Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 8 U 135/10 (13)

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urkunden-Vorbehaltsurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. August 2010 - 13 O 41/10 KfH I - unter Aufrechterhaltung der Kostenentscheidung mit folgendem Inhalt für vorbehaltlos erklärt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

a) 386.755,90 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. hieraus ab dem 29. September 2009 einschließlich,

b) 720.524,80 EUR nebst Zinsen aus 718.508,61 EUR in Höhe von p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. aus 718.508,61 EUR ab dem 15. Oktober 2009 einschließlich,

c) 718.508,61 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. hieraus ab dem 4. November 2009 einschließlich,

d) 438.431,57 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. hieraus ab dem 4. Dezember 2009 einschließlich

zu zahlen.

2. In Höhe von 362.345,71 EUR ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten - Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der A AG (im Folgenden auch: Insolvenzschuldnerin oder Schuldnerin), das mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 1. September 2009 eröffnet wurde - Mietzinsansprüche für den Zeitraum von September 2009 bis Dezember 2009 geltend.
1. Die Klägerin ist eine von insgesamt fünf (Schwester-)Gesellschaften bürgerlichen Rechts, welche Warenhausimmobilien - in K., P., L., M. und W. - aus dem Konzern herauskauften. Der Klägerin gehören in K. die Grundstücke ... . Sie hat diese Grundstücke vermietet. Mieterin dieser Grundstücke war aufgrund Mietvertrags vom 8. September 2005 die Vermietungsgesellschaft mbH. Bei dieser handelte es sich um eine vollständig integrierte Konzerngesellschaft ohne eigenes Personal; ihre Geschäftsführer waren weisungsabhängige Angestellte der A AG. Durch einen 3. Nachtrag vom 29./30. September 2008 zum vorbezeichneten Mietvertrag trat die A AG, welche bis dahin aufgrund eines am 13. Dezember 2002 geschlossenen Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrags dafür einzustehen hatte, dass die Vermietungsgesellschaft mbH ihre Mieterpflichten erfüllt, anstelle der als Mieterin ausscheidenden Vermietungsgesellschaft mbH als neue Mieterin in den Mietvertrag ein (im Folgenden auch: Vertragsübernahme). Die monatliche Kaltmiete belief sich auf 672.922,08 EUR (netto) beziehungsweise 800.777,28 EUR (brutto). Als monatliche Nebenkostenvorauszahlung waren 14.200,00 EUR (netto) beziehungsweise 16.898,00 EUR (brutto) zu entrichten. Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO zum 31. Dezember 2009.
Die A AG überließ die Grundstücke mit den von der Klägerin errichteten Gebäuden teilweise ihrer Konzerngesellschaft W. GmbH zum Betrieb eines Sporthauses und vermietete sie im Übrigen an Dritte weiter. Die Warenhäuser und Sporthäuser der W. GmbH, über deren Vermögen ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, werden ungeachtet der Insolvenzeröffnung weiterbetrieben. Die Vermietungsgesellschaft mbH, deren Aktiva im Wesentlichen aus Forderungen gegen die Muttergesellschaft, das heißt die A AG bestehen, ist inzwischen ebenfalls insolvent.
2. Das Landgericht hat der im Urkundenprozess erhobenen Klage antragsgemäß stattgegeben und in dem vom Beklagten mit der Berufung angefochtenen „Urkunden-Vorbehalts-Urteil“ vom 13. August 2010, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, soweit sie mit den hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, wie folgt tenoriert:
1. Der Beklagte wird verurteilt,
a) an die Klägerin 392.249,31 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. hieraus ab dem 29. September 2009 einschließlich,
b) an die Klägerin 720.524,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. hieraus ab dem 15. Oktober 2009 einschließlich,
c) an die Klägerin 718.710,23 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. ab dem 4. November 2009 einschließlich,
d) an die Klägerin 438.431,57 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. hieraus seit dem 4. November 2009 einschließlich
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zu zahlen.
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2. In Höhe von 362.345,71 EUR ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.
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3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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5. Dem Beklagten bleibt die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
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Wegen des streitigen Parteivorbringens in erster Instanz und der Entscheidungsgründe wird ebenfalls auf dieses Urteil verwiesen. Darin führt das Landgericht unter anderem aus, dass die Klägerin für die in Rede stehende Zeit den Nachweis des Bestehens eines Mietverhältnisses mit der Insolvenzschuldnerin erbracht habe und ebenso denjenigen zur Höhe der Forderung und zu deren Fälligkeit. Die Einwendungen des Beklagten griffen hingegen nicht durch. Die Übernahme des Mietvertrages durch die Insolvenzschuldnerin sei nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil es an der Unentgeltlichkeit einer etwaigen Leistung der Insolvenzschuldnerin mangele. Auch ein Anfechtungsgrund nach § 133 Abs. 1 InsO bestehe nicht. Es fehle bereits an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Denn die Erstarkung der Mietforderung der Klägerin zur Masseverbindlichkeit durch die Vertragsübernahme und eine daraus etwa resultierende mittelbare Verkürzung der Haftungssumme der nicht privilegierten Insolvenzgläubiger sei mit dem Anspruch der A AG auf Nutzung der Mietsache verbunden, der vom Beklagten im streitigen Zeitraum auch unstreitig wahrgenommen worden sei. Infolgedessen seien auch ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und eine Kenntnis der Klägerin hiervon nicht feststellbar, da die Klägerin bei ordnungsgemäßer Abwicklung des Insolvenzverfahrens davon habe ausgehen dürfen, dass ihrer Besserstellung im Vergleich zu anderen Insolvenzgläubigern ein Zufluss von Einnahmen aus der (Weiter-)Vermietung des streitgegenständlichen Objekts gegenüberstehe, welcher eine etwaige Verkürzung der Insolvenzmasse zumindest ausgleiche. Daraus folge, dass auch die Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO nicht durchgreife. Denn angesichts der der Insolvenzmasse zustehenden Mieteinnahmen könne eine unmittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger nicht festgestellt werden.
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3. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Er ist der Auffassung, dass dem Klageanspruch die Einrede der Anfechtbarkeit der Vertragsübernahme nach den §§ 133 f. InsO entgegensteht. Nach Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 26. April 2012 - IX ZR 73/11 -, juris, zum Parallelfall „M.“; Urteil vom 26. April 2012 - IX ZR 146/11 -, juris, zum Parallelfall „P.“; Urteil vom 8. November 2012 - IX ZR 77/11 -, juris, zum Parallelfall „L.“), welche allesamt (noch) im Urkundenprozess ergingen und in denen der Bundesgerichtshof sowohl eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 2 InsO als auch eine Anfechtbarkeit nach § 134 Abs. 1 InsO verneinte, bezüglich der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO jedoch ausführte, dass hierfür eine mittelbare, erst künftig eintretende Gläubigerbenachteiligung genüge, eine solche hier gegeben sei und darüber hinaus die Ansicht vertrat, dass eine Vereinbarung, die Nachteile für das Schuldnervermögen erst im Insolvenzfall begründe, den Schluss auf einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und seine Kenntnis bei dem Anfechtungsgegner gestatte, konzentriert der Beklagte sein Vorbringen seither auf die subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 133 Abs. 1 InsO. So seien Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei der Insolvenzschuldnerin und Kenntnis der Klägerin hiervon zu bejahen.
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a) Bezüglich des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes sei insbesondere zu beachten, dass es für dessen Annahme genüge, dass der Schuldner - im Sinne des bedingten Vorsatzes - eine Gläubigerbenachteiligung als notwendige (Neben-)Folge billigend in Kauf nehme, und es somit nicht nötig sei, dass die Gläubigerbenachteiligung Beweggrund oder vorrangiger Zweck des Schuldnerhandelns gewesen sei; es sich bei der als möglich erkannten Benachteiligung um irgendeinen Nachteil für die Gläubiger handeln könne und es sich dabei nicht um diejenige Benachteiligung handeln müsse, die dann tatsächlich auch eingetreten sei, und es deswegen ausreiche, dass der Schuldner die Benachteiligung seiner Gläubiger im wirtschaftlichen Sinne wolle, er sich also der rechtlichen Zusammenhänge nicht bewusst zu sein brauche und daher auch die Kenntnis von § 108 InsO nicht erforderlich sei; der Beklagte nicht für jeden einzelnen auf Seiten der Klägerin Handelnden das voluntative Element des Vorsatzes darlegen und beweisen müsse und es außerdem verfehlt sei, bei der Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes nur auf die handelnden Personen abzustellen; nach den Grundsätzen der Wissenszurechnung bei arbeitsteiligen Organisationen seien der Insolvenzschuldnerin vielmehr auch zuzurechnen die Kenntnisse ihrer organschaftlichen Vertreter, ihrer „Wissensvertreter“ und das typischerweise aktenmäßig gespeicherte Wissen (zum Beispiel ihrer Rechtsabteilung), wobei eine Wissenszusammenrechnung stattfinde und außerdem der Grundsatz gelte, dass derjenige, der sich einer sich aufdrängenden Kenntnis verschließe, so zu behandeln sei, als habe er positive Kenntnis gehabt.
