Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 9 W 12/20

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 04.03.2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Frau H. H.. Im Verfahren vor dem Landgericht hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin beantragt. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Teilabweisung dieses Antrags durch das Landgericht.
Die Antragsgegnerin hatte Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin aus verschiedenen Warenlieferungen in den Jahren 2011 und 2012. Am 30.05.2012 erwirkte die Antragsgegnerin einen Vollstreckungsbescheid wegen ihrer Forderungen gegen die Schuldnerin über eine Gesamtforderung in Höhe von 33.714,62 EUR nebst Zinsen. Am 23.08.2012 trafen die Antragsgegnerin und die Schuldnerin eine Vereinbarung über die ratenweise Bezahlung der Forderungen aus dem Vollstreckungsbescheid. (Vgl. die Anlage B 3). Am 02.12.2013 erklärte Herr J. H. einen Schuldbeitritt nebst Schuldanerkenntnis zu den Forderungen der Antragsgegnerin gegen die Schuldnerin. In der Zeit zwischen Dezember 2012 und November 2016 erfolgten Ratenzahlungen an die Antragsgegnerin über einen Gesamtbetrag von 15.500,00 EUR. Die Raten in der Zeit von Januar 2014 bis März 2015 wurden unstreitig nicht von der Schuldnerin, sondern von Herrn J. H. gezahlt. Mit Beschluss vom 24.02.2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und die Antragstellerin zur Insolvenzverwalterin bestellt.
Die Antragstellerin hat Prozesskostenhilfe beantragt für eine beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin über 15.500,00 EUR nebst Zinsen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, sämtliche Zahlungen, welche sie in der Zeit zwischen Dezember 2012 und November 2016 auf die Forderungen gegen die Schuldnerin verrechnet habe, an die Antragstellerin als Insolvenzverwalterin zu erstatten. Denn bei sämtlichen Zahlungen habe es sich um anfechtbare Rechtshandlungen der Schuldnerin gehandelt. Dies gelte auch für die Zahlungen des Herrn J. H. in der Zeit zwischen Dezember 2014 und März 2015. Herr J. H. sei der Ehemann der Schuldnerin gewesen.
Die Antragsgegnerin ist dem Prozesskostenhilfeantrag mit verschiedenen Einwendungen entgegengetreten. Die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung der Antragstellerin gemäß § 129 ff. InsO seien nicht gegeben. Herr J. H. sei nicht der Ehemann der Schuldnerin, sondern deren Bruder. Für Zahlungen des Bruders aufgrund des Schuldbeitritts vom 02.12.2013 scheide eine Insolvenzanfechtung von vornherein aus Rechtsgründen aus.
Mit Beschluss vom 04.03.2020 hat das Landgericht der Antragstellerin teilweise Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage bewilligt, und zwar in Höhe eines Streitwerts von 8.000,00 EUR. Wegen des übersteigenden Betrages hat das Landgericht den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Die beabsichtigte Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit die Antragstellerin eine Erstattung von Zahlungen geltend machen wolle, welche nicht von der Schuldnerin, sondern von J. H. geleistet worden seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass auch die Zahlungen von Herrn J. H. in Höhe von insgesamt 7.500,00 EUR insolvenzrechtlich anfechtbar seien. Die Leistung eines Dritten, vorliegend des Ehemannes der Schuldnerin, sei anfechtungsrechtlich als Leistung der Schuldnerin zu behandeln, wenn die Zahlung im Einvernehmen mit der Schuldnerin erfolgt sei. Auch der Schuldbeitritt des Herrn J. H. sei nicht insolvenzfest.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 31.03.2020 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Entscheidung vorgelegt.
Die Parteien hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht Prozesskostenhilfe teilweise verweigert. Denn die beabsichtigte Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit die Antragstellerin eine Auskehrung der Zahlungen von Herrn J. H. in Höhe von insgesamt 7.500,00 EUR verlangt, welche dieser in der Zeit von Januar 2014 bis März 2015 an die Antragsgegnerin geleistet hat.
10 
Die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO i. V. m. § 143 InsO) liegen hinsichtlich der Zahlungen von Herrn J. H. nicht vor. Denn die Zahlungen von Herrn J. H. in der Zeit zwischen Dezember 2014 und März 2015 sind keine Rechtshandlung der Schuldnerin im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO. Zahlungen eines Dritten an die Anfechtungsgegnerin sind im Rahmen von § 129 Abs. 1 InsO der Schuldnerin nicht zuzurechnen, wenn es sich um Leistungen des Dritten auf eine eigene Schuld handelt (vgl. Borries/Hirte in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, Band 1, 15. Auflage 2019, § 129 InsO Rn. 325 ff., mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies gilt insbesondere bei einem Schuldbeitritt des Dritten (vgl. Borries/Hirte, a. a. O., § 129 InsO, Rn. 325). Aus dem Schuldbeitritt des Herrn J. H. vom 02.12.2013 ergibt sich eine konkludente Tilgungsbestimmung bei den späteren Zahlungen, so dass von einer Leistung des Herrn J. H. auf eigene Verpflichtungen gegenüber der Antragsgegnerin, und nicht auf die Verpflichtungen der Insolvenzschuldnerin, auszugehen ist. Anhaltspunkte für eine anderweitige Tilgungsbestimmung sind nicht ersichtlich und von der Antragstellerin nicht vorgetragen. Dass mit der Zahlung des Dritten gleichzeitig eine Anrechnung auf die Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der Antragsgegnerin erfolgt ist, ändert nichts daran, dass keine Rechtshandlung der Schuldnerin vorliegt (vgl. Borries/Hirte, a. a. O.).
11 
Zu Unrecht beruft sich die Antragstellerin bei den Zahlungen von Herrn J. H. auf ein (mögliches) Einvernehmen zwischen der Schuldnerin und dem zahlenden Dritten. „Einvernehmliche“ Zahlungen des Dritten (vgl. dazu Borries/Hirte, a. a. O., § 129 InsO, Rn. 265 ff.) sind im Sinne einer Rechtshandlung der Schuldnerin nur dann relevant, wenn der Dritte nicht - wie vorliegend - auf eine eigene Verpflichtung der Anfechtungsgegnerin zahlt.
12 
Auf die weiteren von der Antragstellerin geltend gemachten Umstände kommt es nicht an. Es ist rechtlich nicht erheblich, aus welchen Gründen Herr J. H. den Schuldbeitritt erklärt hat. Es kommt auch nicht auf die streitige Frage an, ob es sich bei dem Dritten um den Ehemann oder den Bruder der Schuldnerin handelt. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu einem „Aufzehren einer virtuellen Liquidität der Schuldnerin“ und zur Erschöpfung „potentieller Kreditmittel“ haben im Übrigen keine rechtliche Grundlage in den Bestimmungen der Insolvenzordnung.
13 
Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

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