Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Ws 5/18

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Haftbefehl des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 30. März 2016 in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 21. Dezember 2017 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 28. Dezember 2017 aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten darin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

 
I.
Gegen den heute 58-jährigen Beschwerdeführer, der bis kurz vor seiner Suspendierung im Mai 2012 als VP-Führer bei der Kriminalpolizei C tätig war, ist seit Ende Juni 2014 beim Landgericht Freiburg ein Strafverfahren wegen zahlreicher Fälle der Bestechlichkeit, Verletzung von Privat- und Dienstgeheimnissen, Strafvereitelung im Amt, Urkundenfälschung, Betrug und Hehlerei, begangen in der Zeit von Mitte 2008 bis Mai 2012, anhängig.
Nachdem das Hauptverfahren mit Beschluss vom 15.12.2015 eröffnet und die Anklage vom 26.06.2014 zur Hauptverhandlung vor der 2. Großen Strafkammer (in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern) zugelassen worden war, wurde das erste Mal mit Verfügung vom 15.02.2016 Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Dabei waren für die Zeit vom 29.03. bis zum 12.05.2016 zehn Sitzungstage vorgesehen. Bei Aufruf der Sache am 29.03.2016 erschien der Angeklagte nicht; seine polizeiliche Vorführung kam nicht zustande. Daraufhin wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt und am 30.03.2016 gegen den Angeklagten Haftbefehl erlassen.
Ende Mai 2016 wurde der Angeklagte in Marokko festgenommen und befand sich zunächst in Auslieferungshaft. Am 21.01.2017 wurde er nach Deutschland überstellt; der Strafkammer war dieser Termin durch die Staatsanwaltschaft Freiburg am 04.01.2017 mitgeteilt worden. Der Haftbefehl des Landgerichts Freiburg vom 30.03.2016 wurde dem Angeklagten am 22.01.2017 eröffnet; seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft.
Mit Beschluss vom 24.01.2017 hat das Landgericht Freiburg das seit dem 13.05.2016 wegen damals unbekannten Aufenthalts des Angeklagten gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellte Verfahren wieder aufgenommen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden vom 24.01.2017 hat der damalige Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Z, am 28.01.2017 mitgeteilt, dass er den Angeklagten nicht mehr verteidige und aus persönlichen Gründen für eine Bestellung als Pflichtverteidiger nicht zur Verfügung stehe. Mit am 07.02.2017 eingegangenem Schreiben vom 06.02.2017 nannte der Angeklagte dem Vorsitzenden auf dessen Nachfrage vom 31.01.2017 drei Rechtsanwälte als mögliche Pflichtverteidiger und bat darum, deren Bereitschaft zur Übernahme der Verteidigung in der von ihm genannten Reihenfolge abzufragen. Auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden am 10.02.2017 erklärte sich Rechtsanwalt X als der vom Angeklagten an erster Stelle gewünschte Verteidiger zur Übernahme der Pflichtverteidigung bereit. Der Vorsitzende hatte ihn auf den Umfang der Sache (etwa neuen Umzugskartons mit Akten) und deren Eilbedürftigkeit als Haftsache mit alsbaldiger Terminierung (etwa zehn Verhandlungstage, voraussichtlich Mai/Juni 2017) hingewiesen. Mit Verfügung vom selben Tage wurde Rechtsanwalt X zum Verteidiger bestellt und ihm Akteneinsicht gewährt.
Nach vorheriger telefonischer Abstimmung mit Rechtsanwalt X bestimmte der Vorsitzende mit Verfügung vom 23.02.2017 die nachfolgend genannten zehn Hauptverhandlungstermine in der Zeit vom 08.05. bis zum 10.07.2017 (soweit nicht anders vermerkt jeweils ab 09.00 Uhr; die tatsächliche Verhandlungsdauer ist in Klammern angegeben), wobei der Termin am 08.06.2017 aufgrund der Urlaubsabwesenheit des Verteidigers in der Zeit vom 05.06. bis zum 16.06.2017 von vorneherein als Kurztermin vorgesehen war. Zeugen wurden zu diesem Zeitpunkt nicht geladen.
Montag, 08.05.2017
        
(09.00 bis 12.16 Uhr)
Donnerstag, 11.05.2017
        
(aufgehoben - s. u.)
Donnerstag, 18.05.2017
        
(09.00 bis 13.00 Uhr)
Donnerstag, 08.06.2017
- Kurztermin
(09.25 bis 09.35 Uhr)
Montag, 19.06.2017
        
(09.05 bis 14.45 Uhr)
Dienstag, 20.06.2017
- 13.00 Uhr
(14.30 bis 15.33 Uhr)
Montag, 26.06.2017
        
