Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 20 UF 155/18

Tenor

1. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 6 wird Ziffer 2 - vorletzter Absatz - des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Weinheim vom 10.10.2018, 3 F 13/18, abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Ehemanns bei der P. der Mitarbeiter der H.-Gruppe VVaG (Vers. Nr. ..., Zulagenversicherung (1R00)) zugunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 1.049,06 Euro nach Maßgabe der „Satzung und Allgemeine Versicherungsbedingungen der P. der Mitarbeiter der H.-Gruppe VVaG in ihren Fassungen vom 01.07.2018“, bezogen auf den 31.01.2018, übertragen.

2. Von einer Erhebung der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 6 richtet sich gegen die unterbliebene interne Teilung eines bei ihr bestehenden Versorgungsanrechts im Versorgungsausgleich bei der Scheidung.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht auf den am 10.02.2018 zugestellten Scheidungsantrag die am 06.09.2003 geschlossene Ehe der Ehegatten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
Während der Ehezeit (01.09.2003 bis 31.01.2018, § 3 VersAusglG) hat der Ehemann - soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse - Versorgungsanrechte der betrieblichen Altersversorgung bei der P. der Mitarbeiter der H.-Gruppe VVaG (im Folgenden: weitere Beteiligte zu 6) erworben. Hierbei handelte es sich zum einen um ein Anrecht der Pensionsversicherung (1GOO) mit einem Ehezeitanteil in Höhe von 48.310 EUR und einem Ausgleichswert in Höhe von 23.905 EUR und zum anderen um ein Anrecht der Zulagenversicherung (1ROO) mit einem Ehezeitanteil in Höhe von 2.163 EUR und einem Ausgleichswert in Höhe von 1.049,06 EUR.
Bereits in ihren Auskünften vom 14.08.2018 hat die weitere Beteiligte zu 6 die interne Teilung des Anrechts des Ehemanns aus der Zulagenversicherung (1ROO) beantragt und darauf hingewiesen, dass die Anrechte des Ehemanns aus der bei ihr bestehenden Pensionsversicherung (1GOO) und aus der Zulagenversicherung (1ROO) nur zusammen beurteilt werden könnten. Eine isolierte Teilung nur eines dieser beiden Anrechte sei, ungeachtet der Höhe der Ausgleichswerte, nicht möglich.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10.10.2018 hat das Amtsgericht in Ziffer 2 zweiter Absatz der Entscheidungsformel das Anrecht des Ehemanns aus der Pensionsversicherung (1GOO) bei der weiteren Beteiligten zu 6 ausgeglichen und im Wege interner Teilung ein Anrecht in Höhe von 23.905 EUR zugunsten der Ehefrau bezogen auf den 31.01.2018 übertragen. In Ziffer 2 vorletzter Absatz der Entscheidungsformel hat das Amtsgericht ausgesprochen, dass ein Ausgleich des Anrechts des Ehemanns aus der Zulagenversicherung (1ROO) bei der weiteren Beteiligten zu 6 unterbleibt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass das Anrecht des Ehemanns aus der Zulagenversicherung bei der weiteren Beteiligten zu 6 mit einem Ausgleichswert von 1.049,06 EUR nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG überschreite und deshalb gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen werde.
Gegen den ihr am 16.10.2018 zugestellten Beschluss hat die weitere Beteiligte zu 6 am 23.10.2018 Beschwerde eingelegt. Mit ihrer Beschwerde rügt die weitere Beteiligte zu 6, dass das Amtsgericht von einem Ausgleich des bei ihr bestehenden Anrechts des Ehemanns in der Zulagenversicherung abgesehen hat. Richtigerweise sei das Anrecht entsprechend ihrem Teilungsvorschlag ebenfalls intern zu teilen gewesen.
Die übrigen Verfahrensbeteiligten sind der Beschwerde nicht entgegen getreten.
Der Senat hat den Beteiligten die im schriftlichen Verfahren beabsichtigte Entscheidung mitgeteilt, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG. Innerhalb der Frist zur Stellungnahme wurden keine Einwendungen erhoben.
II.
1. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 6 ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig.
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Die weitere Beteiligte zu 6 ist beschwerdebefugt.
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Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen ein Versorgungsträger gegen den Nichtausgleich seines Anrechts vorgehen kann. Grundsätzlich sind Versorgungsträger beschwerdebefugt, wenn sie geltend machen, durch die angefochtene Entscheidung in ihren Rechten beeinträchtigt zu sein. Der Bundesgerichtshof hat eine Beschwerdebefugnis des Versorgungsträgers in den Fällen bejaht, wenn eine unrichtige Beurteilung der gesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 18 VersAusglG gerügt wird, d.h. wenn der Versorgungsträger mit seinem Rechtsmittel geltend macht, dass dem Gericht entweder Bewertungs- oder Berechnungsfehler unterlaufen oder die Rechtsbegriffe der Gleichartigkeit oder der Geringfügigkeit nicht richtig beurteilt worden sind (BGH, FamRZ 2013, 612). Ebenfalls beschwerdebefugt ist ein Versorgungsträger, dessen Anrecht in der Entscheidung überhaupt nicht behandelt wurde (BGH, FamRZ 2015, 2125).
