Der am ... in C./Italien geborene italienische Staatsangehörige X.
- vorläufige Festnahme gem. § 19 IRG am 19. Januar 2005, derzeit in Haft in der JVA U. -
ist zum Zwecke seiner Auslieferung nach Italien zur Strafverfolgung in vorläufige Auslieferungshaft zu nehmen.
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Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls konnte nicht entsprochen werden.
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I. Der Verfolgte ist Bezugsperson einer Ausschreibung der italienischen Justizbehörden im Schengener Informationssystem (SIS). In den hierzu nach Art. 95 Abs. 2 SDÜ erstellten Begleitpapieren wird ihm aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters von C./Italien vom 25.08.2004 folgender Tatvorwurf zur Last gelegt:
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„Die gesuchte Person wendete mehrfach sexuelle Gewalt gegenüber seinem Cousin U. an, der/die 1997, als die Übergriffe begannen, zwölf Jahre alt war. Die gesuchte Person zwang seinen Cousin auch unter Todesdrohungen, den Sachverhalt nicht bei den Justizbehörden anzuzeigen.“
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In rechtlicher Hinsicht werten die italienischen Justizbehörden die mit einer Höchststrafe von 13 Jahren und vier Monaten ahndbaren mehreren Taten des Verfolgten hierin wie folgt:
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1. Schwere sexuelle Handlungen an einem/r Minderjährigen, strafbar nach Art. 609/Quater, 61 C.P., Tatzeit: Juli 1997, Tatort: Z./Bundesrepublik Deutschland;
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2. fortgesetzte schwere sexuelle Gewalt, strafbar nach Art. 81, 609/BIS, 609/TER, 61 C.P., Tatzeit: Juli 1997 und von 1997 bis 2001, Tatort Z./Bundesrepublik Deutschland
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3. fortgesetzte schwere Gewalttätigkeit im häuslichen Bereich, strafbar nach Art. 81, 610, 61 C.P., Tatzeit Juli 1997 und von 1998 bis 2001, Tatort Z./Bundesrepublik Deutschland;
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4. Gewalttätigkeit im häuslichen Bereich, strafbar nach Art. 610 C.P., Tatzeit: Vor 24.12.2003; Tatort P./Italien.
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II. Diese Ausschreibung vermag den Erlass eines Auslieferungshaftbefehls nach § 15 IRG nicht zu rechtfertigen, da die in § 83 a Abs. 1 Nr. 1 bis 6 IRG vorgesehenen Merkmale in dem Fahndungsersuchen nicht hinreichend bezeichnet sind, weshalb die Ausschreibung derzeit nicht als Europäischer Haftbefehl angesehen werden kann (vgl. § 83 a Abs. 2 IRG). Nach § 83 a Abs. 1 Nr. 5 IRG ist die Beschreibung der Umstände erforderlich, unter denen die Straftat begangen wurde, einschließlich der Tatzeit, des Tatorts und der Tatbeteiligung der gesuchten Person (vgl. auch Art. 8 Abs.1 Nr. 1 RbEuHb). Hierzu gehört vor allem eine ausreichende Konkretisierung des Tatvorwurfs, welche eine Überprüfung ermöglicht, ob die Tat zu den Deliktsgruppen des Art. 2 Abs. 2 des RbEuHb gehört oder - wenn nicht - ob das dem Verfolgten vorgeworfene Verhalten nach deutschem Recht strafbar ist.
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Die Ausschreibung genügt diesen Anforderungen nicht. Die dem Verfolgten zur Last gelegten Taten ergeben sich hieraus nur vage, da es an einer genaueren Beschreibung der Tathandlungen gänzlich fehlt. Insbesondere bleibt unklar, welche sexuellen Übergriffe der Verfolgte vorgenommen haben soll. Auch sind die unter Nr. 3 und 4 erhobenen Vorwürfe der „Gewalttätigkeit im häuslichen Bereich“ derart unbestimmt, dass sie nicht ohne weiteres als nach deutschem Recht strafbar bezeichnet werden können.
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III. Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe konnte jedoch durch Erlass eines vorläufigen Auslieferungshaftbefehls nach § 16 IRG i.V.m. § 1 Abs. 4 IRG und Art. 16 Abs. 2 EuAlÜbk entsprochen werden, da das Fahndungsersuchen der italienischen Justizbehörden hierfür eine ausreichende Rechtsgrundlage darstellt. Die Auslieferung ist auch nicht als von vornherein unzulässig anzusehen (§§ 15 Abs. 2, 16 IRG), zumal eine beiderseitige Strafbarkeit jedenfalls teilweise auf der Hand liegt.
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Es besteht auch die erhebliche, anderweitig nicht abwendbare Gefahr, dass der Verfolgte versuchen würde, sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung zu entziehen.
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IV. Die Generalstaatsanwaltschaft wird darum gebeten, die italienischen Behörden um die Vorlage der nach § 10 IRG erforderlichen Auslieferungsunterlagen oder eines Europäischen Haftbefehls oder einer Nachreichung der nach § 83 a Abs. 1 Nr. 5 IRG erforderlichen genaueren Beschreibung der Tatvorwürfe ( vgl. § 83 a Abs. 2 IRG) zu ersuchen. Auch mögen die Italienischen Justizbehörden aufgefordert werden, eine Erklärung abzugeben, ob sie die im Fahndungsersuchen bezeichneten Taten als Deliktsgruppentaten im Sinne des Art. 2 Abs. 2 RbEuHb ansehen (vgl. BTDrucks. 15/1718, S. 18).
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Da die Ausschreibung nicht als Europäischer Haftbefehl i.S.d. § 83 a Abs.2 IRG gilt, ist die Frist des Art. 16 Abs. 4 EuAlÜbk zu beachten (vgl. hierzu Senat StraFo 2004, 425 f. = StV 2005, 31 f.).
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