Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 5 UF 43/17

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Der Antragstellerin wird Frist zur Erhebung der Klage vor den Schweizer Gerichten auf Teilung des Anrechts des Antragsgegners bei der Schweizer … in S. (Versicherten-Nummer …..) bis zum 1. September 2017 gesetzt.

Gründe

 
I.
Die beteiligten geschiedenen Ehegatten streiten um die Anordnung einer Abfindungszahlung nach § 23 VersAusglG wegen einer betrieblichen Rentenanwartschaft des Antragsgegners in der Schweiz.
Die am … geborene Antragstellerin und der am … geborene Antragsgegner haben am … geheiratet (I, 5). Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 15.05.2014 zugestellt (I, 27). Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 02.12.2014 das Verfahren über den Versorgungsausgleich abgetrennt (I, 37). Die Scheidung wurde mit Beschluss vom gleichen Tag rechtskräftig ausgesprochen (I, 43 f. und 51).
Während der Ehezeit hat der Antragsgegner u.a. eine Rentenanwartschaft bei der Schweizer … in S. (Versicherten-Nummer …) erworben. Der Versorgungsträger hat in seiner Auskunft vom 02.05.2016 (I, 269 VA) den Ehezeitanteil mit 46.282,10 CHF angegeben.
Die Antragstellerin hat mit Anwaltsschriftsatz vom 11.11.2016 (I, 293 VA) beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung einer Abfindung nach § 23 VersAusglG zu verpflichten. Der Antragsgegner ist dem entgegen getreten (I, 303 VA).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 22.02.2017 (I, 339 VA) hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich durchgeführt und hinsichtlich der Schweizer betrieblichen Versorgung den Antragsgegner verpflichtet, den Betrag von 23.141,05 CHF in monatlichen Raten von 500 CHF auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der … zu zahlen. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 24.02.2017 zugestellt (I, 355 VA).
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners mit Anwaltsschriftsatz vom 27.02.2017, eingegangen beim Familiengericht am 28.02.2017 (II, 3) mit dem Ziel, die Verpflichtung zur Abfindungszahlung aufzuheben. Er sei weiterhin zur Teilung der Anwartschaft bereit, die monatlichen Zahlungen seien ihm aber unzumutbar.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegen getreten (II, 31).
Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 10.04.2017 die Beteiligten auf die mögliche Aussetzung des Verfahrens nach §§ 21, 221 FamFG hingewiesen (II, 85). Beide haben sich mit einem solchen Vorgehen für einverstanden erklärt (II, 95 und II, 125), die Antragstellerin hat mitgeteilt, sie habe bereits eine Schweizer Rechtsanwältin beauftragt, die bis zum 15.07.2017 die entsprechenden Anträge bei Gericht einreichen werde (II, 125).
Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
10 
Die Entscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 221 Abs. 3, Abs. 2 FamFG.
11 
Nach dieser Vorschrift kann das Gericht das Verfahren aussetzen und eine Frist zur Klageerhebung setzen, wenn Streit über Bestand oder Höhe eines in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechts besteht. Diese Regelung entspricht dem früheren § 53c FGG (BT-Drs. 16/6308, S. 253) und beruht auf der Überlegung, dass Streitigkeiten dieser Art besser in der jeweils dafür zuständigen Spezialgerichtsbarkeit geklärt werden sollten, da zum einen der Familienrichter in diesen Fällen häufig weniger Fachkenntnisse haben wird als die Richter der Spezialgerichtsbarkeiten und dass zum anderen diese Rechtsfrage durch den Familienrichter nicht auch mit Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Versorgung geklärt werden kann (BT-Drs. 7/4361, S. 71). Zwar ist die Vorschrift im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, da über den derzeitigen Bestand und die Höhe des Anrechts kein Streit besteht, es daher nicht um eine Feststellungsklage geht (vgl. dazu Keidel/Weber, FamFG, 19. Auflage 2017, § 221 Rn. 10), sondern eher um eine Art Gestaltungsklage. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber ausweislich der oben zitierten Gesetzesbegründung offenbar eine Klage vor einer deutschen Spezialgerichtsbarkeit vor Augen hatte. Die vergleichbare Interessenlage rechtfertigt aber eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift. Auch in der vorliegenden Konstellation besteht die Gefahr, dass im familiengerichtlichen Verfahren eine Rechtsfrage im Hinblick über eine Versorgungsanwartschaft entschieden wird, die eine andere Gerichtsbarkeit später anders beurteilt.
12 
Vorliegend wäre zu erwägen, ob nicht bei der hier vorzunehmenden Abwägung im Rahmen des § 23 VersAusglG die konkret bestehende Möglichkeit einer unmittelbaren dinglichen Teilung des Pensionsguthabens zu berücksichtigen ist. Es könnte für den Antragsgegner nicht zumutbar sein, sich in seiner derzeitigen Lebensführung auch nur teilweise einzuschränken, wenn es der Antragstellerin relativ einfach möglich wäre, eine dingliche Absicherung ihrer Altersrente bezüglich dieses vorliegend streitigen Anrechts zu erreichen. Hinzu kommt der Aspekt, dass die in Deutschland angeordnete Ausgleichszahlung des Antragsgegners möglicherweise bei der in der Schweiz vorzunehmenden dinglichen Teilung des Anrechts keine Berücksichtigung finden würde.
13 
Mittlerweile ist zum 01.01.2017 die Reform des Schweizer Vorsorgeausgleichs vom 19.06.2015 in Kraft getreten. Damit besteht eine ausschließliche internationale Zuständigkeit der Schweizer Gerichte für die Teilung der Schweizer betrieblichen Rentenanwartschaften, diese wenden nunmehr immer Schweizer Sachrecht an. Danach hat die Antragstellerin Anspruch auf die Übertragung der Hälfte der betrieblichen Rentenanwartschaften des Antragsgegners (vgl. zu den Einzelheiten Frank, BetrAV 2016, 661 ff. und 2017, 4 ff.). Da das neue Recht selbst auf bereits anhängige Verfahren anwendbar ist und neue Rechtsbegehren, die durch den Wandel des anwendbaren Rechts veranlasst werden, ausdrücklich zulässig sein sollen (Art. 407c ZPO Schweiz und Art. 7d SchlT ZGB Schweiz in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung) dürfte nach den bisherigen Erfahrungen des Senats das Schweizer Rentenguthaben des Antragsgegners auf Antrag der Antragstellerin voraussichtlich geteilt werden. Allerdings erscheint derzeit aber nicht mit absoluter Sicherheit prognostizierbar, ob ein solcher Antrag der Antragstellerin vor den Schweizer Gerichten tatsächlich Erfolg haben wird.
14 
Diese Situation rechtfertigt eine entsprechende Anwendung des § 221 FamFG. Die Schweizer Gerichte haben zum einen natürlicherweise bessere Kenntnisse des Schweizer Rechts als die deutschen Gerichte; die Möglichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Inhalt des Schweizer Rechts würde diesen Unterschied angesichts möglicher Unsicherheiten über die konkrete Anwendung des gerade erst in Kraft getretenen Rechts nicht vollständig beheben können. Entscheidend ist aber, dass zum anderen die Frage der dinglichen Teilung der Schweizer Rentenanwartschaften vom Senat nicht bindend entschieden werden kann. So besteht die konkrete Gefahr, dass eine abweichende Beurteilung dieser Rechtsfrage zu Ergebnissen führt, die nicht hinnehmbar sind. Dies betrifft sowohl die Möglichkeit, dass hier der Antrag der Antragstellerin auf Abfindungszahlung abgewiesen wird, diese aber in der Schweiz mit ihrem Teilungsbegehren keinen Erfolg hat, als auch die Möglichkeit, dass hier der Antragsgegner zu einer Abfindungszahlung verpflichtet wird und die Antragstellerin dennoch in der Schweiz ohne Anrechnung dieses bereits erfolgten Ausgleichs eine vollständige dingliche Teilung der Rentenanwartschaft durchsetzt (vgl. zum Ganzen Senat vom 16.01.2017 - 5 UF 115/13, juris).

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