Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 (8) SsRs 662/14; 1 (8) SsRs 662/14 - AK 233/14

Tenor

Der Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 15. September 2014 zuzulassen, wird als unbegründet verworfen (§§ 80 Abs. 4, 80 a Abs. 1 OWiG).

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen (§ 46 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Gründe

 
Mit dem angefochtenen Urteil vom 15.9.2014 verwarf das Amtsgericht Karlsruhe den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Stadt Karlsruhe, mit dem gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 80 EUR festgesetzt worden war, nachdem der nicht von der Verpflichtung zum Erscheinen entbundene Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erschienen war.
Der form- und fristgerecht gestellte Antrag auf Zulassung der Rechtbeschwerde bleibt erfolglos, weil die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) nicht vorliegt.
1. Der Rüge, mit der die Verwerfung des Einspruchs als rechtsfehlerhaft behauptet wird, weil im Hinblick auf einen Antrag des Betroffenen, ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, gemäß § 74 Abs. 1 OWiG die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen unter Berücksichtigung seiner schriftsätzlich vorgetragenen Einwendungen durchzuführen gewesen wäre, liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Nachdem das Amtsgericht Hauptverhandlungstermin zunächst auf den 14.7.2014 bestimmt hatte, ging am 10.7.2014 ein Schriftsatz des Verteidigers unter Vorlage einer auch zur Vertretung des Betroffenen ermächtigenden Vollmacht ein, mit dem eine Erklärung des Betroffenen mitgeteilt wurde. Darin räumte der Betroffene ein, zum Tatzeitpunkt das bei der Geschwindigkeitsmessung erfasste Fahrzeug gefahren zu haben, bestritt aber ausführlich die Richtigkeit der Messung. Die Erklärung schloss mit folgenden Ausführungen:
„Ich habe mit diesen Erklärungen alles gesagt, was ich zu sagen hatte. Ich bin beruflich besonders stark in Anspruch genommen und ständig in ganz Deutschland unterwegs. Meine Termine werden bereits Wochen bis Monate sogar im Voraus geplant. Bei Eingang der Ladung des Gerichts am 07.05.2014 war die Planung für den Terminstag bereits durchgeführt. Ich kann den Termin nicht wahrnehmen und will auch den Termin nicht wahrnehmen. Ich habe nämlich oben alles gesagt, was zu erklären war. Auf der Grundlage meiner Erklärung kann das Gericht eine Entscheidung so oder so treffen. Auch in einer Hauptverhandlung würde ich, wenn man mich dazu zwingen könnte, weitere Erklärungen nicht abgeben.“
Nachdem das Amtsgericht den Termin zur Hauptverhandlung mit Verfügung vom 11.7.2014 auf den 15.9.2014 verlegte, ging am 8.8.2014 ein weiterer Schriftsatz des Verteidigers mit einer Erklärung des Betroffenen ein, die u.a. folgenden Inhalt hatte:
„Den Termin vom 14.07.2014 hätte ich wahrnehmen können. Den Termin vom 15.09.2014 kann ich leider nicht wahrnehmen. Ich habe an diesem Tag eine Seminarvereinbarung im Rahmen meiner Tätigkeit als Verkaufstrainer und Speaker bei einem Unternehmen in Düsseldorf. Es handelt sich um ein Tagesseminar, zu dem ich bereits am Vortag nach Düsseldorf reist, wobei ich natürlich in Düsseldorf übernachte, damit das Seminar pünktlich beginnen kann. Ich wiederhole insoweit alle meine früheren Erklärungen und nehme insbesondere Bezug auf die Erklärung im Schriftsatz meines Verteidigers vom 10.07.2014.“
Dies beantwortete das Amtsgericht mit an den Verteidiger gerichtetem Schreiben vom 12.8.2014 damit, dass eine Terminverlegung nur in Betracht komme, wenn der Betroffene die Verhinderung durch das Seminar in Düsseldorf nachweise. Außerdem wies es darauf hin, dass auch beantragt werden könne, dass der Betroffene von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden wird.
Eine Reaktion des Betroffenen oder des Verteidigers erfolgte hierauf nicht.
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2. Der behauptete Rechtsverstoß liegt nicht vor.
