Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 9 AR 13/14

Tenor

Zuständig ist das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller, das Landratsamt ..., macht aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche für ein volljähriges Kind gegen die Antragsgegnerin, die Mutter des Kindes, geltend.
Mit Schriftsatz vom 22.01.2014 hat der Antragsteller einen als „Klage“ bezeichneten Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt an das Amtsgericht Kehl gerichtet. Das Verfahren ist dort von der Zivilabteilung des Amtsgerichts geführt worden. Mit Verfügung vom 28.01.2014 hat das Amtsgericht Kehl darauf hingewiesen, es sei nicht der Rechtsweg zu den ordentlichen Zivilgerichten gegeben, vielmehr dürfte der Rechtsweg zum Familiengericht eröffnet sein, da aus übergegangenem Recht ein Anspruch auf Kindesunterhalt geltend gemacht werde. Die Antragsgegnerin hat sich mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 31.01.2014 dieser Auffassung angeschlossen. Daraufhin hat sich das Amtsgericht Kehl - Zivilabteilung - mit Beschluss vom 27.02.2014 für die Entscheidung des Rechtsstreits für unzuständig erklärt und das Verfahren von Amts wegen an das zuständige Amtsgericht Offenburg - Familiengericht - verwiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 17 a Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GVG. Örtlich zuständig sei das Amtsgericht - Familiengericht - in Offenburg, da dort der Antragsteller seinen Sitz habe.
Die Entscheidung ist den Beteiligten zugestellt worden. Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 27.02.2014 ist nicht eingegangen. Daraufhin hat das Amtsgericht Kehl am 25.03.2014 die Akten an das Amtsgericht Offenburg - Familienabteilung - mit der Bitte um Übernahme übersandt.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg hat mit Beschluss vom 02.04.2014 eine Übernahme des Verfahrens abgelehnt und festgestellt, das Verfahren sei beim Amtsgericht - Familiengericht - Kehl zu führen. Zwar handele es sich um eine Familiensache, so dass das Familiengericht und nicht die Zivilabteilung eines Amtsgerichts zuständig sei. Örtlich sei jedoch nicht das Familiengericht beim Amtsgericht in Offenburg, sondern das Familiengericht beim Amtsgericht in Kehl zuständig.
Das Amtsgericht - Zivilabteilung - Kehl hat mit Beschluss vom 03.11.2014 das Verfahren dem Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg sei nicht berechtigt gewesen, eine Übernahme des Verfahrens abzulehnen. Das Verfahren sei vom Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg weiter zu führen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens könne zwar möglicherweise unter bestimmten Voraussetzungen eine Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit an ein anderes Familiengericht in Betracht kommen. Zum Zeitpunkt der Ablehnung der Übernahme durch das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg am 02.04.2014 seien die Voraussetzungen für eine Verweisung jedoch nicht vorhanden gewesen.
Die Beteiligten hatten im Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg ist zur Führung des Verfahrens zuständig. Es ist der Rechtsweg zum Familiengericht gegeben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg auch örtlich zuständig.
1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - für das Bestimmungsverfahren ergibt sich aus § 36 Abs. 1 ZPO. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Familiengerichts gelangen gemäß § 119 Abs. 1 Ziff. 1 a GVG zum Oberlandesgericht; daher ist das Oberlandesgericht, und nicht etwa das Landgericht, sowohl gegenüber dem Amtsgericht - Zivilabteilung - Kehl als auch im Verhältnis zum Familiengericht beim Amtsgericht Offenburg das „zunächst höhere Gericht“.
Der Umstand, dass über die Auswirkungen einer Rechtswegbestimmung gemäß § 17 a GVG zu entscheiden ist, führt nicht zu einer abweichenden Zuständigkeit im Bestimmungsverfahren. Zwar wird von der Rechtsprechung bei einem negativen Kompetenzkonflikt nach einer Rechtswegbestimmung in der Regel eine Zuständigkeit eines obersten Bundesgerichts angenommen, wenn eine Entscheidung über die Zuständigkeit erfolgen soll (vgl. z. B. BGH, NJW 2014, 2125; BVerwG NJW 2008, 2604). In den von der Rechtsprechung behandelten Fällen ging es jedoch - anders als vorliegend - um Konstellationen, in denen wegen der unterschiedlichen Rechtswege ein gemeinsames „zunächst höheres“ Gericht nicht vorhanden war. Dies ist bei einem Konflikt zwischen der Zivilabteilung eines Amtsgerichts und der Familienabteilung eines anderen Amtsgerichts jedoch anders. In diesem Fall gibt es mit dem Oberlandesgericht ein Gericht, welches beiden am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichten im Rechtszug übergeordnet ist. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts ergibt sich daher - anders als beispielsweise bei einem Konflikt zwischen einem Amtsgericht und einem Sozialgericht - aus einer unmittelbaren Anwendung der Regelung in § 36 Abs. 1 ZPO.
