I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13.02.2015 (13 O 81/14 KfH I) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
III. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
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| - abgekürzte Sachverhaltsdarstellung gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO - |
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| Der Kläger macht gegen den Beklagten im Wege der Teilklage einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus der schriftlichen Aufhebungs-/Abfindungsvereinbarung vom 15.10.2013 (K 3) geltend. Die Parteien streiten in erster Linie um die Wirksamkeit dieser Vereinbarung und darüber, ob die Klageforderung als Insolvenz- oder Masseforderung zu qualifizieren ist. |
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| Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der W AG (fortan: Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren wurde am 01.01.2014 eröffnet. Der Kläger wurde mit Wirkung zum 01.10.2010 zum Mitglied des Vorstands der Schuldnerin für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Er war seither auf der Grundlage des Vorstandsanstellungsvertrages vom 28.06.2010 (K 8) für die Schuldnerin tätig. Nach dem Vertrag stand ihm ein jährliches Grundgehalt in Höhe von 154.000,00 EUR brutto zu. Ferner war u.a. vereinbart, dass der Kläger als Abfindung ein Jahresgrundgehalt für den Fall erhalten sollte, dass der Aufsichtsrat nach Vertragsablauf den Kläger nicht wieder zum Vorstand bestellt (§ 5 Nr. 5 des Anstellungsvertrages). |
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| Auf Antrag der Schuldnerin vom 26.09.2013 ordnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 27.09.2013 die vorläufige Insolvenzverwaltung in Eigenverwaltung gemäß §§ 270a, 270b InsO (Schutzschirmverfahren) an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Sachwalter. In dem Beschluss wurde antragsgemäß nach § 270b Abs. 3 InsO angeordnet, dass die Schuldnerin Masseverbindlichkeiten begründet und die Bestimmung des § 55 Abs. 2 InsO entsprechend gilt. In dem danach durchgeführten Treffen mit Vertretern des Bankenkonsortiums forderten die Banken als Voraussetzung einer Finanzierungsvereinbarung, dass der Kläger als Vorstandsmitglied der Schuldnerin abberufen werde bzw. sein Amt niederlege. |
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| Daraufhin schlossen die Schuldnerin, vertreten durch den Aufsichtsrat, und der Kläger den oben genannten Aufhebungs- und Abfindungsvertrag, der eine vorzeitige Aufhebung des Vorstandsanstellungsvertrages zum 31.03.2014 vorsah. Die Vertragsparteien einigten sich auf eine Abfindungszahlung in Höhe von 154.000,00 EUR zum 31.12.2013. Der Kläger legte vereinbarungsgemäß sein Vorstandsamt am 16.10.2013 nieder. Auf Antrag der Schuldnerin vom 23.10.2013 eröffnete das Insolvenzgericht zunächst das vorläufige und mit Beschluss vom 01.01.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. |
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| Das Landgericht hat der auf Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages in Höhe von 5.001,00 EUR nebst Zinsen und Kosten gerichteten Klage stattgegeben. |
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| Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt. |
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| Die zulässige Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). |
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| 1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger nicht gemäß § 87 InsO darauf beschränkt, die geltend gemachte Forderung nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren zu verfolgen. Denn der Kläger ist - den Bestand der Klageforderung unterstellt - nicht als Insolvenz-, sondern als Massegläubiger (§ 53 InsO) zu qualifizieren (s. hierzu die nachstehenden Ausführungen zu 2. c.). |
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| 2. Der Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 5.001,00 EUR (erstrangiger Teilbetrag aus 154.000,00 EUR) nebst Zinsen und Kosten zu zahlen. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus dem schriftlichen Aufhebungs- und Abfindungsvertrag vom 15.10.2013. |
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| Zwischen dem Kläger und der späteren Insolvenzschuldnerin, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112 Satz 1 AktG), ist am 15.10.2013 ein Aufhebungs- und Abfindungsvertrag zustande gekommen (K 3, K 4). Darin verpflichtete sich der Kläger, sein Vorstandsamt am 16.10.2013 niederzulegen, was unstreitig geschehen ist. Im Gegenzug verpflichtete sich die Schuldnerin, bis spätestens 31.12.2013 an den Kläger als Abfindung eine Einmalzahlung in Höhe von 154.000,00 EUR zu leisten. |