(09.05 bis 15.10 Uhr)
Montag, 03.07.2017
        
(09.15 bis 11.45 Uhr)
Dienstag, 04.07.2017
        
(09.10 bis 09.25 Uhr)
Montag, 10.07.2017
        
(09.55 bis 14.55 Uhr)
Am 14.03.2017 teilte Rechtsanwalt X mit, dass er an dem zunächst als verfügbar notierten Termin am 11.05.2017 doch nicht zur Verfügung stehe. Dieser Termin sei in seinem Kalender fälschlicherweise als verfügbar eingetragen gewesen, jedoch habe er für diesen Tag bereits in einer anderen Sache einen Termin vereinbart, nachdem auch in jenem Verfahren von ihm eine Terminkollision geltend gemacht worden sei; eine weitere Verschiebung komme nicht mehr in Betracht. Daraufhin wurde dieser Termin aufgehoben, ohne dass zugleich ein Ersatztermin bestimmt wurde.
Mit Verfügungen vom 22.04. und 25.04.2017 wurden zu den Terminen am 18.05., 19.06., 20.06. und 26.06.2017 Zeugen geladen.
Nachdem der Angeklagte am ersten Hauptverhandlungstag vom 08.05.2017 erklärt hatte, er werde keine Angaben zur Sache machen, wandte sich der Vorsitzende mit Schreiben vom 09.05.2017 an Rechtsanwalt X mit der Bitte, möglichst rasch die bei ihm noch verfügbaren Tage in der Zeit nach dem 10.07.2017 bis Oktober 2017 mitzuteilen, damit ergänzend terminiert werden könne. Am 11.05.2017 teilte Rechtsanwalt X dem Vorsitzenden telefonisch mit, dass er in dem angefragten Zeitraum außerhalb seines Urlaubs (02.08. bis 30.08.2017) nur an sechs weiteren Tagen im Juli 2017 sowie am 01.08., 04.09. und 08.09.2017 zur Verfügung stehe. Nach dem 08.09.2017 werde es bei ihm längere Zeit sehr schwierig werden, da er auch Verteidiger in einer anderen umfangreichen Haftsache beim Landgericht Freiburg sei und insoweit bereits zahlreiche Hauptverhandlungstermine abgesprochen habe. Im Hinblick darauf sprach der Vorsitzende die Frage der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers zur Sicherung des Verfahrens an. Rechtsanwalt X befürwortete diese Möglichkeit und schlug eine Kollegin aus seiner Kanzlei als zusätzliche Verteidigerin vor, wollte dies aber noch mit seiner Kollegin und dem Angeklagten besprechen. Die Frage sollte im nächsten Fortsetzungstermin am 18.05.2017 erörtert werden.
10 
Mit Schreiben vom 13.05.2017 wurde Rechtsanwalt X gebeten, vorerst nur die Tage am 17.07. (nur vormittags), 04.09. und 08.09.2017 als weitere Fortsetzungstermine zu reservieren. Die weiteren von ihm mitgeteilten Tage kamen wegen Urlaubs des Berichterstatters (24.07. bis 04.08.2017) sowie Verhinderung des sachbearbeitenden Staatsanwalts und Sitzungsvertreters am 20.07.2017 nicht in Betracht.
11 
Mit Verfügung vom 21.06.2017 wurden weitere Zeugen zu den Terminen am 03.07., 04.07. und 10.07.2017 geladen.
12 
Ob bzw. was im Fortsetzungstermin vom 18.05.2017 zur Frage der Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers erörtert wurde, ließ sich im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht mehr aufklären. Im Entwurf des Teilprotokolls von diesem Tag ist dazu nichts festgehalten, sondern erst in dem Entwurf des Teilprotokolls vom 26.06.2017. Danach erklärte Rechtsanwalt X an diesem Tag, dass seine ursprünglich als zweite Pflichtverteidigerin in Frage kommende Kollegin nun doch nicht zur Verfügung stehe, er aber inzwischen mit Rechtsanwalt Y Kontakt aufgenommen habe, der sich zur Übernahme der zusätzlichen Pflichtverteidigung bereit erklärt habe. Auch der Angeklagte erklärte sich mit der Bestellung von Rechtsanwalt Y einverstanden. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erhob keine Einwände. Die Bestellung von Rechtsanwalt Y als zusätzlichem Verteidiger zur Sicherung des weiteren Verfahrens erfolgte schließlich mit Verfügung des Vorsitzenden vom 07.07.2017.
13 
Im Fortsetzungstermin vom 17.07.2017 wurden zwei Zeugen vernommen; die Hauptverhandlung dauerte von 09.00 bis 10.10 Uhr.
14 
Mit Verfügung vom 01.08.2017 wurden weitere fünfzehn Hauptverhandlungstermine in der Zeit vom 07.08. bis zum 13.12.2017 bestimmt (jeweils ab 09.00 Uhr; die tatsächliche Verhandlungsdauer ist wiederum in Klammern angegeben), wobei auch hier zum Teil von vornherein Kurztermine vorgesehen waren und Zeugen zunächst nicht geladen wurden:
15 
Montag, 07.08.2017
- Kurztermin
(09.03 bis 09.17 Uhr)
Freitag, 11.08.2017
- Kurztermin
(aufgehoben
im Hinblick auf
§ 229 Abs. 2 StPO)
Montag, 04.09.2017
        
(09.00 bis 15.00 Uhr)
Freitag, 08.09.2017
        
(09.00 bis 14.55 Uhr)
Donnerstag, 14.09.2017
        
(09.15 bis 15.05 Uhr)
Mittwoch, 20.09.2017
        
(09.15 bis 15.35 Uhr)
Mittwoch, 27.09.2017
- evtl. Kurztermin
(09.00 bis 09.15 Uhr)
Mittwoch, 18.10.2017
        
