1. Auf den Antrag des Verurteilten J. G. auf gerichtliche Entscheidung werden der Bescheid der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 15.08.2014 - 806 VRs 61 Js 10835/02 - und der Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 17.09.2014 - 8 Zs 1672-1673/14 - aufgehoben.
2. Die Staatsanwaltschaft wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
3. Die Zustimmung des Gerichts wird im Vollstreckungsverfahren der Staatsanwaltschaft Karlsruhe 806 VRs 61 Js 10835/02 durch diese Entscheidung ersetzt.
4. Das Verfahren ist gebührenfrei. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind zur Hälfte aus der Staatskasse zu erstatten.
5. Der Geschäftswert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
6. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.
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| | 1. Der Antragsteller wurde durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17.12.2002 - 4 KLs 61 Js 10835/02 -, rechtskräftig seit 27.12.2002, wegen „Diebstahls in neun Fällen, versuchten Diebstahls in zwei Fällen, unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 14 Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie jeweils tateinheitlich begangenen vorsätzlichen Erwerbs, Überlassens und Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine vollautomatische Selbstladewaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Munition und Schusswaffen (Schalldämpfer) in Weitergabeabsicht und mit jeweils deren vorsätzlichen unerlaubten Überlassens an Nichtberechtigte in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine Schusswaffe (Schalldämpfer), rechtlich zusammentreffend mit vorsätzlichem Erwerb, Überlassen an andere und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen verbotenen Gegenstand (Nachtsichtgerät)“ unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 01.09.2000 - 2 KLs 61 Js 39049/98 - verhängten Strafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und einer weiteren Gesamtstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. |
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| | a) Der Verurteilung vom 17.12.2002 liegen in der Zeit zwischen dem 08.09.2001 und dem 06.04.2002 begangene neun vollendete und zwei versuchte Einbruchsdiebstähle zugrunde. Der Wert des Diebesgutes, das teilweise aus Bargeld bestand, belief sich auf Wertbeträge zwischen 100,- EUR und etwa 4.300,- EUR. Hierbei verkaufte der Antragsteller in einem Fall das Diebesgut (Computerteile nebst Zubehör im Wert von etwa 3.900,- EUR) an einen Dealer, bei dem er Schulden hatte (Fall II A Nr. 5; UA S. 23). Nach den Feststellungen wurden die Taten zur Aufbesserung der schlechten finanziellen Situation und zur Finanzierung des Kokainkonsums begangen (UA S. 20). Darüber hinaus wurde er wegen 16 Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (überwiegend Kauf von Kokain zum Eigenkonsum) sowie eines Verstoßes gegen das Waffengesetz (Maschinenpistole und Munition) schuldig gesprochen. |
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| | Die Kammer stellte zu den persönlichen Verhältnissen fest, dass der Antragsteller nach voran gehendem Konsum von Haschisch ab dem Alter von 18 Jahren seit dem 28. Lebensjahr (d. h. ab dem Jahr 1994) schließlich bis zu zwei Gramm Kokain, je nach den finanziellen Möglichkeiten, konsumierte (UA S. 4). |
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| | Bei der Strafzumessung wurde zugunsten des Antragstellers berücksichtigt, dass die Taten, zumindest nach dessen Einlassung, ab der Tat II. 4. - mithin sollen nur die ersten drei Taten nicht betroffen gewesen sein - diese unter dem „schädlichen Gebrauch von Kokain“ ausgeübt wurden und der Antragsteller jetzt ernsthaft bemüht sei, sich von seinem Drogenkonsum zu lösen und zukünftig keine Drogen mehr einzunehmen (UA S. 35). |