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| Der Aufhebungs- und Abfindungsvertrag ist wirksam. |
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| Der Vertrag ist nicht wegen des geltend gemachten Verstoßes gegen § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO nichtig. |
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| Es kann auch im Berufungsverfahren offen bleiben, ob die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung des Klägers, der Beklagte habe als Sachwalter dem Vertrag zugestimmt, richtig ist. Auch die Frage, ob die Schuldnerin mit dem Vertragsschluss eine Verbindlichkeit eingegangen ist, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört, braucht hier nicht entschieden zu werden. |
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| Nach § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO, der gemäß §§ 270b Abs. 2 Satz 1, 270a Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechende Anwendung findet, soll der Schuldner Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. Die fehlende Beachtung dieser Bestimmung führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der von dem Schuldner gegenüber seinem Vertragspartner eingegangenen Verbindlichkeit. Denn die dem Schuldner in § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO eingeräumte Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wird durch § 275 Abs. 1 InsO nicht beschränkt (herrschende Meinung, vgl. etwa MüKoInsO/Tetzlaff/Kern, 3. Auflage, § 275 Rn. 15 m.w.N.). Ob dies auch dann gilt, wenn der Gläubiger um die fehlende, aber erforderliche Zustimmung weiß, kann dahingestellt bleiben. Denn unstreitig hat der Aufsichtsratvorsitzende dem Kläger gegenüber erklärt, der Sachverwalter (also der Beklagte) habe dem Vertrag zugestimmt. |
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| Der Vertrag ist nicht wegen evidenter Insolvenzzweckwidrigkeit unwirksam. Solches macht der Beklagte auch nicht (ausdrücklich) geltend. |
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| (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Rechtsmacht des Insolvenzverwalters durch den Insolvenzzweck beschränkt. Deshalb sind solche Rechtshandlungen des Verwalters, die einer seiner vornehmsten Aufgaben - der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger (vgl. § 1 Satz 1 InsO) - klar und eindeutig zuwiderlaufen, unwirksam; sie verpflichten die Masse nicht. Dies trifft dann zu, wenn der Widerspruch zum Insolvenzzweck unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für jeden verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist und sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten (BGHZ 150, 353, juris Rn. 27). Diese Grundsätze gelten auch für den vorläufigen (starken) Insolvenzverwalter (vgl. BAGE 116, 168, juris Rn. 16) und den im Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung handelnden Schuldner (vgl. MüKoInsO/Tetzlaff, 3. Auflage, § 270 Rn. 150), wobei die jeweiligen insolvenzrechtlichen Besonderheiten und Verfahrensziele mit in den Blick zu nehmen sind. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unwirksamkeit des in Frage stehenden rechtsgeschäftlichen Verhaltens des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder des Eigenverwalters wegen offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit trägt nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen derjenige, dem dieser Einwand günstig ist. Demnach trifft hier die Darlegungs- und Beweislast den Beklagten. |
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| (2) Nach diesen Maßstäben kann die auf den Abschluss des Aufhebungs- und Abfindungsvertrages vom 15.10.2013 gerichtete Willenserklärung der Schuldnerin nicht als offensichtlich insolvenzzweckwidrig qualifiziert werden. |
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| Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befand sich die Schuldnerin im so genannten Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO, wobei aus ihrer Sicht und aus Sicht des Beklagten (s. LGU 4, Abs. 4) ein positiver Ausgang der angestrebten Sanierung zu erwarten war. Die Schuldnerin war damals noch in der Lage, alle fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen (s. Anlage B 1). Für die Zukunft bestand jedoch erheblicher Finanzierungsbedarf, was eine Finanzierungsvereinbarung mit den Gläubigerbanken zur Abwendung der drohenden Zahlungsunfähigkeit notwendig machte. Unstreitig (LGU 2) forderten die Banken als Voraussetzung einer Finanzierungsvereinbarung, dass der Kläger als Vorstandsmitglied der Schuldnerin abberufen werde bzw. sein Amt niederlege. Der Abschluss des Aufhebungsvertrages stand daher offensichtlich nicht im Widerspruch zu dem Zweck des Schutzschirmverfahrens und dem damit erstrebten Ziel der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens. |