(09.05 bis 15.00 Uhr)
Mittwoch, 25.10.2017
        
(09.05 bis 16.00 Uhr)
Montag, 13.11.2017
- evtl. Kurztermin
(10.04 bis 11.26 Uhr)
Freitag, 17.11.2017
        
(aufgehoben - s. u.)
Mittwoch, 22.11.2017
        
(aufgehoben - s. u.)
Freitag, 01.12.2017
        
(09.00 bis 09.20 Uhr)
Donnerstag, 07.12.2017
        
(aufgehoben - s. u.)
Mittwoch, 13.12.2017
        
(09.06 bis 10.20 Uhr)
16 
Bei der weiteren Terminierung wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass in der Zeit ab dem 05.09.2017 die Hauptverhandlung in einer anderen umfangreichen Haftsache vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Freiburg beginnen sollte (und auch tatsächlich begonnen hat und noch andauert), in die nicht nur Rechtsanwalt X - wie von ihm angekündigt - als Verteidiger eingebunden ist, sondern auch Richter am Landgericht A, der Berichterstatter in vorliegender Sache, mitwirken muss. Hintergrund dieses „Nachrückens“ war der überraschende krankheitsbedingte Ausfall des Vorsitzenden der 6. Großen Strafkammer. Auch in jener Sache, in der die Kammer mit drei Berufsrichtern besetzt ist, wurde Richter am Landgericht A zum Berichterstatter bestimmt.
17 
Zeugen wurden während der durch Sommerurlaube der Beteiligten bedingten längeren Unterbrechung der Hauptverhandlung, in der nur der Kurztermin am 07.08.2017 stattfand, mit Verfügungen vom 14.08.2017 (zu den Terminen am 04.09. und 08.09.2017) und vom 25.08.2017 (zum Termin am 14.09.2017) geladen. Weitere Zeugen wurden mit Verfügungen vom 13.09. und vom 15.09.2017 (jeweils auf den 20.09.2017) sowie mit Verfügungen vom 21.09.2017 (auf den 27.09.2017) und vom 05.10.2017 (auf 18.10.2017) geladen.
18 
Mit Verfügung vom 18.10.2017 wurden Zeugen auf den 25.10.2016 geladen, außerdem wurde der auf den 22.11.2017 bestimmte Termin aufgehoben. Auslöser dafür war, dass die 6. Große Strafkammer in der oben genannten gesonderten Haftsache, in der auch Richter am Landgericht A mitwirken muss, mit Rechtsanwalt X diesen Tag als weiteren Fortsetzungstermin abgesprochen, entsprechend terminiert und - anders als die 2. Große Strafkammer im vorliegenden Verfahren - auf diesen Tag bereits Zeugen geladen hatte.
19 
Auch der auf den 17.11.2017 bestimmte Fortsetzungstermin wurde mit Verfügung vom 06.11.2017 im Hinblick auf eine andere beim Landgericht Freiburg anhängige Haftsache aufgehoben. In jener bereits seit dem 13.03.2017 laufenden Hauptverhandlung - ebenfalls vor der 2. Großen Strafkammer - wurde unter Berücksichtigung von anderweitigen Verhinderungen der beiden dortigen Verteidiger, des anstehenden Urlaubs des dortigen Berichterstatters sowie der gesetzlichen Unterbrechungsfristen der Termin am 17.11.2017 dringend als Fortsetzungstermin benötigt.
20 
Am 13.11.2017 erhielten zunächst die beiden Verteidiger in der Zeit von 09.00 Uhr bis 10.00 Uhr Gelegenheit für eine Besprechung mit dem Angeklagten. Ab 10.10 Uhr wurde die Hauptverhandlung für etwa 75 Minuten zur Durchführung eines Rechtsgesprächs (Strafkammer mit Schöffen, Staatsanwalt und beide Verteidiger) unterbrochen; eine Verständigung gemäß § 257c StPO erschien nicht ausgeschlossen, weshalb zum Termin am 01.12.2017 keine Zeugen geladen wurden. Am 30.11.2017 teilte Rechtsanwalt X mit, dass der Angeklagte einer Verständigung nicht zustimme, und stellte eine Einlassung zu den in der Anklageschrift unter Nr. 48 bis 55, 56 bis 61 sowie 73 bis 77 aufgeführten Taten in Aussicht.
21 
Der Angeklagte legte im Termin vom 13.12.2017 ein Teilgeständnis ab; der Termin vom 07.12.2017 war mit Verfügung vom 06.12.2017 aufgehoben worden. Mit Verfügung vom 08.12.2017 war zum Termin am 13.12.2017 ein Zeuge (nach vorheriger telefonischer Abstimmung) geladen worden, der auch vernommen wurde. Da der sachbearbeitende Staatsanwalt an diesem Tag nicht als Sitzungsvertreter zur Verfügung stand und durch eine nicht in das Verfahren eingearbeitete Kollegin vertreten wurde, fand keine weitere Beweisaufnahme statt; jedoch wurden mit den Verfahrensbeteiligten die nachfolgend genannten weiteren Fortsetzungstermine abgesprochen (soweit nicht anders vermerkt jeweils ab 09.00 Uhr; die tatsächliche Verhandlungsdauer ist wiederum in Klammern angegeben), wobei der Termin vom 21.12.2017 von vorneherein als Kurztermin vorgesehen war.
22 
Donnerstag, 21.12.2017
- Kurztermin
(09.25 bis 10.00 Uhr)
Donnerstag, 11.01.2018
        