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| | In der Hauptverhandlung wurde zur Frage der medizinischen Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) durch den Ärztlichen Direktor des Zentrums für Psychiatrie N., Dr. S., ein mündliches Gutachten erstattet; ein vorbereitendes schriftliches Gutachten war zuvor nicht eingeholt worden. Nach den Ausführungen im Urteil (UA S. 38) hätten die Voraussetzungen für eine Maßregel nach § 64 StGB nicht vorgelegen. Zwar habe zu den Tatzeitpunkten ein teilweise heftiger Missbrauch von Drogen, aber keine Drogenabhängigkeit bestanden; ferner habe es zwischen Taten und Drogeneinnahme an einem symptomatischen Zusammenhang gefehlt. Mithin seien die Taten somit auch nicht auf den Hang des Angeklagten zur Einnahme von Kokain zurückzuführen. Des Weiteren wurde in dem Urteil sodann Folgendes ausgeführt: „Der Angeklagte hat aber davon unabhängig die Möglichkeit - bei Vorliegen der Voraussetzungen - sich in einer staatlich anerkannten Einrichtung wegen seines behaupteten subjektiven Verlangens nach Drogen behandeln zu lassen und dafür gem. §§ 35, 36 BtMG die Zurückstellung der Strafvollstreckung zu beantragen“. |
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| | b) Der Verurteilung durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 01.09.2000 - 2 KLs 61 Js 39049/98 - liegen in der Zeit zwischen dem 18./19.04.1998 und dem 29.03.1999 begangene 19 vollendete und zwei versuchte Einbruchsdiebstähle sowie ein Hehlerei zugrunde. Der Wert des Diebesgutes, das teilweise aus Bargeld bestand, belief sich auf Wertbeträge zwischen 28,- DM und 93.200,- DM (u.a. Lastwagen im Wert von 90.000,- DM). Nach den Feststellungen wurden die Taten zur Finanzierung des Lebensunterhalts und zum Abbau der Schulden in Höhe von etwa fünf Millionen DM begangen (UA S. 9). |
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| | Das Urteil verhält sich zu einem möglichen Drogenkonsum an sich und einem evtl. Zusammenhang mit den Taten nicht. |
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| | 2. Nachdem der Antragsteller am 28.11.2004 einen Antrag auf Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG gestellt hatte, lehnte das Landgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 14.12.2004 - 4 AR 11/04 - unter Hinweis auf die Feststellungen im Urteil die gerichtliche Zustimmung ab; die Staatsanwaltschaft Karlsruhe schloss sich dieser Auffassung im Bescheid vom 22.12.2004 an. |
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| | Durch Beschluss des Landgerichts Heilbronn - Strafvollstreckungskammer - vom 19.08.2005 - 1b StVK 603/05 - wurde die Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafen ab dem 30.08.2005 zur Bewährung ausgesetzt. Unter Ziffer 4 des Beschlusses wurde der Antragsteller u.a. angewiesen, sich einer stationären Entziehungsbehandlung in der Therapieeinrichtung Schloss Bettenburg, 97461 Hofheim, zu unterziehen sowie künftig den Konsum von Drogen ausnahmslos zu unterlassen und Orte, an denen mit Drogen Handel getrieben wird, ausnahmslos zu meiden. Die Kammer ging bei ihren Erwägungen von einer seit Jahren bestehenden massiven Suchtproblematik aus, der der Antragsteller mittels einer stationären Langzeitentziehungsbehandlung Herr werden soll. In der Folgezeit absolvierte der Antragsteller die stationäre Therapie bei regulärer Entlassung in der Zeit vom 30.08.2005 bis zum 01.02.2006. |
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| | Durch Beschluss des Landgerichts Heilbronn - Strafvollstreckungskammer - vom 13.03.2009 wurde die Bewährungszeit um ein Jahr (nunmehr bis 26.08.2010) verlängert, da der Antragsteller mit Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 07.04.2006 - 13 Ds 24 Js 2583/06 - wegen Diebstahls zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden war. |
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| | Durch Beschluss des Landgerichts Heilbronn - Strafvollstreckungskammer - vom 03.02.2011 wurde die mit Beschluss vom 19.08.2005 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen, da der Antragsteller mit Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 15.04.2009 - 30 Ds 206 Js 34906/08 - wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war. |
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| | 3. Durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 29.04.2011 - 2 KLs 120 Js 13415/10 -, rechtskräftig seit 07.05.2011, wurde der Antragsteller wegen Betruges in 84 Fällen, versuchten Betruges, Computerbetruges in 16 Fällen, versuchten Computerbetruges in vier Fällen, Diebstahls in zwei Fällen, Unterschlagung in drei Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei, gefährlicher Körperverletzung und Vortäuschens einer Straftat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. |