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aa) Darüber hinaus rekurriert der Beklagte auf den Rechtssatz des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - IX ZR 73/11-, juris, Rn. 8), nach dem eine Vereinbarung, die Nachteile für das Schuldnervermögen erst im Insolvenzfall begründet, den Schluss auf einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und seine Kenntnis beim Anfechtungsgegner gestattet, und trägt vor, dass die angefochtenen Vertragsübernahmen tatsächlich solche Vereinbarungen für den Insolvenzfall darstellten (Beweisanzeichen „Wirkung erst im Insolvenzfall“). Die an der Vertragsübernahme Beteiligten hätten sich intensiv darüber Gedanken gemacht, welche möglichst bonitätsstarke neue Mieterin man der Klägerin habe anbieten können. Gleichzeitig sei ihnen bewusst gewesen, dass die A AG für die Verpflichtungen aus den Mietverhältnissen ohnehin schon haftete. Wenn sich trotz dieser unstreitig bereits bestehenden Haftung der A AG den Beteiligten die Frage nach der Bonität des neuen Mieters gestellt habe, belege dies unmissverständlich, dass sie bei ihren Überlegungen gerade das Insolvenzrisiko vor Augen gehabt hätten. Denn außerhalb der Insolvenz habe die Bonität der Zwischenmietgesellschaft - wegen der erkannten, bereits bestehenden Einstandspflicht der A AG für die Verpflichtungen aus den hier interessierenden Mietverhältnissen - keine Rolle gespielt. Angesichts dessen stehe die Behauptung der Klägerin, eine Besserstellung im Insolvenzfall habe nicht in der Vorstellungswelt derjenigen gelegen, die für die A AG gehandelt hätten, in logischem Widerspruch zu der unstreitigen Tatsache, dass die an den Vertragsübernahmen Beteiligten intensiv über die Bonität des neuen Mieters nachgedacht und der Klägerin ganz bewusst die reichste Gesellschaft des Konzerns angeboten hätten.
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Hinzu komme, dass nach dem Vertragsinhalt die A AG als neue Mieterin auch für vor dem 30. September 2008 begründete (Alt-)Verbindlichkeiten wie beispielsweise Nebenkostennachzahlungen aus der Zeit vor dem 1. Oktober 2008 haften solle, obschon sie bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Nutzen aus dem Mietobjekt gehabt habe. Eine solche Regelung erstaune. Sie mache allerdings dann Sinn, wenn die Vermieterseite vor jedem Ausfall habe geschützt werden sollen, also eine „Vereinbarung für den Insolvenzfall“ vorliege. Hinzu komme weiter, dass der 3. Nachtrag vom 29./30. September 2008 zum Mietvertrag - anders als die Verträge zur Übertragung von Mietverträgen von der Vermietungsgesellschaft mbH auf die J. GmbH - keine Vereinbarung zur Überleitung der Untermietverträge enthalte. Dies deute darauf hin, dass es bei der hier streitigen Vertragsübernahme in erster Linie darum gegangen sei, die Verpflichtungen aus dem Hauptmietverhältnis von „unten nach oben“ zu übertragen, während man im Übrigen keinen akuten Handlungsbedarf gesehen habe. Auch das sei nur verständlich, wenn hier eine Regelung „für den Insolvenzfall“ habe getroffen werden sollen. Infolgedessen indiziere daher auch dies den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin.
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Des Weiteren weist der Beklagte darauf hin, dass alternativ zur Vertragsübernahme auf die A AG eine Übertragung des Mietvertrages auf die J. GmbH ebenso gut möglich gewesen wäre. Dieses Modell habe gegenüber allen anderen Vermietern Verwendung gefunden, deren Verträge in der hier interessierenden Zeit aus der Vermietungsgesellschaft mbH herausgelöst worden seien; wie unbestritten, habe die J. GmbH in 2008 diverse Mietverträge übernommen. Auch habe sie mit der A AG einen Ergebnisabführungsvertrag geschlossen. Unabhängig davon hätte die A AG bei Übertragung des Mietvertrages auf die J. GmbH auch für deren etwaige Mietschulden schon aus dem Mietverschaffungs- und Einstandsvertrag gehaftet. Zudem habe bereits vor dem hier interessierenden Zeitpunkt im Verhältnis zur J. GmbH eine Patronatserklärung der A AG existiert. Nach alledem könne nicht davon die Rede sein, dass die J. GmbH nicht ausreichend in den Konzernverbund eingebunden gewesen sei. Vielmehr bleibe es dabei, dass der Klägerin und ihren Schwestergesellschaften mit der Übertragung des Mietvertrages gerade auf die A AG eine Sonderbehandlung zuteil geworden sei, indem ihnen ganz bewusst der einzige bonitätsmäßig akzeptable Mieter angeboten worden sei, den der Konzern nach Einschätzung der Beteiligten zu bieten gehabt habe. Dies mache nur im Hinblick auf den Insolvenzfall Sinn.
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bb) Der Beklagte hebt zudem darauf ab, dass in der angefochtenen Vertragsübernahme eine inkongruente Deckung liege und dies ein starkes Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin sei (Beweisanzeichen „Inkongruenz“). Das gelte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - IX ZR 73/11 -, juris, Rn. 9) auch bezüglich des von der Klägerin vorgelegten Schreibens der Vermietungsgesellschaft mbH vom 1. Juli 2008, nach welchem die Überleitung der Mietverträge auf einer konzerninternen „Restrukturierung“ beruhe, weil die Schuldnerin als bloße Bürgin nicht verpflichtet war, in die Stellung des Vertragspartners einzurücken.
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cc) Der Beklagte führt außerdem an, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 155, 75 <83 f.>; 162, 143 <153>; BGH, Urteil vom 13. April 2006 - IX ZR 158/05 -, Rn. 14) aus dem Umstand, dass dem Schuldner bei Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung die ihm drohende Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen sei, regelmäßig auf seinen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden könne, und deswegen ein weiteres starkes Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der A AG gegeben sei (Beweisanzeichen „Drohende Zahlungsunfähigkeit“). Die Klägerin habe eingeräumt, dass die ad-hoc-Mitteilungen vom 24. September 2008 die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin verlautbart hätten. Darüber hinaus habe sie festgestellt, dass die A AG die im Jahre 2009 fällig werdenden Kredite von 1,5 Mrd. EUR nicht aus eigener Kraft habe zurückzahlen können. Mit dieser Aussage, die sich der Beklagte hilfsweise zu eigen gemacht habe, bestätige die Klägerin, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 InsO zunächst einmal erfüllt gewesen seien. Eine im September 2008 bestehende drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei damit unstreitig.
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Darüber hinaus macht der Beklagte geltend, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin am 30. September 2008 nicht nur gedroht habe, sondern bereits eingetreten gewesen sei, weil mit Ablauf dieses Tages entstandene konzerninterne Verlustausgleichsansprüche von über 377.000.000,00 EUR in der Finanzplanung der Schuldnerin nicht berücksichtigt gewesen seien und spätestens mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 2006 (II ZR 238/04 -, juris, Rn. 10) geklärt gewesen sei, dass Verlustausgleichsansprüche von Konzerngesellschaften mit dem Bilanzstichtag fällig würden, wovor die damals über eine eigene, personell gut ausgestattete Rechtsabteilung verfügende A AG die Augen nicht habe verschließen können.
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In diesem Zusammenhang bringt der Beklagte überdies vor, dass die Klägerin für den von ihr behaupteten Wegfall der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastet sei, sie also nachvollziehbar vortragen müsste, dass und warum ein objektiver Beobachter am 30. September 2008 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen wäre, dass die im Geschäftsjahr 2008/2009 auslaufenden Kredite und Kreditlinien von den Banken verlängert würden und bis mindestens Ende 2009 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch keine andere Liquiditätslücke zu erwarten gewesen sei. Dem habe die Klägerin nicht ansatzweise genügt, in Sonderheit habe sie nicht für einen sich mindestens bis zum Ende des Jahres 2009 erstreckenden Prognosezeitraum - und anhand von Liquiditätsplänen und Prognoserechnungen (Sanierungsgutachten / Sanierungskonzept) - schlüssig vorgetragen, dass und warum keine Liquiditätslücke mehr zu erwarten, die A AG also mindestens für diesen Zeitraum „durchfinanziert“ gewesen sei. Vielmehr habe ... der Vorstand der A AG spätestens für Ende März 2009 erneute Probleme erwartet ... und [sei] sich darüber klar gewesen ..., dass die prekäre Situation der A AG durch das gerade erst geschnürte Finanzierungspaket längst nicht behoben gewesen sei.