(09.00 bis 16.15 Uhr)
Montag, 15.01.2018
        
(09.00 bis 16.09 Uhr)
Mittwoch, 17.01.2018
        
(09.00 bis 16.42 Uhr)
Dienstag, 23.01.2017
        
(nicht terminiert - s. u.)
Mittwoch, 24.01.2018
        
(09.00 bis 14.00 Uhr)
Montag, 29.01.2018
        
(09.00 bis 15.53 Uhr)
Dienstag, 13.02.2018
        
        
Donnerstag, 15.02.2018
        
        
Mittwoch, 21.02.2018
        
        
Donnerstag, 22.02.2018
        
        
23 
Im Vorfeld hatten die beiden Verteidiger auf Anfrage des Vorsitzenden vom 08.12.2017 ihre verfügbaren Tage im Januar und Februar 2018 per Telefax am 10.12. bzw. 12.12.2017 wie folgt mitgeteilt:
24 
Rechtsanwalt X:
10.01., 17.01. und 24.01.2018
Rechtsanwalt Y:
08.01., 09.01., 11.01., 15.01.,
16.01., 18.01., 23.01., 24.01.,
29.01., 12.02, 13.02., 15.02.,
20.02. (bis 13.00 Uhr), 21.02.,
22.02. und 28.02.2018
25 
Mit Verfügung vom 19.12.2017 wurde Fortsetzungstermin auf den 21.12.2017 bestimmt. Mit Ausnahme des abgesprochenen Termins vom 23.01.2018 (an dem Richter am Landgericht A wegen Teilnahme an einer Hauptverhandlung der 6. Großen Strafkammer verhindert war) wurden die sonstigen oben genannten neun Termine im Januar und Februar 2018 mit Verfügung vom 27.12.2017 als Termine zur Fortsetzung der Hauptverhandlung bestimmt. Den am 04.01.2018 gestellten Antrag von Rechtsanwalt X, die für die Zeit vom 11.01. bis zum 22.02.2018 bestimmten Hauptverhandlungstermine (bis auf den 13.02.2018) „wegen unauflöslicher Terminskollisionen“ zu verlegen, lehnte der Vorsitzende mit Schreiben vom 08.01.2018 ab.
26 
Nachdem sich der Angeklagte im Termin vom 29.01.2018 - erstmals - zu den in der Anklageschrift unter Nr. 1 bis 44 aufgeführten Tatvorwürfen eingelassen hat, könnte die Beweisaufnahme aus Sicht der Kammer möglicherweise im Hauptverhandlungstermin vom 21.02.2018 abgeschlossen werden. Wegen Verhinderung von Rechtsanwalt X in den Terminen vom 15.02., 21.02. und 22.02.2018 erscheint es aus Sicht der Verteidigung jedoch ausgeschlossen, dass am 22.02.2018 plädiert werden könnte. Die Hauptverhandlung muss deshalb nach dem Urlaub des Vorsitzenden (28.02. bis 25.03.2018) an zwei bis drei Tagen, die für die Schlussvorträge und die Urteilsverkündung benötigt werden, fortgesetzt werden. Im Hinblick darauf hat der Vorsitzende mit Schreiben vom 01.02.2018 die beiden Verteidiger und den sachbearbeitenden Staatsanwalt um Mitteilung gebeten, an welchen Tagen sie in der Zeit vom 26.03. bis 30.04.2018 für die Hauptverhandlung zur Verfügung stehen; außerdem muss noch zumindest ein Kurztermin in der Zeit vom 23.02. bis zum 27.02.2018 durchgeführt werden, weshalb auch dieser Zeitraum bei den Beteiligten abgefragt wurde. Rechtsanwalt X hat zu dieser Anfrage am 05.02.2018 mitgeteilt, dass ein Kurztermin am 27.02.2018 möglich sei und dass er im Übrigen am 13.04., 20.04. und 27.04.2018 zur Verfügung stehe.
27 
Bereits mit Schriftsatz vom 11.12.2017, eingereicht im Termin vom 13.12.2017, hatte Rechtsanwalt X beantragt, den Haftbefehl wegen eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte dazu am 14.12.2017 Stellung genommen. Mit Beschluss vom 21.12.2017 hat das Landgericht Freiburg den Antrag des Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass anstelle des im Haftbefehl vom 30.30.2016 angenommenen Haftgrundes der Flucht nunmehr der Haftgrund der Fluchtgefahr bestehe.
28 
Dagegen richtet sich die von Rechtsanwalt X am 22.12.2017 eingelegte „weitere Beschwerde“, der das Landgericht Freiburg mit Beschluss vom 28.12.2017 nicht abgeholfen und die Akten mit Verfügung vom 29.12.2017 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.
29 
Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat in ihrer Zuschrift vom 08.01.2018 beantragt, die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen, und dazu mit Zuschrift vom 01.02.2018 - unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vom Senat bei der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Freiburg eingeholten Stellungnahmen zur Verhandlungsdichte und deren Hintergründen - nähere Ausführungen gemacht.
30 
Die beiden Verteidiger hatten Gelegenheit zu alledem Stellung zu nehmen, wovon Rechtsanwalt X mit Schriftsätzen vom 12.01., 18.01. und 30.01.2018 Gebrauch gemacht hat.
II.
31 
Die Beschwerde des Angeklagten ist zulässig (§§ 304 Abs. 1, 306 Abs. 1 StPO) und auch begründet.
32 
1. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft nach § 112 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StPO liegen weiterhin vor.
33 
a) Der Angeklagte ist jedenfalls der im Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Freiburg vom 21.12.2017 aufgeführten Taten dringend verdächtig.
34 
Das Landgericht Freiburg hat im Beschluss vom 21.12.2017 hinreichend dargelegt, dass und aufgrund welcher Beweismittel die Beweisaufnahme den dringenden Tatverdacht im Sinne der im Haftbefehl unter Nr. 1 bis 61, 64, 65, 70, 71, 73 bis 77 beschriebenen Tatvorwürfe nach vorläufiger Würdigung bestätigt hat.