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| | Die Kammer stellte zum Motiv der Taten fest, dass dieselbe persönliche und wirtschaftliche Situation wie bei den Taten des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 17.12.2002 vorgelegen habe; er habe hierdurch sein Leben und insbesondere seinen Drogenkonsum finanzieren wollen (UA S. 6). Schwerpunkt der Taten war die Entwendung und der umfangreiche Einsatz von EC-Karten (Tatzeiten Mai 2007 bis April 2010). |
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| | Hinsichtlich der möglichen medizinischen Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) erstattete die psychiatrische Sachverständige Dr. R., Chefärztin der Abteilung Suchttherapie des Zentrums für Psychiatrie N., in der Hauptverhandlung ein mündliches Gutachten; ein vorbereitendes schriftliches Gutachten war zuvor nicht eingeholt worden. Die Kammer, die der Sachverständigen folgte, stellte fest, dass der Antragsteller bereits seit dem 16. Lebensjahr Cannabis und in den späteren Phasen seiner Selbständigkeit zur Leistungssteigerung Speed und schließlich Kokain eingenommen habe, um die an ihn gestellten hohen Erwartungen gerecht zu werden. Inzwischen habe sich spätestens Anfang 2010 eine Drogenabhängigkeit, zuletzt im Übergang zur schweren Abhängigkeit entwickelt. Obwohl der Antragsteller auch Züge einer dissozialen Persönlichkeitsstörung aufweise, beruhe die Begehung der Straftaten doch auf dem Hang des Antragstellers, Drogen im Übermaß zu sich zu nehmen. Dabei stehe bei dem Antragsteller einerseits im Vordergrund, durch die Begehung der Taten Geld zu erlangen, das dem erneuten Erwerb von Drogen zum Eigenkonsum diene, andererseits entwickle er unter dem Drogeneinfluss Größenphantasien, die ihn in Zukunft für weitere Straftaten prädestinierten, was auch die zahlreichen Vorstrafen belegten (UA S. 26). Darüber hinaus wurde die hinreichende Aussicht eines Therapieerfolges bejaht. |
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| | a) Der Antragsteller wurde am 31.08.2011 in den Maßregelvollzug des Zentrums für Psychiatrie N. aufgenommen. Mit Beschluss des Landgerichts Tübingen - Strafvollstreckungskammer - vom 15.08.2012 - 14 StVK 248/12 - wurde die Unterbringung des Antragstellers für erledigt erklärt und die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 29.04.2011 angeordnet. Hintergrund für die Entscheidung war, dass der Antragsteller positiv auf Pregabalin getestet worden war. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10.09.2012 - 4a Ws 102/12 - als unbegründet verworfen. Die Rückverlegung in den Strafvollzug erfolgte am 11.09.2012 in die JVA Offenburg. |
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| | b) Der in der Folge gestellte Antrag des Antragstellers auf erneute Unterbringung in der Entziehungsanstalt wurde mit Beschluss des Landgerichts Offenburg - Strafvollstreckungskammer - vom 16.10.2013 - 7 StVK 539-540/13 - zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde durch Beschluss des Senats vom 05.11.2013 - 2 Ws 444-445/13 - als unbegründet verworfen. |
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| | Entsprechend einem Hinweis des Senats wurde die Vollstreckungsreihenfolge allerdings geändert. Seit dem 19.11.2013 wird nunmehr - entgegen dem Grundsatz nach §§ 454b Abs. 2 Satz 2 StPO, 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO - die Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 29.04.2011 vollstreckt. Der Zwei-Drittel-Zeitpunkt wird am 05.05.2015 sein. |
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| | 4. Bereits mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20.07.2011 hatte der Antragsteller gem. § 35 BtMG die Zurückstellung der Strafvollstreckung der Freiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17.12.2002 beantragt. Hierüber wurde sodann in der Folgezeit keine Entscheidung getroffen. Mit Schreiben vom 20.06.2014 stellte die schriftlich bevollmächtigte Drogenberaterin der Drogenberatungseinrichtung D., K., für den Antragsteller erneut den Antrag, bezüglich beider aus den Urteilen des Landgerichts Karlsruhe vom 17.12.2002 und vom 29.04.2011 zu vollstreckenden Freiheitsstrafen die Vollstreckung gem. § 35 BtMG zurückzustellen. |