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dd) Der Beklagte bringt weiter vor, dass dann, wenn zwischen den Parteien einer angefochtenen Rechtshandlung ein Näheverhältnis im Sinne des § 138 InsO vorliege wie hier unter anderem durch Dr. ... vermittelt, der Schuldner geneigter sei, den nahestehenden Personen zu Lasten seiner Gläubiger Vorteile zukommen zu lassen (Beweisanzeichen „Näheverhältnis“). Dies beruhe oft darauf, dass der Schuldner wegen der engen Verbundenheit an diesen Vorteilen weiter partizipieren könne. Wegen dieser Typizität und wegen der erweiterten Informationsmöglichkeiten über die finanzielle Situation des Schuldners sei ein solches Näheverhältnis ein deutliches Anzeichen für die Gläubigerbenachteiligungsabsicht desselben. Hier hätten die Beteiligten die neue Hauptmieterin ausschließlich unter dem Aspekt der Schmackhaftigkeit für die ...-Grundstücksgesellschaften bestimmt. Ein derartiger vorauseilender Gehorsam dem Vertragspartner gegenüber sei für Großkonzerne völlig untypisch, erkläre sich hier aber unschwer vor dem Hintergrund gerade des Näheverhältnisses zwischen der Schuldnerin ... und der Klägerin ... .
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b) Nach Ansicht des Beklagten ergibt sich die erforderliche Kenntnis der Klägerin vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin vorliegend gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. Die Klägerin müsse zugestehen, dass sie zunächst Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt habe. Dass sie diese Kenntnis am 30. September 2008 (§ 140 InsO) nicht mehr gehabt habe, habe sie nicht schlüssig vorgetragen, geschweige denn die in diesem Zusammenhang erforderlichen Beweise angetreten.
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Die Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin führe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 19. September 2013 - IX ZR 4/13 -, juris, Rn. 14) dazu, dass die Kenntnis der Klägerin vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vermutet werde. Infolgedessen komme es zu einer Umkehr der Beweislast. Die Klägerin müsse nunmehr den Beweis führen, dass entweder die A AG beziehungsweise deren organschaftliche Vertreter ohne Benachteiligungsvorsatz handelten oder die Klägerin als Anfechtungsgegnerin diesen Vorsatz nicht gekannt habe. Dazu müsse diese konkrete Umstände darlegen und beweisen, die es naheliegend erscheinen ließen, dass ihr der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht bekannt gewesen sei. Das habe die Klägerin nicht getan. Sie habe nicht einmal versucht, substantiiert darzulegen, warum und wann vor dem 30. September 2008 ihre Geschäftsführer und Gesellschafter davon ausgegangen sein sollten, die drohende Zahlungsunfähigkeit der A AG sei entfallen. ... .
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Nach alledem greife der auf § 133 Abs. 1 InsO gestützte Anfechtungseinwand des Beklagten durch.
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4. Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 13. August 2010 - 13 O 41/10 KfH I - die Klage abzuweisen,
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hilfsweise
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das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. August 2010 - 13 O 41/10 KfH I - aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
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5. Die Klägerin, die - ohne Einwilligung des Beklagten - im Berufungsrechtszug vom Urkundenprozess Abstand genommen hat, beantragt,
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die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. August 2010 - 13 O 41/10 KfH I - zurückzuweisen und dieses Urteil für vorbehaltlos zu erklären.
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6. Die Klägerin trägt vor, der Bundesgerichtshof habe hinsichtlich der vom Beklagten geltend gemachten Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO festgestellt, dass eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung vorliege, von der für das Urkundsverfahren ebenso wie für das ordentliche Verfahren auszugehen sei. An den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen, dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin und der Kenntnis der Klägerin hiervon, habe es jedoch gefehlt.
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a) Motivation der A AG für die Bitte um Übertragung der Mietverhältnisse von der Vermietungsgesellschaft mbH auf sich selbst seien ausschließlich diejenigen Erwägungen gewesen, welche die A AG in ihrem Schreiben vom 1. Juli 2008 dargestellt habe. Hintergrund sei die völlige Umstrukturierung der von dem Konzern genutzten (eigenen) Immobilien gewesen, die dieser im März 2006 an das „...“ genannte Joint-Venture veräußert habe. Da dieses nicht bereit gewesen sei, Mietverträge mit der Vermietungsgesellschaft mbH abzuschließen, sondern auf dem unmittelbaren Abschluss von Mietverträgen mit den in den jeweiligen Objekten operativ tätigen Gesellschaften, also bei den Waren- und Kaufhäusern mit der W. GmbH, bestanden habe, sei der allergrößte Teil der Vermietungsgesellschaft mbH weggefallen, weswegen die Konzernleitung diese Gesellschaft habe abschaffen wollen, ohne materiell am Status der Mietverhältnisse etwas zu ändern; der gangbarste Weg dazu sei die Übertragung der Mietverhältnisse auf die Konzernmutter, die A AG, gewesen, die über den Mietverschaffungsvertrag ohnehin für die Verpflichtungen aus den Mietverhältnissen gehaftet habe.
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Keine der handelnden Personen sei sich bewusst gewesen, dass dies im Falle einer Insolvenz die kurzfristige Besserstellung der Klägerin und der übrigen Grundstücksgesellschaften für die Zeit von der Insolvenzeröffnung bis zum Wirksamwerden einer vom Insolvenzverwalter auszusprechenden Kündigung zur Folge haben würde. Alle Beteiligten auf Seiten der A AG seien vielmehr von der absoluten wirtschaftlichen Neutralität dieses Vorgangs ausgegangen und hätten keinerlei Vorstellung davon gehabt, dass dies im Insolvenzfalle überhaupt irgendwelche Auswirkungen habe. Entsprechende Kenntnisse seien auch bei dem Vorgesetzten des für den Vorgang verantwortlichen E. nicht vorhanden gewesen, was durch das Zeugnis desselben und der Vorstandsmitglieder belegt werden könne. Dr. ... oder andere Personen aus dem Vorstand der A AG hätten das rechtliche Wissen oder das wirtschaftliche Verständnis der Auswirkungen der Vertragsübernahme in der Insolvenz ebenfalls nicht gehabt. Den für die A AG und deren Tochtergesellschaft handelnden Personen habe nichts ferner gelegen als eine Benachteiligung der Gläubiger der A AG. Umgekehrt habe eine Besserstellung der Klägerin im Insolvenzfall nicht in der Vorstellungswelt derjenigen gelegen, die für die A AG gehandelt hätten; eine solche Besserstellung hätten sie auch nicht billigend in Kauf genommen.
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Die Klägerin macht des Weiteren geltend, dass der Beklagte keine auf Seiten der A AG beteiligte Person nenne, die mit dem unmittelbaren oder bedingten Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung die Vereinbarung über die Vertragsübernahme abgeschlossen oder angeordnet haben solle, und keinen konkreten Sachverhalt vortrage, bei dem sich ein solcher Vorsatz auf das Handeln der Organe und der rechtsgeschäftlichen Vertreter der A AG mit dem Ergebnis einer die Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung ausgewirkt haben könnte. Eine Veränderung der Haftungsrisiken habe es nicht gegeben: Vor der Vertragsübernahme habe die A AG auf der Grundlage der übernommenen Einstandsverpflichtung gleich einem selbstschuldnerischen Bürgen für alle Verpflichtungen der Vermietungsgesellschaft mbH aus dem abgeschlossenen Mietvertrag gehaftet. Nach der Vertragsübernahme hätten sie alle Vertragspflichten eines Mieters unmittelbar getroffen. Zusätzlich sei sie über den Ergebnisabführungsvertrag auch intern innerhalb des Konzerns verpflichtet gewesen, etwaige Verluste der Vermietungsgesellschaft mbH auszugleichen.
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Die Übernahme des Vertrages und der damit verbundenen Rechte und Pflichten sei ernst gemeint gewesen und zum 30. September 2008 auch vollzogen worden, was sich schon daraus ergebe, dass die 2004 bei der Vermietungsgesellschaft mbH gebildeten Rückstellungen für Mietunterdeckungen aus den ...-Mietverträgen zum 30. September 2008 („Drohverlustrückstellungen“) in der Bilanz der A AG gebildet worden seien. Weitere Auswirkung der Vertragsübernahme sei gewesen, dass die der Rückstellung bei der Vermietungsgesellschaft mbH korrespondierende Verlustübernahmepflicht wegen des Ergebnisabführungsvertrages entfallen sei. Zudem seien die aktivierten und noch nicht zeitanteilig verbrauchten Einnahmen aus den Mietverschaffungsverträgen und aus den von den ...-Fonds gezahlten Inventar- und Ausbaukostenzuschüssen von der Vermietungsgesellschaft mbH auf die A AG übertragen worden.
