Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Rv 7 Ss 74/19

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 5.11.2018 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Heidelberg zurückverwiesen.

Gründe

 
Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht Heidelberg wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 EUR aus dem Urteil des Amtsgerichts H vom 9.3.2017 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft - auf den Strafausspruch beschränkt - und dem Angeklagten eingelegten Berufungen hat das Landgericht Heidelberg mit dem angefochtenen Urteil mit der Maßgabe verworfen, dass die Einbeziehung der - zwischenzeitlich durch Bezahlung erledigten - Geldstrafe entfällt.
Die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten hat mit der erhobenen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.
1. Die Revision des Angeklagten ist mit der Revisionsbegründung wirksam auf den Ausspruch über die Gesamtstrafe beschränkt worden. Zwar wird am Ende des Begründungsschriftsatzes die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt. Da dem jedoch ausschließlich Ausführungen vorausgehen, die sich mit dem Gesamtstrafenausspruch und mit dem Ausspruch über die Aussetzung der Strafe zur Bewährung befassen und der Antrag mit der Wendung eingeleitet wird, dass „deshalb“ die Aufhebung des Urteils beantragt werde, ergibt die Auslegung des in sich widersprüchlichen Begründungsschriftsatzes, dass sich der Beschwerdeführer nur gegen den Gesamtstrafenausspruch und die sich heran anschließende Versagung der Aussetzung dieser Strafe zur Bewährung im angefochtenen Urteil wendet.
2. Im vorbeschriebenen Umfang erweist sich die Revision als begründet, weil der Gesamtstrafenausspruch an durchgreifenden Rechtsfehlern leidet.
a) Das Landgericht hat auf dieselbe Gesamtstrafe wie das Amtsgericht erkannt, obwohl sich die Bewertungsgrundlage mit dem Wegfall der vom Amtsgericht einbezogenen Geldstrafe zugunsten des Angeklagten geändert hatte. Dies hätte näherer Begründung bedurft (Senat, Beschluss vom 7.4.2016 - 2 (6) Ss 110/16, juris, m.w.N.). Da diese fehlt, erweist sich das Urteil als lückenhaft. Die Höhe der Strafe beruhte ausweislich der Urteilsgründe, wonach die Berufung der Staatsanwaltschaft ebenfalls keinen Erfolg gehabt habe, auch nicht auf deren zuungunsten des Angeklagten eingelegtem Rechtsmittel.
b) Zudem kann die Versagung eines Härteausgleichs für den Wegfall der vom Amtsgericht einbezogenen Geldstrafe keinen Bestand haben.
Allerdings hat auch der Senat auf der Grundlage von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH NStZ 1990, 436; NStZ-RR 2013, 10) bisher die Auffassung vertreten, dass bei Wegfall einer durch Bezahlung erledigten Geldstrafe keine ausgleichsfähige Härte vorliege, weil die Bildung einer Gesamtstrafe zu einer höheren (Gesamt-)Freiheitsstrafe und damit zu einer Erhöhung des Strafübels geführt hätte (Senat, Beschluss vom 27.12.2016 - 2 (10) Ss 656/16, StV 2018, 434). Hieran kann jedoch im Hinblick auf den stattgebenden Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2017 - 2 BvR 2312/17 (StraFo 2018, 106) nicht mehr ohne Weiteres festgehalten werden. Darin ist ausgeführt, dass es für die Beschwer eines Angeklagten auf eine konkrete Betrachtung des Strafübels ankomme. Zwar führt die Bildung einer Gesamtstrafe aus einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe zu einer Erhöhung der Freiheitsstrafe (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB), wobei die Gesamtstrafe aber nicht die Summe der Einzelstrafen erreichen darf (§ 54 Abs. 2 Satz 1 StGB). Da andererseits aber die bezahlte Geldstrafe in voller Höhe auf die Gesamtstrafe anzurechnen ist (§ 51 Abs. 2 StGB), wobei ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe entspricht (§ 51 Abs. 4 Satz 1 StGB), wird sich die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe in aller Regel im Hinblick auf die tatsächlich drohende Vollstreckungsdauer als die für den Angeklagten günstigere Lösung darstellen. Wird die Bildung der Gesamtstrafe durch die Erledigung der einbeziehungsfähigen Geldstrafe unmöglich, ist deshalb dem dadurch entstehenden Nachteil durch Vornahme eines Härteausgleichs Rechnung zu tragen (ebenso bereits OLG Celle, Beschluss vom 20.11.2018 - 2 Ss 114/18 -, juris).
Der Gesamtstrafenausspruch ist deshalb mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO). Dies entzieht auch der - für sich genommen rechtsfehlerfreien - Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung den Boden. Da die Entscheidung über einen Härteausgleich nach der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ganz überwiegend vertretenen Auffassung nicht in den Anwendungsbereich der §§ 460, 462 StPO fällt (Beschlüsse vom 29.11.2011 - 3 StR 358/11, vom 5.3.2013 - 3 StR 525/12, vom 7.1.2014 - 3 StR 337/13 und vom 17.9.2014 - 2 StR 325/14, juris; NStZ-RR 2016, 251; anders aber NStZ-RR 2015, 20), ist die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an das Landgericht Heidelberg zurückzuverweisen.

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