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| | a) Durch Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 16.07.2014 - 4 AR 7/14 - wurde die gerichtliche Zustimmung unter Hinweis auf die Gründe des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 17.12.2002 erneut versagt. Hinsichtlich des Verfahrens, das das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 29.04.2011 betrifft, wurde die gerichtliche Zustimmung mit Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 01.08.2014 - 2 AR 3/14 - demgegenüber erteilt. |
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| | b) Mit Bescheiden vom 15.08.2014 lehnte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe eine Zurückstellung der Strafvollstreckung bezüglich beider Verfahren ab. Im Verfahren betreffend das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17.12.2002 erfolgte dies mit der - alleinigen - Begründung, dass die erforderliche gerichtliche Zustimmung nicht vorliege. Hinsichtlich des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 29.04.2011 wurde auf § 35 Abs. 6 BtMG verwiesen. Gegen diese Bescheide legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 21.08.2014 jeweils Beschwerde ein. |
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| | c) Durch Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 17.09.2014 - Zs 1672-1673/14 - wurde den Beschwerden des Verteidigers keine Folge gegeben. Bezüglich der Vollstreckung aus dem früheren Urteil wurde mit näherer Begründung auf die in dem Urteil vom 17.12.2002 getroffenen Feststellungen verwiesen; sonstige Erwägungen erfolgten nicht. Der Zurückstellung der Strafvollstreckung hinsichtlich des späteren Urteils stehe mithin dieser Umstand entgegen (§ 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG). Eine förmliche Zustellung dieses Bescheids an den Verteidiger ist den Akten nicht zu entnehmen. |
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| | d) Mit Schriftsatz vom 02.10.2014, beim Oberlandesgericht Karlsruhe am 06.10.2014 eingegangen, stellte der Verteidiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung bezüglich des Beschwerdebescheids der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 17.09.2014. Zur Begründung beruft er sich auf einen als Anlage beigefügten Schriftsatz vom 13.08.2014 an das Landgericht Karlsruhe. Danach hätten die Erkenntnisse im späteren Verfahren gezeigt, dass auch schon bei den Taten, die Gegenstand des früheren Urteils gewesen seien, eine Drogenabhängigkeit vorgelegen und es sich um Beschaffungskriminalität gehandelt habe. Dies zeigten im Übrigen auch die Weisungen des Landgerichts Heilbronn - Strafvollstreckungskammer - im Beschluss vom 19.08.2005. |
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| | Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe beantragt mit Schriftsatz vom 20.10.2014, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen. |
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| | Der gemäß §§ 23 ff. EGGVG zulässige Antrag hat (vorläufigen) Erfolg. |
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| | 1. Der Antrag ist gemäß §§ 23 ff. EGGVG zulässig. |
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| | a) Der Antrag genügt den sich aus § 24 Abs. 1 EGGVG ergebenden Darstellungsanforderungen, wozu nach allgemeiner Meinung und auch nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Schilderung eines bestimmten Sachverhalts, also die schlüssige Darstellung von Tatsachen, die, wenn sie zuträfen, ergeben, dass der Antragsteller durch die angefochtene Maßnahme in seinen Rechten verletzt ist, gehört (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. A., § 24 EGGVG, Rn. 1; KK-Schoreit, StPO, 7. A., § 24 EGGVG Rn. 1; OLG Hamm MDR 1983, 602; vgl. allerdings weitergehende Anforderungen OLG Celle, Beschluss vom 28.03.2013 - 2 VAs 10/13 - bei juris [insoweit in NStZ-RR 2014, 64 nicht abgedruckt]). Der Antragsschrift lässt sich in Verbindung mit dem als Anlage beigefügten Schriftsatz noch mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, dass der Verurteilte sich gegen die Ablehnung der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG wendet, indem er sich durch die Verneinung einer Drogenabhängigkeit und des Kausalzusammenhangs durch die Bewertung der Staatsanwaltschaft in seinen Rechten verletzt sieht. |
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| | b) Die Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist offensichtlich gewahrt. |