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| Der Umstand, dass die vereinbarte Abfindung in Höhe eines Betrages, die dem Kläger nach regulärem Ausscheiden aus seinem Amt ohnehin zugestanden hätte (§ 5 Nr. 5 des Anstellungsvertrages), im (später eröffneten) Insolvenzverfahren als Masseforderung gilt (s. hierzu nachfolgend unter c.), führt nicht zur Annahme von offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit. Zwar werden hierdurch die Insolvenzgläubiger benachteiligt. Dies ist aber eine vom Gesetzgeber hingenommene Konsequenz des Schutzschirmverfahrens und der vom Insolvenzgericht antragsgemäß getroffenen Anordnung nach § 270b Abs. 3 InsO. Dieses Verfahren dient nicht dazu, das Vermögen der Schuldnerin zu verwerten und den Erlös (gleichmäßig) zu verteilen, sondern eine hiervon abweichende Regelung in einem Insolvenzplan zu treffen, um das Unternehmen zu erhalten (§ 1 Satz 1 InsO). |
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| Allerdings hätte die Schuldnerin, vertreten durch den Aufsichtsrat, anstatt den Aufhebungs- und Abfindungsvertrag zu schließen, die Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied aus wichtigem Grund gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG widerrufen und den Kläger gemäß § 2 Nr. 5 des Anstellungsvertrages unter Fortzahlung der Bezüge freistellen können. Die oben genannte Forderung des Bankenkonsortiums, den Kläger als Vorstandsmitglied abzuberufen, ist ein wichtiger Grund für eine Abberufung i. S. von § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG (vgl. BGH MDR 2007, 476). Eine in entsprechender Anwendung des § 276a InsO etwa erforderliche Zustimmung des Sachwalters wäre nach Satz 3 dieser Bestimmung zu erteilen gewesen. Wäre die Schuldnerin so verfahren, so hätte dies für das spätere Insolvenzverfahren die Konsequenz gehabt, dass die bis zur Verfahrenseröffnung noch nicht bezahlten Gehälter Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) gewesen wären. Der Insolvenzverwalter hätte den Anstellungsvertrag gemäß § 113 InsO mit einer Frist von drei Monaten kündigen können. Allenfalls die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Wirksamkeit der Kündigung des Anstellungsvertrages geschuldeten Gehälter wären Masseforderungen gewesen. Im Übrigen hätte der Kläger seine Ansprüche wegen vorzeitiger Beendigung des Anstellungsvertrages nur als Insolvenzgläubiger verfolgen können (§§ 108 Abs. 1 Satz 1, 113 Satz 3 InsO). |
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| Trotz dieser Überlegungen vermag der Senat keine offensichtliche Insolvenzzweckwidrigkeit zu erkennen. Es ist schon fraglich, ob eine hieraus etwa abzuleitende Insolvenzzweckwidrigkeit für jeden vernünftigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich wäre. Erfordert die Feststellung einer insolvenzzweckwidrigen Vertragsgestaltung - wie hier - die Prüfung von Rechtsfragen, so muss das Ergebnis dieser Prüfung für jeden verständigen Beobachter in der Lage des jeweiligen Amtswalters (Insolvenzverwalter / Eigenverwalter) ohne weiteres auf der Hand liegen. Das kann hier schwerlich angenommen werden. |
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| Hinzu kommt Folgendes: Wie bereits erwähnt, erwarteten im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungs- und Abfindungsvertrages die Prozessparteien, dass das Schutzschirmverfahren erfolgreich sein werde. Es war also ernsthaft damit zu rechnen, dass der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) in Wegfall geraten und das schuldnerische Unternehmen dauerhaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens fortgeführt werden werde. Des Weiteren wären ohne den Abschluss des Aufhebungs- und Abfindungsvertrages berechtigte Forderungen des Klägers aus dem Anstellungsvertrag in Höhe von ca. drei Jahresgehältern auf die Schuldnerin zugekommen. Denn auf personen- oder verhaltensbedingte Gründe konnte eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages nicht erfolgreich gestützt werden. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war deshalb noch unklar, welche Vorgehensweise (Abberufung und Freistellung oder Aufhebungsvertrag) sich günstiger auf das Vermögen der Schuldnerin auswirken wird. Außerdem bestand für die Schuldnerin ohne Einigung mit dem Kläger die Gefahr, dass er sich gegen den Widerruf seiner Bestellung zur Wehr setzen werde, was die Bereitschaft der Banken, überhaupt Sanierungsgespräche zu führen, zumindest gefährdet hätte. |