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2. Der 9. Zivilsenat in Freiburg ist nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts zur Entscheidung berufen. Der Umstand, dass es sich vorliegend um eine Familiensache handelt, steht nicht entgegen. Denn eine Bestimmung des zuständigen Gerichts in Familiensachen ist nach dem Geschäftsverteilungsplan nur dann dem 5. Zivilsenat in Freiburg - Senat für Familiensachen - zugewiesen, wenn es um eine Bestimmung des zuständigen Gerichts „zwischen mehreren Familiengerichten“ geht. Dies ist hier nicht der Fall. Denn beim Amtsgericht Kehl ist nicht das Familiengericht sondern die Zivilabteilung am Kompetenzkonflikt beteiligt.
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3. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg als auch das Amtsgericht - Zivilabteilung - Kehl haben sich in den Entscheidungen vom 02.04.2014 und vom 03.11.2014 für unzuständig erklärt. Die Ablehnung der Verfahrensführung stellt eine „rechtskräftige“ Unzuständigerklärung im Sinne von § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO dar (vgl. zur „rechtskräftigen“ Unzuständigerklärung Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage 2014, § 36 ZPO Rn. 25). Zwar hat die Zuständigkeitsbestimmung des Senats bei einer vorausgegangenen Rechtswegentscheidung gemäß § 17 a GVG nur deklaratorische Bedeutung, so dass das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg auch ohne die Entscheidung des Senats verpflichtet wäre, das dort anhängige Verfahren weiter zu führen (vgl. BGH, NJW 2014, 2125). Eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO ist jedoch auch nach einer vorangegangenen Entscheidung gemäß § 17 a GVG im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt, und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (BGH aaO).
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4. In der Sache ist das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg als zuständiges Gericht zu bestimmen.
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a) Die Rechtswegzuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich aus § 17 a Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 GVG. Der Beschluss des Amtsgerichts - Zivilabteilung - Kehl vom 27.02.2014 ist hinsichtlich des Rechtsweges für das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg bindend.
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b) Das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt für das Verfahren auch örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 17 b Abs. 1 GVG. Das Verfahren ist mit der Verweisung durch das Amtsgericht Kehl beim Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg anhängig geworden. Das Verfahren ist mithin vom Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg in gleicher Weise zu bearbeiten, wie wenn der Antrag unmittelbar an das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg gerichtet gewesen wäre. Für eine Ablehnung der Übernahme gab es - wie das Amtsgericht - Zivilabteilung - Kehl im späteren Beschluss vom 03.11.2014 ausgeführt hat, keine rechtliche Grundlage.
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c) Es gibt derzeit keine der Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts - Offenburg entgegenstehende örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Kehl, und zwar weder der dortigen Zivilabteilung noch der dortigen Familienabteilung. Es hat keine Verweisung des Verfahrens durch das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg an das Amtsgericht Kehl gegeben, welche eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Kehl gemäß § 281 Abs. 2 Satz 3, Satz 4 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG hätte begründen können. Insbesondere enthält der Beschluss vom 02.04.2014 keine Verweisung. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Entscheidung (Ablehnung der Übernahme), sondern auch daraus, dass das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg von den bei einer Verweisung notwendigen und üblichen Verfahrensschritten (Hinweis, rechtliches Gehör, Abwarten des erforderlichen Antrags) abgesehen hat.
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d) Der Senat weist vorsorglich ergänzend auf folgendes hin: Die Verweisung durch das Amtsgericht Kehl mit Beschluss vom 27.02.2014 ist gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG nur hinsichtlich des Rechtsweges zum Familiengericht bindend, nicht jedoch hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit. Das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg ist daher - worauf auch das Amtsgericht Kehl im Beschluss vom 03.11.2014 zutreffend hingewiesen hat - nicht gehindert, im weiteren Verlauf des Verfahrens dieses wegen örtlicher Unzuständigkeit an ein anderes Familiengericht zu verweisen, wenn die Voraussetzungen für eine Verweisung gemäß § 281 Abs. 1 ZPO im weiteren Verlauf des Verfahrens eintreten sollten (kein Gerichtsstand in Offenburg, Rüge der örtlichen Unzuständigkeit durch die Antragsgegnerin, Verweisungsantrag des Antragstellers).

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