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| | 2. Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde unterliegt nicht in vollem Umfang der Überprüfung durch den Senat. Der Vollstreckungsbehörde steht bei ihrer Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie gemäß § 35 BtMG auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen und hinsichtlich der dabei zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen, also hinsichtlich der Frage einer Betäubungsmittelabhängigkeit, der Kausalität der Abhängigkeit für die Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat und der Therapiewilligkeit des Antragstellers ein Beurteilungsspielraum zu. Gem. § 28 Abs. 3 EGGVG hat der Senat die Entschließung der Vollstreckungsbehörde - und inzident die Zustimmungsentscheidung des Landgerichts (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. A. § 35 Rn. 406) - deshalb nur auf Ermessensfehler und darauf zu überprüfen, ob ihr ein zutreffend und vollständig ermittelter Sachverhalt unter Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums zu Grunde gelegt und eine fehlerfreie Ermessensausübung erfolgt ist (ständige Senatsrechtsprechung, z.B. StV 2002, 263; NStZ-RR 2005, 57). Grundlage der Entscheidung des Senats ist dabei die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde in der Gestalt, die sie im Vorschaltverfahren durch den Ablehnungsbescheid der Generalstaatsanwaltschaft gewonnen hat. |
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| | Vorliegend ist der Bescheid der Vollstreckungsbehörde rechtsfehlerhaft, da sie zur Begründung letztlich ausschließlich auf die Gründe des Urteils vom 17.12.2002 verweist. Angesichts der bestehenden besonderen Umstände genügt dies einer fehlerfreien Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen nicht. |
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| | a) Der Vollstreckungsbehörde ist zunächst grundsätzlich zuzugeben, dass den in einem Urteil getroffene Feststellungen zur Drogenabhängigkeit und/oder Kausalität zwischen Drogenabhängigkeit und Straftaten in der Regel ein hohes Gewicht zukommt. Dies gilt umso mehr, wenn solche Erkenntnisse auf dem Gutachten eines Sachverständigen gründen (Körner/Patzak/Volkmer, aaO, § 35 Rn. 92; Weber, BtMG, 4. A. § 35 Rn. 50; MK-Kornprobst, BtMG, § 35 Rn. 52). Gleichwohl ist anerkannt, dass auch in diesen Fällen keine uneingeschränkte Bindungswirkung gegeben ist. Die Feststellungen im Urteil haben letztlich gleichwohl nur die Bedeutung einer widerleglichen Vermutung (Senat, StraFo 2009, 470 mit Anm. Malek; OLG Oldenburg StV 2001, 467; OLG Hamm MDR 1984, 75; Weber, aaO, § 35 Rn. 49; MK-Kornprobst, aaO, § 35 Rn. 52). |
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| | b) Obgleich das in Frage stehende Urteil sowohl eine Drogenabhängigkeit als auch einen symptomatischen Zusammenhang verneint, kann es letztlich nicht maßgeblich herangezogen werden. Insoweit ist bereits allgemein zu sehen, dass sich die Gründe - abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO - nicht ansatzweise substantiiert mit der Fragestellung auseinandersetzen. Die Beweiswürdigung beschränkt sich allein auf die bloße Feststellung, dass nach dem Gutachten Beides nicht vorgelegen habe und somit eine Unterbringung nach § 64 StGB nicht in Betracht komme (UA S. 38). Ein näheres Hinterfragen anhand eines vorbereitenden schriftlichen Gutachtens ist nicht möglich, da ein solches zuvor nicht eingeholt worden war. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass im Fall II. A. 5. eine ausdrückliche Feststellung zum Suchthintergrund durchaus getroffen wurde (UA S. 23) und es sich bei den Taten II. B. 13. bis 29. ohnehin um Drogendelikte im Zusammenhang mit dem Eigenkonsum handelte. In möglichem Widerspruch zu der ablehnenden Entscheidung einer Unterbringung ohne zureichende Beweiswürdigung steht auch, dass nach den Feststellungen die Einbruchdiebstähle auch zur Finanzierung des Kokainkonsums begangen worden seien (UA S. 20). |
