspfändung, a.a.O., Rn. 584; Münzberg in Stein-Jonas, a.a.O., § 764 ZPO Rn. 4).

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