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| Die somit wirksam begründete Forderung des Klägers gegen die Schuldnerin gilt entsprechend § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO in dem am 01.01.2014 über das Vermögen der Schuldnerin eröffneten Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit. Denn die Schuldnerin wurde antragsgemäß mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27.09.2013 (K 2) gemäß § 270b Abs. 3 InsO ermächtigt, Masseverbindlichkeiten entsprechend § 55 Abs. 2 InsO zu begründen. Eine solche Ermächtigung ist nicht auf die Begründung bestimmter Verbindlichkeiten beschränkt. |
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| Darüber, dass das Insolvenzgericht die Schuldnerin selbst, vertreten durch ihre Organe, aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (LGU 5 f. unter a) i. S. von § 270b Abs. 3 InsO ermächtigen wollte und ermächtigt hatte, besteht im Berufungsverfahren kein Streit mehr. |
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| Die Berufung (BB 2 - 5) meint, die obengenannte Anordnung des Insolvenzgerichts habe sich nicht auf Rechtsgeschäfte erstreckt, die zwischen der Schuldnerin, vertreten durch den Aufsichtsrat, und deren Vorstand vorgenommen worden seien. Auf solche Binnengeschäfte sei § 270b Abs. 3 InsO nicht anwendbar. Die Vorschrift erfahre in diesem Punkt eine teleologische Reduktion, weil in solchen Fällen der mit § 270b Abs. 3 InsO verfolgte Verkehrsschutzgedanke nicht greife. |
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| Der Senat teilt diese Rechtsauffassung, die - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Literatur nicht vertreten wird, nicht. Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 270b Abs. 3 InsO geschaffen hat, um das Vertrauen des Rechtsverkehrs in rechtsgeschäftliche Zusagen des Schuldners zu schützen. Das bedeutet aber nicht, dass die gerichtlich angeordnete Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten dann nicht gilt, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass der dem § 270b Abs. 3 InsO zugrunde liegende Verkehrsschutzgedanke nicht durchgreift. Es kommt daher, entgegen der Auffassung der Berufung nicht darauf an, ob - bezogen auf ein bestimmtes Geschäft - das Interesse der Altgläubiger, die zukünftige Insolvenzmasse von (unnötigen) Masseverbindlichkeiten freizuhalten, vorrangig zu schützen ist. Unerheblich ist auch, ob sich im Einzelfall ein schützenswertes Vertrauen des Vertragspartners des Schuldners feststellen lässt. Vielmehr werden kraft der gerichtlichen Ermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO sämtliche vom Schuldner begründeten Verbindlichkeiten im eröffneten Verfahren als Masseverbindlichkeiten behandelt, ohne dass es darauf ankäme, ob ihre vorrangige Befriedigung zur Sanierung des Unternehmens notwendig oder angezeigt war (vgl. OLG Dresden ZIP 2015, 1937, juris Rn. 18). Unerheblich ist auch, wer Vertragspartner der Schuldnerin ist. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum die Schuldnerin aufgrund einer Anordnung nach § 270b Abs. 3 InsO nicht ermächtigt sein soll, eine Verbindlichkeit gegenüber einem Vorstandsmitglied einzugehen. Auch in diesem Rechtsverhältnis sind Verpflichtungsgeschäfte der Schuldnerin möglich, solange sie dem Insolvenzzweck nicht offensichtlich entgegenstehen. Befürchteten Nachteilen für die Gläubiger kann gemäß §§ 274 Abs. 3, 277 InsO begegnet werden. |
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| Diese Rechtsauffassung wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. In der Drucksache Nr. 17/7511, Seite 37, des Deutschen Bundestages wird ausgeführt, dass der Schuldner mit der Anordnung nach § 270b Abs. 3 InsO die Befugnis erlangt, „durch alle seine Rechtshandlungen Masseverbindlichkeiten zu begründen.“ Dass es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht auf den Inhalt des Rechtsgeschäfts und die Person des Vertragspartners des Schuldners ankommt, zeigt auch der Umstand, dass das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners die Anordnung nach § 270b Abs. 3 InsO treffen muss; eine eigene Prüfung durch das Gericht, ob eine solche Anordnung für das Gelingen der Sanierung oder aus anderen Gründen erforderlich ist, findet nicht statt (vgl. MüKoInsO/Kern, 3. Auflage, § 270b Rn. 107). |
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| Entgegen der Auffassung der Berufung kommt es für die Frage, ob der Schuldner eine Masseverbindlichkeit begründet, nicht darauf an, ob das fragliche Rechtsgeschäft noch dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Schuldners zuzuordnen ist oder nicht. Und schließlich scheitert die Begründung einer Masseverbindlichkeit nicht daran, dass der Sachwalter dem Abfindungsvertrag nicht (nachweisbar) zugestimmt hat (s. oben). |