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Die gegenteiligen Verdächtigungen einer Schubladenvereinbarung oder einer Rückdatierung bei Gelegenheit des Ausscheidens von Dr. ... aus dem Vorstand der A AG seien haltlos. Anders als bei den 2006 veräußerten Immobilien hätten es die bereits erwähnten Rückstellungen für die ...-Mietverträge sowie die an diese Mietverträge gekoppelten Darlehen, Mietverschaffungsvergütungen und Inventarkostenzuschüsse ausgeschlossen, der Klägerin und ihren Schwestergesellschaften für den Fall der Auflösung der Vermietungsgesellschaft mbH eine Übertragung auf eine ähnlich strukturierte Konzerngesellschaft vorzuschlagen. Eine solche Gesellschaft wie etwa die J. GmbH wäre dann ebenfalls mit den Rückstellungen belastet und damit nur dann nicht insolvenzreif gewesen, wenn die A AG auch mit dieser Gesellschaft einen Ergebnisabführungsvertrag geschlossen hätte, den es mit dieser Gesellschaft damals aber gerade nicht gegeben habe.
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Für einen Benachteiligungsvorsatz bei der A AG sei auch nicht Indiz, dass trotz der Vertragsübernahmen die Vermietungsgesellschaft mbH noch einige wenige Monate die Miete weitergezahlt habe. Die Klägerin habe weder eine rechtliche Handhabe noch irgendein Interesse gehabt, darauf zu drängen, dass ihr Vertragspartner zahle. Zahlungen eines Dritten hätten Erfüllungswirkung. Außerdem sei allgemein in der Öffentlichkeit bekannt gewesen, dass der Konzern seine liquiden Mittel in einem Cash-Pool zentral verwaltet habe. Im Übrigen habe im Fall K. die A AG die Miete schon ab Oktober 2008 überwiesen.
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b) Die Klägerin bringt des Weiteren vor, als Anfechtungsgegnerin von einem (etwaigen) Benachteiligungsvorsatz bei der Schuldnerin keine Kenntnis gehabt zu haben. Sie habe mit Auswirkungen der Vertragsübernahme im Insolvenzfall ebenfalls nicht gerechnet und diese auch nicht für möglich gehalten. In Sonderheit sei ihr und ihren Organen die durch die Vertragsübernahme drohende mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bekannt gewesen.
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Die Voraussetzungen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO lägen ebenfalls nicht vor. Denn die in dieser Norm vorgesehene Vermutung sei nur dann zugunsten des Insolvenzverwalters gegeben, wenn dem Schuldner am Tag der Vornahme der Rechtshandlung im Sinne von § 140 InsO, hier also am 30. September 2008, die Zahlungsunfähigkeit gedroht habe. An diesem Tage habe der A AG die Zahlungsunfähigkeit jedoch gerade nicht gedroht. Denn die eine Woche zuvor verbreiteten ad-hoc-Mitteilungen um die Schwierigkeiten der Verlängerung der Finanzierung der A AG bei [einem] Bankenpool hätten an diesem Tag keine Rolle mehr gespielt, weil der Vorstand der A AG die Bankenverhandlungen erfolgreich abgeschlossen gehabt habe. Die für die Verlängerung der Kredite erforderlichen Voraussetzungen seien dadurch geschaffen worden, dass das Bankhaus ... einen weiteren Kredit über 20 Mio. EUR zur Verfügung gestellt und sich mit einer Kapitalerhöhung zur Sicherung des Fortbestandes der A AG engagiert habe. Diese Kapitalmaßnahme sei nach Auffassung der finanzierenden Banken erforderlich, aber auch ausreichend gewesen, um die Verlängerung der Kreditlinien und damit den Fortbestand der A AG zu ermöglichen. Die durch die ad-hoc-Mitteilungen vom 24. September 2009 verlautbarte Gefahr der drohenden Zahlungsunfähigkeit sei damit gebannt gewesen.
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Dass zum Zeitpunkt der Vertragsübernahme die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht gedroht habe, ergebe sich zudem aus
dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk vom 5. Dezember 2008 unter der auf den 30. September 2008 erstellten Bilanz, wobei der dort gegebene Hinweis, dass die Aufrechterhaltung der vereinbarten Kreditlinien für den Fortbestand der A AG unabdingbar sei, dem nicht entgegenstehe, weil es sich bei einem Finanzierungsbedarf von 1,5 Mrd. EUR von selbst verstanden habe, dass die A AG zur Rückzahlung dieser Kredite bei Nichtverlängerung nicht in der Lage sein würde, dem Umstand, dass aufgrund der vom Vorstand getroffenen Maßnahmen zur Restrukturierung des Konzerns eine Nichtverlängerung der Kreditlinien bei Fälligkeit während des Geschäftsjahres 2008/2009 nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen sei, und einem Sanierungsgutachten mit einer positiven Prognose, guten Erträgen aus der Beteiligung „...“, eines positiven Cash-Flows, stabilen operativen Ergebnissen des gesamten Konzerns bis Ende Februar 2009 und dem zur Reduzierung der Personalkosten mit den Mitarbeitern geschlossenen Zukunftspakt.
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Wenn aber dies bereits der objektive Tatbestand gewesen sei, so habe die Klägerin kein anderes Bild haben können. In der Tat habe die Klägerin aber auch keine Kenntnis davon gehabt, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gedroht habe. Vielmehr sei sie davon ausgegangen, dass die A AG durch die zum Schluss des Geschäftsjahres am 30. September 2008 eingeleiteten Maßnahmen dauerhaft saniert gewesen sei. Der Geschäftsführer der Klägerin habe geschäftliche Beziehungen zu den Beteiligten unterhalten. Von allen sei er damals dahingehend informiert worden, dass keine Zahlungsunfähigkeit mehr drohe und die A AG nunmehr nachhaltig finanziert sei, nachdem sich das Bankhaus ... als Aktionär beteiligt, weiteren Kredit zur Verfügung gestellt und auch das Bankenkonsortium seine Finanzierung verlängert gehabt habe.
46 
7. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen jeweils nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtlichen Verfügungen, Beschlüsse und Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13. Januar 2015 verwiesen.
II.
47 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch im Wesentlichen ohne Erfolg.
48 
1. Das Abstehen vom Urkundenprozess im Berufungsverfahren ist wie eine Klageänderung zu behandeln und daher zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (BGH, Urteile vom 4. Juli 2012 - VIII ZR 109/11 -, juris, Rn. 14 und vom 24. Januar 2014 - V ZR 36/13 -, juris, Rn. 7). Die Sachdienlichkeit ist hier gegeben, weil das bisherige Ergebnis des Prozesses verwertet und ein weiterer Prozess vermieden werden kann. Da bei Zulassung der Abstandnahme vom Urkundenprozess hier auch nicht ein völlig neuer Streitstoff zur Beurteilung und Entscheidung steht, sind zudem die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2012, a.a.O., Rn. 15 bis 17). Die Entscheidung ist daher im ordentlichen Verfahren ohne die Beschränkungen des Urkundenprozesses zu treffen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 7. Mai 2014 - 13 U 1416/10 -, juris, Rn. 20).
49 
2. Der Klägerin stehen die mit der Klage geltend gemachten Mietzinsansprüche dem Grunde nach zu, ohne dass der Beklagte dem die Anfechtbarkeit der Vertragsübernahme entgegenhalten kann.
50 
a) Die Schuldnerin trat durch den 3. Nachtrag vom 29./30. September 2008 zum Mietvertrag vom 8. September 2005 anstelle der als Mieterin ausscheidenden Vermietungsgesellschaft mbH als neue Mieterin in den Mietvertrag ein. Der Beklagte schuldet daher gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. September 2009 bis zur der von ihm gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO zum 31. Dezember 2009 ausgesprochenen Kündigung des Mietverhältnisses die Mieten als Masseverbindlichkeit.
51 
b) Die Vertragsübernahme ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO anfechtbar. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
52 
aa) Zunächst ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht eingetreten ist.
53 
(1) Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 26. April 2012 - IX ZR 146/11 -, juris, Rn. 21 BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - IX ZR 73/11 -, juris, Rn. 3; BGH, Urteil vom 8. November 2012 - IX ZR 77/11 -, juris, Rn. 14).
54 
(2) Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung setzt voraus, dass ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Befriedigungsmöglichkeiten aus dem Schuldnervermögen bereits durch die angefochtene Rechtshandlung beeinträchtigt wurden (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 28 und vom 8. November 2012, a.a.O., Rn. 20). Das ist hier zu verneinen.
55 
Durch den Eintritt in den Mietvertrag ist die Schuldnerin unmittelbar zur Zahlung der Miete verpflichtet worden. Im Gegenzug hat sie jedoch die Rechte aus dem Mietvertrag erhalten und ist zudem von der Verpflichtung aus der Garantiehaftung nach dem Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrag frei geworden. War der Mietpreis angemessen, scheidet eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch den Vertragseintritt somit von vornherein aus (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 29 und vom 8. November 2012, a.a.O., Rn. 21).