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Ein Versorgungsträger ist darüber hinaus auch dann beschwert, wenn ein bei ihm bestehendes einheitliches Versorgungsanrecht nicht einheitlich ausgeglichen worden ist. Dies ist der Fall, wenn bei einem Versorgungsträger zwei wirtschaftlich eigenständige Anrechte bestehen und bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs nur eines der beiden Anrechte geteilt wird, weil der Ausgleich des anderen nach § 18 VersAusglG auszuschließen sei. Die Beschwer des Versorgungsträgers ergibt sich dann aus der Störung der Rechtsausübung des Versorgungsträgers, wenn das ausgeglichene Anrecht anderweitig mit dem nicht ausgeglichenen Anrecht verbunden ist, etwa durch die steuerrechtliche Begünstigung im Rahmen des § 10a EStG (vgl. OLG Saarbrücken, FamRZ 2012, 306, 307 zur Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst-Gruppe; OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1308; OLG Karlsruhe, FamRZ 2013, 306; zustimmend jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 18 VersAusglG Rn. 129 ff.; BeckOK FamFG, Stand 01.10.2018, § 219 Rn. 2; Wick, Der Versorgungsausgleich, 4. Aufl., Rn. 628; Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl., § 219 Rn. 6; diese Frage dürfte durch BGH, FamRZ 2013, 612 offen geblieben sein).
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Vorliegend macht die weitere Beteiligte zu 6 geltend, dass der fehlende Ausgleich der Zulagenversicherung (1ROO) wegen der steuerlichen Privilegierung der aus versteuerten Einkünften aufgebauten Versorgung des Ehemanns zu negativen Ergebnissen führen könne. Da die steuerliche Förderung sich aus der Gewährung von sogenannten Altersvorsorgezulagen nach dem Einkommensteuergesetz und einem Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG zusammensetze, werde die Pensions- und Zulagenversicherung als gefördertes Altersvorsorgevermögen im Sinne des Einkommensteuergesetzes betrachtet. Da die Zulagenstelle für Altersvorsorgevermögen die Zulagen rein steuerrechtlich betrachte, könne die wegen § 18 Abs. 2 VersAusglG unterbliebene Teilung der Zulagenversicherung für die beteiligten Ehegatten aus steuerrechtlichen Gründen zu unangemessenen Ergebnissen führen. Denn dem ausgleichsberechtigten Ehegatten könnten steuerrechtlich Zulagen zugeordnet werden, die er wegen der nicht erfolgten Teilung der Zulagenversicherung im Versorgungsausgleich gar nicht erhalten habe und die aber im Fall einer schädlichen Verwendung trotzdem zurückgezahlt werden müssten. § 18 Abs. 2 VersAusglG stehe der Teilung eines Anrechts mit nur geringem Wert im Sinne des § 18 Abs. 3 VersAusglG nicht entgegen. Die Vorschrift lasse im begründeten Einzelfall eine interne Teilung trotz eines geringen Ausgleichswerts zu, da dem Gericht insoweit ein Ermessen zustehe. Die oben geschilderte steuerrechtliche Verknüpfung im Rahmen des so genannten geförderten Altersvorsorgevermögensgesetzes gebiete es sogar, die Teilung des Anrechts des Antragstellers aus der Zulagenversicherung anzuordnen.
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Mit diesem Vorbringen hat die weitere Beteiligte zu 6 hinreichend dargetan, dass durch die unterschiedliche Behandlung der Pensionsversicherung einerseits und der Zulagenversicherung andererseits jedenfalls auch sie selbst in dem vorgenannten Sinne in der Ausübung eigener Rechte als Versorgungsträger beeinträchtigt ist. Denn sie rügt der Sache nach nicht nur eine mögliche steuerrechtliche Ungleichbehandlung zum Nachteil des ausgleichsberechtigten Ehegatten, sondern zugleich auch eine unrichtige Beurteilung der gesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen von § 18 VersAusglG durch das Amtsgericht, weil nach ihrer Auffassung die dargelegte „steuerrechtliche Verknüpfung“ der beiden Anrechte als einkommensteuerrechtlich gefördertes Altersvorsorgevermögen im Rahmen von § 18 Abs. 2 VersAusglG zur Teilung auch des Anrechts des Antragstellers aus der Zulagenversicherung führen müsse.
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2. In der Sache hat die Beschwerde Erfolg und führt zur Abänderung des vorletzten Absatzes von Ziffer 2 der Entscheidungsformel des angefochtenen Beschlusses.
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a) Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen. Gering ist ein Ausgleichswert gem. § 18 Abs. 3 VersAusglG, wenn er am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße höchstens 1 Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert höchstens 120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt.
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Geringwertige Anrechte sind nur dann auszugleichen, wenn nach gerichtlichem Ermessen besondere Gründe für den Ausgleich sprechen. Zweck des § 18 Abs. 2 VersAusglG ist es, auf Seiten des zuständigen Versorgungsträgers einen gemessen am geringen Ausgleichswert unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, der durch die Teilung und Aufnahme eines neuen Anwärters - wie es dem gesetzlichen Leitbild der internen Teilung entspricht - regelmäßig entsteht. Nach dem Gesetzeszweck sind daher die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten des Versorgungsträgers gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen.