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| | Letztlich entscheidend für eine ganz erheblich reduzierte Bedeutung der Feststellungen ist, dass das Urteil an einem unauflösbaren inhaltlichen Widerspruch leidet. Einerseits werden Drogenabhängigkeit und symptomatischer Zusammenhang verneint und mit dieser Begründung von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Andererseits wird sodann - im unmittelbaren Kontext - jedoch ausgeführt, dass der Angeklagte die Möglichkeit habe, gem. §§ 35, 36 BtMG die Zurückstellung der Strafvollstreckung zu beantragen (UA S. 38). Dieser Hinweis kann bei vernünftiger Auslegung letztlich auch nur so verstanden werden, dass seitens der Kammer die grundsätzlichen rechtlichen Voraussetzungen angenommen wurden; es wäre abwegig zu mutmaßen, die Kammer habe auf die Möglichkeit hinweisen wollen, der Angeklagte könne einen von vornherein unbegründeten Antrag (!) stellen. Eine Zurückstellung nach § 35 BtMG setzt jedoch - in völliger Übereinstimmung mit § 64 StGB - voraus, dass sowohl eine Betäubungsmittelabhängigkeit als auch eine Kausalität zwischen dieser und den Straftaten bestehen muss (Körner/Patzak/Volkmer, aaO, § 35 Rn. 57ff und 95ff). Liegt auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, scheidet eine Zurückstellung schlechterdings aus. |
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| | Der Senat sieht sich letztlich nicht in der Lage, eine sichere Erklärung für die Widersprüchlichkeit der Urteilsgründe zu finden. Möglicherweise unterlag die in Zweierbesetzung entscheidende Kammer - der Vorsitzende war wegen Urlaubs ohnehin an der Unterschrift verhindert - einem Rechtsirrtum, wenngleich sich die Voraussetzungen bereits anhand des bloßen Gesetzeswortlautes erschließen lassen. Ebenso kommt jedoch in Betracht, dass zwischen der Kammer, dem Verteidiger (im Einvernehmen mit dem Angeklagten) und der Staatsanwaltschaft eine „stillschweigende Übereinkunft“ dahin bestand, eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu unterlassen und den Angeklagten stattdessen „auf die Möglichkeit des § 35 BtMG zu verweisen“. Obgleich dies nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeschlossen ist (BGH NStZ-RR 2012, 314), zeigt die dem Senat geläufige Rechtswirklichkeit, dass eine solche Praxis durchaus nicht selten zu beobachten ist. Dabei sind es oft gerade die Angeklagten selbst, die „§ 35 BtMG“ für eine weniger belastende Konsequenz halten und deshalb einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vorziehen. |
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| | c) Ausgehend vom Entfallen des üblichen Beweiswertes ausdrücklicher Urteilsfeststellungen wäre die Staatsanwaltschaft verpflichtet gewesen, nunmehr anhand der gegebenen Indizien eine neue eigene Bewertung vorzunehmen. Insoweit bestehen durchaus konkrete Hinweise, dass auch die Taten des früheren und möglicherweise auch des einbezogenen Urteils in einem Zusammenhang zu einer Betäubungsmittelabhängigkeit gestanden sind. |
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| | aa) Sowohl das Urteil vom 17.12.2002 als auch das Urteil vom 29.04.2011 stellten fest, dass der Antragsteller nach bereits in der späteren Jugend begonnenem Konsum von Cannabis ab dem Alter von 28 Jahren, d.h. seit etwa 1994, regelmäßig die über ein hohes Suchtpotential verfügende Droge Kokain konsumierte. Schließlich habe er täglich zwei bis vier Gramm hiervon zu sich genommen. Angesichts des Preises für Kokain, der für ein Gramm bei guter mittlerer Qualität in einer Größenordnung von 60,- EUR anzusiedeln ist (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, aaO, Stoffe Teil 1 Rn. 143), hätte der Antragsteller bei drei Gramm täglich monatlich für den Eigenkonsum Kokain zum Gesamtpreis von etwa 5.500,- EUR benötigt. Im Hinblick auf die desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse (sehr hohe Schulden aus früherer selbständiger Tätigkeit in der Baubranche und späterer überwiegender Arbeitslosigkeit) lag auf der Hand, dass der Antragsteller den Drogenbedarf nur durch die Begehung erheblicher und vielfacher Straftaten wirtschaftlich decken konnte. Dabei ist für eine Zurückstellung ausreichend, dass bloße Mitursächlichkeit gegeben ist (Weber, aaO, § 35 Rn. 34; MK-Kornprobst, aaO, § 35 Rn. 45). Demzufolge steht einer Zurückstellung nicht entgegen, dass der Antragsteller ausweislich der Urteilsgründe jedenfalls auch den allgemeinen Lebensbedarf habe finanzieren wollen. |