56 
Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung trat hier jedoch selbst dann nicht ein, wenn mit dem Beklagten davon auszugehen wäre, dass der in dem Mietvertrag vereinbarte Mietzins überhöht war und nicht dem Wert der Gegenleistung der Klägerin entsprach. Die Pflicht der Schuldnerin, für eine derart überhöhte Miete einstehen zu müssen, war bereits durch § 2 Nr. 1 Buchst. b des Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrages entgeltlich begründet worden. Hiernach hatte die Schuldnerin uneingeschränkt dafür einzustehen, dass die Mieterin ihre Verpflichtungen erfüllt. Dazu gehörte die Pflicht zur Zahlung einer gegebenenfalls auch überhöhten Miete (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 34 und vom 8. November 2012, a.a.O., Rn. 26).
57 
Diese Verpflichtung bestand zwar gegenüber der ...-Fonds-Projekt GmbH, durfte von dieser aber gemäß § 2 Nr. 2 des Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrages an die Vermieterin abgetreten werden. Die Einstandspflicht ging dahin, dass die Mieterin sämtliche Pflichten erfüllte. Wirtschaftlich hatte die Schuldnerin damit schon damals - entgeltlich - die Verpflichtung übernommen, in vollem Umfang für die Erfüllung des Mietvertrages einzustehen, ohne dass ihr selbst mietvertragliche Rechte zugestanden hätten. Auch für einen überhöhten Mietzins hatte sie danach schon vor Eintritt in den Mietvertrag aufzukommen. Bei der erforderlichen wirtschaftlichen Betrachtung hat sich ihre Vermögenslage deshalb durch den Eintritt in den Mietvertrag nicht unmittelbar verschlechtert (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 35 und vom 8. November 2012, a.a.O., Rn. 27).
58 
bb) Die angefochtene Vertragsübernahme führte allerdings zu einer - für die Bejahung des objektiven Tatbestandes des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO genügenden (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 19; BGH, Beschluss vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 3; BGH, Urteil vom 8. November 2012, a.a.O., Rn. 12) - mittelbaren objektiven Gläubigerbenachteiligung (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 25; BGH, Beschluss vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 3 f.; BGH, Urteil vom 8. November 2012, a.a.O., Rn. 18).
59 
Die Insolvenzanfechtung wird erst durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermöglicht. Im Insolvenzverfahren sind die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten gemäß § 53 InsO vorweg zu begleichen, während die Insolvenzgläubiger nach Maßgabe der §§ 38, 87, 187 ff. InsO gleichmäßig und quotal befriedigt werden. Wird eine Forderung, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO geworden wäre, durch eine Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens so verändert, dass sie im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit zu begleichen ist, wird die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dadurch benachteiligt, dass diese Forderung vor ihren Forderungen befriedigt wird. Denn durch die Verminderung der Masse vermindert sich ihre Quote und damit ihre Befriedigungsmöglichkeit im Insolvenzverfahren (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 26 und vom 8. November 2012, a.a.O.).
60 
Die angefochtene Vertragsübernahme vom 29./30. September 2008 führte dazu, dass die Insolvenzmasse gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO für die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Mieten haftet, die gemäß §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorweg als Masseverbindlichkeiten zu befriedigen sind. Ohne die Vertragsübernahme hätte die Schuldnerin zwar aus dem Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrag ebenfalls für die von der Vermietungsgesellschaft mbH geschuldeten Mieten einzustehen gehabt. Insoweit hätte es sich aber lediglich um eine Insolvenzforderung gehandelt, die zur Tabelle hätte angemeldet werden müssen und die quotal wie alle anderen Insolvenzforderungen befriedigt worden wäre. Durch die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens einhergehende Verminderung der Befriedigungsmöglichkeit der anderen Insolvenzgläubiger ist deshalb eine - durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit verursachte - mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger eingetreten (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 27 und vom 8. November 2012, a.a.O., Rn. 19). Mithin resultiert die mittelbare objektive Gläubigerbenachteiligung allein daraus, dass § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO die bevorzugte Befriedigung von Mietzinsforderungen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten bewirkt (vgl. OLG Dresden, a.a.O., Rn. 33).
61 
cc) Es lässt sich indes nicht (zweifelsfrei) feststellen, dass die Schuldnerin bei Vornahme der Rechtshandlung, das heißt der Vertragsübernahme vom 29./30. September 2008, mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte.
62 
Der Schuldner handelt mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2009 - IX ZR 85/07 -, juris, Rn. 10). Ob ein solcher Vorsatz vorliegt, lässt sich - weil es sich um eine innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsache handelt - meist nur mittelbar anhand von objektiven Tatsachen beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06 -, juris, Rn. 8), welche der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009, a.a.O.). Dabei ist zu beachten, dass den Gegenstand des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners einerseits die angefochtene Rechtshandlung selbst, andererseits die dadurch hervorgerufene Gläubigerbenachteiligung im Allgemeinen bildet; der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ist mithin auf dessen gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung bezogen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2013 - IX ZR 4/13 -, juris, Rn. 17 bis 19; OLG Dresden, a.a.O., Rn. 32). Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist daher nur dann zu bejahen, wenn der Schuldner die Rechtshandlung als solche vorsätzlich vornimmt und bei ihrer Vornahme erkennt, dass diese Rechtshandlung in der Insolvenz (irgend-)eine gläubigerbenachteiligende Wirkung haben kann (vgl. OLG Dresden, a.a.O.). Davon kann hier - nach mündlicher Verhandlung im ordentlichen Verfahren ohne die Beschränkungen des Urkundenprozesses, durchgeführter Beweisaufnahme und weiterem schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien - in Bezug auf die Rechtshandlung „Vertragsübernahme vom 29./30. September 2008“ nicht mit hinreichender Sicherheit ausgegangen werden.
63 
(1) Dem Beklagten ist allerdings zuzugeben, dass mehrere Indizien für die Annahme sprechen, dass die Schuldnerin bei der Vertragsübernahme mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte.
64 
(aa) So ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Vertragsübernahme objektiv eine Vereinbarung darstellt, die Nachteile für das Schuldnervermögen erst im Insolvenzfall begründet, eine solche Vereinbarung regelmäßig den Schluss auf einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gestattet (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 8 m.w.N.) und der Beklagte - unter Berücksichtigung seines gesamten, unter I 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa referierten Vorbringens - gewichtige Argumente dafür vorgetragen hat, diesen Schluss auch tatsächlich zu ziehen.
65 
(bb) Des Weiteren ist einzubeziehen, dass die Schuldnerin als bloße Bürgin nicht verpflichtet war, in die Stellung des Vertragspartners einzurücken (siehe oben unter I 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb), deswegen die Vertragsübernahme auf die Gewährung einer inkongruenten Deckung hindeutet (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 9) und eine inkongruente Deckung ein starkes Beweisanzeichen für die Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes auf Seiten der Schuldnerin sein kann.
66 
(cc) Außerdem muss zugunsten des Beklagten - (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin am 29./30. September 2008 und entsprechende Kenntnis der auf ihrer Seite handelnden Personen entsprechend den unter I 3 Buchst. a Doppelbuchst. cc referierten Ausführungen des Beklagten an dieser Stelle unterstellt - gewertet werden, dass ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz handelt, und dessen Vorliegen überdies schon dann zu vermuten ist, wenn dem Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit bekannt ist (vgl. BGHZ 162, 143 <153>; 167, 190 <195>).
67 
(dd) Darüber hinaus bestand, wie der Beklagte zutreffend geltend macht (siehe oben unter I 3 Buchst. a Doppelbuchst. dd), zwischen der Klägerin und der Schuldnerin ein durch Dr. ... und weitere Personen vermitteltes Näheverhältnis (§ 138 InsO), das ebenfalls für ein Handeln mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und damit zugunsten des Beklagten spricht.
68 
(2) Für den Senat ist deshalb nachvollziehbar, dass sich nach tatrichterlicher Würdigung der vorgenannten Indizien in einem Urkundenprozess die volle richterliche Überzeugung gewinnen ließ, bei der Schuldnerin habe zum Zeitpunkt der Vertragsübernahme ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bestanden, und der Bundesgerichtshof dies als nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln erschüttert bestätigte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 6).
69 
(3) Die Klägerin hat jedoch zulässigerweise vom Urkundenprozess Abstand genommen. Der Senat hat deswegen zur subjektiven Tatseite ohne die Beschränkungen des Urkundenprozesses Beweis erhoben. Dabei hat sich ein Sachverhalt als möglich herausgestellt, der geeignet ist, die sich aufgrund der vorstehend erörterten Indizien ergebende (vorläufige) Überzeugung von einem Handeln mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten der Schuldnerin zu entkräften.