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Wenn einzelne Anrechte aus einer betrieblichen Altersversorgung mit mehreren Teilen oder Bausteinen intern geteilt werden, ist bei der Entscheidung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG auch eine Gesamtbetrachtung aller Bausteine vorzunehmen und der Gesamtwert dieser Anrechte in die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen. Auch wenn nach § 18 Abs. 2 VersAusglG nur hinsichtlich einzelner Teile oder Bausteine einer betrieblichen Altersversorgung von der sonst gebotenen internen Teilung abgesehen würde, kann dies im Rahmen der Gesamtbetrachtung einen ungerechtfertigten Eingriff in den Halbteilungsgrundsatz begründen (BGH, FamRZ 2012, 610 Rn. 27).
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b) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Anrecht des Ehemanns aus der Zulagenversicherung bei der weiteren Beteiligten zu 6 um ein Anrecht mit einem geringen Ausgleichswert im Sinne des § 18 Abs. 2 VersAusglG handelt. Vorliegend beträgt der Ausgleichswert des Anrechts des Ehemanns aus der Zulagenversicherung bei der weiteren Beteiligten zu 6 1.049,06 EUR und unterschreitet damit die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG.
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Die dem Gericht übertragene Ermessensausübung führt aber vorliegend zu einem Ausgleich auch des Anrechts des Ehemanns auf Zulagenversicherung.
21 
Zwar entsteht für den Versorgungsträger im Rahmen einer internen Teilung ein höherer Verwaltungsaufwand als bei der externen Teilung, weil für den Ausgleichsberechtigten ein zusätzliches Konto eingerichtet und geführt werden muss. Dieser zusätzliche Verwaltungsaufwand könnte vermieden werden, wenn das einzelne Anrecht nach dem Zweck des § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht ausgeglichen würde. Dabei ist aber zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Versorgungsträger gemäß § 13 VersAusglG die durch eine interne Teilung entstehenden höheren Kosten mit den Anrechten beider Ehegatten verrechnen kann, soweit sie angemessen sind. Angesichts dieser Möglichkeit zur Kompensation verlieren die zusätzlichen Verwaltungskosten als Belange der Versorgungsträger an Bedeutung (BGH, FamRZ 2012, 610 Rn. 31). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Aufwand beim Versorgungsträger für die Einrichtung eines Versicherungskontos für die ausgleichsberechtigte Ehefrau nicht erheblich ins Gewicht fallen dürfte, nachdem ohnehin das weitere (nicht geringfügige) Anrecht des Ehemanns aus der Pensionsversicherung bei demselben Versorgungsträger auszugleichen ist (vgl. auch OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1308, 1309; Wick, Der Versorgungsausgleich, 4. Aufl., Rn. 427). Im Übrigen verlangt die weitere Beteiligte zu 6 ihrerseits den Ausgleich und gibt damit zu erkennen, dass sie diesem zusätzlichen Aufwand keine Bedeutung beimisst.
22 
§ 18 Abs. 2 VersAusglG verfolgt den weiteren Zweck, auch aus Sicht der Ehegatten unvorteilhafte Splitterversorgungen zu vermeiden (BT-Drucks. 16/10144 S. 43, 58). Diese entstehen aber gerade dann nicht, wenn in einem Versorgungssystem mehrere Bausteine ausgeglichen werden, die zwar im Verfahren als gesonderte Anrechte zu behandeln sind, im Versorgungsfall aber in einen Rentenbetrag zusammen fließen (BGH, FamRZ 2012, 610 Rn. 32).
23 
Dazu kommt die steuerliche Verknüpfung der beiden Elemente der einheitlichen betrieblichen Altersvorsorge, die nach dem unbestrittenen Vortrag der weiteren Beteiligten zu 6 eine einheitliche Behandlung der Versorgungsanteile trotz deren wirtschaftlicher Eigenständigkeit gebietet. Diese steuerliche Verbindung muss auch nach Auffassung des Senats eine Ausnahme gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG rechtfertigen können, weil das von der Beschwerdeführerin beschriebene steuerliche Ergebnis in keiner Weise dem gesetzgeberischen Ziel der Verwaltungsvereinfachung dient (OLG Frankfurt, FamRZ 2012, 1308, 1309; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14.04.2011, 6 UF 28/11, juris Rn. 12).
24 
Danach ist auch die Zulagenversicherung - nach Abzug der nicht zu beanstandenden Teilungskosten nach § 13 VersAusglG - im Versorgungsausgleich mit einem Ausgleichsbetrag von 1.049,06 EUR intern zu teilen.
III.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 FamGKG, §§ 150 Abs. 1 und Abs. 3 FamFG.
26 
Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Ausgehend von dem dreifachen gemeinschaftlichen Nettoeinkommen der Ehegatten (9.000 EUR + 1.000 EUR = 10.000, dies mal drei) ergibt sich bei einem in der Beschwerdeinstanz angefallenen Anrecht ein Verfahrenswert von 3.000 EUR.
27 
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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