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| | bb) Der Antragsteller hat den Drogenkonsum auch nicht, wie oft zu beobachten, erst im Rahmen der Vollstreckung der Freiheitsstrafe behauptet. Er war vielmehr bereits Gegenstand einer eigenständigen Einvernahme, die die Kriminalpolizei am 27.07.2002 durchgeführt hat. In dieser gab der Antragsteller an, sich mit dem Mitbeschuldigten Willi Scholl zur Begehung von Einbruchsdiebstählen entschlossen zu haben, da „sie gerne eine Nase gezogen hätten“. Ausweislich eines handschriftlichen „Suchtverlaufs“ teilte er u.a. ergänzend mit, ab dem Alter von 28 Jahren Kokain und Speed konsumiert zu haben, schließlich drei bis fünf Gramm täglich. Da er eine nasale Konsumform praktizierte, ist eine solche Menge durchaus glaubhaft. Die Straftaten habe er zur Finanzierung der Sucht begangen. |
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| | cc) Passend zu diesen Angaben des Antragstellers steht darüber hinaus, dass die Untersuchung einer Urinprobe vom 08.04.2002 bezüglich Kokain einen Wert von 2021 ng/ml erbrachte [positiver Befund ab über 300 ng/l]). |
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| | dd) Von weiterer wesentlicher Bedeutung dürfte das in dem späteren Verfahren erstattete Sachverständigengutachten sein, welches in dem Urteil vom 29.04.2011 eine ausführlichere Erörterung erfahren hat (UA S. 25 ff). Die Kammer stellte u.a. fest, dass der Antragsteller nach Schließung seines Baugeschäftes und bei Bestehen erheblicher Gläubigerforderungen sich entschlossen habe, den Lebensunterhalt durch Straftaten zu bestreiten, die ihm auch den Konsum von Kokain möglich machen sollten (UA S. 5). Da er das Baugeschäft bereits Ende der neunziger Jahre geschlossen hatte, entfalten diese Feststellungen auch für die Taten des Urteils vom 17.12.2002 und möglicherweise auch desjenigen vom 01.09.2000 Relevanz. |
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| | ee) In Übereinstimmung hiermit ging auch das Landgericht Heilbronn - Strafvollstreckungskammer - in dem Beschluss vom 19.08.2005 von einer seit Jahren bestehenden massiven Suchtproblematik aus, die die Durchführung einer stationären Langzeittherapie erforderlich mache. Hierdurch sollte der Antragsteller in ein straftatenfreies Leben zurückfinden. Diese Entscheidung nahm mithin an, dass zwischen der Suchtproblematik und den Straftaten ein kausaler Zusammenhang vorgelegen hatte. |
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| | d) Die weitere Voraussetzung eines stationären Therapieplatzes (Fachklinik Sch., … M.) bei vorhandener Kostenzusage (Kostenzusage der AOK Mittlerer Oberrhein vom 10.02.2014) liegt bereits vor. Ferner dürfte eine hinreichende Aussicht für einen Behandlungserfolg gegeben sein. Der Umstand, dass die frühere Unterbringung nach § 64 StGB keinen dauerhaften Erfolg erbrachte, steht insoweit nicht entgegen (vgl. Senat, NStZ-RR 2014, 14). |
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| | 3. Mit der vorliegenden Entscheidung ersetzt der Senat im Verfahren der Staatsanwaltschaft Karlsruhe 806 VRs 61 Js 10835/02 die Zustimmung des Tatgerichts (§ 35 Abs. 2 Satz 3 BtMG). Die Vollstreckungsbehörde wird so in die Lage versetzt, zeitnah und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Zurückstellungsantrag des Antragstellers zu entscheiden. |
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| | 4. Sollte in dem Verfahren, das dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17.12.2002 zugrunde liegt, eine Zurückstellung der Strafvollstreckung erfolgen, wird zugleich die Sperrwirkung nach § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG im Verfahren betreffend das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 29.04.2011 entfallen (BGHSt 55, 243). |
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| | Eine Kostengrundentscheidung nach §§ 1 Abs. 2 Nr. 19, 22 Abs. 1 GNotKG i.V.m. Teil 1, Hauptabschnitt 5, Abschnitt 3, Nr. 15300 bzw. 15301 KVGNotKG war nicht veranlasst, da der Antrag weder zurückgenommen noch zurückgewiesen wurde. |
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| | Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers beruht auf § 30 Satz 1 EGGVG. |
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| | Die Entscheidung über den Geschäftswert ergibt sich aus §§ 36 Abs. 3, 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG. Danach ist in Ermangelung genügender Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Wertes ein Geschäftswert von 5.000.- EUR anzusetzen (OLG Celle NStZ-RR 2014, 64). |
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| | Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 Satz 1 EGGVG nicht zuzulassen. |
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