70 
(a) So hat die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass der Konzern schon vor März 2006 und somit mehrere Jahre vor der im vorliegenden Verfahren im Mittelpunkt stehenden Vertragsübernahme vom 29./30. September 2008 begonnen hatte, den Bereich „Immobilien“ neu zu strukturieren, und die Vertragsübernahme selbst sich in diesen Prozess, an dessen vorläufigem Ende die Verschmelzung der Vermietungsgesellschaft mbH mit der W. GmbH stehen sollte, schlüssig einfügt, so dass Raum für die nicht fernliegende Annahme bleibt, die Vertragsübernahme sei nicht (nur oder auch) wegen § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO „gemacht“ worden.
71 
Aus den glaubhaften Bekundungen der Zeugen ... bei ihrer Vernehmung vor dem Senat folgt, dass im Jahre 2006 fast alle konzerneigenen Immobilien an zwei Erwerbsgesellschaften verkauft worden waren. Nachdem der Konzern für einen Großteil der Objekte nicht mehr selbst Eigentümer war, sollte der bislang mit Immobilienfragen befasste Personalkörper recht schnell verschlankt und im Zusammenhang damit auch die „Mietkette“ verkürzt werden. Man hatte die Idee entwickelt, die Mietverträge den operativen Gesellschaften zuzuordnen, insbesondere sollte da, wo es möglich war, die W. GmbH direkt Mieterin werden. Um diesen „Umschaltungsprozess“ auf die W. GmbH möglichst effizient zu gestalten und eine Übertragung des Gros der für das operative Geschäft in Anspruch genommenen Mietverhältnisse zu erreichen, wurde der Plan gefasst, die Vermietungsgesellschaft mbH auf die W. GmbH zu verschmelzen, vorher jedoch die - wenigen - Mietverträge, die nicht auf die W. GmbH übergehen sollten, aus der Vermietungsgesellschaft mbH herauszulösen. Als solche Verträge wurden unter anderem die ...-Verträge und somit auch der hier vorgelegte Mietvertrag vom 8. September 2005 identifiziert. Dies hatte seinen Grund darin, dass diese Verträge wirtschaftlich nachteilig waren. Es handelte sich um belastende Verträge, weil die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen höher waren als der erwartete wirtschaftliche Nutzen. Es drohten mithin Verluste, weswegen bei der Vermietungsgesellschaft mbH bereits im Jahre 2004 eine „Drohverlustrückstellung“ über mehr als 150 Mio. EUR gebildet werden musste. Solche Verträge sollten nicht auf die Bilanz der W. GmbH durchschlagen. Das ist aus der Sicht des Senats verständlich und nachvollziehbar: Zwar waren Ende September 2008 - entgegen den Angaben des Zeugen ..., dessen Erinnerung insoweit getrogen hat - die Fusionspläne zwischen der W. GmbH und ... (wohl) schon wieder vom Tisch. Allerdings resultierte nach der glaubhaften Angabe des Zeugen … - insoweit auch vom Beklagten nicht beanstandet [vgl. II 1245] - aus den Verhandlungen mit den Banken im September 2008 die Auflage, für die W. GmbH eine Beteiligung zu suchen. Dass ein Bilanzposten mit einer „Drohverlustrückstellung“ in dreistelliger Millionenhöhe diese - ohnehin nicht einfache - Suche zusätzlich erschwert hätte, muss nicht weiter ausgeführt werden.
72 
Schied eine Vertragsübernahme durch die W. GmbH mithin aus, lag es - wie die vom Senat vernommenen Zeugen unisono bekundeten - nahe, die Schuldnerin als (Haupt-)Mieterin in den Mietvertrag vom 8. September 2005 eintreten zu lassen. Denn die Schuldnerin hatte nach § 2 Nr. 1 Buchst. b des Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrages vom 13. Dezember 2002 und aufgrund eines zwischen ihr und der Vermietungsgesellschaft mbH bestehenden Ergebnisabführungsvertrages für die Erfüllung sämtlicher Mieterpflichten ohnehin schon uneingeschränkt einzustehen. Außerdem leuchtet unmittelbar ein, dass die Zustimmung der Klägerin zu einer Vertragsübernahme durch eine andere Gesellschaft des Konzerns, etwa die im Vergleich mit der Vermietungsgesellschaft mbH ähnlich kapitalschwache J. GmbH, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur gegen entsprechende Sicherheiten zu erlangen gewesen wäre, die wiederum - in Übereinstimmung mit der Aussage des Zeugen ... - nur von der Schuldnerin hätten gestellt werden können, weswegen den handelnden Personen eine Vertragsübernahme durch eine andere Gesellschaft nicht vorzugswürdiger erscheinen musste. Die Schuldnerin hatte überdies den Nutzen aus dem Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrag vom 13. Dezember 2002 gezogen.
73 
(b) Es kommt hinzu: Da die Schuldnerin nach § 2 Nr. 1 Buchst. b des Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrages vom 13. Dezember 2002 und aufgrund eines zwischen ihr und der Vermietungsgesellschaft mbH bestehenden Ergebnisabführungsvertrages für die Erfüllung sämtlicher Mieterpflichten schon vor der Vertragsübernahme uneingeschränkt haftete, lag es (mehr als) nahe, die Vertragsübernahme als für die Schuldnerin wirtschaftlich neutral zu betrachten. Das gilt auch hinsichtlich der „Drohverlustrückstellung“. Zwar musste aufgrund der Vertragsübernahme in der Bilanz der Schuldnerin für 2008 eine solche gebildet werden, im Gegenzug ist jedoch die Haftung der Schuldnerin für die seit 2004 in den Bilanzen der Vermietungsgesellschaft mbH eingestellte „Drohverlustrückstellung“ entfallen, weil diese dort aufgrund der Vertragsübernahme durch die Schuldnerin nicht mehr erforderlich war. Wirtschaftlich betrachtet erscheint das Rechtsgeschäft auch insoweit als neutraler Vorgang.
74 
(c) Vor diesem Hintergrund [(a) und (b)] kann bei einer an der Vertragsübernahme beteiligten Person Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nur dann angenommen werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Vertragsübernahme erkannt und gebilligt hatte, dass diese im Falle einer Insolvenz (irgend-)eine gläubigerbenachteiligende Wirkung zeitigt. Kann diese im konkreten Fall - wie hier - nur durch § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bewirkt werden, können entsprechende Kenntnis und Billigung bei ihr nur dann vorhanden gewesen sein, wenn sie bei Vornahme des Rechtsgeschäfts um eine solche Wirkung wusste und sie billigend in ihre Überlegungen einbezog. Das kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.
75 
Der Zeuge ... hat nachvollziehbar bekundet, dass der Vorgang für ihn unter „Going-Concern-Gesichtspunkten“ neutral gewesen sei, weder vorteilhaft noch nachteilig. Auf Nachfrage hat er angegeben, dass ihm die durch § 108 InsO geschaffene Rechtslage nicht bekannt gewesen sei. Insolvenzrechtliche Fragen seien damals nicht seine Themen gewesen. Ob Letzteres richtig ist und der Zeuge diesbezüglich die Wahrheit gesagt hat, ist zweifelhaft. Aus dem Umstand, dass ein Zeuge möglicherweise die Unwahrheit gesagt hat, folgt jedoch (noch) nicht, dass das Gegenteil erwiesen ist.
76 
Aus der Äußerung, dass die Vertragsübernahme in der Krise der Schuldnerin für ihn nicht möglich gewesen sei („Ich kann doch keine Verträge umschreiben, wenn ich davon ausgehen muss, dass ich in Kürze in die Pleite gehe. Das kann man doch nicht machen.“), folgt ebenfalls nicht (mit der prozessual gebotenen Gewissheit), dass der Zeuge ... bei Vertragsübernahme am 29./30. September 2008 davon Kenntnis hatte, dass diese im Insolvenzfall die „Hochzonung“ der Mietzinsforderung von einer Insolvenzforderung zu einer Masseforderung und dadurch die Benachteiligung anderer Gläubiger bewirkt. Denn die Äußerung lässt sich zwanglos auch damit erklären, dass der Zeuge (lediglich) glaubte, dass in einer Krise nur noch operative Geschäfte zur Fortführung der Gesellschaft gemacht werden dürften (vgl. seine Aussage vor dem Oberlandesgericht München laut Protokoll vom 16. Juni 2015, Seite 4).
77 
Aus der Aussage des Zeugen ... ergibt sich nichts, was auf die Kenntnis (irgend-)einer mit der Vertragsübernahme verbundenen gläubigerbenachteiligenden Wirkung im Insolvenzfall hindeuten könnte.