35 
Die Begründung durch das Landgericht Freiburg ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vorzunehmen hat, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht unterliegt (st. Rspr. des BGH, vgl. nur BGH NStZ-RR 2016, 217; NStZ-RR 2017, 18; NJW 2017, 341), nicht zu beanstanden. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme (BGH aaO).
36 
Der Senat lässt im Hinblick auf seine letztlich getroffene Entscheidung, den Haftbefehl aufzuheben, dahinstehen, ob - wie dies von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift angenommen wurde - hinsichtlich der dort unter Nr. 50, 51 und 57 aufgeführten Verstöße gegen § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB (Tatzeiten: 08.07.2010, 16.01. und 31.01.2012) unter Zugrundelegung einer Verjährungszeit von lediglich drei Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB) inzwischen absolute Verfolgungsverjährung (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB) eingetreten ist. Eine andere Beurteilung der Verjährungsfrage könnte sich möglicherweise dann ergeben, wenn - was der Beurteilung durch das Tatgericht nach Abschluss der Beweisaufnahme vorbehalten bleibt - der Qualifikationstatbestand des § 203 Abs. 5 StGB (Handeln gegen Entgelt oder in Bereicherungs-/Schädigungsabsicht) verwirklicht sein sollte. Ausgehend vom Strafrahmen des § 203 Abs. 5 StGB, der im Höchstmaß Freiheitsstrafe von zwei Jahren vorsieht, würde die Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre betragen, so dass erst nach zehn Jahren absolute Verfolgungsverjährung eintreten würde.
37 
b) Es besteht weiterhin die Gefahr, dass der Angeklagte sich dem Strafverfahren entziehen werde (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
38 
Insofern hat das Landgericht Freiburg zutreffend in der Haftfortdauerentscheidung vom 21.12.2017 den zuvor im Haftbefehl vom 30.03.2016 angenommenen Haftgrund der Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) durch den der Fluchtgefahr ersetzt. Das Landgericht Freiburg sieht sich durch das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme in der Besorgnis bestätigt, dass der Angeklagte, auf freien Fuß gesetzt, als erfahrener Kriminalbeamter Fluchtgedanken ohne wesentliche Schwierigkeiten in die Tat umsetzen würde.
39 
Die Annahme von Fluchtgefahr hat das Landgericht Freiburg im Haftfortdauerbeschluss vom 21.12.2017 nachvollziehbar dargelegt. Auch insoweit gilt im Beschwerdeverfahren bei laufender Hauptverhandlung der eingeschränkte Prüfungsmaßstab (BGH, Beschluss vom 05.02.2015 - StB 1/15 - juris; Beschluss vom 23.02.2017 - StB 4/17- juris). Denn das Tatgericht, welches den Angeklagten in der Hauptverhandlung unmittelbar erlebt hat, verfügt über die sachnäheren Erkenntnisse zu den maßgeblichen Beurteilungsfaktoren für die Gefahrprognose, welche im Rahmen der Haftgründe des § 112 Abs. 2 StPO vorzunehmen ist.
40 
2. Gleichwohl kann der Haftbefehl in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses vom 21.12.2017 angesichts der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft von inzwischen über einem Jahr mit vorangegangener Auslieferungshaft von rund acht Monaten keinen Bestand haben, weil das Verfahren nicht in einer Weise gefördert worden ist, die dem verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen genügt.
41 
a) Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung (grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; BVerfGK 15, 474 <479>; BVerfG, Beschluss vom 30.07.2014 - 2 BvR 1457/14 -, juris; zuletzt BVerfG, Beschluss vom 20.12.2017 - 2 BvR 2552/17 - juris), dass bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten ist. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist, nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt.
42 
Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs regelmäßig gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung. Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (BVerfG, Beschluss vom 30.07.2014 - 2 BvR 1457/14 - juris mwN).
43 
Die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte müssen daher alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. So ist im Falle der Entscheidungsreife über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung zu beschließen und anschließend im Regelfall innerhalb von weiteren drei Monaten mit der Hauptverhandlung zu beginnen (BVerfG, Beschluss vom 20.12.2017 - 2 BvR 2552/17 - juris mwN).
44 
Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und zur Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch Verfahrensverzögerungen verursacht ist, die ihre Ursache nicht in dem konkreten Strafverfahren haben und daher von dem Beschuldigten nicht zu vertreten, sondern vermeidbar und sachlich nicht gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGK 15, 474 <480> mwN). Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermögen aber bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (BVerfG, Beschluss vom 20.12.2017 - 2 BvR 2552/17 - juris mwN). Dabei ist nicht entscheidend, ob eine einzelne verzögert durchgeführte Verfahrenshandlung ein wesentliches Ausmaß einnimmt, sondern ob die vorliegenden Verfahrensverzögerungen in ihrer Gesamtheit eine Schwelle erreichen, die im Rahmen der Abwägung die Anordnung einer weiteren Fortdauer der Untersuchungshaft nicht mehr erlaubt (BVerfG, Beschluss vom 13.05.2009 - 2 BvR 388/09 - juris). Aufgrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) dürfen erst noch bevorstehende Verzögerungen von völlig ungewisser Dauer nicht anders behandelt werden als bereits eingetretene (BVerfG, Beschluss vom 17.07.2006 - 2 BvR 1190/06 - juris).
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Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein. Vielmehr kann die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts selbst dann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Beschuldigten darf nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen (BVerfG, Beschluss vom 20.12.2017 - 2 BvR 2552/17 - juris mwN).
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Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit ist die Angemessenheit der Haftfortdauer anhand objektiver Kriterien des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen; insofern sind in erster Linie die Komplexität der einzelnen Rechtssache, die Vielzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung von Bedeutung (BVerfG, Beschluss vom 22.01.2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. - juris). Der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils wird dabei auch unter Berücksichtigung der genannten Aspekte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein (BVerfG, Beschluss vom 23.01.2008 - 2 BvR 2652/07 - juris; Beschluss vom 30. Juli 2014 - 2 BvR 1457/14 - juris).
47 
Bei absehbar umfangreichen Verfahren, in denen sich der Angeklagte in Untersuchungshaft befindet, fordert das Beschleunigungsgebot in Haftsachen stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als nur einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche (vgl. BVerfGK 7, 21 <46 f.>; 7, 140 <157>; ferner EGMR, Urteil vom 29.07.2004 - Beschwerde Nr. 49746/99 <Čevizović gegen Deutschland> -, EuGRZ 2004, S. 634 <637> Tz. 51). Dabei kann, je weiter eine derartige Planung in die Zukunft reicht, regelmäßig im Verlauf einer Hauptverhandlung auftretenden Terminierungshindernissen durch entsprechende Koordinierung, beispielsweise von Urlaubsterminen, Rechnung getragen und damit ein zügiger Verlauf der Hauptverhandlung sichergestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 23.01.2008 - 2 BvR 2652/07- juris).
48 
Die verfassungsrechtliche Pflicht zur beschleunigten Durchführung einer Hauptverhandlung in Haftsachen steht zwar deren Unterbrechung für eine angemessene Zeit zum Zwecke des Erholungsurlaubs der Verfahrensbeteiligten oder auch zum Zweck des Antritts einer Kur nicht grundsätzlich entgegen. Das Beschleunigungsgebot ist jedoch dann nicht mehr gewahrt, wenn auch außerhalb dieser sich in einem angemessenen Rahmen zu haltenden Unterbrechungszeiten die in Haftsachen gebotene Terminierungsdichte nicht annähernd eingehalten wird, ohne dass hierfür zwingende, nicht der Justiz anzulastende Gründe erkennbar sind (BVerfG, Beschluss vom 23.01.2008 - 2 BvR 2652/07 - juris).
49 
Soweit für eine geringe Terminierungsdichte von der Verteidigung geltend gemachte Terminkollisionen eine Rolle spielen, entlastet dies eine Strafkammer nicht grundsätzlich von dem Vorwurf einer der Justiz anzulastenden Verfahrensverzögerung. Denn zum einen können derartige Terminkollisionen bei einer vorausschauenden, weit in die Zukunft reichenden Terminplanung weitgehend vermieden werden. Zum anderen darf eine Strafkammer nicht ausnahmslos auf Terminkollisionen der Verteidiger Rücksicht nehmen. Vielmehr stellt sich dann die Frage, ob andere Pflichtverteidiger zu bestellen sein werden oder inwieweit die Verteidiger mit Blick auf das Beschleunigungsgebot verpflichtet werden können, andere - weniger dringliche - Termine zu verschieben, um eine Beschleunigung eines bereits lang dauernden Verfahrens zu erreichen (BVerfG, Beschluss vom 23.01.2008 - 2 BvR 2652/07 - juris).
50 
b) Gemessen an diesen Grundsätzen weist das Verfahren in der Gesamtschau solche Verletzungen des Beschleunigungsgebotes auf, die zur Aufhebung der Untersuchungshaft zwingen.
51 
In der Zeit vom 08.05.2017 bis zum 27.04.2018 (= 51 Wochen) wird die Strafkammer nach derzeitiger Planung - unter Außerachtlassung der von vornherein nur als Kurztermine vorgesehenen Sitzungstage - an maximal 30 Tagen effektiv verhandelt bzw. dies vorgehabt haben. Dies entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Sitzungsdichte von 0,59 Tagen. Selbst bei voller Berücksichtigung der sich hier auf rund 19 Wochen aufsummierenden Urlaubszeiten aller Verfahrensbeteiligter - davon knapp sieben zusammenhängende Wochen im Sommer 2017 - (wobei wohl kaum noch von einem „angemessenen Rahmen“ im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgegangen werden kann) kommt man bei einer Sitzungsdichte von 0,94 nur auf einen knappen wöchentlichen Sitzungstag. Damit ist angesichts der Gesamtdauer des Verfahrens der verfassungsrechtlichen Pflicht zur beschleunigten Durchführung einer Hauptverhandlung nicht genügt.
