Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 17 U 102/18

Gründe

 
1. Der Senat weist im Nachgang zur mündlichen Verhandlung in Bezug auf die gegen die Beklagte Ziff. 1 (Händlerin) gerichtete Klage auf Folgendes hin:
a) Zwar ist der in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand der Beklagten zutreffend, dass die Klägerin die Minderung erstmals mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 (Replik) erklärt hat (und damit zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin bereits darüber in Kenntnis gesetzt worden war, dass das von dem Kraftfahrtbundesamt freigegebene Softwareupdate für das hier in Streit stehende Fahrzeug bereits zur Verfügung steht). Ob in diesem Zeitpunkt der Minderungserklärung eine Behebung des in der Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständigen Zulassungsbehörde bestehenden Sachmangels (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 – juris Rn. 5) durch Durchführung des Softwareupdates möglich war (vgl. hierzu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 28. August 2019 – 2 U 94/18 –, juris Rn. 28 ff mwN) und dieser Mangel zwischenzeitlich durch das Aufspielen des Softwareupdates tatsächlich behoben worden ist (vgl. hierzu OLG Koblenz, Urteil vom 6. Juni 2019 – 1 U 1552/18 –, juris Rn. 40 mwN; KG Berlin, Beschluss vom 30. April 2019 – 21 U 49/18 –, juris Rn. 17 mwN), kann indes (derzeit) dahinstehen.
Denn die Klägerin begründet den geltend gemachten Minderwert nicht (nur) damit, dass im Zeitpunkt ihrer Minderungserklärung die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständigen Zulassungsbehörde bestanden habe. Vielmehr behauptet sie auch für den Fall der erfolgreichen Beseitigung dieser Gefahr einen Minderwert alleine aufgrund des Umstandes, dass im Zeitpunkt des Kaufvertrages in der Motorsteuerung des erworbenen Fahrzeugs die hier in Streit stehende Software zur Abgassteuerung installiert war (vgl. Schriftsatz vom 21. Dezember 2017, S. 94 ff. = I 609 ff.; Schriftsatz vom 16. August 2019, S. 3 ff = II 459 ff.; 14.03.2019, S.38 ff. = II 169 ff; Schriftsatz vom 16. August 2019, S. 3 ff = II 459 ff.).
b) Voraussetzung der Minderung ist das Vorliegen eines Mangels im Zeitpunkt der Minderungserklärung.
Deshalb kommt es für das Bestehen eines Minderungsanspruchs zunächst darauf an, ob – was die Klägerin behauptet und die Beklagte Ziff. 1 bestreitet – im Zeitpunkt der Minderungserklärung ein Minderwert alleine aufgrund des Umstandes bestand, dass ursprünglich in der Motorsteuerung des erworbenen Fahrzeugs die hier in Streit stehende Software zur Abgassteuerung installiert war, auch wenn die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch das Aufspielen des von dem KBA freigegebenen Softwareupdates beseitigt werden konnte.
Hierüber ist Beweis zu erheben durch Einholung des von der Klägerin angebotenen Sachverständigengutachtens, wobei es in diesem Zusammenhang im Hinblick darauf, dass der Ausschlussgrund des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB für die Minderung keine Anwendung findet (vgl. § 441 Abs. 1 Satz 2 BGB), nicht auf die Höhe des Minderwertes ankommt.
c) Sollte das Vorliegen eines Minderwertes im Zeitpunkt der Minderungserklärung aufgrund des Umstandes, dass in der Motorsteuerung des erworbenen Fahrzeugs ursprünglich die hier in Streit stehende Software zur Abgassteuerung installiert war, feststehen, kommt es gemäß § 441 Abs. 3 Satz 1 BGB für die Höhe des Minderwertes auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an.
Daher ist durch Einholung des von der Klägerin angebotenen Sachverständigengutachtens zugleich auch darüber Beweis zu erheben, ob durch die Installation der in Streit stehenden Software zur Abgassteuerung eine Wertminderung von – was die Klägerin behauptet und die Beklagte Ziff. 1 bestreitet – mindestens 5.625 EUR (= 25 % des Kaufpreises) eingetreten ist, wobei der Minderwert auf den Kaufzeitpunkt (24. Februar 2012) ermittelt und unterstellt werden soll, dass zu diesem Zeitpunkt bereits das Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung bekannt gewesen wäre.
2. In Bezug auf die gegen die Beklagte Ziff. 2 (Herstellerin) gerichtete Klage weist der Senat im Nachgang zur mündlichen Verhandlung auf Folgendes hin:
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a) Auch wenn bereits die Lebenserfahrung dafür spricht, dass die Klägerin von dem Kauf des hier in Streit stehenden Fahrzeugs Abstand genommen hätte, wäre ihr bekannt gewesen, dass das Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 18. Juli 2019 –, juris Rn. 100), dürfte sie – wie ein Anleger, der bewogen wurde, einer Anlagegesellschaft als Kommanditist beizutreten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 6. Februar 2018 – II ZR 17/17 –, juris Rn. 15) – statt der Rückabwicklung des Kaufvertrages an ihrer Kaufentscheidung festhalten und Ersatz des Betrages verlangen können, um den sie das Fahrzeug wegen des Vorhandenseins der unzulässigen Abschalteinrichtung zu teuer erworben hat.
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b) Daher ist auch in Bezug auf die gegen die Beklagte Ziff. 2 gerichtete Klage durch Einholung des von der Klägerin angebotenen Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, ob durch die Installation der in Streit stehenden Software zur Abgassteuerung eine Wertminderung von – was die Klägerin behauptet und die Beklagte Ziff. 2 bestreitet – mindestens 5.625 EUR (= 25 % des Kaufpreises) eingetreten ist, wobei der Minderwert auf den Kaufzeitpunkt (24. Februar 2012) ermittelt und unterstellt werden soll, dass zu diesem Zeitpunkt bereits das Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung bekannt gewesen wäre.
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3. Die Parteien mögen sich zu den ihrer Ansicht nach in Frage kommenden Sachverständigen äußern.
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Der Senat tendiert dahin, einen Sachverständigen für Kfz-Bewertung zu beauftragen, der zumindest auch Erfahrungen auf dem Bereich der Marktforschung aufweisen kann.

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