78 
Dasselbe ist auch bezüglich der Aussage des Zeugen ... zu konstatieren. Zwar hat der Zeuge angegeben
79 
„Bei der Behandlung der ...-Immobilien könnte auch eine Rolle gespielt haben, dass die Übertragung auf die J. GmbH für die ...-Fonds nicht attraktiv gewesen wäre. Ich selbst hätte aus der Sicht von Herrn ... wohl auf die Übertragung an Arcandor gedrungen. Es bewegt sich keiner, wenn er nicht etwas dafür bekommt.“ - wobei er mit „bekommen“ meinte: „Im Zweifel Sicherheit“ - „Sicherheit in der Erfüllbarkeit des Vertrages“ -, um daran anzuschließen: „Auch wenn man einen Gewinnabführungsvertrag hat, wird man sagen müssen, dass ein unmittelbarer Anspruch immer mehr wert ist als ein indirekter“.
80 
Diese Angaben rechtfertigen jedoch nicht die Annahme, dass der Zeuge bei Vertragsübernahme durch die Schuldnerin - die kapitalkräftigste und damit „attraktivste Gesellschaft im Konzern“ [Zeuge ...] - wusste oder damit rechnete und billigend in Kauf nahm, dass dies im Insolvenzfall der Schuldnerin mit einer Besserstellung der Klägerin im Vergleich zu anderen Gläubigern der Schuldnerin verbunden ist. „Sicherheit in der Erfüllbarkeit des Vertrages“ kann sich nämlich mindestens genauso gut in der Überlegung erschöpft haben, dass die Erfüllung der Forderung umso sicherer ist, je kapitalkräftiger - und dadurch weniger insolvenzanfällig - eine Gesellschaft ist, die man im Wege eines Schuldnerwechsels als neue - und „direkte“ - Schuldnerin bekommt.
81 
Der Zeuge ... hat angegeben, ihm sei durchaus bekannt, dass Mietforderungen nach Eintritt der Insolvenz Masseforderungen und nicht bloße Tabellenforderungen sind. Da er jedoch nicht mehr genau hat sagen können, ob er dieses Wissen auch schon zum Zeitpunkt der Vertragsübernahme gehabt hatte, und ein Anhaltspunkt für das Vorhandensein dieser Kenntnis bereits am 29./30. September 2008 bei ihm nicht besteht, hält der Senat auch in der Person dieses Zeugen kein Handeln mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz für nachgewiesen.
82 
(d) Da der Beklagte nicht konkret vorgetragen hat, welche Person(en) auf Seiten der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Vertragsübernahme Gläubigerbenachteiligungsvorsatz im oben beschriebenen Sinne gehabt habe(n), in Sonderheit eine solche Behauptung auch nicht hinsichtlich des Zeugen ... aufgestellt worden ist, hat keine Veranlassung bestanden, weiteren Zeugenbeweis zu erheben.
83 
(4) Anders als der Beklagte meint, ergibt sich ein Anhalt für ein Handeln mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auch nicht daraus, dass die Schuldnerin im Zuge der Vertragsübernahme die Altverbindlichkeiten übernahm und - möglicherweise (für den vorliegenden Fall ist dies bestritten) - die Vermietungsgesellschaft mbH noch einige Monate über den 1. Oktober 2008 hinaus die Mieten an die Klägerin bezahlte. Beides spricht nicht dagegen, dass - völlig losgelöst von § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO - der Grund für die Vertragsübernahme der Plan war, die Vermietungsgesellschaft mbH auf die W. GmbH zu verschmelzen. Die vollständige Übernahme der Altverbindlichkeiten durch die Schuldnerin, für deren Erfüllung sie ohnehin schon gehaftet hatte, war zudem konsequent, weil solche Altverbindlichkeiten, hätten sie von der W. GmbH im Zuge der Verschmelzung übernommen werden müssen, ebenso wie eine „Drohverlustrückstellung“ die Suche nach einer Beteiligung für die W. GmbH noch schwieriger hätte werden lassen (siehe oben unter (3) (a)).
84 
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist schließlich eine besondere, einen Anhalt für ein Vorgehen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz begründende Eile bei der Umsetzung der Maßnahme nicht zu erkennen. Bilanzstichtag war der 30. September 2008. Es war sinnvoll, den Vertrag zum Bilanzstichtag abzuschließen, selbst wenn dies - was offen bleiben kann - nicht zwingend erforderlich gewesen sein mag (vgl. OLG Dresden, a.a.O., Rn. 41).
85 
(5) Auch nach einer Gesamtabwägung aller Umstände, insbesondere der für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sprechenden gewichtigen Indizien, vermag der Senat nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die Schuldnerin bei Vertragsübernahme am 29./30. September 2008 eine dadurch verursachte (mittelbare) Gläubigerbenachteiligung erkannte oder auch nur mit einer solchen rechnete. Denn in Anbetracht mehrerer ineinander greifender Verträge (Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrag, Mietvertrag, Ergebnisabführungsvertrag, Untermietverträge) war eine Gläubigerbenachteiligung für die Beteiligten nur schwer erkennbar. Dies zeigt auch der Umstand, dass „im ersten Zugriff“ mehrere Landgerichte (neben der Vorinstanz die Landgerichte Potsdam [Urteil vom 30. Juni 2010 - 51 O 37/10] und Leipzig [Urteil vom 31. August 2010 - 7 HKO 3990/09]) und zwei jeweils mit drei Berufsrichtern besetzte Senate der Oberlandesgerichte Dresden (Urteil vom 20. April 2011 - 13 U 1416/10) und Brandenburg (Urteil vom 10. August 2011 - 3 U 112/10) schon bei der Prüfung des objektiven Tatbestandes das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung - zwar rechtsfehlerhaft, aber gewiss nicht vorsätzlich rechtsfehlerhaft - verneinten.
86 
c) Die Zahlungsverpflichtung des Beklagten entfällt auch nicht aufgrund einer Anfechtung der Vertragsübernahme nach § 133 Abs. 2 oder § 134 Abs. 1 InsO. Die Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 2 InsO setzt eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraus. Eine solche ist durch die Vertragsübernahme nicht eingetreten (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 28 bis 35 und vom 8. November 2012, a.a.O., Rn. 20 bis 27; OLG Dresden, Urteil vom 7. Mai 2014, a.a.O., Rn. 24). Die Voraussetzungen der Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO liegen ebenfalls nicht vor (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2012, a.a.O., Rn. 36 bis 43 und vom 8. November 2012, a.a.O., Rn. 28 bis 36; OLG Dresden, a.a.O., Rn. 25).
87 
3. Die somit dem Grunde nach gerechtfertigte Klage ist der Höhe nach in folgendem Umfang begründet:
88 
a) Aus der Zeit vom 1. bis 30. September 2009 besteht ein Zahlungsanspruch in Höhe von
89 
800.777,28 EUR
 Kaltmiete
- 82.268,67 EUR
 Restliche von der W. GmbH am 21. September 2009
 gezahlte „Nutzungsentschädigung"
 (99.166,67 EUR - 16.898,00 EUR = 82.268,67 EUR)
386.755,90 EUR
        
718.508,61 EUR
 Zwischensumme
+ 3.427,52 EUR
 9% Zinsen p.a. aus 817.675,28 EUR
 (800.777,28 EUR + 16.898,00 EUR)
 vom 4. bis 20. September 2009 [17 Tage]
+ 531,50 EUR
 9% Zinsen p.a. aus 718.508,61 EUR
 vom 21. bis 23. September 2009 [drei Tage]
- 295.828,02 EUR
 Von der Schuldnerin am 24. September 2009
 gezahlter Betrag
426.639,61 EUR
 Zwischensumme
+ 420,80 EUR
 9% Zinsen p.a. aus 426.639,61 EUR
 vom 24. bis 27. September 2009 [vier Tage]
- 40.304,51 EUR
 Von der Vermietungsgesellschaft mbH
 am 28. September 2009 gezahlter Betrag
90 
Er ist seit dem 29. September 2009 mit p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens jedoch mit 9% p.a. zu verzinsen.
91 
aa) Das Bestehen eines auf Zahlung gerichteten (Schadensersatz-)Anspruchs wegen (behaupteter) vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin, die diesbezüglich einen Betrag von 5.279,80 EUR in ihre Anspruchsberechnung eingestellt hat [I 9/11], nicht nachgewiesen. Der Beklagte hat den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach bestritten, insbesondere das Fehlen einer entsprechenden Rechnung (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 RVG) gerügt und eine tatsächliche Begleichung dieser Kosten durch die Klägerin in Abrede gestellt [II 925/927]. Die Klägerin ist insoweit beweisfällig geblieben. Der geltend gemachte Anspruch muss deswegen unberücksichtigt bleiben.
92 
bb) Die in § 4 Nr. 6 Satz 4 des Mietvertrages vom 8. September 2005 [Anlage A 1] getroffene Verrechnungsabrede ist nur für die (jeweiligen) Parteien des Mietvertrages verbindlich. Das ist neben der Klägerin als Vermieterin seit der Vertragsübernahme vom 29./30. September 2008 die Schuldnerin als Mieterin. Infolgedessen darf die Klägerin lediglich die am 24. September 2009 gezahlten 295.828,02 EUR nach dieser Bestimmung „nach ihrer Wahl zunächst auf die bisherigen Kosten, dann auf Verzugszinsen und dann auf die ältesten Rückstände … verrechnen“ [I 5].