52 
Die Umstände, die für diese weiträumige, einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung in Haftsachen nicht mehr entsprechenden Terminierung verantwortlich sind, können die damit verbundenen Verfahrensverzögerungen nicht rechtfertigen.
53 
Ihrer Aufgabe einer vorausschauenden straffen Hauptverhandlungsplanung bei - wie hier - umfangreichen Verfahren ist die Strafkammer nicht hinreichend nachgekommen. Dazu hätte von Anfang an besonderer Anlass bestanden.
54 
Bereits der angesetzte Beginn der Hauptverhandlung erst mehr als vier Monate nach Eingang der Mitteilung über die bevorstehende Auslieferung des Angeklagten erscheint - auch unter Berücksichtigung des Verteidigerwechsels und der dem neuen Verteidiger zuzubilligenden Einarbeitungszeit - nicht ganz unbedenklich. Bis dahin hatte sich der Angeklagte insgesamt bereits ein knappes Jahr in Auslieferungs- und Untersuchungshaft befunden. Angesichts dieses späten Beginns der Hauptverhandlung und der zu diesem Zeitpunkt schon erheblichen Haftdauer war die Strafkammer in besonderem Maße gehalten, einen straffen Verhandlungsplan festzulegen, in dessen Ausführung Zeugen auf eine vorausschauende und effiziente Art zu laden gewesen wären. An sich hätte dies ohne großen Vorbereitungsaufwand möglich sein müssen, nachdem die Sache bereits einmal terminiert gewesen war. Gleichwohl wurden Zeugen in der Regel erst kurzfristig zu demnächst anstehenden Terminen geladen. Hierdurch konnten teilweise die Zeugen wegen deren Umzugs nicht mehr in dem an sich vorgesehenen Termin vernommen werden.
55 
Die Beweisaufnahme findet bislang ausschließlich auf der Grundlage dessen statt, was die Strafkammer im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht für geboten hält. Das Prozessverhalten des Angeklagten und seiner Verteidiger hat demgegenüber - soweit ersichtlich - bis jetzt zu keiner Verfahrensverzögerung beigetragen.
56 
Der Umstand, dass der Berichterstatter des vorliegenden Verfahrens aufgrund eines unvorhergesehenen Vertretungsfalles in einer weiteren beim Landgericht Freiburg anhängigen Haftsache mitwirken muss, vermag die geringe Sitzungsdichte ohnehin nur teilweise zu erklären. Im Übrigen ist der Vertretungsfall aus Sicht des im vorliegenden Verfahrens inhaftierten Beschwerdeführers nicht anders zu bewerten als die - dem Senat bekannte - insgesamt starke Belastung der für ihn zuständigen 2. Großen Strafkammer mit zahlreichen Haft- und Unterbringungssachen, die neben dem vorliegenden Verfahren zu verhandeln waren. Nach Mitteilung des Vorsitzenden hat die Kammer z. B. im letzten Quartal 2017 teilweise in vier Haftsachen parallel verhandelt; für eine fünfte am 21.06.2017 eingegangene Haftsache mit vier Angeklagten musste eine Hilfsstrafkammer eingerichtet werden. Hinzu kommt, dass der Vorsitzende der 2. Großen Strafkammer auch Vorsitzender derjenigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg ist, die u. a. für alle Entscheidungen über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (hier: ZfP B) zuständig ist. Auch in diesem Bereich sind - jeweils in der vollen Kammerbesetzung nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG - regelmäßig fristgebundene Entscheidungen zu treffen (vgl. §§ 67c, 67e StGB), wobei die Prüfungsverfahren so ausgestaltet sind, dass sie als „Erkenntnisverfahren eigener Art“ mit entsprechendem Aufwand anzusehen sind. Wenn bei dieser Sachlage kaum noch weitere offene Sitzungstage übrig waren, die für das vorliegende Verfahren hätten genutzt werden können, liegen strukturelle Defizite vor, zu deren Behebung der Haushaltsgesetzgeber (hier: der Landtag von Baden-Württemberg) im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und insbesondere auch zur Vermeidung der Aufhebung von Untersuchungshaftbefehlen verpflichtet ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.10.2016 - 3 Ws 708/16 - juris).
57 
Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, welche Konsequenzen aus der von Anfang an bestehenden sehr hohen Belastungssituation von Rechtsanwalt X zu ziehen gewesen wären, welche eine Terminierung innerhalb eines angemessenen Zeitraumes mit den vom Vorsitzenden an sich angestrebten zwei wöchentlichen Sitzungstagen nicht ermöglichte. Von einem Rechtsanwalt ist als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) zu fordern, dass er, der seine Auslastung durch andere Mandate am besten beurteilen kann, die Übernahme einer an ihn herangetragenen Pflichtverteidigung von sich aus ablehnt, wenn er aufgrund weiterer Mandate dem verfassungsrechtlichen besonderen Beschleunigungsgebot in Haftsachen voraussichtlich nicht entsprechen kann.