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| 3. Der Kläger ist weder gemäß § 143 Abs. 1 InsO gehindert, sich für die Dauer und Zwecke des Insolvenzverfahrens auf das materiell-rechtlich wirksame Zustandekommen des Aufhebungs- und Abfindungsvertrages zu berufen, noch steht dem Beklagten die Anfechtungseinrede gemäß § 146 Abs. 2 InsO zu. Denn die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung der Schuldnerin ist insolvenzrechtlich nicht anfechtbar. |
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| Eine Anfechtbarkeit nach den §§ 130 oder 131 InsO scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger nicht Insolvenz-, sondern Massegläubiger ist. |
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| Handlungen des Insolvenzverwalters sind der Insolvenzanfechtung von vornherein entzogen, weil sie nicht vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen werden, mithin keine Rechtshandlungen im Sinne von § 129 InsO sind. |
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| Ist die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen, sind dessen Rechtshandlungen - soweit durch sie Masseschulden begründet, erfüllt oder gesichert werden - keine Rechtshandlungen i. S. von § 129 InsO. Seine Stellung ist - wie namentlich §§ 23, 24 InsO i. V. m. §§ 81, 82, 85 Abs. 1 Satz 1, 86 sowie § 55 Abs. 2 InsO zeigen - derjenigen eines Insolvenzverwalters derart angenähert, dass eine Anfechtbarkeit seiner Rechtshandlungen nicht in Betracht kommt (BGHZ 200, 210, juris Rn. 11; Kreft, Insolvenzordnung, 7. Auflage, § 129 Rn. 32 m.w.N.). |
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| Die vorgenannten Erwägungen sind auch auf Handlungen des Schuldners im so genannten Schutzschirmverfahren zu übertragen. Nach § 270b Abs. 3 Satz 2 InsO gilt § 55 Abs. 2 InsO entsprechend. Durch diese Regelung will das Gesetz dem Schuldner im Verfahren nach § 270b InsO die Möglichkeit eröffnen, über eine Anordnung des Gerichts gleichsam an die Stelle eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters zu treten, wodurch er die Rechtsmacht erlangt, durch seine Rechtshandlungen Masseverbindlichkeiten zu begründen (vgl. BT-Drucks., a.a.O.). Der Schuldner handelt insoweit nicht privatautonom, sondern übt Befugnisse als Amtswalter aus (herrschende Meinung, vgl. MüKoInsO/Tetzlaff, 3. Auflage, § 270 Rn. 149). Das bedeutet, dass die im Schutzschirmverfahren vom Schuldner begründeten Masseverbindlichkeiten grundsätzlich nicht der Insolvenzanfechtung unterliegen (vgl. Karsten Schmidt, InsO, 19. Auflage, § 129 Rn. 38). Mit der Regelung des § 270b Abs. 3 InsO soll das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Handlungen des zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigten Schuldners gestärkt werden (vgl. BT-Drucks., a.a.O.). Diese Regelung wäre sinnlos, wenn die Masseverbindlichkeiten nach einer Verfahrenseröffnung im Wege der Anfechtung wieder beseitigt werden könnten. |
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| Ob von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen ist, wenn der Gläubiger nicht weiß, dass der Insolvenzschuldner Masseforderungen i. S. von § 55 Abs. 2 InsO begründet (so Schmittmann/Dannemann, ZIP 2013, 760, 763), braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn dem Kläger war die oben genannte Anordnung nach § 270b Abs. 3 InsO i. V. m. § 55 Abs. 2 InsO bekannt. Außerdem ging er davon aus, dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als damaliger Sachwalter dem Aufhebungs- und Abfindungsvertrag zugestimmt hatte. |
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| Entgegen der Auffassung des Landgerichts folgt aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden (Urteil vom 18.06.2014 - 13 U 106/14 -, NZI 2014, 703) nichts anderes. Denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Insolvenzverfahren hatte das Insolvenzgericht mangels Antrags der Schuldnerin keine Anordnung nach § 270b Abs. 3 InsO getroffen. |
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| Schließlich ergibt sich entgegen der Auffassung der Berufung (BB 8) aus § 280 InsO im Streitfall nicht die „uneingeschränkte Anwendung“ der §§ 129 bis 147 InsO. Diese Bestimmung stellt (mittelbar) nur klar, dass die Insolvenzanfechtung (auch) im Eigeninsolvenzverfahren uneingeschränkt stattfindet. Für die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen auf der Grundlage einer Anordnung nach § 270b Abs. 3 InsO ergibt sich daraus nichts. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. |
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| Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. |
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| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. |
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