93 
Dritte sind an diese Verrechnungsabrede nicht gebunden. Bezüglich des am 21. September 2009 von der W. GmbH gezahlten Betrages von 99.166,67 EUR und des am 28. September 2009 von der Vermietungsgesellschaft mbH gezahlten Betrages von 40.304,51 EUR kann sich die Klägerin daher nicht auf diese Abrede berufen. Es handelt sich in beiden Fällen um Leistungen Dritter nach § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB.
94 
cc) Leistet ein Dritter auf die Verbindlichkeiten des Schuldners, steht ihm auch das Recht zur Tilgungsbestimmung zu (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1968 - II ZR 144/67 -, juris, Rn. 11; Olzen, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 366 Rn. 33). Sie kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Ihr Erklärungsgehalt ist im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln; maßgeblich sind die objektiv erkennbaren Umstände aus der Sicht eines verständigen Adressaten (vgl. Olzen, a.a.O., Rn. 28 f.).
95 
dd) Nach dem Vortrag des Beklagten, dem die Klägerin nicht entgegengetreten ist, wurde der von der W. GmbH am 21. September 2009 bezahlte Betrag von 99.166,67 EUR als „Nutzungsentschädigung“ geleistet. Diese Tilgungsbestimmung (§ 267 Abs. 1 Satz 1, § 366 Abs. 1 BGB) ist nach den §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass die W. GmbH damit weder Zinsen noch Kosten tilgen, sondern das vom Mieter monatlich zu erbringende Leistungsentgelt (teilweise) bezahlen wollte. Infolgedessen scheidet die von der Klägerin vertretene Verrechnung eines Teils dieses Betrages mit von ihr geltend gemachten Zinsen aus.
96 
ee) Zum monatlich zu erbringenden Leistungsentgelt des Mieters gehören Kaltmiete und Nebenkosten (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2005 - XII ZR 225/03 -, juris, Rn. 17). Ob die W. GmbH nur auf die Kaltmiete, anteilig auf Kaltmiete und Nebenkostenvorauszahlung oder vorrangig auf die Nebenkostenvorauszahlung - eine solche war pro Monat in Höhe von 16.898,00 EUR geschuldet - und nachrangig auf die Kaltmiete leisten wollte, lässt sich der von ihr getroffenen Tilgungsbestimmung „Nutzungsentschädigung“ jedoch auch nach Auslegung derselben nicht entnehmen. Da es insoweit mithin an einer Tilgungsbestimmung fehlt, ist die Zahlung gemäß § 366 Abs. 2 BGB zunächst auf die - der Klägerin als Vermieterin die geringere Sicherheit bietende - Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 16.898,00 EUR und (erst) im Übrigen auf die Kaltmiete zu verrechnen (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 18. Dezember 2000 - 3 U 153/99 -, juris, Rn. 63; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 9. März 2011 - 3 U 77/10 -, juris, Rn. 22 und 26; LG Berlin, Urteil vom 10. Dezember 1999 - 64 S 208/99 -, GE 2000, S. 205 f. [zitiert nach juris]; Schmid, NZM 2001, S. 705; a.A. Olzen, a.a.O., Rn. 15; Derleder, NZM 2011, S. 654 <655 ff.>).
97 
ff) Hinsichtlich der von der Schuldnerin am 24. September 2009 geleisteten Zahlung in Höhe von 295.828,02 EUR ist weder dem Vortrag der Klägerin noch dem Vortrag des Beklagten eine Tilgungsbestimmung zu entnehmen. Da Kosten nicht (mehr) in Rede stehen (siehe vorstehend unter Doppelbuchstabe aa), ist der Betrag nach § 4 Nr. 6 Satz 4 des Mietvertrages vom 8. September 2005, hilfsweise gemäß § 367 Abs. 1 BGB, zunächst auf die bis zum Zahlungszeitpunkt aufgelaufenen Verzugszinsen und im Übrigen auf die Kaltmiete zu verrechnen.
98 
gg) Hinsichtlich der von der Vermietungsgesellschaft mbH am 28. September 2009 geleisteten Zahlung in Höhe von 40.304,51 EUR ist ebenfalls weder dem Vortrag der Klägerin noch dem Vortrag des Beklagten eine Tilgungsbestimmung zu entnehmen. Da Kosten nicht (mehr) in Rede stehen (siehe vorstehend unter Doppelbuchstabe aa), ist der Betrag gemäß § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die bis zum Zahlungszeitpunkt aufgelaufenen Verzugszinsen und im Übrigen auf die Kaltmiete zu verrechnen.
99 
hh) Verzugszinsen in Höhe von p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens in Höhe von 9% p.a., sind gemäß § 4 Nr. 6 Sätze 1 bis 3 des Mietvertrages vom 8. September 2005 in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 bis 3 BGB, § 308 Abs. 1 ZPO zuzusprechen. Bei der Umrechnung des Jahreszinses auf den Tag ist taggenau zu rechnen; für das Jahr sind 365 Tage anzusetzen (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 246 Rn. 9).
100 
b) Aus der Zeit vom 1. bis 31. Oktober 2009 besteht - wobei sinngemäß auf die vorstehenden Ausführungen unter Buchstabe a Doppelbuchstaben bb bis ee und hh verwiesen wird - ein Zahlungsanspruch in Höhe von
101 
800.777,28 EUR
 Kaltmiete
- 82.268,67 EUR
 Restliche von der W. GmbH am
 15. Oktober 2009 gezahlte „Nutzungsentschädigung"
 (99.166,67 EUR - 16.898,00 EUR = 82.268,67 EUR)
720.524,80 EUR
        
718.508,61 EUR
 Zwischensumme
+ 2.016,19 EUR
 9% Zinsen p.a. aus 817.675,28 EUR
 (800.777,28 EUR + 16.898,00 EUR)
 vom 4. bis 14. Oktober 2009 [elf Tage]
 - begrenzt auf 2.016,19 EUR [§ 308 Abs. 1 ZPO]
102 
Er ist in Höhe von 718.508,61 EUR seit dem 15. Oktober 2009 mit p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens jedoch mit 9% p.a. zu verzinsen.
103 
Hinsichtlich des Zinsanspruchs in geltend gemachter Höhe von 2.016,19 EUR ist § 289 Satz 1 BGB zu beachten. Von Zinsen sind Verzugszinsen nicht zu entrichten.
104 
c) Aus der Zeit vom 1. bis 30. November 2009 besteht - wobei sinngemäß auf die vorstehenden Ausführungen unter Buchstabe a Doppelbuchstaben bb bis ee und hh verwiesen wird - ein Zahlungsanspruch in Höhe von
718.508,61 EUR
105 
        
800.777,28 EUR
 Kaltmiete
- 82.268,67 EUR
 Restliche von der W. GmbH am
 4. November 2009 gezahlte „Nutzungsentschädigung"
 (99.166,67 EUR - 16.898,00 EUR = 82.268,67 EUR)
106 
Er ist seit dem 4. November 2009 mit p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens jedoch mit 9% p.a. zu verzinsen.
107 
Verzugszinsen können - anders als die Klägerin meint - nicht schon ab dem 3. November 2009 verlangt werden. Nach § 4 Nr. 6 Sätze 1 und 2 des Mietvertrages vom 8. September 2005 war die Miete bis zum dritten Kalendertag auf das von der Klägerin benannte Konto einzuzahlen. Da dies nicht geschah, geriet der Beklagte mit Ablauf des dritten Kalendertages, mithin (erst) mit Beginn des 4. November 2009 in Verzug.
108 
d) Aus der Zeit vom 1. bis 31. Dezember 2009 besteht - wobei sinngemäß auf die vorstehenden Ausführungen unter Buchstabe a Doppelbuchstaben bb bis ff und hh verwiesen wird - ein Zahlungsanspruch in Höhe von
438.431,57 EUR
109 
        
800.777,28 EUR
 Kaltmiete
- 82.268,67 EUR
 Restliche von der W. GmbH am
 2. Dezember 2009 gezahlte „Nutzungsentschädigung“
 (99.166,67 EUR - 16.898,00 EUR = 82.268,67 EUR)
- 280.077,04 EUR
 Von der Schuldnerin am 2. Dezember 2009
 gezahlter Betrag („Untermieten“)
110 
Er ist seit dem 4. Dezember 2009 mit p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens jedoch mit 9% p.a. zu verzinsen. In Höhe von 362.345,71 EUR (800.777,28 EUR - 438.431,57 EUR) ist der Rechtsstreit - wie vom Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt - in der Hauptsache erledigt.
III.
111 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestehen nicht.

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