58 
Nachdem Rechtsanwalt X die Übernahme der Pflichtverteidigung nicht von sich aus zurückgewiesen hatte, wäre zu erwägen gewesen, ob seine Belastungssituation der Beiordnung als solcher entgegen stand. Zumindest hätte es nicht fern gelegen, nach dem ersten Hauptverhandlungstag nicht einen zweiten Pflichtverteidiger zur Sicherung des Verfahrens beizuordnen, sondern Rechtsanwalt X zu entpflichten und so zeitnah wie möglich durch einen anderen Pflichtverteidiger zu ersetzen. Bei Rechtsanwalt X handelt es sich - auch senatsbekannt - um einen Strafverteidiger, der seit längerer Zeit in so zahlreichen Strafverfahren tätig ist, dass selbst mittelfristige Terminabstimmungen stets außerordentlich schwierig sind. Dass diese Situation bis heute unverändert fortbesteht, zeigt anschaulich auch seine Rückmeldung auf die jüngste Anfrage des Vorsitzenden zur Terminplanung für die Zeit vom 26.03. bis zum 30.04.2017.
59 
Auch wenn aufgrund des Anspruchs auf ein faires Verfahren die Wünsche des Angeklagten auf Beiordnung eines bestimmten Verteidigers nach Möglichkeit zu berücksichtigen sind, besteht jedoch kein bindender Anspruch auf Beiordnung eines von ihm bezeichneten Beistandes. Vielmehr kann in begründeten Ausnahmefällen die Beiordnung eines bestimmten Verteidigers durchaus versagt oder eine bereits erfolgte Bestellung widerrufen werden (BVerfG, Beschluss vom 24.07.2008 - 2 BvR 1146/08 - juris). Ein solcher Ausnahmefall kann in bestimmten Konstellationen auch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen sein (BVerfG aaO). Vorliegend kam hinzu, dass der Angeklagte - subsidiär - ohnehin von sich aus zwei weitere Rechtsanwälte seines Vertrauens benannt hatte.
60 
Zudem hätte die eingeschränkte Verfügbarkeit auch der Mitglieder der Strafkammer Anlass geben sollen, die ohnehin nur begrenzt zur Verfügung stehenden freien Sitzungstage nicht ohne Weiteres wegen pauschal geltend gemachter Terminkollisionen der Verteidigung aus den Planungen herauszunehmen. Insbesondere die von Rechtsanwalt X mit Schriftsätzen vom 09.10. und 11.10.2017 geltend gemachte Verhinderung am Nachmittag des ursprünglich als Fortsetzungstermin vorgesehenen 22.11.2017 wegen einer auswärtigen Terminierung zeigte, dass seine geltend gemachten Terminkollisionen durchaus kritisch zu hinterfragen gewesen wären. Die Prioritätensetzung des Verteidigers erscheint überprüfungswürdig. Ausweislich jener vorgelegten amtsgerichtlichen Ladung vom 28.09.2017 - also nach der Terminverfügung in dieser Sache vom 01.08.2017 - räumte er einem Termin vor dem Strafrichter in einem Strafbefehlsverfahren den Vorrang gegenüber der vorliegenden Haftsache vor der Großen Strafkammer ein; offensichtlich war noch nicht einmal der Versuch unternommen worden, beim Amtsgericht - ggf. unter Einbeziehung des Vorsitzenden der erkennenden Strafkammer - eine Terminsverlegung zu erreichen.
61 
3. Die Haft des Beschwerdeführers kann auch nicht gestützt auf § 230 Abs. 2 StPO aufrecht erhalten bleiben.
62 
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Vorgehensweise der Strafkammer, die ihren Haftbefehl vom 30.03.2016 sowohl auf § 112 StPO als auch auf § 230 Abs. 2 StPO gestützt hat, zulässig war und ob (die Zulässigkeit einmal unterstellt) der Haftbefehl - soweit er auf § 230 Abs. 2 StPO gestützt wurde - durch die mit Beschluss vom 13.05.2016 erfolgte Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO gegenstandslos wurde (so OLG Hamm NStZ-RR 2009, 89; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 230 Rn. 23; aA: OLG Nürnberg NStZ-RR 2016, 285).
63 
Jedenfalls unterliegen auch der Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO und seine Aufrechterhaltung dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit; es gilt das Übermaßverbot (BVerfGE 32, 87 <94>; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 21.04.2009 - 1 Ws 141/09 - juris). Das betrifft nicht nur seinen Erlass, sondern auch seine Aufrechterhaltung über einen längeren Zeitraum. Bei Vollstreckung eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO muss die Hauptverhandlung in angemessener Frist durchgeführt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 230 Rn. 23 mwN), d. h. auch insoweit gilt das generelle Beschleunigungsgebot in Haftsachen (Thüringer Oberlandesgericht aaO).
64 
Da dieses nach dem oben Gesagten in einem Maße verletzt wurde, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt ist, unterfällt der Haftbefehl vom 30.03.2016 insgesamt der Aufhebung.
65 
4. Sollte der Angeklagte bei der weiteren Fortsetzung der Hauptverhandlung ausbleiben, so kann diese gemäß § 231 Abs. 2 StPO in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn die Kammer nach pflichtgemäßem Ermessen seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet.
III.
66 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.

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