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a. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist allerdings nicht nur verletzt, wenn einem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt wird, sich zu allen entscheidungserheblichen und für ihn nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (vgl. Seitz in Göhler, OWiG, 16. Auflage 2012, § 80 Rn. 16 a m.w.N.), sondern auch dann, wenn das Gericht den Sachvortrag einer Partei aus unzulässigen verfahrensrechtlichen Gründen nicht zur Kenntnis nimmt (OLG Celle DAR 1993, 73; OLG Köln NStZ-RR 1998, 345). Dies ist der Fall, wenn sachliche Einwendungen des Betroffenen deshalb unberücksichtigt bleiben, weil bei seinem Ausbleiben in der Hauptverhandlung nicht in Abwesenheit des Betroffenen zur Sache verhandelt wird, obwohl die Voraussetzungen dafür nach § 74 Abs. 1 OWiG vorliegen. Diese sind auch dann gegeben, wenn das Gericht einen Antrag des Betroffenen, ihn gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, rechtsfehlerhaft abgelehnt oder nicht beschieden hat.
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b. Der Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG muss dabei nicht als solcher formuliert sein. Vielmehr genügt es, wenn der Betroffene zum Ausdruck bringt, von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung befreit werden zu wollen (Seitz a.a.O., § 73 Rn. 4). Davon abzugrenzen ist jedoch der Antrag auf Terminverlegung (OLG Hamm VRS 108, 274). Weiter ist zu berücksichtigen, dass nach einer Verlegung der Hauptverhandlung ein zuvor gestellter Entbindungsantrag nicht fortwirkt (OLG Jena VRS 117, 342; OLG Brandenburg VRS 116, 276; Seitz a.a.O., § 73 Rn. 5 m.w.N.).
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c. Bei Anwendung des dadurch vorgegebenen Maßstabes ergibt sich, dass sich dem danach maßgeblichen Schriftsatz vom 8.8.2014 jedenfalls nicht eindeutig ein Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung des Betroffenen zum persönlichen Erscheinen entnehmen ließ.
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Soweit auf den vorangegangenen Schriftsatz vom 10.7.2014 verwiesen wird, sprachen allerdings die darin enthaltenen Ausführungen für eine solche Auslegung, nachdem der Betroffene darin erklärt hatte, alles von seiner Seite für erforderlich Gehaltene vorgetragen zu haben, auf dieser Grundlage mit einer Entscheidung des Gerichts einverstanden zu sein und unter keinen Umständen an der Hauptverhandlung teilnehmen zu wollen (vgl. dazu BayObLGSt 1998, 179). Dazu steht jedoch die weitere im Schriftsatz vom 8.8.2014 enthaltene Äußerung des Betroffenen, wonach er den ursprünglichen Termin vom 14.7.2014 hätte wahrnehmen können, jedoch an der Wahrnehmung des neuen Termins gehindert sei, in Widerspruch, die sich dahin verstehen lässt, dass er inzwischen doch an der eigenen Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins interessiert sei.
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Im Hinblick auf die dem Betroffenen durch § 73 Abs. 2 OWiG auferlegte Mitwirkungspflicht (Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG, 4. Aufl. 2014, § 73 Rn. 13; Seitz a.a.O., § 73 Rn. 3) oblag es danach dem Betroffenen, nachdem durch das - im Hinblick auf die erteilte Vertretungsvollmacht zulässigerweise an den Verteidiger gerichtete - Schreiben vom 12.8.2014 offensichtlich wurde, dass das Amtsgericht dem Schriftsatz vom 8.8.2014 nicht einen vom Betroffenen gewollten Erklärungsinhalt beigemessen hatte, dieses Missverständnis auszuräumen. Indem er untätig blieb, brachte er jedoch zum Ausdruck, der vom Amtsgericht vorgenommenen - nach dem Inhalt der Erklärung möglichen - Interpretation, dass es sich bei dem Antrag vom 8.8.2014 um einen solchen auf Terminverlegung handelte, nicht entgegentreten zu wollen (vgl. BGH StV 2001, 436 und 504; 1989, 465 - jeweils zur Mitwirkungspflicht bei falsch verstandenen Beweisanträgen), so dass ein Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG, der der Verwerfung des Einspruchs entgegenstand, gerade nicht vorlag.
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3. Ob die Ablehnung des Antrags auf Terminverlegung rechtsfehlerhaft war und dadurch der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt wurde, war vom Senat mangels entsprechender darauf gerichteter Rüge nicht zu prüfen.

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